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SELTENE ERKRANKUNGEN

„Seltene Erkrankungen sollte man viel mehr im Blick haben“ - Hier erfahren Sie mehr.

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EINE UNABHÄNGIGE KAMPAGNE VON MEDIAPLANET<br />

Lesen Sie mehr auf www.seltenekrankheiten.de<br />

<strong>SELTENE</strong><br />

<strong>ERKRANKUNGEN</strong><br />

NICHT VERPASSEN:<br />

Nierensteine bereits im Kindesalter?<br />

Eine primäre Hyperoxalurie Typ 1 könnte<br />

der Grund sein<br />

Seite 05<br />

Familiäres Mittelmeerfieber<br />

Wenn Fieberschübe ständig<br />

wiederkehren<br />

Seite 13<br />

Muskelschwäche, Müdigkeit,<br />

Atemprobleme<br />

Die seltene Erkrankung Morbus<br />

Pompe<br />

Seite 14<br />

„Seltene Erkrankungen<br />

sollte man viel mehr im<br />

Blick haben“<br />

Sofian hat Morbus Hunter. Seine Mutter Christina<br />

Issa spricht im Interview über die Herausforderungen,<br />

die diese Erkrankung mit sich bringt.


2<br />

Lesen Sie mehr auf seltenekrankheiten.de<br />

VERANTWORTLICH FÜR DEN<br />

INHALT IN DIESER AUSGABE<br />

Miriam Hähnel<br />

Menschen mit seltenen<br />

Erkrankungen und ihre<br />

Angehörigen tragen<br />

jeden Tag eine immense<br />

Last. Ihre Stimme muss<br />

hörbar gemacht werden,<br />

und das nicht nur<br />

zum Tag der seltenen<br />

Erkrankungen.<br />

IN DIESER AUSGABE<br />

06<br />

Seltene Erkrankungen und<br />

Psychosomatik<br />

Auch die Seele muss versorgt werden.<br />

10<br />

Und plötzlich steht alles auf Pause<br />

Volker Kowalski leidet an einer nichtdystrophen<br />

Myotonie und hat mit drei anderen<br />

Betroffenen die Patientenorganisation<br />

„Mensch und Myotonie e. V.“ gegründet.<br />

Key Account Manager Health: Miriam Hähnel Geschäftsführung:<br />

Richard Båge (CEO), Philipp Colaço (Managing<br />

Director), Franziska Manske (Head of Editorial & Production)<br />

Sales Director: Henriette Schröder Designer: Elias Karberg<br />

Mediaplanet-Kontakt: redaktion.de@mediaplanet.com<br />

Coverbild: Privat Fotos: Privat, Shutterstock<br />

Alle mit gekennzeichneten Artikel sind keine<br />

neutralen Artikel der Mediaplanet-Redaktion.<br />

facebook.com/MediaplanetStories<br />

@Mediaplanet_germany<br />

Please recycle<br />

Eva Luise Köhler<br />

Schirmherrin<br />

ACHSE e. V.<br />

„Was macht Sie stark?“<br />

Das fragt die ACHSE, die Stimme der Menschen mit<br />

chronischen seltenen Erkrankungen in Deutschland aus Anlass<br />

des diesjährigen Rare Disease Day.<br />

Die unzähligen Antworten, die<br />

eingehen und um den Aktionstag<br />

am 28. Februar veröffentlicht<br />

werden, berühren zutiefst.<br />

„Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht<br />

kämpft, hat schon verloren“, lautet das<br />

Lebensmotto einer Familie, deren sechsjähriger<br />

Sohn an Kinderdemenz (juveniler<br />

NCL) leidet. Das Kind ist bereits erblindet.<br />

Sein Glück ist oberstes Gebot. Für ihn<br />

und seine Familie zählt jeder Tag, denn<br />

sein Leben ist kurz. „Ich lebe von Tag zu<br />

Tag und versuche, jeden Tag gut zu meistern.<br />

Und wenn es mir mal nicht gelingt,<br />

versuche ich es am nächsten wieder. Mein<br />

Motto: Leb einfach!“, sagt die junge Mutter<br />

mit ihrem Baby auf dem Arm, sie und<br />

ihr Partner sind beide chronisch krank.<br />

In den mittlerweile 15 Jahren, die ich<br />

mich als Schirmherrin der ACHSE und<br />

im Rahmen meiner Tätigkeiten für die<br />

Eva Luise und Horst Köhler Stiftung für<br />

Menschen mit Seltenen Erkrankungen<br />

engagiere, habe ich unzählige Schicksale<br />

kennengelernt: Kinder, denen nur wenig<br />

Leben bleibt, Eltern oder Partner, die jeden<br />

Tag auf Heilung hoffen, Patienten,<br />

die zusätzliche Hürden im Alltag meistern<br />

müssen. Allein in Deutschland sind<br />

mindestens vier Millionen Menschen von<br />

einer der bis zu 8.000 Seltenen Erkrankungen<br />

betroffen, die zumeist chronisch<br />

verlaufen, nicht selten lebensverkürzend<br />

sind und oft mit schweren körperlichen<br />

oder geistigen Beeinträchtigungen einhergehen<br />

– unter ihnen sind besonders<br />

viele Kinder. Eine große Anzahl Betroffener<br />

ist auf lebenslange Unterstützung angewiesen.<br />

Die Auswirkungen von Corona<br />

treffen die chronisch kranken Menschen,<br />

von denen eine große Anzahl aufgrund<br />

eines Immundefektes oder einer Lungenerkrankung<br />

besonders gefährdet ist,<br />

besonders hart. Geschlossene Förder-<br />

Die Auswirkungen von Corona<br />

treffen die chronisch kranken<br />

Menschen, von denen eine<br />

große Anzahl aufgrund eines<br />

Immundefektes oder einer<br />

Lungenerkrankung besonders<br />

gefährdet ist, besonders hart.<br />

oder Tagespflegeeinrichtungen führen<br />

zu Überlastung. Zum eigenen oder dem<br />

Schutz anderer bleiben zum Teil ganze<br />

Familien seit Monaten abgeschottet zu<br />

Hause. Isolation und Einsamkeit prägen<br />

den Alltag.<br />

Gerade jetzt dennoch Stärke zu demonstrieren<br />

und anderen Mut zu machen,<br />

zeichnet die Gemeinschaft der Seltenen<br />

aus. Gemeinsam kämpfen die Betroffenen<br />

seit vielen Jahren für eine bessere<br />

Versorgung, setzen sich aktiv für mehr<br />

Wissen und Forschung ein. Für diesen<br />

enormen Kraftakt in Zeiten, die für uns<br />

alle schwierig sind, brauchen sie unsere<br />

Unterstützung, auch über den Tag der<br />

Seltenen Erkrankungen hinaus. Wir alle<br />

können Stärke beweisen und aktiv helfen<br />

– nämlich Aufmerksamkeit für die Anliegen<br />

der Waisen der Medizin schaffen und<br />

Unterstützung signalisieren.<br />

Ich wünsche Ihnen eine informative<br />

Lektüre.<br />

Ihre Eva Luise Köhler<br />

Dieser Artikel ist in Zusammenarbeit mit der Vetter Pharma International GmbH entstanden.<br />

Lebensqualität erhalten –<br />

auch bei seltenen Erkrankungen<br />

Text Peter Sölkner<br />

Peter Sölkner<br />

Geschäftsführer<br />

Vetter Pharma International<br />

GmbH<br />

In Deutschland leben etwa vier<br />

Millionen Menschen mit einer der<br />

rund 6.000 verschiedenen seltenen<br />

Erkrankungen. Häufig sind diese<br />

genetisch bedingt und verlaufen chronisch.<br />

Betroffene leiden unter Invalidität<br />

und/oder eingeschränkter Lebenserwartung.<br />

Es ist oftmals schwierig, die<br />

geeignete Behandlungsmöglichkeit zu<br />

finden, da es sehr viele verschiedene<br />

Erkrankungen mit jeweils verhältnismäßig<br />

wenig Betroffenen gibt.<br />

Hilfe versprechen die sogenannten Orphan<br />

Drugs: häufig biologische, extrem<br />

empfindliche und komplexe Wirkstoffe.<br />

Die systematische Entwicklung dieser<br />

Medikamente allerdings ist herausfordernd<br />

– und war in der Vergangenheit<br />

oft wenig lukrativ für Pharmafirmen. Ein<br />

Grund, warum für viele Erkrankungen<br />

noch kein Behandlungsmittel gefunden<br />

wurde. Umso erfreulicher, dass den<br />

seltenen Krankheiten in den letzten<br />

Jahren mehr Beachtung geschenkt wird.<br />

Mehr als 2.000 Wirkstoffkandidaten in<br />

Europa befinden sich aktuell im Stadium<br />

der Medikamentenentwicklung. Unter<br />

den im vergangenen Jahr in Deutschland<br />

zugelassenen 32 Medikamenten mit<br />

neuem Wirkstoff haben bereits 13 Orphan-Drug-Status.<br />

Wir, das Familienunternehmen Vetter<br />

aus Ravensburg, unterstützen kleine und<br />

große Pharma- und Biotechnologieunternehmen<br />

bei der Entwicklung,<br />

Herstellung und Verpackung von<br />

Arzneimitteln, die injiziert werden. Die<br />

bei uns produzierten Medikamente<br />

werden unter anderem zur Behandlung<br />

weitverbreiteter Krankheitsbilder wie<br />

Multiple Sklerose oder schwere rheumatische<br />

Arthritis eingesetzt – aber eben<br />

auch bei seltenen Erkrankungen wie<br />

zum Beispiel der Bluterkrankheit. Die<br />

Motivation unserer aktuell über 5.000<br />

Mitarbeitenden ist es, mit ihrer Tätigkeit<br />

die Lebensqualität von Patienten<br />

weltweit zu verbessern. Gemeinsam mit<br />

unseren Kunden betreiben wir einen<br />

hohen Aufwand, um auch den sogenannten<br />

„Waisen der Medizin“ zu<br />

helfen und ihnen eine neue Perspektive<br />

zu ermöglichen. Daher halten wir die<br />

Erforschung der Behandlungsmöglichkeiten<br />

von seltenen Krankheiten auch<br />

für außerordentlich wichtig: Jeder<br />

Patient sollte die Chance auf eine<br />

möglichst hohe Lebensqualität haben –<br />

auch wenn seine Erkrankung selten ist.<br />

Dafür setzen wir von Vetter uns<br />

tagtäglich ein.<br />

Weitere<br />

Informationen unter:<br />

www.vetterpharma.com


Lesen Sie mehr auf seltenekrankheiten.de 3<br />

„Zusammen ist man weniger allein“<br />

Maria Hengsbach leidet an der seltenen Schlafkrankheit Narkolepsie. Im Interview spricht sie über den<br />

schwierigen Weg bis zur Diagnose und erzählt, warum Selbsthilfe so wichtig ist.<br />

Maria Hengsbach<br />

Narkolepsiepatientin<br />

und Leiterin<br />

der Regionalgruppe<br />

Westfalen<br />

in Paderborn des<br />

Narkolepsie-Netzwerkes<br />

Das komplette<br />

Interview lesen Sie<br />

unter: seltenekrankheiten.de<br />

Sie leiten die Regionalgruppe Westfalen des Narkolepsie-Netzwerkes<br />

und sind selbst von der Erkrankung<br />

betroffen. Wann haben Sie das erste Mal<br />

Symptome bemerkt?<br />

Die Regionalgruppe Westfalen und auch das Narkolepsie-Netzwerk<br />

sind eine große Stütze für mich und liegen<br />

mir sehr am Herzen. Die ersten Symptome traten bei mir<br />

Ende 2011 auf.<br />

Welche Symptome hatten Sie?<br />

Angefangen hat es mit Problemen beim Nachtschlaf<br />

– nachts konnte ich plötzlich nicht mehr schlafen und<br />

tagsüber war ich müde und hatte richtig damit zu kämpfen.<br />

Teilweise hatte ich das Gefühl, einige Sequenzen im<br />

Alltag verpasst zu haben. Zudem war ich oft unkonzentriert<br />

und manchmal knickte ich leicht weg und kam ins<br />

Stolpern. Anfangs habe ich mir darüber keine großen<br />

Gedanken gemacht. Doch mein Mann und meine beiden<br />

Söhne fanden das zunehmend beängstigend. Im April<br />

2012 eskalierte es dann.<br />

Bitte gehen Sie näher darauf ein.<br />

Wir saßen alle in lustiger Runde zusammen, mein Mann<br />

erzählte einen Witz und auf einmal lag ich am Boden.<br />

Vom Kopf her war ich völlig klar und nahm die Reaktionen<br />

meines Umfeldes wahr, konnte mich aber nicht<br />

bewegen, nicht reden und nicht einmal die Augen öffnen<br />

– es ging einfach nichts mehr. Heute weiß ich, dass das<br />

meine erste Kataplexie (ein völliger Muskelspannungsverlust)<br />

war. Im weiteren Verlauf kamen dann Halluzinationen<br />

und Schlaflähmungen hinzu.<br />

Wie sah Ihr Weg bis zur richtigen Diagnose aus? Mit<br />

welchen Herausforderungen sahen Sie sich konfrontiert?<br />

Sehr problematisch. Das Krankheitsbild Narkolepsie als<br />

solches wurde nicht erkannt. Die Zusammenbrüche und<br />

alle vorher beschriebenen Symptome nahmen an Häufigkeit<br />

und Intensität immer mehr zu. Meine Hausärztin<br />

machte alle möglichen Untersuchungen, konnte aber<br />

nichts finden und schickte mich zum Neurologen. Der<br />

hatte den Verdacht auf Narkolepsie, sagte jedoch, dass<br />

ich mit 48 Jahren zu alt dafür sei. Er wies mich dann in<br />

die neurologische Abteilung unseres örtlichen Krankenhauses<br />

ein. Dort konnten mir die Ärzte aber auch nicht<br />

helfen, obwohl ich mittlerweile, aufgrund der Kataplexien,<br />

häufiger lag als stand. Während meiner Zeit im<br />

Krankenhaus habe ich durch eigene Internetrecherchen<br />

Text Benjamin Pank<br />

verschiedene Schlafmediziner herausgefunden und angeschrieben.<br />

Nach einiger Zeit meldete sich tatsächlich<br />

ein Spezialist zurück – das war nach langer Zeit der<br />

Ungewissheit ein erster Lichtblick. In Absprache mit<br />

ihm und meiner Hausärztin habe ich das Krankenhaus<br />

verlassen und bin ein paar Tage später zu ihm gebracht<br />

worden. Mittlerweile war es August und ich konnte<br />

mich nur noch im Rollstuhl fortbewegen. An Laufen<br />

oder Gehen war nicht mehr zu denken. Drei Tage nach<br />

Erstanamnese diagnostizierte er eindeutig Narkolepsie.<br />

Er gab mir ein spezielles Medikament, und bereits einige<br />

Zeit später ging es mir etwas besser. Ich konnte, wenn<br />

auch noch unsicher, erstmals nach langer Zeit wieder auf<br />

meinen Beinen stehen und mit Hilfe langsam gehen. In<br />

diesem Moment realisierte ich, welch großes Glück ich<br />

hatte, dass dieser Arzt auf meine Mail geantwortet hatte.<br />

Denn ab jetzt war ich mir sicher, beim Spezialisten für<br />

meine Krankheit angekommen zu sein. Nun konnten<br />

wir mit der medikamentösen Einstellung beginnen.<br />

Was bedeutete, aus den wenigen am Markt verfügbaren<br />

Medikamenten das geeignetste zum Wachbleiben wie<br />

auch eins zum Schlafen auszuprobieren. Wie bei allen<br />

anderen Medikamenten auch wirken die Medikamente,<br />

die für Narkolepsiepatienten zur Verfügung stehen, unterschiedlich,<br />

sodass dieser Weg nun noch bewältigt werden<br />

musste. Ohne die Unterstützung von Familie und<br />

Freunden wäre dies ein sehr strapaziöser Weg gewesen.<br />

Was hat sich durch die Diagnose und Therapie in<br />

Ihrem Alltag verändert?<br />

Mein ganzes Leben hat sich verändert. Durch die medikamentöse<br />

Einstellung können die Symptome zwar<br />

gemindert werden, aber sie verschwinden nie. Narkolepsie<br />

ist eine unheilbare Krankheit und so begleiten mich<br />

die Kataplexien, Halluzinationen und Schlaflähmungen<br />

mein Leben lang. Nie mehr allein schwimmen, nie mehr<br />

ausgelassen fröhlich sein, nie mehr konzentriert ein<br />

Buch lesen können. Was 48 Jahre lang zu mir gehörte,<br />

war schlagartig anders. Weil dich die Müdigkeit oder die<br />

Kataplexien ohne Ankündigung aus der Bahn werfen.<br />

Aufgrund der langen Zeit der Krankschreibung wurde<br />

ich von der Krankenkasse zu einer Reha geschickt. Dort<br />

wurde festgestellt, dass ich berufsunfähig bin. Das war<br />

sehr einschneidend für mich, da ich immer gern<br />

arbeiten gegangen bin. Nun bin ich aber ein Mensch, der<br />

nicht stillstehen kann, und so habe ich begonnen, mich<br />

in der Selbsthilfe zu engagieren, denn zusammen ist<br />

man weniger allein.<br />

NARKOLEPSIE-<br />

NETZWERK E. V. –<br />

ANLAUFSTELLE<br />

FÜR BETROF-<br />

FENE, DEREN<br />

ANGEHÖRIGE<br />

UND MEDIZINER<br />

Das Narkolepsie-<br />

Netzwerk e. V. bietet<br />

Hilfestellungen für<br />

diagnostizierte Narkoleptiker<br />

und alle sonstigen<br />

Interessierten,<br />

darunter Ärzte – vom<br />

Neurologen bis zum<br />

Allgemeinmediziner.<br />

Dabei spielt der Austausch<br />

Betroffener in<br />

der Selbsthilfe eine<br />

zentrale Rolle: So können<br />

sich Narkolepsiepatienten<br />

gegenseitig<br />

unterstützen, sich<br />

gegenseitige Hilfestellung<br />

bei Fragen rund<br />

um die Erkrankung<br />

und deren Behandlung<br />

geben und sich bei<br />

sozialen Fragen unterstützen.<br />

Zudem unterstützen<br />

und begleiten namhafte<br />

Schlafmediziner die<br />

Arbeit des Netzwerkes.<br />

Damit ist eine kompetente<br />

und solide Basis<br />

geschaffen, sodass<br />

sowohl Betroffene als<br />

auch interessierte Ärzte<br />

auch über aktuelle<br />

medizinische Erkenntnisse<br />

informiert werden<br />

und einen Überblick zu<br />

bestehenden und neuen<br />

Behandlungsmethoden<br />

erlangen.<br />

Weitere Informationen:<br />

www.narkolepsienetzwerk.de<br />

ANZEIGE<br />

HELLWACH<br />

DURCHS LEBEN<br />

NEUE PERSPEKTIVEN FÜR PATIENTEN<br />

Bioprojet entwickelt auf der Basis eigener Grundlagenforschung neue Therapieoptionen<br />

mit dem Ziel, schwerwiegende Schlafkrankheiten zu lindern und die Lebensqualität von<br />

