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Karg-Heft Nr. 7: Hochbegabten- förderung in der Sekundarstufe

Ergebnisse der PULSS-Studie zur Untersuchung der gymnasialen Begabtenklassen in Bayern und Baden-Württemberg

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7. Schlussfolgerungen und Empfehlungen<br />

79<br />

können. Kausale Aussagen werden jedoch nie möglich<br />

se<strong>in</strong>. Diese setzten voraus, dass wir Schüler<strong>in</strong>nen und<br />

Schüler gezielt e<strong>in</strong>em bestimmten Klassentyp zuordneten<br />

und zudem weitere D<strong>in</strong>ge kontrollierten (z. B. wer unterrichtet).<br />

Dies ist ethisch nicht vertretbar. Zudem wäre es<br />

auch unmöglich, alle E<strong>in</strong>flussfaktoren zu kontrollieren.<br />

Die Ergebnisse <strong>der</strong> PULSS-Studie lassen ke<strong>in</strong>en<br />

kausalen Rückschluss auf den E<strong>in</strong>fluss <strong>der</strong> Begabtenklassen<br />

zu. Sie beschreiben vielmehr<br />

die jeweiligen Merkmalsausprägungen und -entwicklungen<br />

<strong>der</strong> Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler <strong>in</strong><br />

Regel- und Begabtenklassen.<br />

Weiterh<strong>in</strong> muss bei <strong>der</strong> Interpretation dieser Befunde beachtet<br />

werden, dass sich im Laufe <strong>der</strong> Schuljahre, die wir<br />

<strong>in</strong> PULSS (noch) nicht erfasst haben, e<strong>in</strong>iges än<strong>der</strong>n kann.<br />

Offen bleibt damit die Frage <strong>der</strong> Nachhaltigkeit <strong>der</strong> hier<br />

beschriebenen Entwicklungen. Auf <strong>der</strong> e<strong>in</strong>en Seite ist das<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Vergangenheit gezeigte Verhalten und Erleben e<strong>in</strong>es<br />

<strong>der</strong> besten Vorhersagemerkmale für zukünftiges Verhalten<br />

und Erleben. Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite ist zu beachten,<br />

dass gerade im mittleren Jugendalter Schüler<strong>in</strong>nen und<br />

Schüler schulisches Engagement und schulische Leistungen<br />

tendenziell kritischer bewerten als im frühen o<strong>der</strong><br />

auch späteren Jugendalter. Während schulische Leistungen<br />

zuvor und auch später wie<strong>der</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em positiven Zusammenhang<br />

mit sozialer Anerkennung durch Gleichaltrige<br />

stehen, verschw<strong>in</strong>det dieser Zusammenhang im<br />

mittleren Jugendalter o<strong>der</strong> kehrt sich zum Teil sogar um<br />

(PRECKEL ET AL. 2013; VANNATTA ET AL. 2009). Dies kann zu Konflikten<br />

zwischen akademischen und sozialen Entwicklungszielen<br />

führen und manche Jugendliche bzw. mancher<br />

Jugendlicher entscheidet sich zwischen »bei<br />

Gleichaltrigen beliebt se<strong>in</strong>« o<strong>der</strong> »gute Noten bekommen«.<br />

Vor diesem H<strong>in</strong>tergrund erwarten wir, dass sich <strong>der</strong><br />

Besuch e<strong>in</strong>er Begabtenklasse im mittleren Jugendalter<br />

(Klasse 7 bis 10) für überdurchschnittlich begabte Schüler<strong>in</strong>nen<br />

und Schüler positiv auf die Vere<strong>in</strong>barkeit akademischer<br />

und sozialer Entwicklungsziele auswirkt, da sich die<br />

Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler <strong>in</strong> diesen Klassen <strong>in</strong>sgesamt<br />

durch e<strong>in</strong>e höhere Leistungsbereitschaft auszeichnen.<br />

Aber erst zukünftige Erhebungen werden uns hierüber<br />

Aufschluss geben können. E<strong>in</strong>e Fortführung <strong>der</strong> PULSS-<br />

Studie bis Klassenstufe 10 läuft <strong>der</strong>zeit (PULSS II). Der<br />

E<strong>in</strong>bezug <strong>der</strong> Klassenstufe 10 sowie die Erhebung <strong>der</strong><br />

späteren Abiturnoten <strong>der</strong> Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler aus<br />

