Karg-Heft Nr. 9: Das Drehtürmodell in der schulischen Begabtenförderung
Studienergebnisse und Praxiseinblicke aus Nordrhein-Westfalen
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<strong>Das</strong> <strong>Drehtürmodell</strong> im Schulentwicklungsprozess <strong>der</strong> Begabtenför<strong>der</strong>ung<br />
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rung o<strong>der</strong> zur Begabtenför<strong>der</strong>ung, kann e<strong>in</strong>en strukturellen<br />
Rahmen für die Initiierung des <strong>Drehtürmodell</strong>s vorgeben.<br />
Die Bedeutung von Fortbildungen liegt zum e<strong>in</strong>en <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Vermittlung von Kenntnissen zu Begabung und auch zur Gestaltung<br />
und Umsetzung von För<strong>der</strong>maßnahmen, vermutlich<br />
aber auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Motivation E<strong>in</strong>zelner, um dann <strong>in</strong>itiativ<br />
werden zu können. Externe Initiierungsimpulse, Fortbildungen<br />
ausgenommen, fallen kaum <strong>in</strong>s Gewicht. Als <strong>der</strong> entscheidende<br />
Impuls zur Initiierung des <strong>Drehtürmodell</strong>s wurde<br />
die Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit begabten, leistungsstarken<br />
und/o<strong>der</strong> von Unterfor<strong>der</strong>ung bedrohten Schüler<strong>in</strong>nen und<br />
Schülern und <strong>der</strong> daraus resultierenden Suche nach geeigneten<br />
För<strong>der</strong>maßnahmen identifiziert.<br />
<strong>Das</strong> <strong>Drehtürmodell</strong> ist bei <strong>der</strong> Hälfte <strong>der</strong> Schulen<br />
im Schulprogramm unter Konzepten <strong>in</strong>dividueller<br />
För<strong>der</strong>ung verankert, aber nicht <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Fachkonferenzarbeit.<br />
Die Akzeptanz des <strong>Drehtürmodell</strong>s wird sowohl im Kollegium<br />
von zwei Drittel <strong>der</strong> befragten Schulen als hoch bis gut<br />
und die Akzeptanz <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schülerschaft von <strong>der</strong> Hälfte <strong>der</strong><br />
Schulen als hoch bis gut e<strong>in</strong>geschätzt. Die E<strong>in</strong>schätzungen<br />
<strong>der</strong> Grundschulen s<strong>in</strong>d im Vergleich zu denen <strong>der</strong> Gymnasien<br />
auffällig, da alle Grundschulen die Akzeptanz sowohl<br />
im Kollegium als auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schülerschaft als hoch bis gut<br />
beurteilen. E<strong>in</strong>e Detailanalyse <strong>der</strong> Grundschulen zeigt auf,<br />
dass dort e<strong>in</strong>erseits vermehrt die Schulleitungen als verantwortlich<br />
für das <strong>Drehtürmodell</strong> zeichnen, aber vor allem<br />
die enge Zusammenarbeit im Kollegium, verbunden<br />
mit häufiger Kommunikation, und die meist überschaubare<br />
Größe <strong>der</strong> Schülerschaft e<strong>in</strong>e stärkere Durchdr<strong>in</strong>gung<br />
dieses Modells ermöglichen, wenngleich die Variationen an<br />
<strong>Drehtürmodell</strong>en an den Grundschulen ger<strong>in</strong>ger s<strong>in</strong>d. Diese<br />
Aussagen s<strong>in</strong>d aber mit Vorsicht zu betrachten, da nur 7<br />
Grundschulen im Verhältnis zu 32 Gymnasien an <strong>der</strong> Studie<br />
teilnahmen.<br />
DISKUSSION<br />
E<strong>in</strong>e Schlüsselrolle im Initiierungs- und Implementierungsprozess<br />
kommt Koord<strong>in</strong>atoren zu, ob als offizielle Inhaber<br />
von Funktionsstellen o<strong>der</strong> als Beauftragte. Als Voraussetzung<br />
für die Koord<strong>in</strong>ierungsfunktion ist bei den befragten<br />
Schulen die Fortbildung <strong>der</strong> Koord<strong>in</strong>atoren zentral, was für<br />
dieses Projekt sicherlich als bedeutsam <strong>in</strong>terpretiert werden<br />
muss: Im Vergleich zu an<strong>der</strong>en <strong>schulischen</strong> Aufgabenbereichen<br />
sche<strong>in</strong>t hier die Fortbildung e<strong>in</strong>e Schlüsselrolle<br />
e<strong>in</strong>zunehmen, sowohl was die spezifischen Kenntnisse zur<br />
Thematik Begabung/Hochbegabung anbelangt, als auch<br />