Patienten nachhaltig zu verbessern.<br />

Um diese Vision zu verwirklichen, arbeitet Bioprojet weltweit mit Forschern, Ärzten und<br />

anderen Spezialisten in der Schlafmedizin zusammen.<br />

Bioprojet Deutschland GmbH<br />

Bismarckstr. 63 • 12169 Berlin<br />

Tel.: 030 / 34655460-0<br />

info@bioprojet.de • www.bioprojet.de


4<br />

Lesen Sie mehr auf seltenekrankheiten.de<br />

hATTR-Amyloidose:<br />

Eine lebensbedrohliche Multisystemerkrankung<br />

Bei der hereditären ATTR-Amyloidose handelt es sich um eine seltene, autosomal-dominant vererbte Erkrankung,<br />

bei der durch verschiedene Mutationen im TTR-Gen abnorme Transthyretin-Varianten gebildet werden. Über<br />

Diagnostik und Therapie sprachen wir mit PD Dr. med. Katrin Hahn im Interview.<br />

Text Benjamin Pank<br />

PD Dr. med.<br />

Katrin Hahn<br />

Oberärztin der<br />

Klinik für Neurologie<br />

und Experimentelle<br />

Neurologie der<br />

Charité Berlin und<br />

Sprecherin des<br />

Amyloidosis Center<br />

Charité Berlin<br />

(ACCB)<br />

Lesen Sie das ganze<br />

Interview auf:<br />

seltenekrankheiten.de<br />

Die ATTR-Amyloidose ist nicht leicht zu<br />

diagnostizieren. Wie macht sich die Erkrankung<br />

bemerkbar und was erschwert die Diagnose?<br />

Die hereditäre Transthyretin-Amyloidose ist eine<br />

lebensbedrohliche Multisystemerkrankung und<br />

macht sich ganz vielfältig bemerkbar. Je nachdem<br />

was für ein Genotyp, also was für eine Mutation, im<br />

Patienten vorliegt, dominiert eine unterschiedliche<br />

Organbeteiligung. Das kann das Herz sein, das<br />

periphere Nervensystem, der Gastrointestinaltrakt,<br />

das können aber in seltenen Fällen auch die Augen<br />

sein. Kurzum: Die Vielzahl der Symptome, mit der<br />

sich die Erkrankung präsentieren kann, macht das<br />

klinische Spektrum sehr breit und erhöht die Wahrscheinlichkeit,<br />

dass die Patienten von verschiedenen<br />

Fachdisziplinen gesehen, aber aufgrund der<br />

unspezifischen Symptome eben auch übersehen<br />

werden. Die ATTR-Amyloidose ist quasi wie ein<br />

Chamäleon, mit relativ vielen Manifestationen, die<br />

sich durch den Systemcharakter der Erkrankung<br />

ergeben. Wenn man versucht zu extrahieren, was in<br />

der Vielfalt am häufigsten ist, dann ist es neben der<br />

neurologischen Mitbeteiligung vor allem das Herz.<br />

Neurologisch präsentieren sich die Patienten mehrheitlich<br />

in Form einer relativ rasch progredienten<br />

Polyneuropathie, die initial mit Missempfindungen<br />

oder Schmerzen starten kann, im Verlauf aber<br />

mehrheitlich zu Lähmungserscheinungen führt.<br />

Die Patienten haben zusätzlich oft ein Karpaltunnelsyndrom,<br />

was dadurch zustande kommt, dass<br />

sich das Transthyretin-Amyloid häufig im Ligamentum<br />

carpi transversum einlagern kann und<br />

dann zu Druck auf den Nerven führt. Auf das Herz<br />

bezogen entwickeln Patienten im Verlauf typische<br />

Symptome einer Herzmuskelschwäche. Sie klagen<br />

dabei über eine verminderte Belastbarkeit, Luftnot<br />

und berichten häufig über Schwindel bei Lagerungsänderung.<br />

Wie lange dauert es durchschnittlich bis zur<br />

Diagnose?<br />

In Ländern, wo die Erkrankung endemisch ist, wie<br />

zum Beispiel in Portugal, hat man aufgrund der<br />

Häufigkeit ein gutes Auge für die Symptome. In<br />

anderen Ländern, wo die Erkrankung sporadisch<br />

und damit sehr selten ist, sind es durchschnittlich<br />

fünf bis acht Jahre oder mehr bis zur Diagnosestellung.<br />

Deutschland gehört dazu. Hierzulande<br />

schätzt man, dass circa 400 bis 450 Patienten mit<br />

einer hATTR-Amyloidose diagnostiziert sind.<br />

Warum ist eine möglichst frühe Diagnose<br />

entscheidend für Betroffene?<br />

Mittlerweile stehen uns relativ viele therapeutische<br />

Optionen zur Verfügung und wir wissen,<br />

dass die Wahrscheinlichkeit des therapeutischen<br />

Ansprechens umso größer ist, je<br />

früher wir mit einer Therapie beginnen.<br />

Wie wird die Erkrankung derzeit behandelt?<br />

Die uns zur Verfügung stehenden Medikamente<br />

verfolgen unterschiedliche mechanistische<br />

Ansätze. Eine Möglichkeit ist, die<br />

Bildung des mutierten Transthyretin in der<br />

Leber maßgeblich zu unterdrücken. Hierfür<br />

stehen uns neue Substanzen zur Verfügung,<br />

die eine sogenannte Antisense-Strategie oder<br />

das Prinzip der RNA-Interferenz nutzen. Das<br />

älteste Verfahren, die TTR-Bildung in der<br />

Leber zu unterdrücken, ist die Lebertransplantation,<br />

die aufgrund von besser verträglichen<br />

Alternativen immer seltener zum<br />

Einsatz kommt. Ein anderer Therapieansatz<br />

fokussiert darauf, das instabile mutierte<br />

Transthyretin, was in Form einer Tetramerstruktur<br />

vorliegt, zu stabilisieren. Auch wenn<br />

die neuen Therapien einen großen Fortschritt<br />

bewirkt haben, ist eine Heilung der Erkrankung<br />

zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht<br />

möglich.<br />

Hoffnung Gen-Stilllegung<br />

ANZEIGE<br />

Die Ursache vieler seltener Erkrankungen liegt<br />

im Erbgut der Betroffenen. Mit konventionellen<br />

Behandlungsmethoden lassen sich häufig nur<br />

die Symptome therapieren. Das Prinzip der RNA-<br />

Interferenz ermöglicht einen neuen Ansatz, mit<br />

dessen Hilfe sich die Aktivität einzelner Gene gezielt<br />

regulieren lässt. So können auch genetisch bedingte<br />

Erkrankungen ursächlich behandelt werden – ohne<br />

dabei das Erbgut zu verändern.<br />

Mithilfe kurzer RNA-Stränge (orange) kann die<br />

Funktion von Genen „deaktiviert“ werden.<br />

Im vergangenen Jahr hat die breite Öffentlichkeit<br />

erstmals Notiz genommen<br />

von einer neuen Klasse von Impfstoffen<br />

auf Basis von Boten-RNA (Messenger-RNA,<br />

mRNA). Durch das Einbringen<br />

dieser mRNA werden die Zellen dazu<br />

gebracht, ein bestimmtes Virus-Protein<br />

zu produzieren, wogegen das Immunsystem<br />

dann Antikörper bildet. mRNA<br />

gibt es in jeder Zelle in Hülle und Fülle.<br />

Ihre Funktion ist es, die im Erbgut gespeicherten<br />

Informationen an die Ribosomen<br />

zu übermitteln, die mittels dieser<br />

„Baupläne“ verschiedenste Proteine<br />

herstellen. Diese Transportfunktion<br />

macht die mRNA zu einem Ziel für neue<br />

therapeutische Ansätze.<br />

Viele seltene Erkrankungen gehen zurück<br />

auf Mutationen im Erbgut. Dadurch<br />

können etwa die „Baupläne“ für wichtige<br />

Proteine fehlerhaft sein. Diese „kaputten“<br />

Proteine können zu schweren Komplikationen<br />

im Stoffwechsel des Körpers<br />

führen, zum Beispiel wenn sie toxisch<br />

wirken, wie bei der akuten hepatischen<br />

Porphyrie, oder aufgrund ihrer veränderten<br />

Struktur Ablagerungen (Amyloid) bilden,<br />

die wiederum die Funktionsfähigkeit<br />

der Organe beeinträchtigen, zum<br />

Beispiel bei der ATTR-Amyloidose.<br />

Eine neue Klasse von Arzneimitteln<br />

Vor gut 20 Jahren entdeckten Wissenschaftler<br />

einen natürlichen Mechanismus,<br />

mit dem Zellen die Aktivität einzelner<br />

Gene steuern können. Dieser Mechanismus<br />

wird als RNA-Interferenz<br />

(RNAi) bezeichnet. Für ihre Forschungen<br />

erhielten die US-Wissenschaftler<br />

Andrew Z. Fire und Craig C. Mello im<br />

Jahr 2006 den Medizin-Nobelpreis. Die<br />

Entdeckung der RNA-Interferenz legte<br />

den Grundstein für eine völlig neue Klasse<br />

von Arzneimitteln.<br />

Die Grundidee ist simpel. Die Aktivität<br />

eines für eine Erkrankung ursächlichen<br />

Gens wird einfach herunterreguliert. Das<br />

geschieht, indem die Informationsübertragung<br />

zwischen dem „defekten“ Gen<br />

und den Protein-produzierenden Ribosomen<br />

unterbrochen wird. Da der Protein-<br />

Bauplan von der mRNA übertragen wird,<br />

lässt sich der zelleigene Mechanismus<br />

der RNA-Interferenz dahingehend aktivieren,<br />

um präzise genau jene mRNA zu<br />

zerstören, die den fehlerhaften Bauplan<br />

überträgt. Um diesen Prozess einzuleiten,<br />

nutzt man eine kurze RNA-Sequenz,<br />

die der Zelle mitteilt, welche mRNA abgebaut<br />

werden soll. Ein Vorteil der RNA-Interferenz:<br />

Im Gegensatz zu einer Gentherapie<br />

wird nicht in das Erbgut eingegriffen.<br />

Setzt man die Behandlung aus, wird<br />

das betreffende Protein wieder hergestellt.<br />

Das Gen ist gewissermaßen wieder<br />

"aktiv". Mögliche langfristige Nebenwirkungen,<br />

die potenziell bei einer Gentherapie<br />

noch Jahre später auftreten können,<br />

sind so besser kontrollierbar.<br />

Das Potenzial der RNAi zum Wohle von<br />

Patienten weltweit nutzbar machen – mit<br />

dieser Vision hat sich 2002 das biopharmazeutische<br />

Unternehmen Alnylam in<br />

den USA gegründet. Seither hat Alnylam<br />

mehr als drei Milliarden US-Dollar in<br />

die Entwicklung von RNAi-Therapeutika<br />

investiert. Seit 2018 wurden bereits drei<br />

RNAi-Therapeutika zur Behandlung seltener,<br />

genetisch bedingter Erkrankungen<br />

in Europa zugelassen. Weitere sind<br />

in Entwicklung.<br />

Perspektivisch lassen sich mit RNAi-Therapeutika<br />

nicht nur genetisch bedingte<br />

Erkrankungen behandeln, sondern potenziell<br />

auch Herz- und Stoffwechselkrankheiten,<br />

Infektionskrankheiten und<br />

Erkrankungen des zentralen Nervensystems.<br />

Dies ist ein gutes Beispiel, wie von<br />

der Forschung an seltenen Erkrankungen<br />

mittelfristig auch viele andere Patienten<br />

profitieren können.<br />

02.2021 PH1-DEU-00007


Lesen Sie mehr auf seltenekrankheiten.de 5<br />

„Wenn Kinder Nierensteine haben,<br />

sollten Ärzte hellhörig werden“<br />

Die primäre Hyperoxalurie Typ 1 ist eine extrem seltene Erkrankung, die im Endstadium zu einer<br />

lebensbedrohlichen Nierenschwäche führen kann. Über die Erkrankung und Meilensteine in der Therapie spricht<br />

