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architektur Fachmagazin Ausgabe 1 2021

Die erste Ausgabe von architektur in 2021 widmet sich als Schwerpunkt Projekten, bei denen bestehende Strukturen in neue Architekturkonzepte zu integrieren waren. Zweifelsfrei handelt es sich bei derartigen Aufgaben um eine Königsdisziplin im Architekturschaffen. Wie viel an besonderem Erfahrungsschatz und Feingefühl für das Gelingen stimmiger Gesamtkonzepte aber erforderlich ist, zeigen die unterschiedlichen Beispiele auf den folgenden Seiten.

Die erste Ausgabe von architektur in 2021 widmet sich als Schwerpunkt Projekten, bei denen bestehende Strukturen in neue Architekturkonzepte zu integrieren waren. Zweifelsfrei handelt es sich bei derartigen Aufgaben um eine Königsdisziplin im Architekturschaffen. Wie viel an besonderem Erfahrungsschatz und Feingefühl für das Gelingen stimmiger Gesamtkonzepte aber erforderlich ist, zeigen die unterschiedlichen Beispiele auf den folgenden Seiten.

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<strong>architektur</strong> FACHMAGAZIN<br />

18<br />

Bau & Recht<br />

COVID-19 – Entfall der Verpflichtung<br />

zur Bestandzinszahlung?<br />

Die Diskussion über den Entfall oder die Minderung des Bestandzinses in Zeiten<br />

der COVID-19-Pandemie und der damit einhergehenden „Lock-Downs“ ist derzeit<br />

omnipräsent. Selten wurde eine rund 200 Jahre alte Gesetzesbestimmung<br />

(§ 1104 ABGB) plötzlich zum Mittelpunkt der juristischen Auseinandersetzung.<br />

