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statement - HfMDK Frankfurt

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6 GELD und KUNST<br />

<strong>Frankfurt</strong> in Takt 12/1<br />

Orpheus’ neue Wege:<br />

Tabus brechen und Initiativen bündeln<br />

<strong>HfMDK</strong>-Gesangsabteilung erhielt den mit 150.000 Euro dotierten „Hessischen Hochschulpreis für Exzellenz in der Lehre“<br />

Die freudige Nachricht aus dem Ministerium für Wissenschaft und<br />

Kunst platzte im letzten Dezember unerwartet in den Vorweihnachtstrubel<br />

der <strong>HfMDK</strong>: Mit ihrem Lehrkonzept „Orpheus auf<br />

neuen Wegen – Gesangsausbildung im Team“ konnte die Gesangsabteilung<br />

der Hochschule die Jury des „Hessischen Hochschulpreises<br />

für Exzellenz in der Lehre“ vollends überzeugen. Der von der<br />

damaligen Ausbildungsdirektorin Prof. Hedwig Fassbender stellvertretend<br />

für die gesamte Abteilung geschriebene Antrag und die<br />

Präsentation des Ausbildungsbereichs beim Besuch der Jury<br />

setzten sich gegen 88 Mitbewerber durch. Am 9. Dezember dann<br />

überreichte Eva Kühne-Hörmann, die Hessische Ministerin für<br />

Wissenschaft und Kunst, der Hochschule für Musik und Darstellende<br />

Kunst <strong>Frankfurt</strong> am Main (<strong>HfMDK</strong>) den 1. Projektpreis, der mit<br />

einem Preisgeld von 150.000 Euro verbunden ist, auf Schloss<br />

Biebrich. Der Preis wird vom Land Hessen und der Hertie-Stiftung<br />

vergeben. Zum große Presseecho anlässlich dieses Erfolges<br />

zählte auch das Editorial der Januar-Ausgabe des internationalen<br />

Opernmagazins „Opernwelt“. Da die Autoren Stephan Mösch<br />

und Albrecht Thiemann das Orpheus-Projekt darin mit Kennerblick<br />

treffend erklären, ist es nachfolgend hier abgedruckt:<br />

Preise zu melden ist normalerweise eine Sache für den Info-Teil der<br />

„Opernwelt“-Hefte. Doch in diesem Fall müssen wir eine Ausnahme<br />

machen: Die Gesangsabteilung der Hochschule für Musik und<br />

Darstellende Kunst in <strong>Frankfurt</strong> ist mit dem „Hessischen Hochschulpreis<br />

für exzellente Lehre“ ausgezeichnet worden. Sie erhält damit<br />

den höchstdotierten deutschen Hochschulpreis (150 000 Euro); ihr<br />

Antrag setzte sich gegen 88 Mitbewerber durch. So weit die<br />

Meldung. Was ist daran so besonders? Ganz einfach: In <strong>Frankfurt</strong><br />

wurde über alle Selbstvermarktung und den Exzellenz-Wettbewerb<br />

der Hochschulen hinaus mit ein paar Tabus gebrochen. Gesang zu<br />

unterrichten war und ist seit jeher eine intime Angelegenheit: Nie<br />

ist der Mensch so nackt, wie wenn er singt, sagt man. Wenn er zu<br />

singen lernt, ist er nackter als nackt. Außerdem bedeutet<br />

eine Stimme zu bilden: einen Menschen zu bilden. Die Verantwortung<br />

der Lehrer ist also groß, das Verhältnis zum Schüler ein<br />

persönliches. Es spielt sich im Einzelunterricht ab. Dagegen spricht<br />

nichts außer einer Gefahr: Der Schutzraum schließt sich oft<br />

hermetisch nach außen ab. Lehrer und Schüler verlieren den<br />

Anschluss an die Praxis, stellen utopische Langzeitpläne für die<br />

Ausbildung auf, arbeiten an der Realität vorbei. Bei den ersten<br />

Vorsingen zerstieben dann viele Hoffnungen. Je weniger die<br />

Gesangslehrer sich selbst mit dem Musikmarkt konfrontieren, desto<br />

erratischer wird ihre Haltung. Es gibt Stars unter ihnen, deren<br />

Zulauf etwas Sektenhaftes an sich hat. Die <strong>Frankfurt</strong>er Gesangsabteilung<br />