Prof. Dr. med. Felix Knauf im Interview.<br />

Text Paul Howe<br />

Herr Prof. Knauf, Sie betreuen unter anderem<br />

Patienten, die an Kristall-assoziierten<br />

Nierenerkrankungen leiden. Was geschieht<br />

speziell bei der primären Hyperoxalurie Typ<br />

1 (PH1) im Körper Betroffener?<br />

Nierensteine sind eine extrem häufige Erkrankung<br />

und betreffen in der Mehrheit aller<br />

Fälle vor allem ältere Patienten. Zusätzlich zu<br />

diesem sehr häufigen Aufkommen von Nierensteinen<br />

bei den Älteren gibt es aber auch<br />

eine genetische Variante, bei der bereits junge<br />

Patienten betroffen sind. Dieser genetische<br />

Defekt führt zu einer vermehrten Bildung von<br />

Oxalat in der Leber. Oxalat ist ein Endprodukt<br />

des Stoffwechsels und wird, solange die<br />

Nierenfunktion ausreichend ist, fast komplett<br />

über den Urin ausgeschieden. Bei extrem hoher<br />

Oxalatausscheidung, wie bei der primären<br />

Hyperoxalurie üblich, ist der Urin immer für<br />

Calciumoxalat (CaOx) übersättigt, es bilden<br />

sich CaOx-Kristalle. Dies führt zu Ablagerungen<br />

dieser Kristalle im Nierengewebe (Nephrocalcinose)<br />

oder zu Steinbildung in den ableitenden<br />

Harnwegen. Beides löst eine chronische<br />

Entzündungs- und Vernarbungsreaktion und<br />

schließlich eine Nierenfunktionseinschränkung<br />

aus.<br />

Wie äußert sich die Erkrankung und bei welchen<br />

Symptomkonstellationen sollten Ärzte<br />

hellhörig werden?<br />

Dadurch, dass bei der PH1 bereits junge Menschen,<br />

mitunter schon Babys und Kleinkinder, unter<br />

Nierensteinen leiden. Bei jedem jungen Patienten,<br />

der einen Nierenstein hat, sollten Ärzte hellhörig<br />

werden, insbesondere wenn es oxalathaltige<br />

Steine sind. Die primären Hyperoxalurien sind<br />

autosomal-rezessiv vererbte Erkrankungen. Das<br />

bedeutet, dass der Patient sowohl auf dem von der<br />

Mutter als auch auf dem vom Vater geerbten Chromosomanteil<br />

die gleiche Veränderung in einem<br />

spezifischen Gen geerbt haben muss, um erkrankt<br />

zu sein. Die Eltern sind dabei meist nicht von der<br />

Erkrankung betroffen. Unbehandelt führt die<br />

Erkrankung zur Niereninsuffizienz. Mit fortschreitender<br />

Nierenschwäche kommt es zur prognostisch<br />

sehr ungünstigen Auskristallisation<br />

von Calciumoxalat im gesamten Organismus<br />

(Oxalose). Symptome einer Nierenschädigung<br />

sind Schwäche, Antriebslosigkeit, Schmerzen und<br />

teilweise auch blutiger Urin.<br />

Wie wurde die PH1 bisher therapiert?<br />

Erstes Ziel ist die frühe Diagnose, um durch eine<br />

konsequente konservative Therapie eine Nierenschädigung<br />

zu minimieren. Bei terminaler Niereninsuffizienz<br />

ist eine intensivierte Dialyse nötig,<br />

um das hohe Risiko der systemischen Oxalose in<br />

diesem Stadium zu reduzieren. Zur Korrektur des<br />

Enzymdefekts bei PH1 war bisher eine kombinierte<br />

Leber-Nieren-Transplantation nötig. Das<br />

Problem bei der Transplantation ist die limitierte<br />

Verfügbarkeit der Organe, und bei der PH1 werden<br />

gleich zwei Organe benötigt. Hinzu kommen die<br />

Nebenwirkungen einer immunsuppressiven Therapie.<br />

Auch die Lebensdauer von transplantierten<br />

Organen ist limitiert.<br />

Wie sieht momentan der Behandlungsstandard<br />

aus?<br />

Es hat sich zum Glück sehr viel getan, eine<br />

spezifische Therapie ist auf den Markt gekommen,<br />

die konkret an dem genetischen Defekt ansetzt.<br />

Man kann Enzymreaktionen, die diesem Defekt<br />

vorgeschaltet sind, ausschalten und dadurch<br />

speziell in den Metabolismus von Oxalat eingreifen.<br />

Der Wirkstoff senkt also den Oxalatspiegel im<br />

Urin bei Kindern und Erwachsenen. Dadurch setzt<br />

man an der Ursache der Nierensteinbildung an,<br />

wodurch ein schwerer Verlauf hoffentlich<br />

ausgeschlossen ist. Das ist ein wahrer Meilenstein<br />

in der Therapie.<br />

Prof. Dr. med.<br />

Felix Knauf<br />

Leiter der AG<br />

Nephrologie und<br />

Internistische Intensivmedizin<br />

am CCR<br />

und Ansprechpartner<br />

für die Nierensteinsprechstunde<br />

am Center for Rare<br />

Kidney Diseases<br />

(CeRKiD) der<br />

Charité Berlin<br />

„Mein Mann war ein Kämpfer“<br />

Stephanie und ihr Mann Jörg führten ein Leben wie aus dem Bilderbuch: ein schönes Haus, zwei gesunde, lebensfrohe Kinder, tolle Jobs.<br />

Dass Jörg an der seltenen Erkrankung PH1 leidet, ändert nichts an ihrem Glück – bis zu dem Tag, als Jörgs Nieren versagen. Im Interview<br />

spricht Stephanie über das gemeinsame Leben, die Erkrankung und darüber, was sie sich für Betroffene und Angehörige wünscht.<br />

Text Benjamin Pank<br />

Welchen persönlichen Bezug haben Sie zur seltenen<br />

Erkrankung PH1?<br />

Ich habe meinen Mann durch die Krankheit verloren.<br />

Er litt seit Geburt an PH1, doch die Diagnose kam erst 39<br />

Jahre später. Schon als wir uns kennenlernten, mit Mitte<br />

20, hatte er immer mal wieder Nierensteine, hatte Koliken<br />

und musste häufiger ins Krankenhaus. Das war auch<br />

immer schlimm mit anzusehen – die Schmerzen müssen<br />

teilweise schrecklich gewesen sein. Doch mein Mann hat<br />

sich das, außerhalb dieser Akutphasen, nie anmerken lassen.<br />

Er war ein Kämpfer, hat nicht gern Schwäche gezeigt<br />

und hat versucht, die Krankheit einfach aus seinem Leben<br />

auszuklammern. Seine Nierensteine sammelte er wie<br />

Trophäen, wohl auch um sich selbst zu beweisen, dass er<br />

stärker ist als die Krankheit. Das hat lange gut funktioniert,<br />

doch leider nicht so lange, bis das Medikament auf den<br />

Markt kam.<br />

Wie hat die Erkrankung Ihres Mannes Ihr Familienleben<br />

verändert?<br />

Jahrelang gar nicht. Wir haben das Leben in vollen Zügen<br />

genossen. Wir sind viel gereist, haben unseren Kindern<br />

die Welt gezeigt. Mein Mann war beruflich sehr erfolgreich<br />

und hat sich immer neue Karriereziele gesetzt. Er war superfit<br />

und voller Lebensenergie. Krank zu sein, hat da für<br />

ihn einfach nicht reingepasst. Auch wenn er regelmäßig<br />

Kontrolltermine hatte, hat er nie über seine Krankheit<br />

gesprochen und immer abgeblockt, wenn ich ihn darauf<br />

angesprochen habe. Bis es nicht mehr wegzudrücken ging.<br />

Bitte gehen Sie näher darauf ein.<br />

Ende 2015 hatte er immer mal einen Tremor. Anfang 2016<br />

waren wir in Tirol Ski fahren, wo er öfters gestürzt ist.<br />

Ich habe ihn gebeten, zum Arzt zu gehen, doch er wollte<br />

partout nicht. Ostern und Sommer 2016 habe ich eine<br />

deutliche Veränderung bei Jörg wahrgenommen. Er wurde<br />

fahrig, hat gezittert und Dinge durcheinandergebracht. Ich<br />

begann mir immer größere Sorgen zu machen, habe ihn<br />

immer wieder gebeten, zum Arzt zu gehen. Doch er wollte<br />

es einfach nicht wahrhaben. Im Juli 2016 waren wir in<br />

Frankreich, und dort ist er zusammengebrochen – Nierenversagen.<br />

Mein Mann wurde als Notfall in die Uniklinik<br />

eingeliefert, wo er noch in der Aufnahme notdialysiert<br />

wurde. Von da an war unser Leben, wie wir es kannten,<br />

vorbei und es ging fast nur noch bergab: Dialyse, Transplantation,<br />

Sepsis, Koma – zwei Jahre später war Jörg tot.<br />

Warum sind ein offener Umgang mit der Erkrankung<br />

und die Vernetzung mit anderen Betroffenen so<br />

wichtig? Welche Möglichkeiten zur Vernetzung und<br />

Hilfsangebote gibt es?<br />

Selbsthilfegruppen und Vernetzung sind meiner Meinung<br />

nach sehr wichtig. Einerseits hat es den emotionalen Faktor,<br />

dass man andere trifft, die auch betroffen sind und mit<br />

denen man sich austauschen kann. Jörg wollte das leider<br />

nie, weil es ihn heruntergezogen hat. Zudem bekommt<br />

man über Selbsthilfegruppen den Kontakt zu Spezialisten.<br />

Ich war selbst in einer PH-Selbsthilfegruppe tätig und<br />

habe gemerkt, dass viele Leute viel zu wenig informiert<br />

sind. Uns ging es auch so. Niemand hat uns über Warnsignale<br />

wie den typischen Geruch nach Salmiak oder die<br />

Verwirrtheit wegen des hohen Harnstoffwertes bei einem<br />

Nierenversagen aufgeklärt. Hätte ich das gewusst, hätten<br />

wir schneller reagieren können.<br />

Was wünschen Sie sich an Veränderungen, wenn es um<br />

die Versorgung Betroffener geht?<br />

Ich wünsche mir, dass Urologen genauer hinschauen und<br />

die Erkrankung dadurch früher erkannt wird. Zudem<br />

wünsche ich mir psychologisch geschultes Personal in den<br />

Kliniken, das als Bindeglied wirkt zwischen den Ärzten<br />

und den Patienten und deren Angehörigen, um sie aufzufangen,<br />

aber auch um ihnen Sachverhalte so zu erklären,<br />

dass alle es verstehen. Das bleibt häufig auf der Strecke<br />

und Patienten und Angehörige stehen alleingelassen da.<br />

Stephanie und Jörg<br />

Das komplette Interview und Stephanie Schulz im Video-<br />

Interview sehen Sie auf: www.seltenekrankheiten.de


6<br />

Lesen Sie mehr auf seltenekrankheiten.de<br />

Seltene Erkrankungen<br />

und Psychosomatik –<br />

Auch die Seele muss versorgt werden<br />

Menschen mit seltenen Erkrankungen warten in Deutschland immer noch mehrere Jahre, bis sie eine<br />

Diagnose erhalten. Dabei sind die Betroffenen sowohl auf dem Weg zur Diagnose als auch danach enormen<br />

psychischen Belastungen ausgesetzt. Ein Gespräch mit Prof. Dr. med. Dipl.-Psych. Rupert Conrad über die<br />

psychischen Leiden im Zusammenhang mit seltenen Erkrankungen und mögliche Lösungsansätze, um<br />

Betroffene auch im Hinblick auf ihre seelische Gesundheit besser versorgen zu können.<br />