Aktuelle Gerichtsurteile sowie ein Rechtsgutachten zu diesem Themenkreis<br />

zeigen, wie kontrovers die juristische Meinung zu dieser Bestimmung ist.<br />

Text: Ing. Mag. Julia Haumer-Mörzinger und Mag. Matthias Nödl<br />

Im Zusammenhang mit der aktuellen CO-<br />

VID-19-Pandemie wurde am 15.03.2020 im<br />

Bundesgesetzblatt das Bundesgesetz betreffend<br />

vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung<br />

der Verbreitung von COVID-19 (CO-<br />

VID-19-Maßnahmengesetz) kundgemacht.<br />

Auf dessen Basis wurden mittlerweile zahlreiche<br />

Verordnungen erlassen und kundgemacht,<br />

die Betretungsverbote und/oder<br />

Betriebsbeschränkungen für gewisse Betriebsstätten<br />

des Handels, von Dienstleistungsunternehmen<br />

sowie von Freizeit- und<br />

Sportbetrieben normierten bzw. normieren.<br />

Die verordneten Betretungsverbote und<br />

Betriebsbeschränkungen führten vielerorts<br />

zur Schließung von Betriebsstätten oder<br />

zumindest zur teilweisen Unbrauchbarkeit<br />

der Betriebsstätten. In der Folge hat sich<br />

daher eine Diskussion zwischen Bestandgebern<br />

und Bestandnehmern entwickelt,<br />

welcher Sphäre die Unbrauchbarkeit des<br />

Bestandobjekts zuzurechnen sei. Also, ob<br />

der Bestandgeber den vereinbarten Bestandzins<br />

in voller Höhe vom Bestandnehmer<br />

verlangen kann oder der Bestandnehmer<br />

den Bestandzins – allenfalls sogar auf<br />

null – mindern kann.<br />

Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die Beantwortung<br />

dieser Frage von der jeweiligen<br />

konkreten Vertragsgestaltung (Inhalt des<br />

Bestandvertrages, Vorliegen eines Mietoder<br />

eines Pachtvertrages, vereinbarter<br />

Geschäftszweck, etc.) abhängt. Auch kann<br />

für die Beurteilung der Wirksamkeit von<br />

Vertragsbestimmungen sowie für die Geltendmachung<br />

von allfälligen Ansprüchen<br />

entscheidend sein, in welcher Sphäre der<br />

jeweilige Bestandvertrag erstellt wurde.<br />

Die zentralen gesetzlichen Bestimmungen<br />

hinsichtlich der Diskussion über die Zahlungsverpflichtung<br />

des Bestandnehmers<br />

während der COVID-19-Pandemie sind die<br />

§§ 1104 ff ABGB. Gemäß § 1104 ABGB ist<br />

kein Miet- oder Pachtzins zu entrichten,<br />

wenn die in Bestand genommene Sache<br />

wegen außerordentlicher Zufälle gar nicht<br />

gebraucht oder benutzt werden kann. Als<br />

außerordentliche Zufälle werden im Gesetz<br />

beispielsweise Feuer, Krieg, Seuche, große<br />

Überschwemmungen, Wetterschläge oder<br />

gänzlicher Misswuchs aufgezählt.<br />

Ein außerordentlicher Zufall liegt nach der<br />

Rechtsprechung und Literatur allgemein vor,<br />

wenn es sich um elementare Ereignisse handelt,<br />

die stets einen größeren Personenkreis<br />

treffen und von Menschen nicht beherrschbar<br />

sind, sodass für deren Folgen im Allgemeinen<br />

von niemand Ersatz erwartet werden<br />

kann. Zu den Fällen des außerordentlichen<br />

Zufalls werden auch von den Vertragspartnern<br />

nicht provozierte hoheitliche Verfügungen<br />

gerechnet. Die überwiegende Literatur<br />

subsumiert die derzeitige COVID-19-Pandemie<br />

und die deswegen verordneten Betretungsverbote<br />

und Betriebsbeschränkungen<br />

unter den Begriff der „Seuche“.<br />

Eine gänzliche Befreiung von der Bestandzinszahlungsverpflichtung<br />

ist daher aufgrund<br />

des außerordentlichen Zufalls grundsätzlich<br />

denkbar. Die Bestandzinsbefreiung<br />

könnte – in Anlehnung an die zu § 1096<br />

ABGB entwickelten Grundsätze – alle Zinsbestandteile,<br />

also auch die Betriebs- und<br />

Nebenkosten sowie öffentlichen Abgaben<br />

umfassen. Im Falle einer nur teilweisen Unbrauchbarkeit<br />

des Bestandgegenstandes<br />

ist allerdings von einem Recht auf angemessene<br />

Bestandsminderung, nicht jedoch<br />

von einem solchen auf gänzliche Bestandzinsbefreiung<br />

auszugehen.<br />

Ob und inwieweit tatsächlich ein Anspruch<br />

gemäß § 1104 ABGB besteht, hängt wesent-<br />

lich von dem im Bestandvertrag vereinbarten<br />

Geschäftszweck und dem Unternehmensgegenstand<br />

des Bestandnehmers ab.<br />

Ist im Bestandvertrag als Geschäftszweck<br />

beispielsweise der Betrieb eines Lebensmittelhandels<br />

vereinbart, hat der Bestandnehmer<br />

weiterhin den vereinbarten Bestandzins<br />

in voller Höhe zu entrichten, weil der Lebensmittelhandel<br />

vom verordneten Betretungsverbot<br />

nicht betroffen war oder ist. Sollte<br />

jedoch im Bestandvertrag ein anderer oder<br />

ein nicht näher bestimmter Geschäftszweck<br />

(zB „jede zulässige gewerbliche Nutzung“)<br />

vereinbart sein, wäre je nach tatsächlicher<br />

Nutzung des Bestandobjekts ein Anspruch<br />

gemäß § 1104 ABGB argumentierbar.<br />

Die Rechtsfolge des außerordentlichen<br />

Zufalls ist zudem vom Ausmaß der Gebrauchsbeeinträchtigung<br />

des Bestandobjekts<br />

abhängig. Gemäß § 1105 Satz 1 ABGB<br />

wird bloß ein verhältnismäßiger Teil des<br />

Mietzinses erlassen, sofern der Mieter trotz<br />

eines außergewöhnlichen Zufalls einen<br />

beschränkten Gebrauch des Bestandgegenstandes<br />

behält. Dies bedeutet, dass bei<br />

Mietverträgen der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit<br />

zur Anwendung gelangt. In<br />

der Praxis wird das Ausmaß des Bestandzinsminderungsanspruches<br />

daher anhand<br />

eines prozentuellen Abschlags je nach dem<br />

Grad der (Un-)Brauchbarkeit berechnet.<br />

Im Zusammenhang mit Pachtverträgen<br />

stellt sich die derzeitige Rechtslage jedoch<br />

differenziert dar. Gemäß § 1105 Satz 2 ABGB<br />

gebührt dem Pächter nur dann eine Minderung<br />

des Pachtzinses, wenn die Pachtdauer<br />

nur ein Jahr beträgt und durch den<br />

außerordentlichen Zufall die Nutzung des<br />

gepachteten Gutes um mehr als die Hälfte<br />

des gewöhnlichen Ertrages fällt.

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