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Karg-Heft Nr. 9: Das Drehtürmodell in der schulischen Begabtenförderung

Studienergebnisse und Praxiseinblicke aus Nordrhein-Westfalen

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sehr stark dafür gesorgt, dass sich auch solche Enrichmentmodelle<br />

hier <strong>in</strong> Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen verbreitet haben. In<br />

den 2000er-Jahren g<strong>in</strong>g es dann schon stark <strong>in</strong> Richtung<br />

<strong>in</strong>dividuelle För<strong>der</strong>ung aller K<strong>in</strong><strong>der</strong>, während es <strong>in</strong> den<br />

Neunzigerjahren noch stärker um die Begabungs- und Begabtenför<strong>der</strong>ung<br />

e<strong>in</strong>zelner K<strong>in</strong><strong>der</strong> g<strong>in</strong>g. <strong>Das</strong> war e<strong>in</strong> an<strong>der</strong>er<br />

Fokus.<br />

GREITEN: Schätzt du diese Entwicklung als e<strong>in</strong> spezifisches<br />

Phänomen <strong>in</strong> Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen e<strong>in</strong>? O<strong>der</strong> ist das aus<br />

de<strong>in</strong>er Sicht <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en Bundeslän<strong>der</strong>n ähnlich ausgeprägt<br />

zu beobachten?<br />

Aber gerade Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen hat sich <strong>in</strong> den<br />

Neunzigerjahren schon stark auf die Begabungsför<strong>der</strong>ung<br />

konzentriert und auch auf die Umsetzung<br />

des <strong>Drehtürmodell</strong>s, nicht zuletzt, weil es<br />

e<strong>in</strong> enges Netzwerk gerade zwischen den Dezernenten<br />

auf <strong>der</strong> Ebene <strong>der</strong> Bezirksregierungen gab,<br />

die viel bewegt haben.<br />

FISCHER: In den an<strong>der</strong>en Bundeslän<strong>der</strong>n hat sich nun<br />

auch sehr viel getan. Man kann sicherlich im Vergleich<br />

<strong>der</strong> Bundeslän<strong>der</strong> mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> durchaus nochmals Unterschiede<br />

dah<strong>in</strong>gehend feststellen, dass jetzt im Bereich <strong>der</strong><br />

Begabungs- und Begabtenför<strong>der</strong>ung beispielsweise <strong>in</strong> den<br />

süddeutschen Bundeslän<strong>der</strong>n nicht wenige Schulen existieren,<br />

die Spezialschulen s<strong>in</strong>d o<strong>der</strong> Spezialklassen haben.<br />

In den west- und norddeutschen Bundeslän<strong>der</strong>n gibt es<br />

eher <strong>in</strong>tegrative Schulformen, bei denen Enrichmentmaßnahmen<br />

e<strong>in</strong>e wichtige Rolle spielen, wobei häufig das<br />

<strong>Drehtürmodell</strong> umgesetzt wird. Die ostdeutschen Bundeslän<strong>der</strong><br />

haben natürlich auch e<strong>in</strong>e starke Tradition im Bereich<br />

von Spezialschulen, teilweise gekoppelt mit entsprechenden<br />

Internaten.<br />

Aber gerade Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen hat sich <strong>in</strong> den Neunzigerjahren<br />

schon stark auf die Begabungsför<strong>der</strong>ung konzentriert<br />

und auch auf die Umsetzung des <strong>Drehtürmodell</strong>s,<br />

nicht zuletzt, weil es e<strong>in</strong> enges Netzwerk gerade zwischen<br />

den Dezernenten auf <strong>der</strong> Ebene <strong>der</strong> Bezirksregierungen<br />

gab, die viel bewegt haben. Insofern könnte ich mir durchaus<br />

vorstellen, dass Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen an dieser Stelle<br />

durchaus führend war. Es gab und gibt <strong>in</strong> Hessen und dort<br />

auch im Kultusm<strong>in</strong>isterium Personen, die <strong>in</strong> diesem Bereich<br />

ausgesprochen engagiert waren und s<strong>in</strong>d. Dort ist<br />

also viel bewegt worden, wie auch <strong>in</strong> Hamburg sowie <strong>in</strong><br />

den an<strong>der</strong>en Bundeslän<strong>der</strong>n. Begabungsför<strong>der</strong>ung h<strong>in</strong>g immer<br />