Text Hanna Sinnecker<br />

Menschen mit seltenen Erkrankungen<br />

warten oft jahrelang auf ihre Diagnose.<br />

Was macht das mit der Psyche der<br />

Patienten?<br />

Tatsächlich dauert es im Mittel etwa drei bis<br />

vier Jahre, bis Patienten<br />

mit seltenen<br />

Erkrankungen ihre<br />

Diagnose erhalten,<br />

nach einer Umfrage<br />

der European Organization<br />

of Rare Diseases<br />

beträgt die Zeit bei<br />

einem Viertel der Patienten<br />

sogar zwischen<br />

5 und 30 Jahre. Die<br />

Zeit bis zur richtigen<br />

Diagnosestellung führt<br />

in der Mehrzahl der<br />

Fälle zu unangemessenen<br />

und belastenden<br />

medizinischen Untersuchungen bzw. Eingriffen.<br />

Nicht selten wird in diesem Zusammenhang<br />

auch eine psychische Fehldiagnose<br />

gestellt, beispielsweise die Patienten als somatoforme<br />

Störung fehldiagnostiziert: Dabei<br />

handelt es sich um Störungsbilder, bei denen<br />

die medizinischen Befunde die geklagten<br />

Beschwerden nicht hinreichend erklären können.<br />

Dies ist natürlich für die Patienten mit<br />

seltenen Erkrankungen äußerst belastend.<br />

Das wiederum beleuchtet zusätzlich ein<br />

generelles Problem in Bezug auf psychische<br />

und psychosomatische Erkrankungen in<br />

unserer Gesellschaft: Menschen mit einer<br />

psychischen Erkrankung werden häufig nicht<br />

ernst genommen und die Erkrankung als<br />

eingebildet abgetan, was natürlich zu Stigmatisierung<br />

und Ausgrenzung führt und dem<br />

erheblichen Leidensdruck und der dringenden<br />

Behandlungsbedürftigkeit dieser psychischen<br />

Krankheitsbilder in keiner Weise gerecht wird.<br />

Solange der Patient keine Diagnose hat,<br />

aber weiter unter den Symptomen der<br />

seltenen Erkrankung leidet, wachsen auch<br />

die Probleme im Alltag. Welche Folgen hat<br />

das für den seelischen Zustand Betroffener?<br />

Dies kann natürlich negative psychische<br />

Folgen für den Betroffenen haben. Der Patient<br />

leidet unter seinen Krankheitssymptomen,<br />

kann diese gleichzeitig keiner Krankheit<br />

zuordnen, wird durch sein Umfeld, das die<br />

Krankheitssymptome ebenfalls nicht versteht,<br />

verunsichert, womöglich sogar stigmatisiert<br />

und ausgegrenzt.<br />

All dies kann erhebliche<br />

Auswirkungen<br />

auf sämtliche Lebensbereiche<br />

haben und<br />

schränkt die Lebensqualität<br />

von Patienten<br />

massiv ein. Langfristig<br />

kann dies zu psychi-<br />

95%<br />

schen Erkrankungen,<br />

insbesondere Angst und<br />

Depression, führen.<br />

der Befragten berichten<br />

über Ängste und Sorgen<br />

aufgrund der Erkrankung*<br />

Was verändert sich<br />

dann mit dem Moment<br />

der Diagnosestellung<br />

in positiver Hinsicht?<br />

Die frühe und exakte Diagnosestellung ist<br />

von entscheidender Bedeutung, um den<br />

Leidensweg von Patienten mit einer seltenen<br />

Erkrankung zu verkürzen. Mit einem Mal<br />

lassen sich konkrete Fragen stellen und<br />

Antworten suchen, wie zum Beispiel nach<br />

den Behandlungsmöglichkeiten und der<br />

Kostenübernahme, nach eventuellem Förderoder<br />

Pflegebedarf, zum Thema Familienplanung<br />

und Familienanamnese, falls die<br />

Erkrankung vererbbar ist, oder zur Prognose<br />

der Erkrankung.<br />

So schwer oder belastend im Einzelfall die<br />

Diagnose auch sein mag, bedeutet sie für viele<br />

Betroffene und deren Angehörige oft Erlösung<br />

aus einer langen Zeit der Ungewissheit und<br />

damit einer Situation, die nicht bewältigt<br />

werden kann, weil sie komplett unklar ist<br />

90%<br />

klagen über depressive<br />

Symptome*<br />

und Betroffene und Angehörige nicht wissen,<br />

worauf sie sich einstellen müssen. Diese Ungewissheit<br />

erhöht Stress, Angst und Hilflosigkeit.<br />

Wie sehen die psychischen Herausforderungen<br />

nach der Diagnosestellung aus?<br />

Es gibt inzwischen einige Studien, die sowohl<br />

die psychischen Herausforderungen<br />

bei Betroffenen als auch bei Eltern betroffener<br />

Kinder untersuchen, wobei Studien aus<br />

Deutschland fehlen. Für von einer seltenen<br />

Erkrankung Betroffene ergeben sich emotionale<br />

Belastungen durch Unsicherheiten im<br />

Hinblick auf die Behandlung, den Krankheitsverlauf<br />

und die Prognose. Hinzu kommt,<br />

dass viele Betroffene immer wieder mit der<br />

mangelnden Kenntnis im medizinischen<br />

Versorgungssystem konfrontiert sind, was<br />

bedeutet, dass Betroffene häufig schildern,<br />

selbst zu Experten ihrer Erkrankung werden<br />

zu müssen, um sich für die richtige Behandlung<br />

im medizinischen Versorgungssystem<br />

einzusetzen. Aber auch die Unkenntnis über<br />

die eigene Erkrankung im direkten Umfeld<br />

macht Betroffenen zu schaffen, weil dies oft<br />

mit Stigmatisierung<br />

und<br />

Ausgrenzung<br />

einhergehen<br />

kann. Die aus<br />

all diesen<br />

Faktoren<br />

resultierende<br />

emotionale<br />

Belastung<br />

mündet<br />

häufig in eine<br />

psychische<br />

Erkrankung,<br />

wie etwa eine Depression oder Angststörung.<br />

In einer aktuellen Studie aus Großbritannien<br />

mit über 1.300 Patienten mit seltenen<br />

Erkrankungen schildern 36% der Befragten<br />

sogar Suizidgedanken im Zusammenhang mit<br />

der Belastung. Gleichzeitig weisen die Betroffenen<br />

in den Studien darauf hin, dass ein<br />

ausreichendes Bewusstsein für das Ausmaß<br />

psychischer Belastung durch eine seltene<br />

Erkrankung bei Behandlern fehlt, ihnen<br />

nur in seltenen Fällen psychische Unterstützung<br />

angeboten wurde, was zu einem<br />

auf die körperliche Behandlung verengten<br />

Prof. Dr. med.<br />

Dipl.-Psych.<br />

Rupert Conrad,<br />

MBA<br />

Ambulanz- und<br />

Forschungsleiter,<br />

Oberarzt der Klinik<br />

und Poliklinik für<br />

Psychosomatische<br />

Medizin<br />

und Psychotherapie<br />

am UK Bonn<br />

93%<br />

haben eine hohe<br />

Stressbelastung*


Lesen Sie mehr auf seltenekrankheiten.de 7<br />

Versorgungsangebot führt.<br />

Betrachten wir die Belastung von Eltern<br />

betroffener<br />

Kinder, so sind die<br />

Eltern häufig von<br />

Trauer überwältigt,<br />

befürchten den<br />

Verlust ihres<br />

Kindes, spüren<br />

Schuldgefühle<br />

und Hilflosigkeit.<br />

Sie fühlen sich in<br />

der alltäglichen<br />

Fürsorge für ihr<br />

Kind überfordert<br />

und sind unsicher, ob sie die Fürsorgepflichten<br />

langfristig bewältigen können.<br />

Dazu kommen Unsicherheiten hinsichtlich<br />

des Verlaufs der Erkrankung und des kindlichen<br />

Wohlbefindens. Im Erleben der Eltern<br />

werden nahezu alle sozialen Beziehungen<br />

durch die mit der Betreuung verbundenen<br />

Pflichten nachteilig beeinflusst. Die alltägliche<br />

Pflegebedürftigkeit und die versäumten<br />

Möglichkeiten, Zeit miteinander zu verbringen,<br />

wirken sich negativ auf die Paarbeziehung<br />

aus. Eltern bezeichnen insbesondere<br />

finanzielle Angelegenheiten als Hauptursache<br />

von Stress und äußern Sorge bezüglich der<br />

zukünftigen finanziellen Belastungen durch<br />

die Erkrankung. Trotz der starken emotionalen<br />

Belastung wird nur wenigen Eltern<br />

im Rahmen der Behandlung psychologische<br />

Unterstützung durch einen spezialisierten<br />

Arzt/Psychologen oder durch eine Selbsthilfegruppe<br />

angeboten.<br />

Seltene Erkrankungen sind bei Betroffenen<br />

und Angehörigen also mit erheblichen psychischen<br />

Herausforderungen verbunden, und<br />

88%<br />

sind emotional erschöpft*<br />

diese Tatsache ist vielen Behandlern noch<br />

nicht ausreichend bewusst.<br />

Welche Rolle spielt<br />

die interdisziplinäre<br />

Versorgung von Menschen<br />

mit seltenen<br />

Erkrankungen, zum<br />

Beispiel an einem<br />

Zentrum für Seltene<br />

Erkrankungen,<br />

besonders auch im Hinblick<br />

auf die psychische<br />

Gesundheit der Betroffenen?<br />

Die Zentren für Seltene Erkrankungen stellen<br />

durch eine enge Zusammenarbeit von Spezialisten<br />

verschiedener Fachgebiete und durch die<br />

Verknüpfung von Krankenversorgung und<br />

Forschung eine deutliche Verbesserung der<br />

Versorgungsqualität dar.<br />

Seit dem Jahr 2009<br />

wurden an vielen<br />

deutschen Universitätskliniken<br />

ZSEs gegründet.<br />

Durch die Bündelung<br />

verschiedener Fachdisziplinen<br />

nehmen die<br />

Zentren nicht nur die<br />

körperlichen Symptome,<br />

sondern auch die psychischen<br />

Symptome von<br />

Betroffenen in den Blick,<br />

ohne dass Patienten in<br />

Sorge sein müssen, dass<br />

aufgrund psychischer<br />

Symptome die körperlichen<br />

Beschwerden nicht ausreichend ernst<br />

genommen werden. Diese Versorgung von Seele<br />

und Körper, nichts anderes heißt ja<br />

Psychosomatische Medizin, ist wesentlich<br />

dafür, dass sich Betroffene in ihrem Leiden<br />

verstanden fühlen. So ist am Bonner Zentrum<br />

für Seltene Erkrankungen, mit dem ich selbst<br />

eng zusammenarbeite, eine Fachärztin für<br />

Psychosomatische Medizin und Psychotherapie<br />

an zentraler Stelle in das Zentrum integriert. In<br />

Zusammenhang mit den ZSEs kann nicht<br />

genügend betont werden, dass die Verbesserung<br />

der Versorgungsqualität nicht zuletzt über die<br />

laut hörbare Stimme der Patientenorganisationen<br />

für seltene Erkrankungen wie die<br />

European Organization of Rare Diseases und die<br />

Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen<br />

maßgeblich bewirkt wurde, die Patienten ihr<br />

Schicksal also tatkräftig selbst in die Hand<br />

genommen haben. Es ist sehr zu wünschen,<br />

dass diese verbesserte Versorgung von Betroffenen<br />

und Angehörigen in den Zentren für<br />

Seltene Erkrankungen nachhaltig gesichert und<br />

weiter ausgebaut<br />

wird. Dafür ist<br />

natürlich die zukünftige<br />

finanzielle<br />

Ausstattung der<br />

Zentren, um die<br />

natürlich gerade in<br />

36%<br />

*<br />

der Befragten schilderten<br />

sogar Suizidgedanken im<br />

Zusammenhang mit der<br />

Belastung*<br />

Pandemiezeiten<br />

gerungen wird, von<br />

großer Bedeutung.<br />

Im Zentrum aller<br />

Bemühungen bei<br />

seltenen Erkrankungen<br />

sollte auch<br />

in Zukunft die<br />

Verminderung des<br />

körperlichen und<br />

seelischen Leidens sowie die Verbesserung der<br />

Lebensqualität aller betroffenen Menschen<br />

stehen.<br />

Quelle: Spencer-<br />

Tansley R et al.<br />

Rare diseases and<br />

mental health in<br />

the UK – a quantitative<br />

survey and<br />

multi-stakeholder<br />

workshop.<br />

www.researchsquare.com/<br />

article/rs-9686/<br />

v2 (letzter Zugriff:<br />

05.02.2021)


8<br />

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Dieser Artikel ist in Zusammenarbeit mit Takeda Pharma Vertriebs GmbH & Co. KG entstanden.<br />

Diana<br />

Morbus Fabry-<br />

Patientin<br />

Die Erkrankung als lebenslanger<br />

Begleiter<br />

Der Großteil der bisher bekannten seltenen Erkrankungen<br />

ist chronisch im Verlauf: Die Symptome<br />

beeinträchtigen das Leben Betroffener und ihrer<br />

Angehörigen also dauerhaft. In vielen Fällen sind<br />

die Erkrankungen progredient fortschreitend, das<br />

heißt, ohne Behandlung verschlimmern sich die<br />

Beschwerden im Laufe der Zeit. Eine frühe Diagnose<br />

ist entscheidend, um die Symptome in Schach zu<br />

halten und Beschwerden einzudämmen. Die gute<br />

Nachricht: Es gibt immer mehr medikamentöse<br />

Therapiemöglichkeiten, um einzelne Erkrankungen<br />

gezielt zu behandeln. Das wiederum kann zu<br />

einer Verbesserung der Lebensqualität Betroffener<br />

führen.<br />

Endlich mit 41 Jahren erhielt ich meine<br />

Diagnose. Ich kann jetzt ganz normal<br />

leben, wie andere Menschen auch. Ich<br />

lebe jetzt und ich genieße es!<br />

Tanja<br />

Tanja<br />

HAE-Patientin<br />

Aber auch hier ist noch viel zu tun, denn für den<br />

Großteil der bisher bekannten seltenen Erkrankungen<br />

gibt es bislang keine medikamentöse Therapie.<br />

Für Patienten mit<br />

einer seltenen<br />

Erkrankung<br />

kommt der Weg zur<br />

Diagnosestellung<br />

oft einer Odyssee<br />

gleich.<br />

Text<br />

Paul Howe<br />

Quelle:<br />

1<br />

Magerl et al. Orphanet<br />

Journal of Rare Diseases<br />

(https://doi.org/10.1186/<br />

s13023-020-01506-5;<br />

Stand: 12.01.2020)<br />

Die Last einer<br />

seltenen Erkrankung<br />

Eine seltene Erkrankung zu haben, bedeutet für Betroffene und deren Angehörige,<br />

tagtäglich eine Last zu schultern, die mit enormen Herausforderungen einhergeht.<br />

Seltene Erkrankungen stehen in den letzten Jahrzehnten vermehrt im Fokus der<br />

Forschung, und es wird zunehmend Aufklärungsarbeit betrieben, was Betroffenen<br />

zugutekommt. Es ist aber noch viel zu tun, um die Bürde der Erkrankung für Patienten<br />

und ihre Angehörigen erträglicher zu machen.<br />

Leben ohne Diagnose<br />

Seltene Erkrankungen sind selbst für erfahrene<br />

Mediziner eine Herausforderung. Die Folge sind oft<br />

lange Diagnosewege, in manchen Fällen bleibt eine<br />

Diagnose sogar ganz aus.<br />

Viele Betroffene berichten von einer jahrelangen<br />

Odyssee von Arzt zu Arzt.<br />

In vielen Fällen werden Fehldiagnosen gestellt<br />

und entsprechende Behandlungen in die Wege<br />

geleitet, die dann aber nicht helfen. In einer Studie mit<br />

Patienten, die am Hereditären Angioödem leiden, gab<br />

beispielsweise fast die Hälfte der Befragten an,<br />

Fehldiagnosen erhalten zu haben, und 80% davon<br />

wiederum erhielten entsprechende Fehltherapien,<br />

die teilweise auch invasiv waren (z.B. operative<br />

Entfernung des Blinddarmes) 1 .<br />

Bei ausbleibender Diagnose werden Betroffene<br />

häufig in die „Psychosomatik-Ecke“ geschoben, Eltern<br />

betroffener Kinder gelten als Hypochonder oder<br />

„Helikoptereltern“.<br />

Paradox dabei ist, dass das unerkannte Leiden<br />

dann tatsächlich zu psychischen Problemen führen<br />

kann, weil sich Betroffene unverstanden und nicht<br />

ernst genommen fühlen.<br />

Die Diagnose als Erleichterung<br />

– und die Suche nach Informationen<br />

Für viele Betroffene geht es mit einer großen<br />

Bevor die Diagnose HAE gestellt wurde,<br />

habe ich fünf Bauchspiegelungen und<br />

sieben große Bauch-Operationen hinter<br />

mich gebracht. Mein Bauch sieht aus<br />

wie eine Landkarte.<br />

Tanja<br />

Erleichterung einher, dass das Leiden einen Namen<br />

bekommt, auch wenn es sich um eine schwere<br />

Erkrankung handelt. Oft sind aber nur unzureichende<br />

Informationen zu den einzelnen Erkrankungen<br />

vorhanden, die Betroffene und ihre Angehörigen aber<br />

dringend benötigen. Da seit den vergangenen beiden<br />

Jahrzehnten verstärkt im Bereich der seltenen Erkrankungen<br />

geforscht wird, gibt es auch zunehmend<br />

Informationen zu den einzelnen Krankheitsbildern.<br />

Dieses Wissen wird beispielsweise in speziellen Zentren<br />

für Seltene Erkrankungen gebündelt. So können<br />

Betroffene mittlerweile sehr viel besser aufgefangen<br />

werden als noch vor einigen Jahren.<br />

Aber auch Patientenorganisationen und Selbsthilfegruppen<br />

spielen eine wichtige Rolle als erste Anlaufstelle<br />

für Betroffene. Der Austausch in Patientengruppen<br />

zeigt Betroffenen, dass sie nicht allein<br />

sind. Zudem kann man sich Rat holen, wenn es um<br />

Behandlungsoptionen oder soziale Fragen geht.<br />

Natürlich geht es mir durch die<br />

Therapie besser, und dafür bin ich<br />

sehr dankbar.<br />

Diana<br />

Auswirkungen auf das berufliche und soziale<br />

Leben<br />

Eine seltene Erkrankung kann durch die damit<br />

verbundenen körperlichen Beschwerden, aber auch<br />

durch anfallende Untersuchungs- und Therapietermine<br />

oder Krankenhausaufenthalte gravierende<br />

Einschränkungen im sozialen Leben mit sich<br />

bringen. Oftmals sammeln sich die Fehltage in der<br />

Schule, im Studium oder der Arbeitsstelle, was<br />

dazu führen kann, dass Betroffene als unzuverlässig<br />

oder nicht produktiv genug angesehen<br />

werden. Speziell bei progredient verlaufenden<br />

Erkrankungen können Betroffene existenzielle<br />

Ängste entwickeln, wenn der Verlust des Arbeitsplatzes<br />

droht oder man sich aufgrund einer<br />

fortschreitenden Erkrankung Gedanken über eine<br />

Berufsunfähigkeit machen muss. Hinzu kommt<br />

oftmals auch Unverständnis im persönlichen<br />

Umfeld, wenn zum Beispiel aufgrund der<br />

Erkrankung gemeinsame Treffen nicht realisiert<br />

werden können oder bestimmte Aktivitäten nicht<br />

möglich sind. Betroffene werden also häufig<br />

stigmatisiert, was sie in die soziale Isolation<br />

treiben und psychische Probleme zur Folge haben<br />

kann. Die Belastungen, mit denen sich Patienten<br />

mit einer seltenen Erkrankung konfrontiert<br />

sehen, sind enorm. Um Diagnosewege zu verkürzen,<br />

müssen an erster Stelle Ärzte verstärkt für<br />

seltene Erkrankungen sensibilisiert werden und<br />

Patienten ganzheitlich betrachten, denn nur so<br />

können lange Leidenswege vermieden werden.<br />

Zudem ist eine möglichst weitreichende<br />

Aufklärung der Öffentlichkeit, zum Beispiel am<br />

diesjährigen Tag der seltenen Erkrankungen, von<br />

weitreichender Bedeutung für Betroffene: um<br />

Aufmerksamkeit für Menschen mit seltenen<br />

Erkrankungen zu schaffen, für mehr Verständnis<br />

und Akzeptanz zu werben und gesundheitspolitische<br />

Probleme anzusprechen, mit denen<br />

Betroffene tagtäglich konfrontiert sind. Damit die<br />

Last Stück für Stück gemindert werden kann.<br />

Mein Leben hat sich seit der Diagnose<br />

dahin gehend verändert, dass ich nun<br />

endlich weiß, was ich habe. Und auch<br />

mein Umfeld versteht mich und all<br />

meine Leiden nun besser.<br />

Diana


Lesen Sie mehr auf seltenekrankheiten.de 9<br />

„Ich genieße jeden Augenblick,<br />

den wir zusammen haben dürfen“<br />

Sofian ist acht Jahre alt und<br />

ein lebensfroher Junge, der<br />

es liebt, auf dem Trampolin zu<br />

springen und zu singen – und<br />

er ist unheilbar krank. Sofian<br />

hat Morbus Hunter, eine<br />

Stoffwechselerkrankung, bei<br />

der viele Betroffene das 20.<br />

Lebensjahr nicht erreichen.<br />

Im Interview spricht seine<br />

Mutter, Christina Issa, über<br />

die Herausforderungen<br />

im Alltag, das Verdrängen<br />

des Unausweichlichen und<br />

ihre Wünsche in Bezug auf<br />

Diagnose und Therapie.<br />

Text Benjamin Pank<br />

Ihr Sohn Sofian hat die seltene Erkrankung Morbus Hunter. Was hat die Diagnose für Sie als Mutter<br />

bedeutet?<br />

Es hat bedeutet, dass man sich mit Abschied auseinandersetzen muss. Morbus Hunter ist leider eine<br />

unheilbare Erkrankung mit einem fortschreitenden Verlauf. Die Perspektive für Sofian ist, dass er nicht<br />

sehr alt werden wird. Während andere Eltern hoffen, dass ihr Kind ein gutes Studium absolviert, wünsche<br />

ich mir für meinen Sohn, dass er jeden Tag, den er am Leben sein darf, genießt. Natürlich denke ich nicht<br />

jeden Tag an die Erkrankung. Ehrlich gesagt, verdränge ich die Konsequenzen<br />

