Karg-Heft Nr. 8: Psychologische Beratung im Feld Hochbegabung
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die Entwicklung zum Underachievement 1 angesehen<br />
wird (WITTMANN 2003).<br />
Hochbegabte Mädchen und Jungen zeichnen sich ihrerseits<br />
in erster Linie durch ihre ho he In tel ligenz aus. Ansätze,<br />
die von systematischen Bezügen zwischen hoher<br />
Intelligenz und wei te ren, nicht-kognitiven Persönlichkeitsmerkmalen<br />
(beispielsweise einer hohen Sensibili tät) ausgehen,<br />
konnten (bisher) nicht eindeutig belegt werden<br />
(ZUSAMMENFASSEND: ARNOLD 2010). Die Annahme einer generell<br />
höheren Vulnerabilität hoch be gabter Kinder <strong>im</strong> Vergleich<br />
zu ihren durch schnittlich begabten Peers kann<br />
mittlerweile als widerlegt gelten (ROST 1993). Die hohe Begabung<br />
eines Kindes kann vielmehr eine Ressource zur<br />
Be wäl tigung anstehender Lern- und Entwicklungsaufgaben<br />
sein (ROHR MANN/ROHRMANN 2005). Zu beachten ist ferner,<br />
dass Hochbegabte ge nerell als eine heterogene Gruppe<br />
einzuschätzen sind (PRECKEL 2007), sodass nicht von »der«<br />
oder »dem« Hochbegabten gesprochen werden kann.<br />
Bei einer starken Fixierung auf einen best<strong>im</strong>mten<br />
Test wert sollte noch stärker auf die Messungenauigkeit<br />
von Testergebnissen hingewiesen<br />
werden. Hier bringen die Erziehungsberatungsstellen<br />
den entscheidenden Vorteil mit sich,<br />
dass sie anders als die auf <strong>Hochbegabung</strong> spezialisierten<br />
<strong>Beratung</strong>seinrichtungen nicht durch<br />
einen hohen Prozentsatz von festgestellten<br />
Hoch begabungen für einen stetigen Zulauf von<br />
Klienten sorgen zu müssen.<br />
Das Zusammenspiel von Eltern und Kindern in »Hochbegabtenfamilien«<br />
unter suchte bei spielsweise die Münchener<br />
Hochbegabten studie. Die Resultate dieser Untersuchung<br />
deuten darauf hin, dass der wech selseitige Anpas sungsprozess<br />
von El tern und Kind in Familien mit hoch begabten<br />
Kindern anders abläuft als in sol chen mit durchschnittlich<br />
be gabten (HEL LER 2001). Diese Aussage begründet sich auf<br />
ver gleichs weise geringe statistische Zusammenhänge zwischen<br />
Aspekten des Fa mi lienkl<strong>im</strong>as und Merkmalen des<br />
Kindes (beispiels weise seinem Leistungsstreben). HELLER<br />
(2001) inter pretiert die Er geb nisse so, dass einiges für die<br />
Vermutung spräche, »daß die Per sön lichkeits ent wick lung<br />
beson ders begabter Kin der weniger stark von den unter-<br />
1 Von Underachievement wird dann gesprochen, wenn eine bedeutsame<br />
Diskrepanz zwischen intellektuellem Potenzial und schulischen<br />
Leistungen eines Kindes zu konstatieren ist (HANSES/ROST<br />
1998).<br />
suchten Fa mi lienaspekten ab hängt, als es bei durchschnitt<br />
lich begabten Schülern der Fall ist« (EBD., 324). Zudem<br />
äußert er die Ver mutung, dass hochbegabte Kin der<br />
sich durch ein be son deres Geschick in der Anpassung der<br />
familiären Umwelt an ihre Be dürf nisse aus zeichnen könnten.<br />
Auch wenn an der genannten Studie aus methodischen<br />
Grün den Kritik geübt wurde (TETTENBORN 1996), zeigen<br />
die dort gefundenen Er geb nisse Über einst<strong>im</strong>mungen<br />
mit Beobach tun gen in der <strong>Beratung</strong>spraxis.<br />
Hinsichtlich struktureller familiärer Besonderheiten<br />
kommt HACKNEY (1981) in einer Studie mit Eltern von Kindern<br />
<strong>im</strong> Grund schulalter (Intelligenztestwerte ent sprachen<br />
einem Prozentrang > 95), die an einem Enrich ment programm<br />
teil nahmen, zu dem Ergebnis, dass es den Müttern<br />
und Vätern schwer fällt, Unterschiede zwi schen der Elternund<br />
der Kindrolle zu definieren. Fer ner erlebten die Eltern<br />
es als proble matisch, zu entscheiden, ob das Kind als Kind<br />
oder als Er wach sener behandelt wer den sollte, und berichteten<br />
von Ängsten, dem Gefühl von Verant wortung und<br />
auch Schuldgefühlen, die aus der Tatsache erwuch sen, ein<br />
hoch be gab tes Kind zu haben. SILVERMAN (1993) führt aus,<br />
dass Ge schwister eines hochbegabten Kin des sich als zurückgesetzt<br />
erleben können, da sich die Eltern teilweise<br />
stark auf das in tellek tuell herausragende Kind konzentrieren.<br />
Nicht hochbegabte Geschwister er le ben das Verhältnis<br />
zu ihren weit überdurchschnittlich intelligenten<br />
Brüdern und Schwes tern häu fig als weniger unterstützend<br />
als Geschwister in Familien, in denen die Kin der ein vergleichbares<br />
Fähigkeitsniveau aufweisen (LAPIDOT-BERMAN/<br />
OSHRAT 2009). CORNELL UND GROSSBERG (1987) kommen indes<br />
zu dem Schluss, dass sich vor allem dann Probleme für<br />
die Geschwister hochbegabter Kinder er geben, wenn die<br />
Eltern Un terschiede zwischen ihren Kindern deutlich herausstellen.<br />
PETERSON (1977) führt aus, dass es vier Möglichkeiten<br />
gebe, durch die die An we senheit eines hochbegabten<br />
Kindes das gesamte Familiensystem beeinflussen<br />
kön ne: Wett streben unter den Familien mit gliedern, Eifersucht<br />
unter den Ge schwistern, Unsensibilität ge genüber<br />
der intra in di vi duell un terschiedlichen Perzep tion von<br />
Hoch begabung der Familien mit glieder und man gelnder<br />
Respekt für die Un ter schiede der Personen. Im Abgleich<br />
mit Befunden der Familienforschung (Z. B. PA PASTEFANOU<br />
2002) erscheint es allerdings fraglich, ob die auf ge führten<br />
Punkte tat sächlich Spezifika von »Hoch begabten fa milien«<br />
dar stellen.<br />
Spezifisch sind allerdings die Anforderungen, die für Eltern<br />
daraus resultieren kön nen, dass ihre Kinder best<strong>im</strong>mte<br />
Fähigkeiten deutlich früher und/oder komplexer beherrschen<br />
als Gleichaltrige. STAPF (2010) führt hierzu aus: »Am<br />
deutlichsten zeigen sich die Unter schiede be<strong>im</strong> Sprechen.<br />
Hochbegabte Vorschulkinder argumentieren und diskutieren<br />
sehr elo quent. Sie benutzen eine komplexere Sprache<br />
mit Nebensätzen und Fremdwörtern, mit deut lich