schon sehr stark von engagierten Personen und Persönlichkeiten<br />

ab.<br />

GREITEN: Wie ist die Idee zum For<strong>der</strong>-För<strong>der</strong>-Projekt 1<br />

entstanden?<br />

FISCHER: Die historische Genese war die, dass wir im Städtischen<br />

Gymnasium <strong>in</strong> Nijmegen im Rahmen des ersten<br />

ECHA-Durchgangs 2 die Umsetzung des <strong>Drehtürmodell</strong>s<br />

erleben konnten. Und zwar im Rahmen des Schulischen<br />

Enrichment Modells von Renzulli <strong>in</strong> Form des Typ III-Enrichments,<br />

bei dem Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

speziellen Ressourcenraum mit Themen ihrer Wahl<br />

beschäftigen konnten, den Regelunterricht verlassen haben<br />

zu Zeiten, <strong>in</strong> denen an<strong>der</strong>e Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler<br />

den regulären Unterrichtsstoff behandelt haben. Sie hatten<br />

sich dafür entschieden, ich kann das alles schon, ich<br />

kann mich jetzt dem Thema me<strong>in</strong>er Wahl widmen. E<strong>in</strong>e<br />

zweite Hospitation, die diese Idee bestärkte, war damals an<br />

e<strong>in</strong>er Montessori-Grundschule <strong>in</strong> Aachen. Dort konnten<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> Jahresarbeiten schreiben. Da war zum Beispiel e<strong>in</strong><br />

K<strong>in</strong>d, das sich mit dem Thema Mediz<strong>in</strong> beschäftigte und<br />

e<strong>in</strong>en ganzen Ordner von Informationen zu diesem Thema<br />

gesammelt hatte. Die Schüler<strong>in</strong> sagte, sie wolle später Ärzt<strong>in</strong><br />

werden und da könne sie ja jetzt schon e<strong>in</strong>mal anfangen<br />

dazu zu recherchieren. <strong>Das</strong> war <strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Strang. Der<br />

zweite Strang, <strong>der</strong> dazu geführt hat, war <strong>der</strong> Wunsch zu erfahren,<br />

welche Kompetenzen Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler für<br />

solche <strong>schulischen</strong> Erweiterungsprojekte benötigen. Deswegen<br />

ist <strong>der</strong> zweite Strang etwas älter, weil wir am ICBF auch<br />

sehr stark mit sogenannten Un<strong>der</strong>achievern gearbeitet<br />

haben, die unserer Erfahrung nach häufig e<strong>in</strong> chaotisches<br />

Lern- und Arbeitsverhalten aufwiesen und spezielle Lernstrategien<br />

benötigten. Wir entwickelten dann Lernstrategiekurse<br />

für beson<strong>der</strong>s begabte K<strong>in</strong><strong>der</strong>, speziell auch <strong>in</strong><br />

Zusammenarbeit mit Elternvere<strong>in</strong>en im Bereich <strong>der</strong> Begabtenför<strong>der</strong>ung.<br />

Diese wurden dann an mehreren Standorten<br />

<strong>in</strong> Deutschland angeboten. Eltern sagten aber, dass klassische<br />

Lernstrategien bei diesen K<strong>in</strong><strong>der</strong>n oftmals nicht funktionieren<br />

würden, sie seien schnell unterfor<strong>der</strong>t, es müssten<br />

daher Strategien se<strong>in</strong>, die zu den Lern- und Entwicklungsbedürfnissen<br />

dieser K<strong>in</strong><strong>der</strong> passen. In den Kursen<br />

machten wir immer wie<strong>der</strong> die Erfahrung, dass die Eltern<br />

sagten: »Na ja, me<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d verfügt durchaus über e<strong>in</strong> gutes<br />

Lern- und Arbeitsverhalten, aber immer nur dann, wenn es<br />

sich für e<strong>in</strong> Thema <strong>in</strong>teressiert.«<br />

Jetzt ist es so, dass Renzulli <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Enrichmentmodell<br />

im Kontext des Typ II-Enrichments durchaus vorgesehen<br />

<br />

1<br />

2<br />

www.icbf.de/arbeitsschwerpunkte/begabtenfoer<strong>der</strong>ung/for<strong>der</strong>-foer<strong>der</strong>-projekt<br />

(Abruf 06.07.2015).<br />

Internationales Centrum für Begabungsforschung: www.icbf.de/arbeitsschwerpunkte/aus-und-weiterbildung/echa-diplom<br />

[Abruf<br />

28.08.2015].

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