oft. Anders würde ich das gerade alles nicht meistern<br />

können.<br />

Was hat sich durch die Diagnose in Ihrem Familienleben<br />

geändert?<br />

Bevor die Diagnose kam, haben wir eine Odyssee hinter uns<br />

gebracht: 16 stationäre Krankenhausaufenthalte, unzählige Tage<br />

in der Notaufnahme, Kinderärzte, Humangenetik, verschiedene<br />

Besuche in sozialpädiatrischen Zentren, Hunderte Tests und<br />

Dutzende Therapien. Sieben Jahre hat es gedauert, bis die Diagnose<br />

kam. Heute gehören für uns regelmäßige Arztbesuche und<br />

Therapien zum Alltag.<br />

Mit welchen Herausforderungen sieht sich Ihr Sohn in seinem<br />

so jungen Alter durch die Erkrankung<br />

konfrontiert?<br />

Er muss regelmäßig zum Arzt, und durch die kognitive Einschränkung,<br />

die Morbus Hunter mit sich bringt, kann man ihm<br />

auch nicht erklären, dass das nur zu seinem Besten ist. Genauso<br />

wenig wie die wöchentliche Infusionstherapie, die vier bis fünf<br />

Stunden dauert. Also quasi ein ganzer Nachmittag, nach einem<br />

Schultag. In dieser Zeit kann er dann nicht auf seinem geliebten<br />

Trampolin springen und seinen starken Bewegungsdrang ausleben.<br />

Doch zum Glück gibt es die Möglichkeit, dass Sofian die<br />

Infusionen zu Hause verabreicht bekommt. Wenn wir dafür jede<br />

Woche ins Krankenhaus müssten, wäre das noch viel schlimmer für ihn.<br />

Bevor die Diagnose<br />

kam, haben wir eine<br />

Odyssee hinter uns<br />

gebracht: 16 stationäre<br />

Krankenhausaufenthalte,<br />

unzählige Tage<br />

in der Notaufnahme,<br />

Kinderärzte,<br />

Humangenetik,<br />

Hunderte Tests und<br />

Dutzende Therapien.<br />

Der Patient im<br />

Mittelpunkt<br />

Seltene und komplexe Erkrankungen<br />

stellen die Medizin vor besondere<br />

Herausforderungen. Nur wenige Ärzte<br />

sind mit ihren Symptomen vertraut<br />

und nur eine kleine Gruppe von Unternehmen<br />

legt den Fokus ihrer Forschung<br />

und Entwicklung auf dieses Gebiet.<br />

Takeda setzt als eines der weltweit<br />

führenden Biotechnologie-Unternehmen<br />

genau auf diesen Themenschwerpunkt.<br />

Ziel unserer Forschung<br />

ist es, Menschen mit stark lebensverändernden<br />

Krankheiten ein besseres<br />

Leben zu ermöglichen, Initiativen zur<br />

Unterstützung eines verbesserten Diagnosewegs<br />

anzustoßen und schnelleren<br />

sowie leichteren Zugang zu Therapien<br />

zu eröffnen.<br />

Zudem möchten wir dazu beitragen,<br />

vermehrt Informations- und Unterstützungsangebote<br />

zu schaffen, da es oft<br />

schwer ist, an fundierte Informationen<br />

zu seltenen Krankheitsbildern zu gelangen.<br />

Mit der neuen Website<br />

www.was-ist-selten.de hat Takeda<br />

daher eine Anlaufstelle geschaffen, über<br />

die Interessierte, Betroffene sowie Ärzte<br />

und medizinische Fachkräfte umfangreiche<br />

Informationen zu seltenen Erkrankungen<br />

finden können.<br />

Zu den dort verfügbaren Angeboten gehören<br />

unter anderem:<br />

Detaillierte Informationen über<br />

verschiedene seltene Krankheitsbilder<br />

Erfahrungsberichte von Menschen<br />

mit einer seltenen Erkrankung<br />

Broschüren zum Download<br />

Symptom-Checklisten, die man bei<br />

einem Verdacht auf eine seltene<br />

Erkrankung im Gespräch zwischen<br />

Arzt und Patient durchgehen kann<br />

Informationen zu möglichen Anlaufstellen,<br />

wie zum Beispiel Zentren<br />

für seltene Erkrankungen oder<br />

Patientenorganisationen<br />

ANZEIGE<br />

Mit dem folgenden Code gelangen Sie direkt<br />

auf die Website www.was-ist-selten.de:<br />

Wie sieht das bei Ihnen als Pflegeperson Ihres Sohnes aus?<br />

Ich muss mir natürlich diese Nachmittage auch frei halten, meine Arbeit und mein Leben drumherum<br />

organisieren. Eine solche Erkrankung mit dem Berufsleben zu vereinbaren, ist nicht immer leicht. Ich<br />

habe das Glück, einen Chef zu haben, der das versteht und mich unterstützt, wo es geht.<br />

Sehen Sie konkrete Lösungsansätze, die dazu beitragen können, die Last zu mildern, die eine seltene<br />

Erkrankung mit sich bringt?<br />

Ich wünsche mir, dass der Diagnose einer seltenen Erkrankung nicht so häufig ein jahrelanger Leidensweg<br />

vorausgeht. Schon beim Neugeborenenscreening kann so viel diagnostiziert werden, aber auch<br />

später, wenn Kinderärzte Auffälligkeiten feststellen, sollten sie viel mehr die Seltenen im Blick haben.<br />

Frühe Diagnose heißt früher Therapiebeginn, wodurch die Folgen einer seltenen Erkrankung viel mehr<br />

eingegrenzt werden können.<br />

Was würden Sie anderen Betroffenen und Angehörigen mit auf den Weg geben?<br />

Dass man nicht alles mit sich allein ausmachen muss. Es gibt tolle Patientengruppen, wie in unserem Fall<br />

die MPS-Gesellschaft. Der Austausch hilft sehr, die Tipps sind unbezahlbar und man spürt dadurch auch:<br />

Man ist nicht allein.<br />

EXA/DE/FAB/0050_LSDAWE00022_02/2021


10<br />

Lesen Sie mehr auf seltenekrankheiten.de<br />

„Und plötzlich steht alles auf Pause“<br />

Nicht-dystrophe Myotonien (NDM) sind eine Gruppe seltener Erberkrankungen. Das Hauptsymptom: Betroffene sind aufgrund der<br />

Krankheit nicht fähig, die der körperlichen Bewegung dienenden Muskeln (Skelettmuskulatur) nach der Kontraktion sofort wieder<br />

zu entspannen. Ein Gespräch mit Volker Kowalski, der selbst von einer NDM betroffen ist und 2014 mit drei weiteren Betroffenen die<br />

Patientenorganisation „Mensch und Myotonie e. V.“ ins Leben gerufen hat.<br />

Volker Kowalski<br />

1. Vorsitzender<br />

Mensch und<br />

Myotonie e. V.<br />

Text<br />

Hanna Sinnecker<br />

Sie sind betroffen von einer nicht-dystrophen<br />

Myotonie (NDM). Wann haben Sie das erste<br />

Mal gemerkt, dass mit Ihren Muskeln etwas<br />

nicht stimmt?<br />

Ich habe tatsächlich schon im Kindergartenalter<br />

gemerkt, dass meine Bewegungsfreiheit eingeschränkt<br />

ist. Damals war ich vier oder fünf Jahre<br />

alt. Meine Eltern dachten, ich sei einfach ein<br />

bisschen faul und träge, und haben versucht, mich<br />

mit verschiedenen pädagogischen Maßnahmen<br />

anzuspornen. Zum Arzt sind sie mit mir aber nie<br />

gegangen.<br />

Die tatsächliche Diagnose wurde gestellt, als ich 15<br />

Jahre alt war. Ich hatte zu der Zeit im Schulsport<br />

großen Stress und Druck, weil ich den Aufgaben<br />

an Schnelligkeit, Ausdauer und Kraft einfach nicht<br />

gewachsen war. Daher bin ich dann einfach selbst<br />

zum Arzt gegangen, weil ich wissen wollte, was<br />

mit mir los ist. Ich hatte das riesige Glück, dass<br />

mein damaliger Hausarzt seine Doktorarbeit über<br />

die Myotonia congenita Becker geschrieben hat.<br />

So war die Diagnose direkt ein Volltreffer und mir<br />

blieb so der möglicherweise lange Spießrutenlauf<br />

von Arzt zu Arzt glücklicherweise erspart.<br />

Wie wirkt sich die Erkrankung im Alltag aus,<br />

mit welchen Einschränkungen haben Betroffene<br />

zu kämpfen?<br />

Jegliche Art von Bewegungswechsel kann Betroffenen<br />

Probleme bereiten, weil die Muskeln sich<br />

aufgrund der Erkrankung wesentlich langsamer<br />

entspannen als bei gesunden Menschen. Man<br />

muss die betreffenden Muskeln jedes Mal auf eine<br />

bestimmte Art der Bewegung vorbereiten, dann<br />

kann man sie kurzzeitig relativ normal ausführen.<br />

Es gibt aber Situationen, wo dieser Übergang<br />

zwischen Bewegungen zu massiven Schwierigkeiten<br />

führen kann. Die Funktions- und Leistungsfähigkeit<br />

der Muskulatur ist ständigen täglichen<br />

Schwankungen ausgesetzt. An bestimmten Tagen<br />

muss man beispielsweise beide Hände nutzen, um<br />

eine Kaffeetasse zu halten, weil die Kraft temporär<br />

sonst nicht ausreicht. Das ist Außenstehenden<br />

schwer zu vermitteln: Man hat da einen athletischen,<br />

scheinbar kräftigen jungen Mann vor sich<br />

sitzen, der aber Probleme hat, ein Glas Wasser mit<br />

einer Hand zu halten.<br />

Eine andere Situation könnte so aussehen: Stellen<br />

Sie sich vor, man geht über eine Fußgängerampel<br />

und kommt ins Stolpern, was bei NDM-Patienten<br />

ein typisches Symptom ist. Man fällt der Länge<br />

nach hin, aber kann nicht wieder aufstehen, weil<br />

die Bewegung förmlich eingefroren ist. Wenn<br />

dann die Ampel auf Rot springt und dazu die anfahrenden<br />

Autos auf einen zufahren, womöglich<br />

noch hupen, dann tut die Stresssituation ihr<br />

Übriges. Denn dann geht gar nichts mehr, weil<br />

die Muskeln einfach den Dienst versagen. Das ist<br />

nicht nur sehr unangenehm, sondern kann sehr<br />

gefährlich für Betroffene werden.<br />

Ich habe selbst folgende Situation erlebt: Im<br />

Schwimmunterricht in der 6. Klasse musste ich<br />

ins relativ kalte, tiefe Wasser springen, ohne dass<br />

ich meine Muskeln in irgendeiner Form darauf<br />

vorbereitet habe. Da Kälte, genauso wie Stress,<br />

symptomfördernd ist, konnte ich mich nicht mehr<br />

bewegen und bin einfach untergegangen. Ich wäre<br />

ertrunken, wenn mein Sportlehrer mich nicht aus<br />

dem Wasser gezogen hätte. Die Erkrankung kann<br />

mit ihren Auswirkungen also durchaus lebensgefährlich<br />

werden.<br />

Mittlerweile gibt es eine zugelassene Therapie<br />

und zudem weitere Ansätze zur Behandlung,<br />

die genutzt werden. Kann man unter Therapie<br />

denn ein geregeltes Leben führen?<br />

Es gibt verschiedene Medikationen, das ist richtig.<br />

Allerdings ist die Wirksamkeit trotz gleicher<br />

Diagnose bei jedem einzelnen Patienten verschieden,<br />

eventuelle Nebenwirkungen fallen ebenfalls<br />

unterschiedlich aus. Hier muss man sich dann<br />

intensiv austauschen, was für welchen Patienten<br />

die individuell passende Behandlungsmöglichkeit<br />

ist. Es ist aber durchaus so, dass die verfügbaren<br />

Medikamente das alltägliche Leben vereinfachen<br />

können. Ich habe vor zehn Jahren Medikamente<br />

gefunden, die meine Beweglichkeit enorm steigern.<br />

Das hat eine ganz neue Lebensqualität für<br />

mich bedeutet.<br />

Sie haben vor einigen Jahren die Patientenorganisation<br />

„Mensch und Myotonie e. V.“<br />

gegründet. Was war die Motivation und was ist<br />

das Ziel der Organisation?<br />

Ich habe vor zehn Jahren die für mich optimale<br />

Behandlungsoption gefunden. Diese Erfahrung<br />

wollte ich gern an andere Betroffene weitergeben<br />

und nicht für mich behalten. Aus diesem Grund<br />

wurde 2014 der beim Amtsgericht Dortmund eingetragene<br />

und als gemeinnützig anerkannte Verein<br />

gegründet. Unser Ziel war es von Anfang an,<br />

Informationen an andere Betroffene weiterzugeben<br />

und einen persönlichen Austausch in Bezug<br />

auf Therapieoptionen und Erfahrungen im Umgang<br />

mit der Erkrankung zu ermöglichen. Zudem<br />

sind wir inzwischen aufgrund unserer zahlreichen<br />

„NDM“-Vereinsmitglieder in unserer Patientenorganisation<br />

auch für Mediziner als Ansprechpartner<br />

interessant geworden: Prof. Dr. Schoser vom<br />

„Friedrich-Baur-Institut“ in München hat unsere<br />

Organisation persönlich kontaktiert, um das dort<br />

bestehende Patientenregister um den Bereich<br />

der nicht-dystrophen Myotonien zu erweitern. Er<br />

referierte zu dem Thema auch in einer Sonderveranstaltung<br />

unserer Organisation in Dortmund<br />

und stellte sich den medizinischen Fragen unserer<br />

Vereinsmitglieder.<br />

INFORMATIONEN ZUR<br />

PATIENTENORGANISATION<br />

„MENSCH & MYOTONIE GEM. E. V.“:<br />

Eine Mitgliedschaft in der ehrenamtlich<br />

geführten Patientenorganisation „Mensch<br />

& Myotonie gem. e. V.“ ist komplett kostenlos.<br />

Jeder zusätzliche Beitritt stärkt uns,<br />

unsere Interessen in der Öffentlichkeit und<br />

bei Institutionen wahrzunehmen.<br />

Zusätzlich zu den „NDM“ engagieren wir<br />

uns auch für Betroffene von „Periodischen<br />

Paralysen“ sowie von „Neuromyotonien“.<br />

Machen Sie mit – in Ihrem und unserem<br />

Interesse!<br />

Weitere Informationen:<br />

www.menschundmyotonie.de<br />

Nicht-dystrophe Myotonien –<br />

Ständig unter Strom, und doch blockiert<br />

ANZEIGE<br />

Ich habe meinen<br />

Job verloren, weil ich<br />

zu langsam war.<br />

Ich bin sehr muskulös,<br />

habe aber keine Kraft. Mein<br />

Nachbar hält mich für einen<br />

Macho, weil meine Frau die<br />

Getränkekisten trägt….<br />

Die Musik ist mein<br />

Leben: die erste<br />

Geige im Orchester<br />

spielen – ein Traum,<br />

der Dank einer<br />

wirksamen Therapie<br />

Realität ist.<br />

Als ich<br />

die Hand<br />

meines neuen Chefs<br />

nicht loslassen konnte,<br />

wäre ich am liebsten im<br />

Boden versunken. Ihm<br />

nicht die Hand zu geben<br />

war keine Option!<br />

Kälte verstärkt<br />

meine Symptome.<br />

Wintersport -<br />

ohne Therapie<br />

undenkbar!<br />

Meine Eltern<br />

hielten mich für bockig,<br />

weil ich vor der Treppe stehen<br />

blieb und nicht hochgehen<br />

konnte. Sie dachten, ich wolle<br />

nicht und gaben mir noch einen<br />

Klaps auf den Hintern.<br />

Die Unfähigkeit, einen Muskel nach Anspannung schnell wieder zu entspannen (Myotonie), beeinträchtigt das Leben betroffener Patienten<br />

in vielerlei Hinsicht. Alltägliche Dinge wie Händeschütteln, Treppensteigen, nach dem Bus Rennen, sogar Aufstehen und einfach<br />

Loslaufen stellen enorme Herausforderungen dar und bedeuten emotionalen Stress für die Betroffenen. Äußerlich wirken sie<br />

gesund, teilweise sogar athletisch, was oft Unverständnis bei Außenstehenden hervorruft und zusätzlich belastet.<br />

Wir lassen Sie nicht allein!


