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Karg-Heft Nr. 9: Das Drehtürmodell in der schulischen Begabtenförderung

Studienergebnisse und Praxiseinblicke aus Nordrhein-Westfalen

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Interview mit Prof. Dr. Christian Fischer<br />

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ten Schulen müssen natürlich auch immer für sich überlegen:<br />

»Naja, wie begleiten wir eigentlich die Schüler<strong>in</strong>nen<br />

und Schüler?« Nur die wenigsten Schulen können auf Studierende<br />

<strong>der</strong> Universität Münster o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>er Hochschulen<br />

zurückgreifen. Die Universität Duisburg-Essen hat das<br />

Modell auch schon e<strong>in</strong>mal im H<strong>in</strong>blick auf die Lehrerausbildung<br />

umgesetzt, wobei von den Schulen Anfragen an<br />

die Uni kamen. Die Uni Pa<strong>der</strong>born macht dies ebenso. Wir<br />

sehen aber auch, dass e<strong>in</strong>ige Schulen das Label »For<strong>der</strong>-<br />

För<strong>der</strong>-Projekt (FFP)« verwenden und nicht die entsprechende<br />

Weiterbildung besucht haben. Insofern können wir<br />

nicht garantieren, dass alles, was unter dem Label »FFP«<br />

läuft, sich auch an den impliziten Qualitätsstandards des<br />

Projektformats orientiert.<br />

GREITEN: Welche Gel<strong>in</strong>gensbed<strong>in</strong>gungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule vor<br />

Ort s<strong>in</strong>d notwendig, um das FFP zu etablieren?<br />

FISCHER: Ja, zum e<strong>in</strong>en ist es so, dass es Lehrpersonen<br />

braucht, die <strong>in</strong>teressiert und bereit s<strong>in</strong>d, dieses Projekt<br />

durchzuführen. Man braucht auch Ressourcen, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel<br />

von e<strong>in</strong>er wöchentlichen Doppelstunde, zum<strong>in</strong>dest im<br />

zweiten Schulhalbjahr. Im ersten Halbjahr stehen aber auch<br />

die entsprechenden Vorbereitungen an. Die Schulleitung<br />

muss selbstverständlich mit <strong>der</strong> Durchführung e<strong>in</strong>verstanden<br />

se<strong>in</strong> o<strong>der</strong> auch die Steuergruppe. <strong>Das</strong> Projekt muss von<br />

allen Beteiligten gewollt se<strong>in</strong>. Natürlich hängt e<strong>in</strong>iges davon<br />

ab, <strong>in</strong> welcher Projektform das Projekt durchgeführt werden<br />

soll. Im <strong>Drehtürmodell</strong> ist es e<strong>in</strong> guter E<strong>in</strong>stieg, wenn Lehrpersonen<br />

mit zusätzlichen Ressourcen e<strong>in</strong>e Gruppe betreuen<br />

können. Und dann braucht es natürlich <strong>in</strong>teressierte<br />

Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler, die das Projekt machen wollen,<br />

was aber meist ke<strong>in</strong> Problem ist. Dann ist e<strong>in</strong>e entsprechende<br />

räumliche Ausstattung notwendig, e<strong>in</strong>e offene Lernumgebung<br />

mit Computern und passenden Arbeitsplätzen. Es<br />

muss Zugänge zu Bibliotheken geben und <strong>der</strong>gleichen. Die<br />

Begleitung durch weitere Mentor<strong>in</strong>nen und Mentoren ist<br />

erfor<strong>der</strong>lich – das können qualifizierte Studierende se<strong>in</strong><br />

o<strong>der</strong> Seniorexpert<strong>in</strong>nen o<strong>der</strong> -experten o<strong>der</strong> auch Studierende<br />

<strong>in</strong> <strong>schulischen</strong> Praxisphasen, Referendare, und so weiter<br />

– also e<strong>in</strong> Netzwerk von Unterstützern.<br />

GREITEN: Was machen die Schulen mit dem Projekt, wenn<br />

bestimmte Ressourcen nicht vorhanden s<strong>in</strong>d?<br />

FISCHER: E<strong>in</strong>e Variante kann dar<strong>in</strong> bestehen, dass sich<br />

Schulen alternative Personen suchen, die dieses Projekt<br />

begleiten, wozu auch ältere Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler gehören<br />

können. E<strong>in</strong>e zweite Variante kann se<strong>in</strong>, dass die<br />

