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Karg-Heft Nr. 7: Hochbegabten- förderung in der Sekundarstufe

Ergebnisse der PULSS-Studie zur Untersuchung der gymnasialen Begabtenklassen in Bayern und Baden-Württemberg

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Das Lebensalter (Jahre; Monate) betrug <strong>in</strong> den Begabtenklassen<br />

zu Beg<strong>in</strong>n des fünften Schuljahres durchschnittlich<br />

10;2 Jahre, wobei das jüngste K<strong>in</strong>d 7;8 Jahre, das älteste<br />

K<strong>in</strong>d 12;1 Jahre alt war. Das sehr junge Alter e<strong>in</strong>iger<br />

Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler – 2 Jungen und 1 Mädchen<br />

waren erst 7 Jahre und weitere 12 K<strong>in</strong><strong>der</strong> waren erst 8<br />

Jahre alt – war durch Akzelerationsmaßnahmen (frühzeitige<br />

E<strong>in</strong>schulung, Überspr<strong>in</strong>gen von Jahrgangsstufen)<br />

bed<strong>in</strong>gt. Die meisten K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>der</strong> Begabtenklassen (ca.<br />

68 %) waren jedoch zwischen 9;6 und 10;10 Jahre alt. In<br />

den Regelklassen belief sich das durchschnittliche Alter<br />

auf 10;7 Jahre und variierte zwischen 8;5 und 12;8 Jahren;<br />

hier war die Mehrheit <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> (68 %) 10;2 bis 11;0 Jahre<br />

alt (nur e<strong>in</strong> Schüler war erst 8 Jahre alt). Damit waren die<br />

Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler <strong>der</strong> Begabtenklassen im Mittel<br />

5 Monate jünger als die <strong>der</strong> Regelklassen – diese (signifikante)<br />

Altersdifferenz zwischen den beiden Klassentypen<br />

dürfte größtenteils auf die oben erwähnten Akzelerationsmaßnahmen<br />

zurückzuführen se<strong>in</strong>.<br />

Die Untersuchung <strong>der</strong> Intelligenz <strong>in</strong> den Begabten- und<br />

Regelklassen lieferte folgende Ergebnisse ( TAB. 3): In den<br />

Begabtenklassen betrug <strong>der</strong> durchschnittliche Intelligenzquotient<br />

125,39 und war damit um 16 IQ-Punkte höher als<br />

<strong>in</strong> den Regelklassen (M = 109,32) – e<strong>in</strong> hoch signifikanter<br />

Unterschied, <strong>der</strong> zweifellos auch praktisch relevant ist.<br />

Diese enorme Diskrepanz zwischen den Klassentypen ist<br />

jedoch nicht wirklich überraschend, da die Intelligenz als<br />

e<strong>in</strong> wesentliches Kriterium für die Aufnahme <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Begabtenklasse<br />

fungierte (s. Beitrag 3). Ergänzend muss hier<br />

noch darauf h<strong>in</strong>gewiesen werden, dass ältere K<strong>in</strong><strong>der</strong> im<br />

Mittel höhere Intelligenzwerte erzielen als jüngere K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

– somit hatten die um 5 Monate älteren K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>der</strong> Regelklassen<br />

eigentlich e<strong>in</strong>en gewissen »Vorteil« im Intelligenztest;<br />

<strong>der</strong> tatsächliche Intelligenzunterschied zwischen<br />

Begabten- und Regelklassen müsste demnach also noch<br />

größer ausfallen (VGL. AUCH STUMPF 2011).<br />

In TAB. 3 ist neben dem Mittelwert (M) des Intelligenzquotienten<br />

auch die Standardabweichung (SD) angegeben,<br />

welche e<strong>in</strong> Maß für die Streubreite <strong>der</strong> Messwerte um den<br />

Mittelwert ist. Im Bereich von e<strong>in</strong>er Standardabweichung<br />

um den Mittelwert liegen etwa 68 % aller Messwerte –<br />

d. h. bei den vorliegenden Ergebnissen, dass die meisten<br />

Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler <strong>der</strong> Begabtenklassen (also<br />

ungefähr 68 %) etwa 115 bis 135 IQ-Punkte erreichten,<br />

während dieser Bereich <strong>in</strong> den Regelklassen bei etwa 100<br />

bis 120 IQ-Punkten lag.<br />

Was sagen solche IQ-Werte nun konkret über die Begabung<br />

<strong>in</strong> den Begabtenklassen aus? Vorweg sei hier angemerkt,<br />

dass <strong>in</strong>tellektuelle Hochbegabung meist als e<strong>in</strong>e<br />

deutlich über dem Durchschnitt liegende Intelligenz def<strong>in</strong>iert<br />

wird; häufig wird hierbei e<strong>in</strong> sehr hoher Intelligenzquotient<br />

ab 130 als Grenzwert postuliert, <strong>der</strong> allerd<strong>in</strong>gs nur<br />

selten erreicht wird (exakt 2,23 % e<strong>in</strong>er Altersgruppe).<br />

Gerade aber <strong>in</strong> praxisrelevanten Kontexten wie <strong>der</strong> Begabten<strong>för<strong>der</strong>ung</strong><br />

wird <strong>in</strong>tellektuelle Hochbegabung meist<br />

nicht nur e<strong>in</strong>seitig über den Intelligenzquotienten, son<strong>der</strong>n<br />

