Karg-Heft Nr. 7: Hochbegabten- förderung in der Sekundarstufe
Ergebnisse der PULSS-Studie zur Untersuchung der gymnasialen Begabtenklassen in Bayern und Baden-Württemberg
Ergebnisse der PULSS-Studie zur Untersuchung der gymnasialen Begabtenklassen in Bayern und Baden-Württemberg
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5. Die sozio-emotionale Entwicklung <strong>in</strong> den Begabtenklassen und ihren Parallelklassen<br />
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aus unterscheiden können. Wie steht es um den Big-Fish-<br />
Little-Pond-Effekt? S<strong>in</strong>d hier beson<strong>der</strong>e Kosten für die<br />
Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler <strong>in</strong> Begabtenklassen zu verzeichnen?<br />
O<strong>der</strong> kann – im Gegenteil – die Zugehörigkeit zu<br />
e<strong>in</strong>er För<strong>der</strong>klasse für Begabte das Selbstbild eigener Fähigkeiten<br />
nicht auch stärken? Im Jugendalter ist neben<br />
dem Selbstbild im akademischen Bereich auch das Selbstbild<br />
im sozialen Bereich – das sogenannte soziale Selbstkonzept<br />
– für e<strong>in</strong>e positive Entwicklung entscheidend<br />
(PRECKEL ET AL. 2013). Hat das Zusammense<strong>in</strong> mit ähnlich<br />
Befähigten hier tatsächlich die vermuteten positiven<br />
Effekte, beispielsweise auf die erlebte soziale Akzeptanz<br />
durch die Mitschüler? Nach diesen selbstbezogenen Merkmalen<br />
wenden wir uns dann stärker den motivationalen<br />
Merkmalen zu: den akademischen Interessen, <strong>der</strong> kognitiven<br />
Motivation o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Freude am Denken sowie <strong>der</strong><br />
Selbstregulation beim Lernen. Gerade die Aufrechterhaltung<br />
<strong>der</strong> Lernfreude und -motivation ist e<strong>in</strong> wichtiges<br />
Argument für die E<strong>in</strong>richtung von Begabtenklassen. Daher<br />
müssen wir auch untersuchen, ob die Begabtenklassen<br />
diesen erhofften Nutzen erbr<strong>in</strong>gen. Und abschließend<br />
beschäftigen wir uns mit <strong>der</strong> Bewertung <strong>der</strong> Klassen durch<br />
die Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler selbst, <strong>in</strong>dem wir ihre E<strong>in</strong>schätzung<br />
zu wesentlichen Dimensionen des Klassenklimas<br />
berichten.<br />
Zunächst berichten wir nun die Ergebnisse <strong>der</strong> Schülerbefragung<br />
für die folgenden Merkmale:<br />
das allgeme<strong>in</strong>e Selbstwertgefühl<br />
das akademische Selbstkonzept (allgeme<strong>in</strong> sowie<br />
fachspezifisch für Mathematik und Deutsch)<br />
das soziale Selbstkonzept <strong>der</strong> Anerkennung<br />
das soziale Selbstkonzept <strong>der</strong> Durchsetzungsfähigkeit<br />
die akademischen Interessen <strong>in</strong> Mathematik, Deutsch<br />
sowie <strong>der</strong> ersten Fremdsprache<br />
Need for Cognition als Bedürfnis nach kognitiver<br />
Herausfor<strong>der</strong>ung und Freude am Denken<br />
die drei Komponenten <strong>der</strong> Selbstregulation Anstrengungsbereitschaft,<br />
Konzentrationsfähigkeit und<br />
Fähigkeit zur Zielverfolgung<br />
das Schul- und Klassenklima mit den vier Bereichen<br />
Sozial- und Leistungsdruck, Schülerzentriertheit,<br />
Lerngeme<strong>in</strong>schaft und Rivalität/Störung sowie e<strong>in</strong>em<br />
daraus gebildeten Gesamtklimawert<br />
Die jeweiligen Merkmale und Befragungs<strong>in</strong>strumente<br />
wurden <strong>in</strong> Beitrag 2 ausführlich beschrieben. Im Folgenden<br />
geben wir jedoch immer Beispiele für die Fragen, mit<br />
denen die Merkmale erfasst wurden.<br />
ALLGEMEINES SELBSTWERTGEFÜHL<br />
Für das allgeme<strong>in</strong>e Selbstwertgefühl, welches zum Beispiel<br />
über die Zustimmung zu Aussagen wie »Ich habe ei ne<br />
