Karg-Heft Nr. 7: Hochbegabten- förderung in der Sekundarstufe
Ergebnisse der PULSS-Studie zur Untersuchung der gymnasialen Begabtenklassen in Bayern und Baden-Württemberg
Ergebnisse der PULSS-Studie zur Untersuchung der gymnasialen Begabtenklassen in Bayern und Baden-Württemberg
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son<strong>der</strong>n auch die Persönlichkeitsentwicklung negativ bee<strong>in</strong>flussen<br />
(Z. B. IM HINBLICK AUF DEN SELBSTWERT ODER DAS<br />
STRESSERLEBEN; LUPKOWSKI-SHOPLIK ET AL. 2003; FÜR EINEN ÜBER-<br />
BLICK SIEHE PRECKEL/VOCK 2013). Hier sche<strong>in</strong>t spezielle För<strong>der</strong>ung<br />
essenziell, um langfristig ungünstige Konsequenzen<br />
für die persönliche und fachliche Entwicklung zu vermeiden.<br />
Die Prävention schulischer Unterfor<strong>der</strong>ung ist jedoch<br />
nicht das e<strong>in</strong>zige Argument für die Anpassung schulischer<br />
För<strong>der</strong>ung an die Bedürfnisse und Möglichkeiten Hochbegabter.<br />
Auch die Entwicklung von Spitzenleistungen erfor<strong>der</strong>t<br />
e<strong>in</strong>e frühe und lang anhaltende Beschäftigung mit<br />
e<strong>in</strong>em Thema, welche wie<strong>der</strong>um fachkundige Anregung<br />
und Anleitung benötigt. Erfahrungen zur schulischen För<strong>der</strong>ung<br />
von hochbegabten K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Jugendlichen liegen<br />
im deutschsprachigen Raum (und auch <strong>in</strong>ternational) erst<br />
seit wenigen Jahrzehnten vor. Es s<strong>in</strong>d hier vor allem <strong>in</strong>dividuelle<br />
wie auch gruppenbezogene Akzelerations- und<br />
Enrichmentmaßnahmen zu nennen, die auch mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />
komb<strong>in</strong>iert werden können, und <strong>der</strong>en Wirksamkeit im<br />
Folgenden genauer beurteilt werden soll.<br />
INDIVIDUELLE AKZELERATIONS-<br />
MASSNAHMEN<br />
Mit Akzeleration ist das schnellere Durchlaufen des regulären<br />
Curriculums geme<strong>in</strong>t, also alle diejenigen Maßnahmen,<br />
die es Schüler<strong>in</strong>nen und Schülern ermöglichen, den<br />
vorgesehenen Lehrplan früher zu beg<strong>in</strong>nen, zu beenden<br />
o<strong>der</strong> schneller zu passieren, als es üblich bzw. gesetzlich<br />
vorgeschrieben ist (HEINBOKEL 2004). Akzelerationsmaßnahmen<br />
können zu unterschiedlichen Zeitpunkten während<br />
<strong>der</strong> K<strong>in</strong>dheit und Jugend durchgeführt werden. Als klassische<br />
<strong>in</strong>dividuelle Akzelerationsmaßnahmen gelten die<br />
vorzeitige E<strong>in</strong>schulung o<strong>der</strong> das Überspr<strong>in</strong>gen von Klassen.<br />
Beide Maßnahmen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> allen deutschen Bundeslän<strong>der</strong>n<br />
grundsätzlich möglich, werden jedoch unterschiedlich<br />
geregelt und unterschiedlich häufig <strong>in</strong> Anspruch genommen<br />
(VGL. STUMPF 2012; PRECKEL/VOCK 2013).<br />
Während <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> <strong>in</strong> Deutschland vorzeitig e<strong>in</strong>geschulten<br />
K<strong>in</strong><strong>der</strong> noch <strong>in</strong> den frühen 70er-Jahren zum Teil<br />
deutlich über 10 % lag, sank diese Quote <strong>in</strong> den folgenden<br />
Jahren beträchtlich auf e<strong>in</strong>en Tiefpunkt von weniger als<br />
3 % im Jahr 1991. Ab Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong> 90er-Jahre bis 2004 zeigte<br />
sich wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e leicht steigende Tendenz zur vorzeitigen<br />
E<strong>in</strong>schulung, die im Zuge <strong>der</strong> Vorverlegung des regulären<br />
E<strong>in</strong>schulungsalters <strong>in</strong> den letzten Jahren eher stagnierte.<br />
Der Anteil vorzeitig e<strong>in</strong>geschulter K<strong>in</strong><strong>der</strong> liegt <strong>der</strong>zeit bei<br />
etwas mehr als 5 % (AUTORENGRUPPE BILDUNGSBERICHTERSTAT-<br />
TUNG 2010). Oft f<strong>in</strong>det sich Wi<strong>der</strong>stand bei Eltern, Erziehern<br />
und Lehrkräften, die das betroffene K<strong>in</strong>d noch für körperlich,<br />
sozial und emotional überfor<strong>der</strong>t halten. Bei hochbegabten<br />
K<strong>in</strong><strong>der</strong>n kann sich e<strong>in</strong>e solche Maßnahme jedoch<br />
durchaus bewähren, da sie hilft, Unterfor<strong>der</strong>ung zu vermeiden.<br />
Die vorliegenden nationalen wie auch <strong>in</strong>ternationalen<br />