Schulen den strategischen Fokus nicht <strong>in</strong> dem Maße betonen,<br />

nicht so stark hervorheben, wie wir dies üblicherweise<br />

tun. Son<strong>der</strong>n eher die Idee haben, <strong>in</strong>teressenorientierte<br />

Arbeiten an eigenen Themen anzubieten, die dann dokumentiert<br />

und präsentiert werden, dass also die Expertenarbeiten<br />

o<strong>der</strong> auch die Expertenvorträge nicht so ausführlich<br />

umgesetzt werden.<br />

GREITEN: Wie wird es weitergehen?<br />

FISCHER: E<strong>in</strong>erseits, es ist die Frage zu stellen, wie man das<br />

Projektformat <strong>in</strong> <strong>in</strong>klusiven Sett<strong>in</strong>gs weiter anpassen kann.<br />

<strong>Das</strong> ist sicherlich e<strong>in</strong>e Herausfor<strong>der</strong>ung, weil auch vermehrt<br />

Schulen, die im FFP-Kontext e<strong>in</strong>gebunden s<strong>in</strong>d, solche<br />

Schulen werden, die auch K<strong>in</strong><strong>der</strong> mit dem För<strong>der</strong>bedarf Lernen<br />

o<strong>der</strong> emotionale und soziale Entwicklung e<strong>in</strong>beziehen.<br />

Solche Anpassungen werden <strong>der</strong>zeit schon umgesetzt. E<strong>in</strong><br />

an<strong>der</strong>er Punkt ist die Frage, wie es denn <strong>in</strong> <strong>der</strong> Oberstufe<br />

weitergeht. Da s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>mal Oberstufenschüler<strong>in</strong>nen und<br />

-schüler, die zum Teil als Peer-Tutoren arbeiten. Aber dann<br />

gibt es auch welche, die sagen, dass sie gerne noch weitergehen<br />

wollen, sodass sie – begleitet von engagierten und<br />

qualifizierten Studierenden – <strong>in</strong> universitäre Forschungsprojekte<br />

e<strong>in</strong>gebunden werden sollen. <strong>Das</strong> s<strong>in</strong>d beispielsweise<br />

die nächsten anstehenden Überlegungen für die Zukunft<br />

und Weiterentwicklung des For<strong>der</strong>-För<strong>der</strong>-Projekts (FFP).<br />

DIE AUTORIN UND DER INTERVIEWPARTNER <br />

DR. SILVIA GREITEN ist ausgebildete Lehrer<strong>in</strong> für Biologie, Pädagogik,<br />

Katholische Religionslehre, Psychologie und Musik<br />

und seit 2011 an die Universität Siegen im Department<br />

Erziehungswissenschaft-Psychologie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Fakultät II mit<br />

dem Schwerpunkt <strong>der</strong> Schulpädagogik <strong>der</strong> Sekundarstufen<br />

abgeordnet. Ihre Schwerpunkte <strong>in</strong> Forschung und Lehre erstrecken<br />

sich über die Schul- und Unterrichtsentwicklung im<br />

Kontext von <strong>in</strong>dividueller För<strong>der</strong>ung, Hochbegabung und Inklusion<br />

sowie <strong>der</strong> Professionalisierung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lehrerbildung.<br />

Zudem arbeitet sie am Geschwister-Scholl-Gymnasium <strong>in</strong><br />

Lüdenscheid mit den Schwerpunkten <strong>der</strong> Hochbegabtenför<strong>der</strong>ung<br />

und Konzepten <strong>der</strong> <strong>in</strong>dividuellen För<strong>der</strong>ung. Von<br />

2002 bis 2008 koord<strong>in</strong>ierte sie dort den Schulversuch »So-<br />

Beg« (Son<strong>der</strong>pädagogische Begabtenför<strong>der</strong>ung, Modellversuch<br />

zur För<strong>der</strong>ung hochbegabter Un<strong>der</strong>achiever). Seit 2006<br />

ist sie auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lehrerfortbildung tätig.<br />

PROF. DR. CHRISTIAN FISCHER ist Professor für Erziehungswissenschaft<br />

mit dem Schwerpunkt Schulpädagogik: Begabungsforschung<br />

und Individuelle För<strong>der</strong>ung an <strong>der</strong> Westfälischen<br />

Wilhelms-Universität Münster, Vorstandsvorsitzen<strong>der</strong><br />

des Internationalen Centrums für Begabungsforschung<br />

(ICBF) und wissenschaftlicher Leiter des Landeskompetenzzentrums<br />

für Individuelle För<strong>der</strong>ung NRW (LIF) <strong>in</strong> Münster.

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