Lesen Sie mehr auf seltenekrankheiten.de 11<br />

Wenn der Blutdruck im<br />

Lungenkreislauf chronisch erhöht ist<br />

Die pulmonal arterielle Hypertonie (PAH) ist eine seltene, aber schwerwiegende und progressive Erkrankung. Im<br />

Interview spricht Priv.-Doz. Dr. med. Hans F. E. Klose, Chefarzt der Abteilung Pneumologie der II. Medizinischen<br />

Klinik und Poliklinik am UKE, über Symptome, Diagnose und Therapiemöglichkeiten.<br />

Text Franziska Manske<br />

Priv.-Doz. Dr. med.<br />

Hans F. E. Klose<br />

Chefarzt der Abteilung<br />

Pneumologie<br />

der II. Medizinischen<br />

Klinik und<br />

Poliklinik am UKE<br />

Eine frühzeitige,<br />

gezielte und<br />

adäquate<br />

Therapie<br />

kann das<br />

Fortschreiten<br />

der Erkrankung<br />

aufhalten.<br />

Wenn man von Bluthochdruck spricht, wissen<br />

direkt alle, was gemeint ist. Aber von<br />

Lungenhochdruck haben sicher bisher die<br />

wenigsten gehört. Was verbirgt sich hinter<br />

diesem Begriff?<br />

Lungenhochdruck oder pulmonale Hypertonie<br />

(PH) dient als Überbegriff für Krankheitsbilder,<br />

denen gemeinsam ist, dass der Blutdruck im<br />

Lungenkreislauf erhöht ist. Bei Gesunden<br />

bleibt der Druck in der Lungenarterie unterhalb<br />

eines Wertes von 21 mmHg (Millimeter<br />

Quecksilbersäule), bei 21 mmHg aufwärts<br />

spricht man von pulmonaler Hypertonie und<br />

ab einem Druck von 25 mmHg sind spezifische<br />

Medikamente zur Therapie des Lungenhochdrucks<br />

zugelassen.<br />

Was passiert im Körper Betroffener?<br />

Bei Lungenhochdruck ist der Widerstand in<br />

den Lungengefäßen erhöht und der Blutstrom<br />

dadurch verändert. Hinzu<br />

kommen Blutbotenstoffe<br />

und Wachstumsfaktoren in<br />

den Blutgefäßen. Auf Dauer<br />

führen all diese Faktoren zu<br />

einem starken Wachstum<br />

der Lungengefäße und des<br />

Herzmuskels, der dadurch<br />

immer weniger elastisch<br />

wird und die notwendige<br />

Blutmenge nicht mehr<br />

transportieren kann. Die<br />

Sauerstoffversorgung des<br />

Körpers ist durch diese<br />

Veränderungen herabgesetzt<br />

und die Leistungsfähigkeit<br />

der Betroffenen<br />

drastisch einschränkt.<br />

Symptome wie Luftnot,<br />

Atemnot, Sauerstoffmangel<br />

und Herzschwäche sind die<br />

Folge und ein Lungenhochdruck kann sich zu<br />

einem lebensbedrohlichen Zustand entwickeln.<br />

Die pulmonal arterielle Hypertonie (PAH) ist<br />

eine Form des Lungenhochdrucks und wie<br />

viele seltene Erkrankungen nicht leicht zu<br />

diagnostizieren. Warum ist das so?<br />

Normalerweise ist der Lungenhochdruck ein pathologischer<br />

Folgezustand einer anderen Erkrankung.<br />

Diese ist sehr häufig. Bei der PAH steht aber<br />

das Lungengefäß selbst im Fokus der Ursache.<br />

Eine Gefäßverengung der Pulmonalarterie ist<br />

schuld an der Widerstandserhöhung, dem Druckanstieg<br />

und der Mehrbelastung des Herzens.<br />

Da Patienten mit einer PAH zumeist nur unspezifische<br />

Symptome wie Luftnot bei Belastung,<br />

Schwindel, dicke Beine und Erschöpfung zeigen,<br />

können Jahre nach Auftreten der ersten Symptome<br />

vergehen, bis die Diagnose gestellt wird.<br />

Bei welchen Symptomen sollten Betroffene<br />

und behandelnde Ärzte hellhörig werden, und<br />

wie wird die Erkrankung diagnostiziert?<br />

Leider gibt es nicht das eine Symptom, das den<br />

Verdacht auf eine PAH lenkt. Ärzte sollten eher<br />

bei der Konstellation der Symptome hellhörig<br />

werden. Wenn der Herz- und Lungenspezialist<br />

keine Ursache für die vom Patienten beklagten<br />

Symptome findet und dadurch alle geläufigen<br />

Erkrankungen ausgeschlossen werden können,<br />

muss man an die seltenen Erkrankungen, die Pulmonalgefäße<br />

und den Lungenhochdruck denken.<br />

Danach sollte eine Überweisung zu einem Spezialisten<br />

erfolgen. Es gibt in Deutschland mehrere<br />

Fachzentren, die auf die Diagnose und Behandlung<br />

von PAH spezialisiert sind. Hier erfolgen<br />

dann weitere Untersuchungen. Die Rechtsherzkatheteruntersuchung<br />

bestätigt dann die<br />

PAH. Ohne diese kann man die Diagnose nicht<br />

exakt stellen.<br />

Gibt es bestimmte Risikogruppen?<br />

Ja, dazu gehören Patienten mit einer systemischen<br />

Sklerose, einer rheumatischen<br />

Autoimmunerkrankung aus der Gruppe der<br />

Bindegewebserkrankungen. Bei ihnen tritt<br />

eine PAH relativ häufig auf, zwischen zehn<br />

und 20 Prozent sind betroffen. Hier muss man<br />

ganz besonders hinschauen, da die Sterblichkeit<br />

in Kombination beider Krankheiten sehr<br />

hoch ist. Weitere Risikogruppen sind Patienten<br />

mit angeborenen Herzfehlern, Betroffene<br />

einer Lungenembolie und HIV-Erkrankte.<br />

Warum ist eine möglichst frühe Diagnose<br />

entscheidend?<br />

Eine frühzeitige, gezielte und adäquate Therapie<br />

kann das Fortschreiten der Erkrankung<br />

aufhalten. Dadurch kann die Lebensqualität<br />

länger erhalten bleiben und die Mortalität<br />

reduziert werden. Für die Patienten ist eine<br />

frühzeitige Diagnose also essenziell.<br />

Wie sehen die momentanen Behandlungsoptionen<br />

aus, und können Patienten, die<br />

eine entsprechende Therapie erhalten, ein<br />

normales Leben führen?<br />

Eine PAH wird medikamentös behandelt.<br />

Neben supportiven Behandlungsmöglichkeiten<br />

wie Sauerstoffgabe, überwachter Sport-/<br />

Physiotherapie, Medikamenten zur Entlastung<br />

des rechten Herzens und entwässernden<br />

Medikamenten stehen bei pulmonal arterieller<br />

Hypertonie Substanzen mit direkter Wirkung<br />

auf die Lungengefäße zur Verfügung. Bei allen<br />

Medikamenten werden die Symptome behandelt,<br />

um Betroffenen das Leben zu erleichtern,<br />

jedoch nicht die Krankheit selbst. Heilen kann<br />

man die PAH bisher nicht, doch es stehen<br />

Therapien in der Pipeline, die das Problem an<br />

der Wurzel packen. Ich schaue optimistisch in<br />

die Zukunft.<br />

Bei Lungenhochdruck stehen Lunge und Herz unter Druck<br />

Die pulmonal arterielle Hypertonie (PAH)<br />

– eine spezielle Form des Lungenhochdrucks<br />

– ist eine seltene und schwere<br />

Herz-Lungen-Erkrankung. Ohne Behandlung<br />

kann die PAH so schnell tödlich verlaufen<br />

wie eine fortgeschrittene Krebserkrankung.<br />

1,2 Dabei ist die Krankheit heute<br />

gut behandelbar, besonders wenn sie<br />

frühzeitig diagnostiziert wird 3 . Allerdings<br />

verzögert sich die Diagnose häufig, da<br />

die Erkrankung zu unbekannt ist und erste<br />

Anzeichen wie Atemnot und Erschöpfung<br />

recht unspezifisch sind. Mit der Initiative<br />

„So klingt Lungenhochdruck“<br />

möchte das forschende Pharmaunternehmen<br />

Janssen Deutschland die PAH<br />

bei Ärzten und Laien bekannter machen.<br />

Ziel ist es, die Krankheit früher im Verlauf<br />

zu erkennen, damit möglichst zeitnah mit<br />

einer Therapie begonnen werden kann.<br />

Lungenhochdruck?<br />

Klingt nach etwas,<br />

was das Herz<br />

nicht betrifft.<br />

Falsch gedacht<br />

Ein angeborener Herzfehler kann der Auslöser<br />

für Lungenhochdruck sein. Informiere Dich auf<br />

so-klingt-lungenhochdruck.de<br />

Mit einem angeborenen Herzfehler, auch wenn dieser bereits korrigiert wurde, haben Patienten ein erhöhtes<br />

Risiko eine PAH zu entwickeln. Sie sollten sich auch ohne Symptome regelmäßig auf PAH untersuchen lassen.<br />

Janssen-Cilag GmbH, www.janssen.com/germany<br />

Bei PAH sind die Blutgefäße in der Lunge<br />

verengt und verdickt. Die Folge: Der Druck<br />

in den Lungengefäßen steigt. Gegen diesen<br />

zunehmenden Widerstand muss das<br />

Herz das sauerstoffarme Blut aus dem Körper<br />

in die Lunge pumpen, wo es wieder<br />

mit Sauerstoff angereichert wird. Auf Dauer<br />

PAC_PHK_20005_Awarenesskampagne_Motive_150x100mm_RZ.indd kann der Herzmuskel den steigenden 2<br />

Druck immer schlechter überwinden. Betroffene<br />

erschöpfen schneller, sind weniger<br />

leistungsfähig und leiden an Luftnot - in einem<br />

späteren Stadium selbst bei geringster<br />

körperlicher Betätigung. Daher sollte Atemnot<br />

immer ärztlich abgeklärt und häufigere<br />

Krankheiten wie z. B. Asthma ausgeschlossen<br />

werden. Zeigt sich keine Besserung,<br />

16.10.20 17:32<br />

sollte an eine PAH gedacht und an ein auf<br />

Lungenhochdruck spezialisiertes Zentrum<br />

überwiesen werden.<br />

PAC_PHK_20005_Awarenesskampagne_Motive_150x100mm_RZ.indd 2 16.10.20 17:32<br />

Wichtig zu wissen: Patienten mit einer Bindegewebserkrankung<br />

wie beispielsweise<br />

systemische Sklerose oder mit einem angeborenen<br />

Herzfehler, auch wenn dieser<br />

bereits korrigiert wurde, haben ein erhöhtes<br />

Risiko eine PAH zu entwickeln. Diese Patientengruppe<br />

sollte sich auch ohne Symptome<br />

regelmäßig auf PAH untersuchen lassen.<br />

PAH ist behandelbar<br />

Auch wenn die PAH nicht heilbar ist, lässt<br />

sie sich heute häufig langfristig gut behandeln.<br />

Dazu stehen Wirkstoffe aus mehreren<br />

Medikamentengruppen zur Verfügung,<br />

die miteinander kombiniert werden können.<br />

Damit kann der Arzt je nach Krankheitsstadium<br />

und Patientenbedürfnis die passende<br />

Therapie auswählen.<br />

Mehr Informationen über<br />

Lungenhochdruck unter:<br />

so-klingt-lungenhochdruck.de.<br />

Mit freundlicher Unterstützung<br />

der Janssen-Cilag GmbH, EM-86751<br />

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[1] D‘Alonzo GE et al. Ann Intern Med 1991; 115:343-349, [2] Kato H et al. Cancer 2001;92;2211-2219, [3] Galiè et al. Eur Heart J. 2016 Jan 1;37(1):67-119


12<br />

Lesen Sie mehr auf seltenekrankheiten.de<br />

Das Nebennierenkarzinom:<br />

Warum Spezialzentren die erste Therapiewahl sein sollten<br />

Das Nebennierenkarzinom ist eine bösartige Entartung der Nebennierenrinde. Da die Erkrankung äußerst<br />

selten ist, gibt es nur wenige Kliniken, die auf die Behandlung spezialisiert sind. Die Endokrinologie des<br />

Universitätsklinikums Würzburg hat sich in Diagnostik, Therapie und Forschung zu dem aktuell größten Zentrum<br />

der Welt für diese Erkrankung entwickelt. Der Leiter der Endokrinologie und Diabetologie, Prof. Dr. med. Martin<br />

Fassnacht, im Interview. Er ist gleichzeitig Vorstandsmitglied des Zentrums für Seltene Erkrankungen (ZESE)<br />

Nordbayern und der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie.<br />

Text Franziska Manske<br />

Prof. Dr. med.<br />

Martin Fassnacht<br />

Hormon- und<br />

Krebsexperte<br />

Wie selten ist das Nebennierenkarzinom?<br />

Es gibt jährlich nur 80 bis 100 neue Fälle in Deutschland.<br />

Sind eher Männer oder Frauen betroffen, und in welcher<br />

Altersgruppe tritt die Erkrankung vorwiegend auf? Kann man<br />

das eingrenzen?<br />

Tatsache ist, im Gegensatz zu vielen anderen Tumorerkrankungen,<br />

die ja eher bei älteren Menschen auftreten, dass das Nebennierenkarzinom<br />

in jedem Alter vorkommen kann. Relativ gesehen gibt es sogar<br />

einen gewissen Anstieg im Kindesalter. Absolut gesehen ist es am<br />

häufigsten zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr. Es sind knapp zwei<br />