Evaluationsstudien zu den Effekten vorzeitiger E<strong>in</strong>schulung<br />
bei K<strong>in</strong><strong>der</strong>n mit beson<strong>der</strong>en <strong>in</strong>tellektuellen<br />
Fähigkeiten stimmen im H<strong>in</strong>blick auf die Leistungsentwicklung<br />
<strong>in</strong>sofern übere<strong>in</strong>, als sie ke<strong>in</strong>erlei Nachteile für<br />
vorzeitig e<strong>in</strong>geschulte K<strong>in</strong><strong>der</strong> berichten (VOCK/PRECKEL/<br />
HOLLING 2007). Auch wenn die Befunde im H<strong>in</strong>blick auf die<br />
sozio-emotionale Entwicklung dieser K<strong>in</strong><strong>der</strong> weniger e<strong>in</strong>heitlich<br />
ausfallen, können sie <strong>in</strong>sgesamt doch so bewertet<br />
werden, dass e<strong>in</strong>e vorzeitige E<strong>in</strong>schulung mehr positive als<br />
negative Konsequenzen nach sich zieht. Von e<strong>in</strong>er frühen<br />
E<strong>in</strong>schulung sollte jedoch <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e dann abgesehen<br />
werden, wenn die <strong>in</strong>tellektuellen Fähigkeiten im eher<br />
durchschnittlichen Bereich liegen und zudem deutliche<br />
Defizite im sozialen Bereich, <strong>der</strong> manuellen Geschicklichkeit<br />
sowie <strong>der</strong> Ausdauer festgestellt werden. Weiterh<strong>in</strong><br />
sche<strong>in</strong>t <strong>der</strong> Ausgang <strong>der</strong> Maßnahme ungewiss, wenn die<br />
aufnehmende Lehrkraft e<strong>in</strong>em solchen Schritt ablehnend<br />
gegenübersteht.<br />
Das Überspr<strong>in</strong>gen von Klassenstufen stellt e<strong>in</strong>e weitere<br />
<strong>in</strong>dividuelle Akzelerationsmaßnahme dar. Gegenüber <strong>der</strong><br />
vorzeitigen E<strong>in</strong>schulung bietet sie den Vorteil, dass die<br />
Lehrkräfte zuvor im Unterricht gründlich überprüfen<br />
können, ob das betroffene K<strong>in</strong>d die erfor<strong>der</strong>liche Leistungsfähigkeit<br />
und Belastbarkeit mitbr<strong>in</strong>gt. Dennoch gab<br />
es im deutschsprachigen Raum im Unterschied zu <strong>der</strong> Situation<br />
<strong>in</strong> den USA lange Zeit Wi<strong>der</strong>stand bei Eltern und<br />
Lehrkräften gegenüber e<strong>in</strong>er solchen Maßnahme. Die<br />
E<strong>in</strong>stellung zum Überspr<strong>in</strong>gen von Klassen war <strong>in</strong> Deutschland<br />
bis <strong>in</strong> die 1990er-Jahre h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> eher negativ, hauptsächlich<br />
wegen grundsätzlicher Bedenken h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong><br />
sozio-emotionalen Entwicklung. Die zahlreichen Evaluationsuntersuchungen<br />
aus dem angloamerikanischen Raum,<br />
die sowohl im H<strong>in</strong>blick auf die Leistungsentwicklung als<br />
auch h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> sozio-emotionalen Anpassung <strong>in</strong>sgesamt<br />
positive Befunde berichteten (ETWA KULIK 2004), wurden<br />
hierzulande wenig beachtet. Erst zwischen 1980 und<br />
2000 fanden sich <strong>in</strong> Deutschland Zuwächse <strong>in</strong> den Überspr<strong>in</strong>gerquoten<br />
(mitbed<strong>in</strong>gt durch e<strong>in</strong>e Liberalisierung <strong>der</strong><br />
schulrechtlichen Bestimmungen zum Überspr<strong>in</strong>gen) und<br />
auch Untersuchungen, die sich mit den Effekten dieser<br />
Maßnahmen beschäftigen (VGL. HEINBOKEL 2014; PRECKEL/<br />
VOCK 2013; VOCK/PRECKEL/HOLLING 2007). Unterschiedliche<br />
Evaluationsstudien zeigten dabei übere<strong>in</strong>stimmend, dass<br />
die Überspr<strong>in</strong>ger den Unterrichtsstoff <strong>der</strong> übersprungenen<br />
Klasse schnell aufholten und sich im Leistungsbereich<br />
ke<strong>in</strong>e Probleme e<strong>in</strong>stellten, und dies relativ unabhängig<br />
vom Zeitpunkt <strong>der</strong> Maßnahme. E<strong>in</strong>e aktuelle deutsche<br />
Studie zeigt darüber h<strong>in</strong>aus klare Leistungsvorteile <strong>der</strong><br />
Spr<strong>in</strong>gerk<strong>in</strong><strong>der</strong> auf (KRETSCHMANN/VOCK/LÜDTKE 2014). Zu<br />
emotionalen und sozialen Schwierigkeiten <strong>der</strong> Überspr<strong>in</strong>ger<br />
ist wenig bekannt. Die Mehrzahl <strong>der</strong> amerikanischen<br />
Untersuchungen belegt, dass das Überspr<strong>in</strong>gen ke<strong>in</strong>e negativen<br />
Konsequenzen für die sozio-emotionale Entwick-