unter Leitung von Hedwig Fassbender hat die Umstellung<br />

auf Bachelor- und Masterstudiengänge genutzt, um damit aufzuräu-<br />

men. Sie setzt auf Team-Teaching und offenen Unterricht. Das<br />

bedeutet zum Beispiel, dass die Dozenten sich gegenseitig beim<br />

Unterrichten zuhören, dass Studierende den Rat anderer Lehrer<br />

einholen können, ohne damit ein Sakrileg zu begehen, dass sich die<br />

Lehrer über ihre Schäfchen austauschen. Es ist ja für Außenstehende<br />

kaum zu glauben, was meist immer noch an deutschen<br />

Hochschulen praktiziert wird: Was der eine Gesangslehrer als<br />

Rezept zum Erfolg verkauft, ist für den Kollegen zwei Zimmer weiter<br />

pures Stimmgift. Der Dozent für Liedgestaltung will auf etwas ganz<br />

anderes hinaus als der Hauptfachlehrer; das, was im Unterricht für<br />

Atem und Bewegung geübt wird, betrifft andere Dinge, als der<br />

Regiedozent verlangt...Es geht also vor allem darum, monomanischem<br />

Konkurrenzdenken einen Riegel vorzuschieben.<br />

Eine erfolgreiche oder eine problematische Stimme wäre dann nicht<br />

mehr nur (und automatisch) Produkt eines bestimmten Lehrers. Im<br />

<strong>Frankfurt</strong>er Konzeptpapier ist daher von „gelebter gegenseitiger<br />

Achtung“ die Rede. Natürlich wurde beim soeben ausgezeichneten<br />

Projekt „Orpheus auf neuen Wegen“ das Rad nicht neu erfunden.<br />

Dass jeder Studienjahrgang einen eigenen Mentor hat, ist an<br />

amerikanischen Ausbildungsinstituten selbstverständlich. Dass<br />

Studierende das Vorsingen üben (mit Videokontrolle und vor Profis<br />

aus den Theatern), gehört an vielen Hochschulen hierzulande zum<br />

Standard – wie auch andere Ideen des <strong>Frankfurt</strong>er Projekts.<br />

Entscheidend ist jedoch die Bündelung solcher Initiativen – und<br />

natürlich die Energie, die dahintersteckt, wenn Offenheit dauerhaft<br />

zum Prinzip werden soll. Darin liegt das Neue. Und wenn der<br />

Eindruck beim letzten Vorsingen nicht täuscht, ist aus dem Konzept<br />

längst gelebte Lehre geworden. Die Offenheit, mit der die <strong>Frankfurt</strong>er<br />

Gesangsprofessoren die Meinung von Intendanten, Agenten,<br />

Operndirektoren und auch der „Opernwelt“ aufgenommen und<br />

diskutiert haben, war jedenfalls erstaunlich.<br />

Letztlich geht es ums Selbstverständnis. Gesangstudenten sind<br />

keineswegs für ihre Lehrer da (deren „Standing“ an der Hochschule,<br />

Altersabsicherung oder schlichte Selbstbefriedigung nach dem<br />

Ende der Karriere), sondern umgekehrt: Die Lehrer haben fürs<br />

Andocken an die Praxis zu sorgen. Sie können sich nicht ewig aufs<br />

noch schlummernde Potenzial ihrer Schüler hinausreden. Sie<br />

müssen die Arbeit an diesem Potenzial austarieren mit einem Markt,<br />

der immer schneller und unbarmherziger wird. Was ein junger<br />

Sänger da braucht, ist neben technischer und physischer vor allem<br />

emotionale Stabilität. Die bekommt man nicht dadurch, dass man<br />

sich semesterlang vom Gesangslehrer hätscheln lässt, sondern<br />

indem man sich durch das Gestrüpp von Ansichten und Anforderungen<br />

kämpft. Insofern könnte <strong>Frankfurt</strong> ein Beispiel geben.<br />

Stephan Mösch, Albrecht Thiemann

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