Drittel Frauen und ein Drittel Männer betroffen.<br />

Wie entsteht der Tumor?<br />

Leider weiß man bisher relativ wenig darüber, auch weil es eine seltene<br />

Erkrankung ist. Wir und einige andere Gruppen weltweit arbeiten<br />

intensiv daran, mehr darüber zu erfahren. Wir wissen mittlerweile<br />

Einiges, aber warum der eine Mensch die Erkrankung bekommt und<br />

die meisten anderen nicht, ist weiterhin unklar.<br />

Werden Nebennierenkarzinome rechtzeitig erkannt? Wie<br />

werden sie diagnostiziert?<br />

Rund 60 Prozent der Patienten fallen durch die Hormonproblematik<br />

auf, 30 Prozent tumorbedingt durch Schmerzen und in zehn Prozent<br />

liegt ein Zufallsbefund im Rahmen einer Bildgebung aus anderen<br />

Gründen vor. Mittels bildgebender Verfahren wie einer Computertomografie<br />

(CT), einer Magnetresonanztomografie (MRT) oder einer<br />

Positronen-Emissions-Tomografie (PET) lassen sich die Größe und<br />

Ausdehnung des Tumors bestimmen und eventuelle Tochtergeschwüre,<br />

sogenannte Metastasen, erkennen. Aber hierdurch lässt<br />

sich keine eindeutige Diagnose stellen, da es auch noch andere<br />

Tumore im Bereich der Nebenniere gibt. Wichtig ist deshalb eine<br />

ausführliche hormonelle Diagnostik, vor allem der Steroidhormone,<br />

die in der Nebennierenrinde gebildet werden. In unserem Labor<br />

können wir zum Beispiel mittels der sogenannten Massenspektrometrie<br />

mehr als 15 Steroidhormone bestimmen. Dies erlaubt<br />

uns, dass wir häufig schon vor der Operation sagen können, ob<br />

tatsächlich ein Nebennierenkarzinom vorliegt. Nach der Operation<br />

bestätigt ein Pathologe dann die Diagnose endgültig.<br />

Die Deutsche Gesellschaft für<br />

Endokrinologie (DGE) ist die wissenschaftliche<br />

Fachgesellschaft<br />

und Interessenvertretung all derer,<br />

die im Bereich von Hormonen und<br />

Stoffwechsel forschen, lehren oder<br />

ärztlich tätig sind. Die DGE sieht<br />

ihre Hauptaufgabe in der Förderung<br />

der Forschung auf dem<br />

Gebiet der gesamten Endokrinologie,<br />

unter anderem auch im Bereich<br />

seltener Hormonstörungen.<br />

Die Bedeutung seltener<br />

Erkrankungen wird auch dadurch<br />

unterstrichen, dass der DGE-Medienpreis<br />

2020/21 diese<br />

Krankheitsbilder im Fokus hat.<br />

www.endokrinologie.net<br />

Wir arbeiten mit Ihrer außergewöhnlichen Gemeinschaft<br />

zusammen, weil wir bei HRA Pharma Rare Diseases eine<br />

persönliche Verpflichtung darin sehen, unseren Teil dazu<br />

beizutragen, aktuelle Herausforderungen anzugehen,<br />

die Zeit bis zur Diagnose zu verkürzen, einen globalen<br />

Zugang zur Therapie zu ermöglichen und die<br />

langfristige Behandlung zu optimieren.<br />

Wir teilen Ihr Ziel: die Lebensqualität<br />

und die Behandlungserfahrungen<br />

von Familien, die von einer<br />

Seltenen Erkrankung betroffen<br />

sind, zu verbessern.<br />

Let’s make the negative impact of rare diseases<br />

EVEN RARER<br />

HRA Pharma Deutschland GmbH, Taunusstr. 3, 65183 Wiesbaden<br />

1-21-01-3 Stand Jan 2021<br />

Welche Symptome machen sich bei einer solcher Erkrankung<br />

bemerkbar?<br />

Häufig spielen die Hormone verrückt. Bei den Frauen werden durch<br />

den Tumor häufig vermehrt männliche Hormone produziert, die eine<br />

stärkere Körperbehaarung sowie einen Bartwuchs auslösen können.<br />

Zusätzlich kommt es oft durch das Ausschütten des körpereigenen<br />

Hormons Cortisol zu Blutdruckerhöhung, Neigungen zu Blutergüssen<br />

und dem Schwinden der Muskelkraft. Bei Männern kann zum<br />

Beispiel die vermehrte Ausschüttung weiblicher Hormone zu einer<br />

Brustentwicklung führen. Wenn diese Symptome sehr ausgeprägt<br />

sind, wird von den Betroffenen schnell reagiert. Ist die Ausprägung<br />

geringer, leider nicht, und es kann einige Monate dauern, bis man<br />

sich beim Arzt vorstellt. Wenn die Tumore nicht so hormonaktiv sind,<br />

können sie zum Teil sehr groß werden. Die Nebenniere selbst ist ein<br />

sehr kleines Organ, das nur wenige Zentimeter misst. Die Tumore haben<br />

hingegen im Schnitt einen Durchmesser von zwölf Zentimetern,<br />

können aber bis zu 30 Zentimeter und größer werden. Dann rufen sie<br />

oft ein Völlegefühl und Schmerzen hervor.<br />

ANZEIGE<br />

TOGETHER, we leave no patient behind<br />

Also ist die Therapie des Nebennierenkarzinoms die Operation.<br />

Im Idealfall ja. Ist die Erkrankung auf die Nebennieren beschränkt,<br />

ist die vollständige operative Entfernung des Tumors der wichtigste<br />

erste Therapieschritt, und die Heilungschancen sind gut. Durch eine<br />

vorbeugende, sogenannte adjuvante medikamentöse Therapie kann<br />

man diese Chancen weiter verbessern. Wenn eine Operation nicht<br />

möglich ist, ist die Gesamtprognose entsprechend schlechter.<br />

Bitte gehen Sie näher darauf ein.<br />

Beim Nebennierenkarzinom ist die Prognose insgesamt leider eher<br />

schlecht. Wird der Tumor sehr früh erkannt, was leider selten ist,<br />

überleben die meisten Patienten langfristig. Aber wenn es bereits<br />

zu Metastasen gekommen ist, liegt das Überleben leider oft nur im<br />

Bereich von ein bis zwei Jahren. Allerdings gibt es auch hier immer<br />

wieder positive Ausnahmen und auch in dieser Situation erfreulicherweise<br />

Langzeitüberlebende.<br />

Damit umzugehen, ist für Betroffene und Angehörige schwer<br />

zu verarbeiten. Wohin können sich diese Menschen wenden,<br />

um zusätzliche Unterstützung zu bekommen?<br />

Meiner Meinung nach ist das Wichtigste, dass Betroffene an ein<br />

Zentrum geraten, in dem die Erkrankung häufiger behandelt<br />

wird. Je erfahrener die Ärzte in Bezug auf das Nebennierenkarzinom<br />

sind, desto besser stehen die Chancen. Und es ist wichtig,<br />

dass viele Disziplinen sich mit der Erkrankung auskennen – unter<br />

anderem Endokrinologen, Chirurgen, Radiologen, Onkologen.<br />

Leider kommen Patienten häufig zu spät oder gar nicht in<br />

spezialisierte Zentren, da anfangs versucht wird, die Erkrankung<br />

auf lokaler Ebene zu behandeln. Das führt dazu, dass Betroffene<br />

an Ärzte geraten, die noch nie einen Patienten mit Nebennierenkarzinom<br />

gesehen haben. Das ist suboptimal. Spezialisierte<br />

Zentren für Seltene Erkrankungen sind also meine erste Empfehlung,<br />

da sie dann an die Expertenzentren verweisen können.<br />

Auch Selbsthilfegruppen sind sehr sinnvoll und können für<br />

Betroffene und deren Angehörige sehr hilfreich sein. Leider gibt<br />

es in Deutschland aktuell keine Gruppe, die sich ausschließlich<br />

mit dem Nebennierenkarzinom auseinandersetzt. Eine Option<br />

ist das Netzwerk für Hypophysen- und Nebennierenerkrankungen<br />

"Glandula". International gibt es einige Gruppen, die<br />

auch diverse Internetforen anbieten, in denen Patienten, die sich<br />

nicht vor dem Englischen scheuen, Austausch mit Betroffenen<br />

finden.<br />

Was wünschen Sie sich an Verbesserungen für die Versorgung<br />

von Betroffenen und wie können diese Ihrer Meinung<br />

nach erreicht werden?<br />

Mein Hauptwunsch wäre, dass alle Patienten schon vor der<br />

Operation, vor der Ersttherapie Kontakt mit einem spezialisierten<br />

Zentrum aufnehmen, damit die Therapie dort stattfindet, wo<br />

ausreichend Erfahrung hierfür besteht. Damit würde es bei<br />

vielen Patienten gelingen, die Prognose um ein Vielfaches zu<br />

verbessern.


Lesen Sie mehr auf seltenekrankheiten.de 13<br />

Familiäres Mittelmeerfieber:<br />

Wenn Fieberschübe ständig wiederkehren<br />

Das familiäre Mittelmeerfieber, kurz FMF, ist eine erblich bedingte Erkrankung und gehört zu den periodischen<br />

Fiebersyndromen. Warum es in Deutschland mittlerweile gar nicht mehr so selten ist und wie es behandelt wird,<br />

erklärt Priv.-Doz. Dr. med. Philipp Sewerin im Interview.<br />

Text Hanna Sinnecker<br />

Priv.-Doz. Dr. med.<br />

Philipp Sewerin<br />

Facharzt für Innere<br />

Medizin und Rheumatologie<br />

am UK<br />

Düsseldorf<br />

Autoinflammatorische Erkrankungen wie das<br />

familiäre Mittelmeerfieber sind seltene rheumatische<br />

Erkrankungen. Ist es für Ärzte schwierig,<br />

eine solche Erkrankung zu erkennen?<br />

Prinzipiell sind autoinflammatorische Syndrome<br />

seltene Erkrankungen, das stimmt. Es gibt aber<br />

regionale Häufungen. Der Großteil dieser Erkrankungen<br />

ist genetisch vermittelt. Daher speziell<br />

beim FMF auch der Name „Familiäres“ Mittelmeerfieber.<br />

Diese Häufungen finden sich speziell<br />

in Südeuropa und Nordafrika, also im Mittelmeerraum,<br />

und im Nahen Osten wie z.B. Israel. Auch in<br />

der Türkei ist das FMF eine sehr häufige Erkrankung.<br />

In Deutschland haben wir Regionen, wo viele<br />

türkische Einwandererfamilien ansässig sind und<br />

in denen das FMF entsprechend gehäuft auftritt.<br />

Auch zu Zeiten der Flüchtlingskrise traten solche<br />

Erkrankungen häufiger auf. Und plötzlich ist das<br />

FMF auch in bestimmten Teilen Deutschlands gar<br />

nicht mehr so selten. Dort kennen sich die Ärzte<br />

mittlerweile auch recht gut mit dem FMF aus.<br />

Für Ärzte, die selten mit solchen Krankheitsbildern<br />

zu tun haben, ist es aber nicht leicht, sie zu<br />

erkennen. Das betrifft meist die Regionen in<br />

Deutschland, in denen die Bevölkerungsstruktur<br />

eine andere ist, z.B. im Norden oder Osten. Meist<br />

werden die Symptome dann als wiederkehrende<br />

Infekte fehlgedeutet.<br />

Mit welchen Symptomen äußert sich konkret<br />

das FMF bei den betroffenen Patienten?<br />

Das wichtigste Symptom sind wiederkehrende<br />

Fieberschübe. Weiterhin treten oft Bauchschmerzen<br />

auf und es kann sich durch die Entzündungssituation<br />

Wasser im Bauchraum ansammeln. Diese<br />

Kombination aus Fieber, Schüttelfrost und starken<br />

Bauchschmerzen ruft häufig die Chirurgie auf den<br />

Plan und führt dazu, dass Betroffenen oft fälschlicherweise<br />

der Blinddarm entfernt wird.<br />

Dazu kommen Gelenkschmerzen bis hin zu<br />

Gelenkentzündungen, die große Gelenke wie<br />

Knie, Hüfte, Sprunggelenke, Handgelenke oder<br />

Schultern betreffen können. Gelegentlich können<br />

auch rötliche Hautveränderungen zum Beispiel im<br />

Bereich der Knöchel auftreten. All diese Symptome<br />

treten typischerweise im Rahmen des Fieberschubes<br />

auf und klingen nach kurzer Zeit selbstständig<br />

wieder ab.<br />

Jetzt könnte man sagen: Wenn die Beschwerden<br />

von allein wieder abklingen, dann muss man ja<br />

gar nicht therapeutisch intervenieren. Das ist aber<br />

mitnichten so, denn die Fieberschübe sind für<br />

Betroffene extrem belastend. Außerdem gehen<br />

hohe Ausfälle im Schulalltag, im Berufs- und<br />

Sozialleben damit einher. Zudem sind stetige<br />

Entzündungen im Körper ein Problem: Betroffene,<br />

die nicht behandelt werden, können sogenannte<br />

sekundäre Amyloidosen entwickeln, die schwere<br />

Organschäden zur Folge haben können. Patienten<br />

werden dann niereninsuffizient, müssen an der<br />

Dialyse behandelt werden und versterben in der<br />

Regel auch früher.<br />

Wie kann das FMF verlässlich diagnostiziert<br />

werden?<br />

Erhöhte humorale Entzündungszeichen wie<br />

CRP-Werte oder Blutsenkungsgeschwindigkeit<br />

sind hier besonders wichtig und können auf die<br />

richtige Spur führen. Absolute Gewissheit kann<br />

dann die genetische Diagnostik bringen.<br />

Welche Behandlungsoptionen gibt es für<br />

Patienten mit einem FMF?<br />

Aufgrund der guten Therapiemöglichkeiten können<br />

Patienten ein weitestgehend beschwerdefreies<br />

Leben führen. Wichtig ist eine konsequente Kontrolle<br />

der Entzündungsreaktion, damit langfristig<br />

keine Folgeerkrankungen entstehen und die Belastungen<br />

durch die Symptome eingedämmt werden<br />

können. Die Basistherapie besteht nach wie vor in<br />

der Gabe von Colchicin, das früher in großen Mengen<br />

in Tablettenform an Betroffene verabreicht<br />

wurde. Das wiederum hatte oft Beschwerden wie<br />

Durchfall und Erbrechen zur Folge, weswegen<br />

man heute geringere Dosen verabreicht.<br />

Bei manchen Patienten treten aber auch unter<br />

Gabe von Colchicin weiter Fieberschübe auf.<br />

Für diese Patienten gibt es eine ganze Reihe von<br />

neuen Therapieoptionen in Form von Biologika,<br />

sogenannte Interleukin-1-Antagonisten. Interleukine<br />

sind entzündungsfördernde Botenstoffe,<br />

von denen Patienten mit autoinflammatorischen<br />

Erkrankungen zu viele produzieren, was dann die<br />

Fieberschübe auslöst. Die neuen Medikamente<br />

sorgen dann ganz vereinfacht ausgedrückt dafür,<br />

dass die Bildung des Hauptbotenstoffes Interleukin-1<br />

verhindert wird, um die Entzündung<br />

gar nicht erst entstehen zu lassen. Derzeit sind<br />

zwei Präparate in Deutschland zugelassen, wobei<br />

beide insbesondere bei schweren Verlaufsformen<br />

eingesetzt werden und sich im Wesentlichen in<br />

der Frequenz der Applikation unterscheiden.<br />

Was muss aus Ihrer Sicht passieren, damit<br />

Patienten mit autoinflammatorischen Symptomen<br />

schneller diagnostiziert werden können<br />

und die Hilfe bekommen, die sie benötigen?<br />

Die ersten Adressaten sind hier die Familien<br />

selbst, denn wenn solche Fiebererkrankungen<br />

gehäuft auftreten, dann ist das oft kein Schicksal,<br />

mit dem man dann eben leben muss. Dafür muss<br />

man betroffene Familien aus den entsprechenden<br />

Regionen verstärkt sensibilisieren, damit die<br />

Patienten behandelt werden können. Die zweite<br />

Adresse sind natürlich die Ärzte. Besonders<br />

Hausärzte und Pädiater muss man dafür sensibilisieren,<br />

dass Patienten mit den beschriebenen<br />

Symptomen, die aus den genannten Gebieten<br />

kommen, eine solche Erkrankung haben könnten.<br />

Daher sollte bei der beschriebenen Symptomatik<br />

auf jeden Fall eine Familienanamnese<br />

gemacht werden, eine Kontrolle der Entzündungsparameter<br />

erfolgen und bei Verdacht auf<br />

FMF eine genetische Diagnostik in die Wege<br />

geleitet werden. Wenn der Befund positiv ist,<br />

sollte der Patient an ein spezialisiertes Zentrum<br />

überwiesen werden, damit er adäquat versorgt<br />

werden kann.<br />

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Dieses Fieber<br />

liegt in der Familie<br />

Wiederkehrendes Fieber mit Schmerzen kann ein Anzeichen<br />

für das seltene familiäre Mittelmeerfieber sein.<br />

Das ist zwar erblich, aber behandelbar. Machen Sie den<br />

Symptom-Check auf unserer Website und besprechen Sie<br />

das Ergebnis mit Ihrem Arzt.<br />

Zum Symptom-Check auf:<br />

www.mehralsnurFieber.de


14<br />

Lesen Sie mehr auf seltenekrankheiten.de<br />

Muskelschwäche,<br />

Müdigkeit, Atemprobleme:<br />

Die lysosomale Speicherkrankheit Morbus Pompe<br />

Morbus Pompe ist eine seltene Erbkrankheit, die in vielen Fällen mit einer ausgeprägten Muskelschwäche<br />

einhergeht. Über die Ursachen der Erkrankung, die Herausforderungen bei der Diagnosestellung und die<br />

derzeitigen Behandlungsoptionen sprachen wir mit Prof. Dr. med. Benedikt Schoser.<br />