PULSS werden zeigen, wie nachhaltig die Effekte des Besuchs<br />

e<strong>in</strong>er Begabtenklasse s<strong>in</strong>d.<br />

Schließlich muss man sich vor Augen führen, dass PULSS<br />

natürlich e<strong>in</strong>e spezifische Datengrundlage hat, die Verallgeme<strong>in</strong>erungen<br />

e<strong>in</strong>schränkt. Zwar haben wir mit <strong>der</strong> Teilnahme<br />

von acht verschiedenen Schulen aus zwei Bundeslän<strong>der</strong>n<br />

bereits e<strong>in</strong>ige schul- sowie bundeslandbezogene<br />

Beson<strong>der</strong>heiten aufgefangen. Wir hatten jedoch ke<strong>in</strong>e<br />

Zufallsauswahl aus allen Gymnasien mit Begabtenklassen<br />

<strong>in</strong> Deutschland. Diese wäre erfor<strong>der</strong>lich gewesen, um zu<br />

generalisierbaren Aussagen für diese Schulen zu kommen.<br />

Wir haben daher unsere Befunde aus PULSS immer auf<br />

den aktuellen Stand <strong>der</strong> nationalen und <strong>in</strong>ternationalen<br />

Forschung zu Begabtenklassen bezogen. Wenn unsere<br />

Befunde <strong>in</strong> dieselbe Richtung g<strong>in</strong>gen wie die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Forschungsliteratur<br />

berichteten, so gab uns dies erste H<strong>in</strong>weise<br />

auf ihre Generalisierbarkeit. Dies war <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e für<br />

die Befunde zur Leistungsentwicklung <strong>in</strong> den Begabtenklassen<br />

möglich, da für diesen Bereich die meisten und<br />

konsistentesten Forschungsergebnisse vorliegen. Für die<br />

an<strong>der</strong>en Bereiche ist die Befundlage deutlich dünner und<br />

oft auch heterogener (z. B. zur sozio-emotionalen Entwicklung<br />

<strong>der</strong> Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler <strong>in</strong> Begabtenklassen);<br />

zum Teil haben wir <strong>in</strong> PULSS auch zuvor nur selten untersuchte<br />

Fragestellungen berücksichtigt (z. B. bei <strong>der</strong> ausführlichen<br />

und differenzierten Erfassung des Klassenklimas<br />

sowie <strong>der</strong> Analyse <strong>der</strong> Auswahlverfahren).<br />

WAS LERNEN WIR AUS PULSS?<br />

Antworten auf diese Frage sollen entlang <strong>der</strong> zentralen<br />

Forschungsziele <strong>der</strong> PULSS-Studie gegeben werden. Konkret<br />

wollten wir folgende Punkte <strong>in</strong> PULSS klären:<br />

Überprüfung <strong>der</strong> Auswahlverfahren für die Begabtenklassen<br />

Erfassung <strong>der</strong> schulischen Leistungen und ihrer Entwicklung<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Sekundarstufe</strong> I<br />

Erfassung von leistungsassoziierten sozio-emotionalen<br />

Schülermerkmalen und ihrer Entwicklung<br />

Erfassung <strong>der</strong> Perspektive <strong>der</strong> Eltern<br />

Erfassung <strong>der</strong> Perspektive <strong>der</strong> Lehrkräfte sowie von<br />

Spezifika <strong>der</strong> Unterrichtsgestaltung <strong>in</strong> den Begabtenklassen<br />

Im Folgenden werden die PULSS-Befunde hierzu abschließend<br />

nochmals kurz zusammengefasst. Wir ziehen jeweils<br />

e<strong>in</strong> Fazit und geben Empfehlungen zu Ansatzpunkten für<br />

die Optimierung <strong>der</strong> Begabten<strong>för<strong>der</strong>ung</strong>.<br />

Auswahlverfahren<br />

Die Auswahl von Schüler<strong>in</strong>nen und Schülern für die Begabtenklassen<br />

durch die Schulen stützte sich stets auf<br />

viele und unterschiedliche Informationen, die e<strong>in</strong>an<strong>der</strong>

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