Hochgefühle 01 2021
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Seite 58 HOCHGEFÜHLE – DAS MAGAZIN DE ER ALPENVEREINS<br />
Erinnerungen von Otto Umlauft (Serie 8/10)<br />
AM WEG ZUM<br />
NANGA PARBAT<br />
Tagebuch einer großen Reise<br />
Otto Umlauft sen.<br />
Flashmans,<br />
Dienstag, 20. 5. 1975<br />
Kein Flug! Diese. Nachricht drückt dem Tag wieder<br />
ihren Stempel auf. Auch Klein - Widy kommen unverrichteter<br />
Dinge vom Flugplatz zurück. Unser nächster<br />
Termin Donnerstag! Vormittags führe ich einige<br />
Telefongespräche mit Dr. Hoffmann Loss von der<br />
BRD-Botschaft wegen der notwendigen Zollformalitäten<br />
für die Heimreise. Er verspricht Kontakte mit<br />
Hr. Schah von Express Movers und vor allem mit der<br />
Afgh. Botschaft wegen eines Begleitschreibens.<br />
Nachmittags Wasserball im Schwimmbecken vom<br />
Flashmans. Nach dem Abendessen gehen wir zu dritt<br />
mit Capt. Khalid ins Kino (Horsemen mit Omar Sharif).<br />
Bei sehr guten Bildern und primitiver Handlung kann<br />
man dem Film gerade noch ausreichend folgen. Um<br />
Mitternacht frage ich wegen einer Telefonverbindung<br />
nach Klagenfurt, müßte jedoch mindestens zwei<br />
Stunden warten.<br />
Flashmans,<br />
Mittwoch, 21. 5. 1975<br />
Klein, Widy kehren wieder von ihrem Gilgit-Versuch<br />
mit negativem Erfolg heim. Das bedeutet neuerliche<br />
Verschiebung für den Skardu-Flug von uns selbst. Ich<br />
gehe nach dem Frühstück mit einem eingeschriebenen<br />
Brief auf die Post.<br />
Der restliche Tag vergeht mit Lesen, Schachspielen,<br />
Schlafen und Schwimmen. Die einzige Neuigkeit ist<br />
eine Einladung bei Hr. u. Fr. Kiel in derselben Besetzung<br />
wie beim ersten Mal, zusätzlich Ina Merz.<br />
Die Abendbesprechung ergibt nur die Absicht eines<br />
Vorkommandos nach Skardu unter Th. Gruhi und die<br />
Tatsache, dass für die Rückfahrt bei voller Wagenzahl<br />
Fahrer aus Deutschland heruntergeflogen werden<br />
müssen. Die Einladung bei Kiel dauert ohne besondere<br />
Höhepunkte bei gutem Essen und sehr viel Bier<br />
bis 21.30 Uhr.<br />
Flashmans,<br />
Donnerstag, 22. 5. 1975<br />
14 Tage Rawalpindi sind also nun doch voll geworden.<br />
Darüber hinaus sind wir von Klagenfurt seit der<br />
endgültigen Abreise genau ein Monat weg. Schließlich<br />
ist heute der Geburtstag von Georg Hoffmann<br />
aus Tegernsee, dem Kameramann der Expedition.<br />
Es gibt daher zum Frühstück Asbach Uralt. Nur beim<br />
Frühstück zwischen 7.30 und 8 Uhr treffen sich alle.<br />
Da wird dann auch täglich die Essenablöse von mir<br />
ausbezahlt. Nach dem Frühstück besorgen wir eine<br />
Blechkiste für Expeditionsgepäck. Widy und Klein<br />
bekommen ihre Flugzusage und fahren ab und die<br />
Gruppe Gruhl als „Vorkommando Skardu“ hofft auch<br />
auf einen Start gegen Mittag. Anläßlich der Bezahlung<br />
der Hotelrechnung melde ich um 10.30 Uhr ein<br />
Gespräch nach Hause an. Teils sind es Sorgen, teils<br />
einfach der Wunsch nach dem scheinbaren persönlichen<br />
Kontakt und nach der Stimme, die den Ausschlag<br />
gibt zu diesem Entschluss. Um 13 Uhr spreche<br />
ich mit Helga. Ich bin sehr froh über das Gespräch<br />
und gute Nachrichten!!<br />
Am Nachmittag wird alles nochmals um- und eingepackt.<br />
Der Flug scheint Wirklichkeit zu werden. Ich<br />
gehe nocheinmal schwimmen ins Intercontinental.<br />
Flashmans,<br />
Freitag, 23. 5. 1975<br />
Um 4.40 Uhr stehe ich auf und wecke ab 5 Uhr individuell.<br />