Text Hanna Sinnecker<br />

Morbus Pompe ist eine sehr seltene<br />

Erkrankung, in Deutschland leben schätzungsweise<br />

nur 300 bis 500 Betroffene. Wo<br />

liegt die Ursache für die Erkrankung?<br />

Der Morbus Pompe ist eine autosomal-rezessiv<br />

vererbte, langsam fortschreitende Stoffwechsel-<br />

und Muskelerkrankung, die zu den lysosomalen<br />

Speichererkrankungen gehört. Die<br />

Häufigkeit (Prävalenz) liegt bei einem pro<br />

40.000 bis 200.000 Menschen.<br />

Der Gendefekt beim Morbus Pompe betrifft ein<br />

bestimmtes Enzym, die saure a-1,4-Glukosidase<br />

(GAA). Dieses Enzym steuert den Abbau von<br />

Glykogen in den Lysosomen. Die Lysosomen<br />

sind dafür zuständig, bestimmte Substanzen<br />

weiterzuverarbeiten oder abzubauen, wozu sie<br />

Enzyme wie GAA benötigen. Ganz vereinfacht<br />

könnte man sich das Enzym GAA als Teil einer<br />

zellulären Wiederaufarbeitung für Glykogen<br />

innerhalb der Lysosomen vorstellen. Durch<br />

die eingeschränkte oder fehlende Aktivität der<br />

GAA bei Menschen mit einem Morbus Pompe<br />

sammelt sich das Glykogen am Anfang in den<br />

Lysosomen, später in den gesamten Zellen<br />

der Muskelfasern, da die zelluläre Wiederaufarbeitung<br />

nur eingeschränkt oder gar nicht<br />

funktioniert. Eine massive Ansammlung von<br />

Glykogen führt zu Zellschäden in den betroffenen<br />

Organen und zum Beispiel in der Muskelfaser<br />

wird der sogenannte molekulare Motor<br />

geschädigt, sodass es dann unter anderem zu<br />

einer Muskelschwäche und zum Muskelabbau<br />

kommt.<br />

Wie äußert sich der Morbus Pompe und<br />

was bedeutet die Erkrankung für den Alltag<br />

Betroffener?<br />

Glykogen ist der wichtige Speicherzucker<br />

und Energielieferant unter anderem für die<br />

Muskulatur, aber beispielsweise auch für Herzund<br />

Nervenzellen. Ist dieser Energielieferant<br />

unzureichend oder nicht vorhanden, kommt es<br />

zu den für Morbus Pompe so typischen Symptomen.<br />

Bei erwachsenen Patienten mit Morbus Pompe<br />

ist die rumpfnahe Muskulatur geschwächt.<br />

Diese sogenannte Gliedergürtelschwäche ist<br />

im Bereich der Beckenmuskulatur besonders<br />

ausgeprägt. Typisch für den Morbus Pompe ist<br />

beispielsweise das sogenannte Trendelenburg-<br />

Zeichen: Dem Patienten kippt das Becken beim<br />

Gehen nach beiden Seiten ab, er hat einen<br />

Schaukelgang. Viele beklagen aber auch Muskelschmerzen<br />

in Ruhe und unter Belastung,<br />

insbesondere im Bereich der Rückenmuskulatur,<br />

weil neben der muskulären Schwäche<br />

auch Skelettveränderungen wie eine Skoliose<br />

(Verkrümmung des Rückgrats) auftreten<br />

können. Zudem haben viele Betroffene eine<br />

eingeschränkte Herzleistung und klagen über<br />

Müdigkeit und eine Belastungsinsuffizienz. Bei<br />

einigen Patienten ist auch das Zwerchfell betroffen,<br />

sodass Patienten besonders im Liegen<br />

und beim Treppensteigen Probleme mit der<br />

Atmung haben. Dies führt bei vielen Patienten<br />

ohne Therapie zur progressiven allgemeinen<br />

Muskelschwäche bis hin zur Rollstuhlpflichtigkeit<br />

und einer maschinellen 24-Stunden-<br />

Beatmungspflichtigkeit.<br />

Bei Babys, die mit einem Morbus Pompe<br />

geboren werden, ist die Symptomatik direkt<br />

sehr ausgeprägt, da sie als sogenannte „Floppy<br />

Babys“ direkt auffällig werden. Das heißt, sie<br />

sind sehr schwach, können kaum die Arme<br />

und den Kopf halten. Zudem haben betroffene<br />

Babys eine Herzmuskelvergrößerung und eine<br />

Atemschwäche, was unbehandelt zum frühen<br />

Tod im ersten Lebensjahr führt.<br />

Die internationale Patientengruppe Morbus<br />

Pompe (IPA) hat sich das Faultier als<br />

Maskottchen ausgesucht. Das sagt vieles über<br />

die Eigenwahrnehmung der Patienten aus, die<br />

sich aufgrund ihrer muskulären Schwäche und<br />

ihrer fehlenden Leistungsfähigkeit als schwerfällig<br />

und „faul“ ansehen, da sie für alle Bewegungen<br />

einfach wesentlich länger brauchen.<br />

Das betrifft Alltagsaktivitäten wie das Aufstehen,<br />

Duschen, Haarekämmen. Aber auch das<br />

Laufen auf der Ebene, Treppauf- und Treppabgehen,<br />

Aufstehen vom Stuhl dauert lange.<br />

Entgegen der eigenen Wahrnehmung vieler<br />

Betroffener handelt es sich aber keinesfalls um<br />

Faulheit, sondern schlicht und einfach um die<br />

so charakteristische muskuläre Schwäche aufgrund<br />

dieser Erkrankung. Bei allen Patienten<br />

ist die soziale Partizipation und Lebensqualität<br />

also deutlich eingeschränkt, unbehandelt ist<br />

auch die Lebenserwartung oft verkürzt.<br />

Was sind die Herausforderungen bei der<br />

Diagnosestellung?<br />

Die kleinsten Patienten sind durch die beschriebenen<br />

Symptome tatsächlich sofort<br />

auffällig. Von daher sind diese kleinen Patienten<br />

sofort unter maximaler Aufmerksamkeit<br />

und bekommen in der Regel direkt auch die<br />

notwendige schnelle medizinische Versorgung.<br />

Bei Betroffenen, die später Krankheitsanzeichen<br />

zeigen, ist das anders. Es dauert<br />

zwar nicht mehr 15 Jahre oder länger, bis<br />

eine Diagnose gestellt wird. Aber erwachsene<br />

Patienten müssen meist immer noch mehrere<br />

Jahre warten, bis sie eine Diagnose bekommen<br />

(sog. Patientenodyssee). Oft sind die ersten<br />

Krankheitszeichen unspezifisch und vieldeutig,<br />

daher verzögert sich die Diagnosestellung und<br />

damit auch der Start der spezifischen Therapie.<br />

Es ist eine seltene Erkrankung und auch viele<br />

Ärzte haben sie nie in ihrem Leben gesehen<br />

oder wahrgenommen, geschweige denn diagnostiziert.<br />

Was man mittlerweile aber in jedem Fall bei<br />

Patienten, die eine muskuläre Schwäche<br />

aufweisen, machen sollte, ist ein sogenannter<br />

Enzymaktivitäts-Trockenbluttest. Damit kann<br />

man die Enzymaktivität aus getrocknetem Blut<br />

bestimmen und recht schnell eine Aussage treffen,<br />

ob es ein Morbus Pompe sein könnte oder<br />

nicht. Dieser Trockenbluttest hat die diagnostischen<br />

Möglichkeiten sehr vereinfacht.<br />

Wie sehen die derzeitigen Therapieoptionen<br />

aus, und können Betroffene unter Therapie<br />

ein weitestgehend normales Leben führen?<br />

Es gibt bisher keine Möglichkeit, Morbus<br />

Pompe zu heilen, aber es gibt seit 15 Jahren<br />

eine zugelassene Enzymersatztherapie mit<br />

humaner rekombinanter alpha-Glukosidase.<br />

Betroffenen kann also das fehlende Enzym<br />

über ein Medikament zugeführt werden, damit<br />

das Glykogen abgebaut werden kann und die<br />

Beschwerden entsprechend gemindert werden<br />

können. Diese alle 14 Tage als Infusion zu verabreichende<br />

Therapie hat bei vielen Patienten<br />

eine Verbesserung des körperlichen Zustands<br />

und der Atmung bewirkt. Das bedeutet, dass<br />

eine gewisse Verbesserung der Lebensqualität<br />

erzielt werden kann. Zudem muss man auch<br />

sagen, dass Betroffene früher, als es noch keine<br />

medikamentöse Therapie gab, oft verfrüht an<br />

den Folgen der Erkrankung verstorben sind.<br />

Wir können also durch den Einsatz dieses<br />

Medikaments einiges an Verbesserungen<br />

erzielen, aber hier gibt es durchaus noch viel<br />

Luft nach oben.<br />

Haben Sie die Hoffnung, dass die<br />

Erkrankung irgendwann heilbar sein wird?<br />

Aktuell werden in zwei großen Phase-3-Studien<br />

neue Enzyme klinisch geprüft, um eine weitere<br />

Verbesserung der Therapie zu erzielen. Zusätzlich<br />

sind unterschiedliche Ansätze der Gentherapie<br />

in erster Erprobung. Auf diese unterschiedlichen<br />

Therapieoptionen setzen viele<br />

Wissenschaftler, Ärzte und Patienten mit<br />

Morbus Pompe ihre ganze Hoffnung. Mit diesen<br />

Optionen, ob alleine oder in Kombination,<br />

werden wir in den nächsten Jahren eine sehr<br />

gute Therapie mit Verbesserung der Lebensqualität<br />

in allen Altersstufen erreichen können.<br />

Heilung gerade für seltene Erkrankungen bleibt<br />

ein großes Wort, das werden auch diese<br />

Therapien noch nicht leisten können.<br />

Prof. Dr. med.<br />

Benedikt Schoser<br />

Oberarzt Friedrich-Baur-Institut<br />

an der Neurologischen<br />

Klinik<br />

und Poliklinik des<br />

LMU Klinikums<br />

München


Lesen Sie mehr auf seltenekrankheiten.de 15<br />

Schwachstelle Zwerchfell:<br />

Atemschwierigkeiten bei Morbus Pompe<br />

Das Leitsymptom der seltenen Erkrankung Morbus Pompe ist eine ausgeprägte Muskelschwäche, die sich unter anderem<br />

auf die Atmung auswirkt. Was das mit der aktuellen Pandemiesituation zu tun hat, erklärt uns Dr. med. Matthias Boentert,<br />

der am UK Münster seit vielen Jahren Morbus Pompe-Patienten betreut.<br />

Morbus Pompe geht mit einer Schwächung<br />

der Muskulatur einher. Wie wirkt sich das<br />

speziell auf die Atemmuskulatur aus und welche<br />

Folgen kann das für Betroffene haben?<br />

Bei Patienten mit Morbus Pompe kommt es zu<br />

einer in der Regel langsam voranschreitenden<br />

Schwäche der rumpfnahen Muskeln an Armen<br />

und Beinen; außerdem können die Haltemuskulatur<br />

des Rückens und das Zwerchfell betroffen<br />

sein. Während die Schwäche der Rumpf- und<br />

Gliedmaßenmuskeln Probleme beim Stehen,<br />

Gehen und Treppensteigen macht, kommt<br />

es durch die Beteiligung des Zwerchfells zu<br />

Beschwerden, die alle mit der Atmung zu tun<br />

haben. Hierzu zählen Luftnot bei körperlicher<br />

Belastung, manchmal auch schon in Ruhe, und<br />

im Liegen (vor allem in flacher Rückenlage), eine<br />

Abschwächung des Hustenstoßes, Durchschlafstörungen,<br />

morgendliche Kopfschmerzen und<br />

ein chronisch unerholsamer Nachtschlaf. Wird<br />

die Zwerchfellschwäche im Krankheitsverlauf<br />

schlechter, erhöht sich das Risiko für Infekte der<br />

unteren Atemwege, d. h. für Lungenentzündungen.<br />

Nicht wenige Patienten mit Morbus<br />

Pompe und anderen neuromuskulären Erkrankungen<br />

müssen zu Hause eine nicht invasive<br />

Beatmung mittels einer Atemmaske während der<br />

Nacht einsetzen, damit die genannten Beschwerden<br />

gut behandelt sind.<br />

Gerade ist die breite Öffentlichkeit sehr<br />

sensibilisiert, wenn es um Themen wie<br />

Atemprobleme oder künstliche Beatmung<br />

geht. Beim Morbus Pompe spielen diese<br />

Themen ebenfalls eine tragende Rolle.<br />

Erklären Sie uns, warum?<br />

Eine Infektion mit COVID-19 kann eine<br />

schwere virale Lungenentzündung verursachen<br />

oder eine zusätzliche bakterielle<br />

Pneumonie begünstigen. Patienten mit Morbus<br />

Pompe oder anderen neuromuskulären<br />

Erkrankungen, bei denen eine höhergradige<br />

Zwerchfellschwäche vorliegt, haben kein<br />

erhöhtes Risiko, sich mit COVID-19 zu infizieren,<br />

laufen aber Gefahr, im Fall einer Infektion<br />

einen schwereren Erkrankungsverlauf zu<br />

haben. Das hat damit zu tun, dass ein intaktes<br />

Zwerchfell und ein kräftiger Hustenstoß generell<br />

wichtig sind, um eine Lungenentzündung<br />

besser zu überstehen. Ist die Zwerchfellkraft<br />

herabgesetzt, besteht ein erhöhtes Risiko<br />

dafür, dass eine künstliche Beatmung früher<br />

eingeleitet und insgesamt deutlich länger<br />

durchgeführt werden muss als bei Patienten<br />

mit einem gesunden Zwerchfell. Daraus<br />

ergibt sich dann fast automatisch ein höheres<br />

Risiko für einen längeren Aufenthalt auf der<br />

Intensivstation, häufigere Komplikationen<br />

und eine ungünstigere Prognose.<br />

Könnten durch den derzeitigen Fokus auf<br />

Atemwegsbeschwerden auch vermehrt Morbus<br />

Pompe-Patienten diagnostiziert werden?<br />

Die aktuelle Pandemie lenkt allgemein die Aufmerksamkeit<br />

auf Krankheiten, für deren Behandlung<br />

die künstliche Beatmung eine Rolle spielt. Ob<br />

dies eine größere Aufmerksamkeit für das Thema<br />

Schlaf und Atmung bei Patienten mit neuromuskulären<br />

Erkrankungen einschließt und ob dadurch<br />

vielleicht sogar die Diagnosequote bei so seltenen<br />

Erkrankungen wie Morbus Pompe in Zukunft<br />

ansteigen wird, bleibt abzuwarten. Es ist zu hoffen,<br />

dass insbesondere Hausärzte und niedergelassene<br />

Neurologen für atembezogene Beschwerden<br />

sensibilisiert sind, damit die typische Symptomkonstellation<br />

aus Muskelschwäche, Luftnot bei<br />

Anstrengung und Schlafstörungen erkannt wird<br />

und weitere Untersuchungen veranlasst werden.<br />

Halten Sie eine Priorisierung von Patienten mit<br />

seltenen Erkrankungen wie dem Morbus Pompe<br />

beim Thema Corona-Impfung für sinnvoll?<br />

Definitiv. Patienten mit bestehender Heimbeatmung<br />

oder messbarer Zwerchfellschwäche sollten<br />

bevorzugt geimpft werden. Das gilt zum einen für<br />

Patienten mit einer schweren neuromuskulären<br />

Erkrankung wie dem Morbus Pompe, aber generell<br />

auch für Personen mit schweren Lungenerkrankungen.<br />

Priv.-Doz. Dr. med.<br />

Matthias Boentert<br />

Oberarzt der Klinik<br />

für Neurologie mit<br />

Institut für Translationale<br />

Neurologie<br />

am UK Münster<br />

Lesen Sie das ganze<br />

Interview auf:<br />

seltenekrankheiten.de<br />

Text<br />

Hanna Sinnecker<br />

Mitkämpfer für seltene Erkrankungen gesucht!<br />

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In Europa gilt eine Erkrankung als selten,<br />

wenn nicht mehr als 5 von 10.000<br />

Menschen davon betroffen sind. Allerdings<br />

sind heute bereits mehr als<br />

8.000 seltene Erkrankungen bekannt.<br />

In Deutschland leben also rund 4 Millionen<br />

Menschen mit einer davon – so<br />

selten ist das also gar nicht!<br />

Atemmuskulatur, die ohne Behandlung immer<br />

schwächer wird. Doch für diese Erkrankung<br />

gibt es, im Gegensatz zu vielen anderen seltenen<br />

Krankheiten, eine spezifische Therapie.<br />

Vielen dieser Erkrankungen ist gemeinsam,<br />

dass es häufig nicht einfach ist, sie zu diagnostizieren.<br />

Oft beginnen sie mit unspezifischen<br />

Symptomen, denen sich kein eindeutiges<br />

Krankheitsbild zuordnen lässt. Eine Herausforderung<br />

für alle Beteiligten, für Ärzte und Ärztinnen<br />

wie für die Patienten. Viele haben einen langen<br />

Weg hinter sich, bevor endlich eine eindeutige<br />

Diagnose gestellt werden kann. „Es hat<br />

fast 14 Jahre gedauert, bis ich endlich erfahren<br />

habe, dass ich Morbus Gaucher habe“, sagt<br />

Sabine Biermann, die sich in der Patientenorganisation<br />

Gaucher Gesellschaft Deutschland<br />

engagiert. „Es mag sich komisch anhören,<br />

aber das war dann eine echte Erleichterung.<br />

Erst seitdem ich weiß, was mir fehlt, kann<br />

ich etwas gegen die Krankheit unternehmen<br />

und habe dadurch ein fast normales Leben zurückgewonnen!“,<br />

sagt die Berlinerin.<br />

Kilian leidet seit seiner Geburt an Morbus<br />

Pompe. Wie Morbus Gaucher gehört Morbus<br />

Pompe zu den sogenannten lysosomalen<br />

Speichererkrankungen. „Nach Kilians Geburt<br />

wussten wir wochenlang nicht, was ihm fehlt,<br />

und waren sehr in Sorge, wie es weitergehen<br />

würde. Als wir erfahren haben, dass er an Morbus<br />

Pompe leidet, konnten wir erst einmal<br />

nicht viel damit anfangen – von dieser Erkrankung<br />

hatten wir zuvor noch nie gehört,“ erinnert<br />

sich Kilians Mutter Evi. Bei Morbus Pompe<br />

ist vor allem die Muskulatur betroffen, auch die<br />

Kilian mit seiner Mutter Evi<br />

Kilian ist mittlerweile sieben Jahre alt und<br />

kam letztes Jahr in die Schule. Dass er so<br />

mobil ist wie gesunde Kinder, laufen, toben,<br />

trampolinspringen und sogar Fahrrad fahren<br />

kann, erfüllt die Familie mit großer Dankbarkeit.<br />

„Wir freuen uns an allem, was möglich<br />

ist und was Kilian trotz seiner Erkrankung<br />

gelingt. Darauf konzentrieren wir uns<br />

- und wenn etwas nicht so gut klappt, dann<br />

akzeptieren wir das und bekommen es gemeinsam<br />

so gut wie möglich hin! Und wir<br />

sprechen über unsere Erfahrungen, um anderen<br />

Mut zu machen“, so Evi. „Deshalb<br />

sind wir bei der Aktion „Fight for Rare“ zum<br />

Tag der seltenen Erkrankungen am 28. Februar<br />

2021 dabei!“<br />

Die Aktion Fight for Rare wurde von Sanofi<br />

Genzyme, der Geschäftseinheit von<br />

Sanofi, die sich unter anderem der Entwicklung<br />

von Therapien für seltene Erkrankungen<br />

widmet, ins Leben gerufen und<br />

wird unterstützt von Panagiota Petridou.<br />

„Ich setze mich dafür ein, dass seltene Erkrankungen<br />

bekannter werden, damit sie<br />

schneller erkannt und behandelt werden<br />

können“, so die TV-Moderatorin. „Ich habe<br />

einige Menschen mit seltenen Erkrankungen<br />

interviewt und bin beeindruckt von ihrem<br />

Kampfgeist, ihrem Durchhaltevermögen<br />

und ihrer positiven Grundeinstellung.<br />

Deshalb kämpfe ich mit – für mehr Wissen,<br />

für schnellere Diagnosen und bessere Therapien.<br />

Jeder kann mitmachen – werden<br />

Sie Mitkämpfer!“<br />

Die Interviews mit Panagiota Petridou<br />

und mit den Patienten und Informationen<br />

dazu, wie man sich an der<br />

Aktion beteiligen kann, finden Sie auf<br />

www.rarediseaseday.de.<br />

Mit freundlicher Unterstützung der<br />

Sanofi-Aventis Deutschland GmbH

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