gute Me<strong>in</strong>ung von mir.« o<strong>der</strong> »Ich kann die meisten D<strong>in</strong>ge<br />
genauso gut machen wie an<strong>der</strong>e Leute.« erfasst wird, zeigte<br />
sich lediglich e<strong>in</strong> leichter, aber signifikanter Abfall über<br />
die vier Befragungszeitpunkte (im Mittel von 4,20 auf<br />
3,96). Dabei blieben die Werte <strong>in</strong>sgesamt im oberen Bereich<br />
<strong>der</strong> Antwortskala (max. 5). We<strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gesamtgruppe<br />
noch <strong>in</strong> <strong>der</strong> parallelisierten Gruppe ergaben sich dabei<br />
Unterschiede für die Klassentypen. Damit erbrachte unsere<br />
Studie ke<strong>in</strong>e H<strong>in</strong>weise darauf, dass <strong>der</strong> Klassentyp den<br />
Selbstwert <strong>in</strong> beson<strong>der</strong>er Weise bee<strong>in</strong>flusst, also beson<strong>der</strong>s<br />
auf- o<strong>der</strong> abwertet. Die Befürchtung, dass die Gruppierung<br />
zur Ausbildung e<strong>in</strong>es Bewusstse<strong>in</strong>s, jemand besseres<br />
zu se<strong>in</strong>, führt, ersche<strong>in</strong>t damit unbegründet. Zudem<br />
berichteten die Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler <strong>in</strong> den Begabtenklassen<br />
ke<strong>in</strong> höheres o<strong>der</strong> niedrigeres allgeme<strong>in</strong>es<br />
Selbstwertgefühl als die Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler <strong>der</strong><br />
Regelklassen. Dies entspricht Forschungsbefunden zu<br />
<strong>Hochbegabten</strong>: Auch hier zeigt sich oft für das allgeme<strong>in</strong>e<br />
Selbstwertgefühl ke<strong>in</strong> Unterschied zwischen <strong>Hochbegabten</strong><br />
und durchschnittlich Begabten (PRECKEL/VOCK 2013).<br />
Diese Studie erbrachte ke<strong>in</strong>e H<strong>in</strong>weise darauf,<br />
dass <strong>der</strong> Klassentyp den Selbstwert <strong>in</strong> beson<strong>der</strong>er<br />
Weise bee<strong>in</strong>flusst, also beson<strong>der</strong>s auf- o<strong>der</strong> abwertet.<br />
Die Befürchtung, dass die Gruppierung<br />
zur Ausbildung e<strong>in</strong>es Bewusstse<strong>in</strong>s, jemand besseres<br />
zu se<strong>in</strong>, führt, ersche<strong>in</strong>t unbegründet.<br />
AKADEMISCHES SELBSTKONZEPT<br />
Das akademische Selbstkonzept ist die subjektive E<strong>in</strong>schätzung<br />
<strong>der</strong> eigenen Fähigkeiten (daher auch die alternative<br />
Bezeichnung als Fähigkeitsselbstkonzept), und zwar<br />
<strong>in</strong> diesem Fall <strong>in</strong> schulischen Leistungssituationen. Bei<br />
objektiv gleicher Begabung lernen diejenigen Schüler<strong>in</strong>nen<br />
und Schüler, die sich selbst als fähiger wahrnehmen,<br />
schneller und besser, s<strong>in</strong>d weniger prüfungsängstlich, <strong>in</strong>teressierter,<br />
zeigen mehr Lernfreude als Schüler<strong>in</strong>nen und<br />
Schüler, die sich für weniger fähig halten. Das akademische<br />
Selbstkonzept ist somit e<strong>in</strong> entscheiden<strong>der</strong> Prädiktor<br />
für schulischen Erfolg – nicht nur im Leistungsbereich,<br />
son<strong>der</strong>n auch für das persönliche Wohlbef<strong>in</strong>den <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Schule (MÖLLER/TRAUTWEIN 2009). Erfahrungen und Rückmeldungen<br />
wichtiger Bezugspersonen (Eltern, Lehrkräfte,<br />
Freunde etc.) und <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e auch soziale Vergleiche<br />
mit Mitschülern bee<strong>in</strong>flussen das akademische Selbstkonzept<br />
entscheidend. Je nachdem, ob diese Vergleiche nun<br />
positiv o<strong>der</strong> negativ ausfallen, können Schüler<strong>in</strong>nen und<br />
Schüler mit gleichen schulischen Leistungen und Fähig-