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Karg-Heft Nr. 9: Das Drehtürmodell in der schulischen Begabtenförderung

Studienergebnisse und Praxiseinblicke aus Nordrhein-Westfalen

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Interview mit Prof. Dr. Christian Fischer<br />

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hat, dass projektbezogene Grundfertigkeiten vermittelt werden.<br />

Diese Vermittlung unabhängig von Themen und persönlichen<br />

Interessen zu realisieren, erschien uns schwierig.<br />

Und wir dachten dann, wir müssen die Strategievermittlung<br />

mit den persönlichen Interessengebieten koppeln. Daraus<br />

s<strong>in</strong>d dann letztlich diese sechs Stufen entstanden, wobei<br />

wir nach <strong>der</strong> För<strong>der</strong>diagnose und vor <strong>der</strong> Projektevaluation<br />

<strong>in</strong> den vier Kernphasen des Projekts (Themenwahl,<br />

Informationssuche, Projektdokumentation, Projektpräsentation)<br />

die Strategien immer mit den Themen verbunden<br />

vermitteln, die für die K<strong>in</strong><strong>der</strong> beson<strong>der</strong>s <strong>in</strong>teressant und<br />

beson<strong>der</strong>s relevant s<strong>in</strong>d. Mit <strong>der</strong> Konsequenz, dass die<br />

Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler diese Strategien mit Leichtigkeit<br />

und großem Interesse erwerben, weil sie ja schließlich <strong>der</strong><br />

Erforschung ihres persönlichen Interessengebiets dienen.<br />

<strong>Das</strong> haben wir dann kont<strong>in</strong>uierlich systematisiert. Dadurch<br />

ist eigentlich auch <strong>der</strong> Name »For<strong>der</strong>-För<strong>der</strong>-Projekt« zustande<br />

gekommen, zumal wir bei diesen K<strong>in</strong><strong>der</strong>n aus praktischen<br />

Erfahrungen heraus gemerkt haben, dass es e<strong>in</strong>erseits gilt,<br />

sie <strong>in</strong> ihren beson<strong>der</strong>en Begabungen und persönlichen Interessen<br />

herauszufor<strong>der</strong>n – das ist dieser »For<strong>der</strong>term<strong>in</strong>us«.<br />

An<strong>der</strong>seits gilt es aber auch, diese K<strong>in</strong><strong>der</strong> gezielt <strong>in</strong> ihren<br />

<strong>in</strong>dividuellen Lernkompetenzen zu för<strong>der</strong>n, zur Intervention<br />

und Prävention im Kontext von Un<strong>der</strong>achievement.<br />

Und das war auch genau die Klientel, die wir für dieses<br />

Projekt zunächst e<strong>in</strong>mal <strong>in</strong> den Blick genommen hatten:<br />

Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler, die zugleich e<strong>in</strong>en speziellen<br />

For<strong>der</strong>- wie auch För<strong>der</strong>bedarf aufwiesen. Insofern ist auch<br />

im Rahmen dieser ersten Phase nach wie vor im <strong>Drehtürmodell</strong><br />

immer noch diese Konstellation bedeutsam, dass<br />

wir schauen, welche K<strong>in</strong><strong>der</strong> den größten For<strong>der</strong>- und För<strong>der</strong>bedarf<br />

haben und beson<strong>der</strong>e Begabungen und spezielle<br />

Interessen aufweisen, die im Regelunterricht nicht h<strong>in</strong>reichend<br />

berücksichtigt werden und die gleichzeitig aber auch<br />

gewisse Tendenzen dah<strong>in</strong>gehend zeigen, dass sie womöglich<br />

aufgrund e<strong>in</strong>es chaotischen Lern- und Arbeitsverhaltens<br />

Lern- und Leistungsschwierigkeiten entwickeln könnten.<br />

Und solche K<strong>in</strong><strong>der</strong> waren zum Beispiel auch gerade <strong>in</strong><br />

den ersten Projektgruppen. Da war zum Beispiel e<strong>in</strong> Schüler<br />

damals im Annette-Gymnasium, an den ich mich noch<br />

gut er<strong>in</strong>nern kann.<br />

Die Schule me<strong>in</strong>te, wenn e<strong>in</strong> Schüler se<strong>in</strong> Abitur<br />

nicht schaffen wird, dann wird das dieser Un<strong>der</strong>achiever<br />

se<strong>in</strong>. Interessanterweise haben wir<br />

genau diesen Schüler bei <strong>der</strong> vorletzten Expertentagung<br />

wie<strong>der</strong>gesehen, mittlerweile ist er erfolgreicher<br />

Student an e<strong>in</strong>er Eliteuniversität.<br />

Die Schule me<strong>in</strong>te, wenn e<strong>in</strong> Schüler se<strong>in</strong> Abitur nicht<br />

schaffen wird, dann wird das dieser Un<strong>der</strong>achiever se<strong>in</strong>. Interessanterweise<br />

haben wir genau diesen Schüler bei <strong>der</strong><br />

vorletzten Expertentagung wie<strong>der</strong>gesehen, mittlerweile ist<br />

er erfolgreicher Student an e<strong>in</strong>er Eliteuniversität <strong>in</strong> Taiwan.<br />