Frühstück ist für 6.15 Uhr angesagt. Die<br />
Hotelrechnung habe ich bereits gestern bezahlt. Ein<br />
Teil des Gepäcks kommt ins Hoteldepot. Das Wetter<br />
ist prachtvoll schön.<br />
Nach frühzeitiger Abfahrt im Hotel und langer Wartezeit<br />
am Flugplatz heben wir uns endlich in einer<br />
viermotorigen „Herkules“ Transportmaschine der Air<br />
Force um 11.30 Uhr vom Boden ab. Vier kopfgroße<br />
Fenster stehen 21 Personen zur Besichtigung des<br />
Nanga Parbat zur Verfügung. Für wenige Sekunden<br />
sehe auch ich hinüber und eine 125stel Sekunde<br />
brauche ich noch für den Fotoapparat. Vom Flugplatz<br />
Skardu fahren wir samt Gepäck in drei Jeeps in den<br />
Ort und beziehen vier Zimmer im „Rasthaus“. Am<br />
Nachmittag machen wir noch einen 6-Meilen-Ausflug<br />
zum SATBARA-See, der auf 3.000 m Höhe liegt und<br />
hohe Gletscherberge bilden den Talschluß hinter dem<br />
tiefblauen windbewegten See. Nach Rückkehr setze<br />
ich mich an den Rand des Hochplateaus über dem<br />
Tal. Unten schiebt sich durch breite Sand und Schotterufer<br />
der breite Indus. Diesmal, wo wir ihm zum<br />
zweiten Mal begegnen, hat er erst eine kurze Strecke<br />
aus China hinter sich. Die Kargheit und Strenge der<br />
Landschaft mit den darüber hinziehenden Sandstürmen<br />
ist ein starker Kontrast zur Hitze Rawalpindis.<br />
Nun empfinde ich erstmalig das gewaltigste Gebirge<br />
der Welt und bin am Anfang der Erfüllung meiner<br />
Wünsche. Mächtige Bergstöcke bilden das Industal.<br />
Dunkelbraun ist der Fels, gebändert mit breiten,<br />
über das ganze Tal hin sichtbaren Quarzstreifen. In<br />
weit herabreichenden Rinnen trifft der Blick auf den<br />
ersten Schnee, mit dem alle Gipfel rundum be deckt<br />
sind. Das Rauschen der Pappeln und Weiden erzählt<br />
von dem beständig aus Süden kommenden Wind und<br />
ersetzt die breite Lautlosigkeit des Flußes zu meinen<br />
Füßen. Ich denke an die große Entfernung von<br />
der Heimat und beschließe diesen Tag, der noch im<br />
Flashmans-Hotel begann, hier in dem winzigen Bergdorf.<br />
Im Winter decken meterhohe Schneemassen<br />
alles und damit auch die Verkehrswege zu. Was immer<br />
bleibt, ist die Ursprünglichkeit der freundlichen,<br />
aber abgearbeiteten Bevölkerung, der ein Bund Holz<br />
am Rücken noch stundenlangen Marsch wert ist.<br />
Vier Zweibettzimmer stehen für 20 Personen zur Verfügung.<br />
Ich schlafe am Boden. Herrlich: Trinkwasser<br />
aus der Leitung!<br />
Susli, Samstag, 24. 5. 1975<br />
Nach dem um zwei Stunden verspäteten Aufbruch<br />
um 7.30 Uhr legen wir zuerst ca. 15 Meilen bis zum<br />
Beginn der Indusschlucht zurück. Was dann kommt,<br />
war allen bisher unvorstellbar! Rund 160 km folgt die<br />
„Straße“ dem eingezwängten Indus in einer Schlucht,<br />
die dem Fahrweg nur schwalbennestartigen Aufbau<br />
erlaubt. Kunstvolle Steinschlichtungen ohne jeden<br />
Beton halten eine Fahrbahn, die oft dem Jeep nur<br />
ganz knapp Platz bietet. Riesige Bergsturzgebiete<br />
wechseln mit senkrechten Wänden ab. Es gibt keinen<br />
der vier Wägen, der nicht einmal am Felsen aneckt.<br />
Eine kurze Mittagsrast beschert uns die üblichen<br />
Dschabati und am Abend in SUSLI sind wir sehr<br />
müde. Wir essen wieder Dschabati und trinken Tee.<br />
Schließlich legen wir uns auf die Wiese und schlafen<br />
recht gut. Nicht einmal das aufregende Erlebnis dieser<br />
endlosen Jeepfahrt stört den traumlosen Schlaf.<br />
Fortsetzung folgt …