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Karg-Heft Nr. 9: Das Drehtürmodell in der schulischen Begabtenförderung

Studienergebnisse und Praxiseinblicke aus Nordrhein-Westfalen

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denen Typen von Drehtürkonzepten o<strong>der</strong> entsprechenden<br />

Schulentwicklungsperspektiven. Dies bot Anlass, e<strong>in</strong>e<br />

Befragung an Schulen vorzunehmen, die das <strong>Drehtürmodell</strong><br />

praktizieren. Im Zentrum dieser Teilstudie stehen die<br />

Fragen, wie das <strong>Drehtürmodell</strong> nach Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen<br />

kam, sich dort verän<strong>der</strong>te und welche Typen von <strong>Drehtürmodell</strong>en<br />

sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> aktuellen Praxis beschreiben lassen.<br />

REKONSTRUKTION DER HISTORIE<br />

DES DREHTÜRMODELLS<br />

Zur Historie des <strong>Drehtürmodell</strong>s und dessen Weiterentwicklung<br />

<strong>in</strong> Deutschland f<strong>in</strong>den sich ke<strong>in</strong>e detaillierten<br />

Publikationen. Um die Verbreitungswege des <strong>Drehtürmodell</strong>s<br />

zu rekonstruieren, wurde daher als methodischer<br />

Zugang das leitfadengestützte Experten<strong>in</strong>terview mit <strong>der</strong><br />

Beson<strong>der</strong>heit von Zeitzeugen gewählt (VGL. GLÄSER/LAUDEL<br />

2010, 110FF.; FRIEBERTSHÄUSER/LANGER 2010, 438F.). Drei Personen<br />

wurden als Experten befragt: Professor Franz Mönks beschrieb<br />

das <strong>Drehtürmodell</strong> bereits 1985 <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em auf Nie<strong>der</strong>ländisch<br />

verfassten Grundlagentext anlässlich des landesweiten<br />

Kongresses »Hochbegabte <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gesellschaft«<br />

zur Begabungs- und Begabtenforschung 1984 <strong>in</strong> den Nie<strong>der</strong>landen<br />

(MÖNKS 1985). Mönks war seit 1967 Professor für<br />

Entwicklungspsychologie an <strong>der</strong> Radboud Universität Nijmegen<br />

und übernahm 1988 dort den Lehrstuhl »Psychologie<br />

und Pädagogik des begabten K<strong>in</strong>des«. Er ist <strong>der</strong> erste<br />

gewählte ECHA-Präsident 1 (ECHA: European Council<br />

for High Ability). Während se<strong>in</strong>er Präsidentschaft hatte für<br />

ihn die Aus- und Weiterbildung von Lehrkräften im Bereich<br />

Begabung oberste Priorität. Mit se<strong>in</strong>em damaligen<br />

Assistenten Willy Peters entwickelte er das Fortbildungskonzept<br />

des ECHA-Diploms. In <strong>der</strong> Schlusssitzung des 4.<br />

ECHA-Kongresses <strong>in</strong> Nijmegen wurden am 10. Oktober<br />

1994 die ersten ECHA-Diplome an Lehrkräfte überreicht<br />

und damit <strong>der</strong> Grundste<strong>in</strong> für weitere Konzeptionen gelegt.<br />

Die Wiege des »European Master’s Degree <strong>in</strong> Gifted<br />

Education« liegt <strong>in</strong> Nijmegen. Damit ist Franz Mönks im<br />

deutschsprachigen Raum offenkundig die Brücke zum<br />

<strong>Drehtürmodell</strong> <strong>in</strong> den USA. Dr. Margarete Helfen arbeitete<br />

seit den 1990er-Jahren <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bezirksregierung <strong>in</strong> Arnsberg<br />

und trug das <strong>Drehtürmodell</strong> zusammen mit an<strong>der</strong>en<br />

Fachberater<strong>in</strong>nen und -beratern <strong>der</strong> Bezirksregierungen<br />

und Herrn Koch vom Schulm<strong>in</strong>isterium <strong>in</strong> NRW an Schulen<br />

heran und war auch an Weiterentwicklungen des Modells<br />

beteiligt. Der dritte Experte ist Christian Fischer, Professor<br />

für Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt<br />

Schulpädagogik: Begabungsforschung und Individuelle<br />

För<strong>der</strong>ung an <strong>der</strong> Universität Münster, <strong>der</strong> sich seit 2001<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Lehrerbildung und <strong>in</strong> Forschungsprojekten mit <strong>der</strong><br />

Weiterentwicklung des SEM nach Renzulli beschäftigt, das<br />

ECHA-Diplom <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lehrerfortbildung ausbaute und auf<br />

dieser Grundlage das For<strong>der</strong>-För<strong>der</strong>-Projekt konzipierte.<br />

Aus diesen drei Interviews 2 werden im Folgenden die<br />

Verbreitungswege des <strong>Drehtürmodell</strong>s nach NRW und se<strong>in</strong>e<br />

