Wilde Kaiserin Winter 2016/17
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Zur Person<br />
Christian Strasser<br />
ist Vater, Großvater, Urgroßvater, Heumilchbauer, Schriftsteller und Holzkünstler. Er wird<br />
am 31. Jänner 1924 am Schösserhof in Söll geboren. Sein Leben ist von Kindheit an von<br />
bäuerlicher Arbeit geprägt. Im November 1943 gerät der Bergbauernsohn in russische<br />
Gefangenschaft, worüber er nach seiner Rückkehr eine autobiografische Erzählung mit<br />
dem Titel „Im Schatten des Elbrus" verfasst und 1987 veröffentlicht. Sein Interesse gilt<br />
im Besonderen der bäuerlichen Vergangenheit, die er nicht nur in Geschichten, sondern<br />
auch in seinen Schnitzereien thematisiert.<br />
„Bei uns macht man einfach etwas. Man<br />
arbeitet und tut was nebenbei. Mein Opa<br />
hat schon immer gerne geschrieben oder<br />
geschnitzt. Das ist einfach so“, erklärt Elisabeth<br />
Edinger-Strasser die ausgeprägten<br />
Leidenschaften ihres Großvaters. Schrieb<br />
sich Christian Strasser erst seine Erlebnisse<br />
der fünf Jahre währenden russischen<br />
Kriegsgefangenschaft von der Seele, waren<br />
es später Geschichten aus der bäuerlichen<br />
Kultur, die Einblick in die harte Arbeit als<br />
Bergbauer und die Freuden und Leiden<br />
des Lebens gewährten. Da tummeln sich<br />
alte Weiber und kartenspielende Männer<br />
genauso wie auf Fuchsattrappen schießende<br />
Jäger und beichtstuhlkapernde Lauser.<br />
Immer lebendig und mit viel Humor erzählt.<br />
Zu Beginn schrieb Christian Strasser<br />
per Hand, dann mit der Schreibmaschine.<br />
Schließlich hat er sich – schon weit über<br />
70 – gar selbst das Schreiben am Computer<br />
beigebracht. Davon überzeugen kann<br />
man sich in den Büchern „Im Schatten<br />
des Elbrus“ aus dem Böhlau Verlag und<br />
„Bauerng'schichten aus dem Söllandl“, erschienen<br />
im Eigenverlag.<br />
EIN REGER GEIST<br />
Und auch seine Enkelin „macht etwas“.<br />
Ihre Leidenschaften sind künstlerischer<br />
Natur und ähneln jenen des Großvaters.<br />
Sie zeichnet und malt – und frönt ebenfalls<br />
dem Schreiben. Als Drei- oder Vierjährige<br />
beobachtet sie ihren Opa nicht nur genauestens<br />
beim Verfassen von Texten, sondern<br />
auch beim Schnitzen. Später hat sie diese<br />
prägende Erfahrung niedergeschrieben<br />
– der darin dargestellte gegenseitige<br />
Umgang zwischen Großvater und Enkelin<br />
erzählt von Liebe und Respekt – und von<br />
einem tiefen Verständnis füreinander:<br />
Ein gutes Machkammerl darf nicht schlampig,<br />
aber auch nicht zu aufgeräumt sein.<br />
Drin kannst du – wie der Name schon sagt<br />
– etwas machen: Aus Altem etwas Neues,<br />
aus Kaputtem etwas Brauchbares. Im Alter<br />
von drei oder vier Jahren verbringe ich viele<br />
Nachmittagsstunden im Machkammerl.<br />
Barfuß, mit geröteten Wangen und das<br />
Haar zu zwei dicken Zöpfen geflochten,<br />
sitze ich neugierig neben meinem Opa und<br />
schaue ihm beim „Macheln“ zu. Der Großvater<br />
ist ein Mann, der Ruhe ausstrahlt. Er<br />
schnitzt mit Vorliebe Holzfiguren, gleichmäßig<br />
und bedächtig formt er originelle<br />
Männlein und Weiblein, etwa in der Größe<br />
einer Teekanne. Sind sie einmal fertig, werden<br />
sie irgendwie lebendig, als wollten sie<br />
etwas erzählen. Neben barocken Engeln<br />
und einem<br />
Bauernknecht<br />
zieren aufreizende<br />
Damen<br />
das Regal. Sogar<br />
die Bremer<br />
Stadtmusikanten<br />
ergänzen<br />
das stumme<br />
Figurentheater.<br />
Ich selbst<br />
bin noch zu<br />
klein, um mit<br />
Holz und Mes-<br />
16 <strong>Wilde</strong> <strong>Kaiserin</strong>