zur Gestaltung und Umsetzung von För<strong>der</strong>maßnahmen<br />
und -konzepten. Der zeitliche Aufwand für die Koord<strong>in</strong>ationsaufgaben<br />
steht <strong>in</strong> Abhängigkeit von den jeweiligen Typen<br />
und <strong>der</strong> Teilnehmerzahl. E<strong>in</strong>ige befragte Schulen beschreiben<br />
Schwierigkeiten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Unterrichtsorganisation,<br />
wenn Unterricht nachgearbeitet, Klassenarbeiten wegen<br />
Drehtürteilnahmen term<strong>in</strong>iert o<strong>der</strong> auch Prozessabläufe<br />
und die Kommunikation im Kollegium transparent gehalten<br />
werden sollen.<br />
<strong>Das</strong> <strong>Drehtürmodell</strong> ist bei <strong>der</strong> Hälfte <strong>der</strong> Schulen im Schulprogramm<br />
unter Konzepten <strong>in</strong>dividueller För<strong>der</strong>ung verankert,<br />
aber nicht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Fachkonferenzarbeit. Somit besteht<br />
e<strong>in</strong>e Diskrepanz zwischen <strong>der</strong> Begabtenför<strong>der</strong>ung auf <strong>der</strong><br />
Metaebene e<strong>in</strong>es vor allem als Organisationsmodell zu kennzeichnenden<br />
Konzepts und <strong>der</strong> Mikroebene des Unterrichts.<br />
Daraus folgt, dass das <strong>Drehtürmodell</strong> neben <strong>der</strong> regulären<br />
Planungsstruktur e<strong>in</strong>er Schule mit Stundenplänen zum Unterricht<br />
<strong>in</strong> Klassenverbänden als Parallelsystem aufgebaut<br />
wird. Oft s<strong>in</strong>d mehrere Kollegen direkt mit den strukturellen<br />
Verän<strong>der</strong>ungen konfrontiert, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel aber nicht<br />
das gesamte Kollegium.<br />
Aufgrund <strong>der</strong> Befunde <strong>der</strong> Studie zum <strong>Drehtürmodell</strong> ergeben<br />
sich Fragen sowie Interpretations- und Diskussionsbedarfe,<br />
die weitere Forschungen anregen.<br />
Die Daten zu den <strong>Drehtürmodell</strong>en <strong>der</strong> jeweiligen Schulen<br />
wurden durch e<strong>in</strong>e schriftliche Befragung <strong>in</strong> Form<br />
standardisierter Fragebögen mit offenen Antwortmöglichkeiten<br />
erhoben. Aufgrund <strong>der</strong> Forschungslage war dieses<br />
Vorgehen s<strong>in</strong>nvoll, um e<strong>in</strong> wenig bekanntes Feld zu erkunden.<br />
Dieses Vorgehen birgt aber das Problem, dass zu<br />
e<strong>in</strong>igen Items vermutlich weitere Details hätten erfahren<br />
werden können, wenn die Antworten ausführlicher gewesen<br />
wären. Interviews mit Koord<strong>in</strong>atoren, Schulleitungen,<br />
Schüler<strong>in</strong>nen und Schülern sowie e<strong>in</strong>e Dokumentenanalyse<br />
zu schul<strong>in</strong>ternen Abläufen müssten erfolgen, um die<br />
jeweiligen <strong>Drehtürmodell</strong>e im Detail abbilden zu können.<br />
Die bundesweite Verteilung des <strong>Drehtürmodell</strong>s irritiert.<br />
<strong>Das</strong> <strong>Drehtürmodell</strong> tritt <strong>in</strong> den meisten Bundeslän<strong>der</strong>n<br />
vere<strong>in</strong>zelt, <strong>in</strong> Schleswig-Holste<strong>in</strong> und Nie<strong>der</strong>sachen überdurchschnittlich<br />
häufig auf, aber <strong>in</strong> NRW erreicht es<br />
Höchstwerte. Von daher ist die Frage zu stellen, welcher<br />
Schulentwicklungsprozesse es bedarf, um dieses Modell<br />
an Schulen heranzutragen. Für NRW kann festgehalten<br />
werden, dass es zunächst die schulm<strong>in</strong>isteriellen Aktivitäten<br />
an den Schulen vor Ort vor allem über die E<strong>in</strong>zelfallberatung<br />
und kurz darauf gezielte Fortbildungen zur Begabtenför<strong>der</strong>ung<br />
waren, die das Modell an die Schulen<br />
brachten. Im dritten Weg treibt nun die zunehmende Öffentlichkeit<br />
über Hospitationen und Netzwerke die Verbreitung<br />
voran (GREITEN 2016C, 22). In Schleswig-Holste<strong>in</strong><br />
geht <strong>der</strong> Impuls vermutlich über das Institut für Qualitätsentwicklung<br />
an Schulen, das über Netzwerkarbeit und<br />
Fortbildungskonzepte unter an<strong>der</strong>em auch das Drehtür-