– meist ergänzend zu e<strong>in</strong>er überdurchschnittlich<br />

ausgeprägten Intelligenz – auch über weitere Begabungsaspekte,<br />

z. B. hohe Motivation, def<strong>in</strong>iert (dass es ke<strong>in</strong>e<br />

allgeme<strong>in</strong>gültige Def<strong>in</strong>ition von hoher Begabung gibt, spiegelt<br />

sich auch <strong>in</strong> den von Gymnasium zu Gymnasium unterschiedlichen<br />

Auswahlkriterien für e<strong>in</strong>e Begabtenklasse<br />

wi<strong>der</strong> – s. Beitrag 3). Der Bereich <strong>der</strong> leicht überdurchschnittlichen<br />

Intelligenz beg<strong>in</strong>nt per def<strong>in</strong>itionem ab e<strong>in</strong>em<br />

IQ von 115 und reicht bis 129 (13,6 % e<strong>in</strong>er Altersgruppe).<br />

E<strong>in</strong> Großteil <strong>der</strong> Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler <strong>der</strong><br />

Begabtenklassen (55,2 %) erlangte e<strong>in</strong>en solchen leicht<br />

überdurchschnittlichen Intelligenzwert (115–129) o<strong>der</strong><br />

sogar e<strong>in</strong>en Wert im weit überdurchschnittlichen Bereich,<br />

d. h. e<strong>in</strong> IQ von 130 o<strong>der</strong> höher (29,1 %); demgegenüber fiel<br />

dieser Prozentsatz <strong>in</strong> den Regelklassen deutlich ger<strong>in</strong>ger<br />

aus: 28,1 % erreichten e<strong>in</strong>en IQ zwischen 115 und 129, weitere<br />

2,0 % erzielten e<strong>in</strong>en IQ von o<strong>der</strong> über 130. E<strong>in</strong>en<br />

IQ-Wert im durchschnittlichen Intelligenzbereich erhielten<br />

im Vergleich zu den Regelklassen (69,9 %) nur relativ<br />

wenige K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> den Begabtenklassen (15,7 %). E<strong>in</strong>schränkend<br />

zu diesen Ergebnissen darf hier nicht unerwähnt<br />

bleiben, dass die Testwerte zur Ermittlung des IQs <strong>in</strong><br />

PULSS e<strong>in</strong>er (zu) strengen E<strong>in</strong>stufung unterlagen, da die<br />

Normen des e<strong>in</strong>gesetzten Intelligenztests auf Erhebungen<br />

beruhten, die gegen Ende des Schuljahres durchgeführt<br />

wurden (HELLER/PERLETH 2000), während die Intelligenztestungen<br />

<strong>in</strong> PULSS Anfang und Mitte des Schuljahres stattfanden.<br />

Konkret führte dieser Sachverhalt dazu, dass die<br />

tatsächlichen Intelligenzwerte <strong>der</strong> <strong>in</strong> PULSS untersuchten<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> etwas unterschätzt wurden.<br />

Zusammengenommen lässt sich festhalten, dass die meisten<br />

Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler <strong>der</strong> Begabtenklassen im<br />

Intelligenztest leicht bis weit überdurchschnittliche IQ-<br />

Werte erzielten, aber auch <strong>in</strong> diesen Klassen e<strong>in</strong>e relativ<br />

breite Fähigkeitsspanne vorgefunden wurde. Überdies lag<br />

<strong>in</strong> den Begabtenklassen zwar e<strong>in</strong> deutlich höheres Intelligenzniveau<br />

vor als <strong>in</strong> den Regelklassen, aber auch <strong>in</strong> diesen<br />

regulären Klassen gab es e<strong>in</strong>en relativ hohen Anteil an<br />

überdurchschnittlich <strong>in</strong>telligenten K<strong>in</strong><strong>der</strong>n ( TAB. 3). So<br />

erreichten 30,1 % <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> den regulären Gymnasialklassen<br />

e<strong>in</strong>en überdurchschnittlichen Intelligenzwert<br />

(IQ ≥ 115) – fast doppelt so viele wie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gesamtbevölkerung<br />

(15,8 %). Diese Erkenntnis ist <strong>in</strong>sofern nicht belanglos,<br />

da <strong>in</strong> PULSS somit die Begabtenklassen zwar mit<br />

regulären Gymnasialklassen verglichen wurden, aber <strong>in</strong><br />

diesen Regelklassen lagen selbst auch vergleichsweise<br />

hohe Intelligenzwerte vor. Dies muss beim Vergleich <strong>der</strong><br />

Klassentypen h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> schulischen Leistungen und<br />

<strong>der</strong> sozio-emotionalen Merkmale bedacht werden.

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