Modifikationen rekonstruiert.<br />

<strong>Das</strong> <strong>Drehtürmodell</strong> gelangte über das Triad Enrichment<br />

Model, das Revolv<strong>in</strong>g Door Identification Model und später<br />

das Schoolwide Enrichment Model von den USA <strong>in</strong> die<br />

Nie<strong>der</strong>lande. Mönks lernte Renzulli und das von ihm entwickelte<br />

Drei-R<strong>in</strong>ge-Modell sowie das Revolv<strong>in</strong>g Door Model<br />

und das Triad Enrichment Model 1982 auf dem NAGC<br />

Kongress (National Association for Gifted Children) <strong>in</strong>tensiver<br />

kennen. Es begann zunächst e<strong>in</strong> Austausch über die<br />

Konzepte mit <strong>der</strong> Folge, dass Mönks das Begabungsmodell<br />

von Renzulli erweiterte (MÖNKS 1992) und das <strong>Drehtürmodell</strong><br />

<strong>in</strong> den Nie<strong>der</strong>landen publik machte. Mönks lud<br />

Renzulli 1984 <strong>in</strong> die Nie<strong>der</strong>lande zu e<strong>in</strong>em Kongress e<strong>in</strong>,<br />

auf dem Mönks selbst das <strong>Drehtürmodell</strong> vorstellte. Aufgrund<br />

e<strong>in</strong>er späteren Anfrage des Städtischen Gymnasiums<br />

Nijmegen an Mönks und <strong>der</strong> Mitarbeit des damaligen<br />

Direktors, Peter Broerse, sowie <strong>der</strong> Lehrkraft Miriam<br />

Groensmit wurde das Modell an e<strong>in</strong> gymnasiales System<br />

adaptiert. Die Initiierung erfolgte aufgrund von Schwierigkeiten<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Beschulung hochbegabter Un<strong>der</strong>achiever.<br />

<strong>Das</strong> Gymnasium konzipierte das an Renzullis Modell eng<br />

angelehnte Erweiterungsprojekt (GROENSMIT 2008, 112; INTER-<br />

VIEW MÖNKS), <strong>in</strong> dem sowohl Diagnostik über Testverfahren<br />

(unter an<strong>der</strong>em IST 70, FES, SFB) und damit die Bildung<br />

e<strong>in</strong>es talent pools als auch das selbstständige Arbeiten an<br />

gewählten Themen sowie das forschende Lernen zentral<br />

waren und s<strong>in</strong>d. <strong>Das</strong> <strong>Drehtürmodell</strong> bildete die Organisationsform<br />

für diese selbstständige Arbeit. Nach <strong>der</strong> E<strong>in</strong>schätzung<br />

von Mönks stellten sich bei <strong>der</strong> E<strong>in</strong>führung des<br />

Modells kaum Schwierigkeiten, weil es sich h<strong>in</strong>sichtlich<br />

<strong>der</strong> Organisation gut <strong>in</strong> die schulische Struktur e<strong>in</strong>betten<br />

ließ. Mittlerweile nehmen ca. 30 % <strong>der</strong> Schüler<strong>in</strong>nen und<br />

Schüler am Städtischen Gymnasium Nijmegen am Erweiterungsprojekt<br />

teil (INTERVIEW MÖNKS) und das <strong>Drehtürmodell</strong><br />

hat sich als Form <strong>der</strong> Begabtenför<strong>der</strong>ung <strong>in</strong> den Nie<strong>der</strong>landen<br />

fest etabliert (PETERS 2008, 106).<br />

In den 1990er-Jahren entstanden <strong>in</strong> Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen<br />

zwei Wege zur Fortentwicklung des <strong>Drehtürmodell</strong>s, die<br />

aus dem Kontakt mit Franz Mönks und Miriam Groensmit<br />

und <strong>der</strong> Hospitation am Städtischen Gymnasium <strong>in</strong> Nijmegen<br />

hervorg<strong>in</strong>gen: zum e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>e Adaption des Konzeptes<br />

für das Schulsystem <strong>in</strong> NRW, unterstützt durch das<br />

Schulm<strong>in</strong>isterium und Vertreter<strong>in</strong>nen und Vertreter <strong>der</strong><br />

Bezirksregierungen, die sich vorrangig an <strong>der</strong> E<strong>in</strong>zelfallför<strong>der</strong>ung<br />

orientierte, und zum an<strong>der</strong>en Vermittlungen <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Lehrerfortbildung zum ECHA-Diplom 3 , <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en<br />

Formen <strong>der</strong> Lehrerfortbildung und durch Konzeptionen<br />

zum For<strong>der</strong>-För<strong>der</strong>-Projekt 4 durch Christian Fischer.<br />

E<strong>in</strong> erster Weg begann <strong>in</strong> den 1990er-Jahren, als sich Vertreter<br />

<strong>der</strong> Bezirksregierungen Münster, Düsseldorf und<br />

Arnsberg über verschiedene Konzepte <strong>der</strong> Begabtenförde-

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