In e<strong>in</strong>em O-Ton <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Expertenarbeit <strong>in</strong> Klasse sechs<br />

schrieb er damals: »Dieses Projekt war reichlich gerissen<br />

angelegt, es hat e<strong>in</strong>en gezwungen, sich mit se<strong>in</strong>en Interessen<br />

zu beschäftigen, und darüber h<strong>in</strong>aus auch noch beigebracht,<br />

sich besser zu organisieren und die Zeit besser e<strong>in</strong>zuteilen.«<br />

GREITEN: Und wie kam es dann zur konkreten Projektgestaltung?<br />

FISCHER: Wir haben Schritt für Schritt versucht, das Projekt<br />

immer genauer zu systematisieren, mit unterschiedlichen<br />

Stufen. Also nach <strong>der</strong> pädagogischen Diagnostik <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Phase e<strong>in</strong>s, wo es darum geht, eben den <strong>in</strong>dividuellen For<strong>der</strong>-<br />

und För<strong>der</strong>bedarf festzustellen, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Phase zwei das<br />

Thema nach persönlichen Interessen, beson<strong>der</strong>er Leidenschaft<br />

zu wählen, wo wir dann auch Interessenbögen nochmals<br />

mit e<strong>in</strong>setzen und dann aber auch gezielt Schüler<strong>in</strong>nen<br />

und Schülern dabei unterstützen, womöglich erstmalig<br />

zu entdecken, wofür sie sich überhaupt <strong>in</strong>teressieren.<br />

<strong>Das</strong> wissen viele K<strong>in</strong><strong>der</strong> nämlich noch gar nicht. Und dann<br />

die Informationsrecherche <strong>in</strong> <strong>der</strong> dritten Phase. Diesen<br />

Aufbau bzw. Verlauf haben wir dann auch weiter ausdifferenziert.<br />

Die Themenwahl ist bei älteren Schülern auch<br />

nicht mehr nur die Wahl e<strong>in</strong>es Themas, son<strong>der</strong>n vielmehr<br />

die Entwicklung e<strong>in</strong>er Forschungsfragestellung. <strong>Das</strong> heißt,<br />

ursprünglich war das Projekt auch e<strong>in</strong> Projekt zum selbstregulierten<br />

Lernen. Je älter die Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler<br />

werden, desto stärker wird es aber auch e<strong>in</strong> Projekt zum<br />

forschenden Lernen. Aber nicht nur im klassischen S<strong>in</strong>ne<br />

dieses Begriffs des forschenden Lernens <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule,<br />

son<strong>der</strong>n tatsächlich im S<strong>in</strong>ne des forschenden Lernens,<br />

was sich an dem forschungslogischen Prozess <strong>in</strong> <strong>der</strong> Wissenschaft<br />

orientiert. Bei jüngeren Schülern sieht die Informationssuche<br />

dann so aus, dass sie Literatur recherchieren<br />

o<strong>der</strong> Experten <strong>in</strong>terviewen, vielleicht kle<strong>in</strong>e Befragungen<br />

machen. Bei älteren Schülern verhält es sich so, dass sie<br />

sich auch tatsächlich mit wissenschaftlichen Artikeln ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzen,<br />

o<strong>der</strong> sie entwickeln Fragebögen und führen<br />

Experimente nach klassischen Kriterien durch und<br />

arbeiten mit Experimental- und Kontrollgruppen. Dann<br />

dokumentieren sie <strong>in</strong> Phase vier ihre Befunde <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

schriftlichen Dokumentation wie <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>en, wissenschaftlichen<br />

Hausarbeiten. Dann geht es auch um Zitationsregeln,<br />

Fragen von Plagiaten und <strong>der</strong>gleichen, E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung<br />

von Abbildungen, Formulieren eigener Texte. Da s<strong>in</strong>d nicht<br />

nur Lesestrategien, son<strong>der</strong>n auch Schreibstrategien wichtig.<br />

Ja, und dann geht es <strong>in</strong> Phase fünf natürlich um die<br />

mündliche Präsentation e<strong>in</strong>es Vortrages vor Publikum, wo<br />

dann hier <strong>in</strong> Münster im Schloss <strong>der</strong> Universität immer e<strong>in</strong>

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