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Pirouette No. 05/2020 Mai + Juni

Interviews, Porträts und History Die erste Doppelausgabe des Sommers ist endlich da. Diesmal mit Interviews, Porträts, Eislauf-Geschichte, Buchbesprechungen und vielen News aus aller Welt. … Aus dem Inhalt: · Regeländerungen 2020/2021 · ISU-Beschlüsse 2020/2021 · Eislaufstars sammelten für WHO · Interview: Carolina Kostner · Interview: Andrei Mozalev · Corona: Wie Eisläufer die Krise überbrücken · Portrait: Drobiazko & Vanagas · Portrait: Yuma Kagiyama · Nathalie Péchalat 60 Tage im Amt · Wettbewerbe der kommenden Saisons (Liste) · Bundeskaderliste 2020/2021 · Neues aus Russland · Diskussionen über Sprünge 1985 und heute · Die nächste Generation auf dem Eis · Olga Sevastianovas Unfall · Buchrezension: Sarah Abitbol · Buchrezension: Alexei Mishin · Eislaufgeschichte: Die Grundfiguren · Interview: Victoria Sinitsina & Nikita Katsalapov · Neues aus aller Welt Titelbild: Victoria Sinitsina & Nikita Katsalapov, Foto: Olga Timochova Auch als Printversion erhältlich unter: www.pirouette-online.de/nr-5-mai-juni-2020.html (Erscheinungstermin 05.06.2020)

Interviews, Porträts und History

Die erste Doppelausgabe des Sommers ist endlich da. Diesmal mit Interviews, Porträts, Eislauf-Geschichte, Buchbesprechungen und vielen News aus aller Welt. …

Aus dem Inhalt:
· Regeländerungen 2020/2021
· ISU-Beschlüsse 2020/2021
· Eislaufstars sammelten für WHO
· Interview: Carolina Kostner
· Interview: Andrei Mozalev
· Corona: Wie Eisläufer die Krise überbrücken
· Portrait: Drobiazko & Vanagas
· Portrait: Yuma Kagiyama
· Nathalie Péchalat 60 Tage im Amt
· Wettbewerbe der kommenden Saisons (Liste)
· Bundeskaderliste 2020/2021
· Neues aus Russland
· Diskussionen über Sprünge 1985 und heute
· Die nächste Generation auf dem Eis
· Olga Sevastianovas Unfall
· Buchrezension: Sarah Abitbol
· Buchrezension: Alexei Mishin
· Eislaufgeschichte: Die Grundfiguren
· Interview: Victoria Sinitsina & Nikita Katsalapov
· Neues aus aller Welt

Titelbild:
Victoria Sinitsina & Nikita Katsalapov, Foto: Olga Timochova

Auch als Printversion erhältlich unter: www.pirouette-online.de/nr-5-mai-juni-2020.html (Erscheinungstermin 05.06.2020)

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<strong>Pirouette</strong> Nr. 5 | <strong>Mai</strong> & <strong>Juni</strong> <strong>2020</strong> Internationales Eiskunstlauf-Magazin | 53. Jahrgang | www.pirouette-online.de<br />

Victoria Sinitsina & Nikita Katsalapov<br />

Interviews<br />

Porträts<br />

Geschichte<br />

Neue Bücher<br />

News<br />

<strong>Pirouette</strong>-Online<br />

<strong>Pirouette</strong>-Facebook


Europameisterschaften in Graz<br />

Minerva Fabienne Hase & <strong>No</strong>lan Seegert<br />

Das Paarlaufniveau in Deutschland ist auch ohne Aljona Savchenko mit<br />

ihren Partnern auf einem guten Niveau. Mit einem guten fünften Platz von<br />

Minerva Fabienne Hase und <strong>No</strong>lan Seegert konnte man nach ihren Grand<br />

Prix-Leistungen rechnen. Großen Grund zur Freude hatten sie nach dem KP,<br />

denn erstmals im Leben übersprangen sie hier die Schallmauer von 70<br />

Punkten. Alle sieben Elemente gelangen und die Komponenten gingen bis<br />

auf 8,50. Die Kür war dagegen nicht optimal, denn Seegert stürzte beim 3S<br />

und Hase landete beide weggeworfenen Sprünge unsauber. Sehr gut<br />

glückten dagegen der Twist, die Hebungen und die 3T-2T-Kombination.<br />

Foto von Hella Höppner: Hase/Seegert bei der EM-Gal


Impressum<br />

Verlags- und Redaktionsanschrift:<br />

STS·Verlag+Werbung<br />

Stefan Schulze<br />

Am Stutz 14<br />

97993 Creglingen<br />

Fon 07933-700-191<br />

Fax 07933-700-192<br />

E-<strong>Mai</strong>l: info@pirouette-online.de<br />

Webshop www.pirouette-online.de<br />

Facebook: www.facebook.com/pirouettemagazin<br />

3<br />

Inhalt & Termine<br />

Verlagsleitung: Stefan Schulze<br />

Chefredakteur: Klaus-Reinhold Kany<br />

Stellvertreterin: Tatjana Flade<br />

Mitarbeiter: Manuela Buyny, Albert-René Kolb<br />

(Schweiz), Katrin Flaschka (Österreich), Hella Höppner<br />

Grafik: Stefan Schulze, Andreas Münch<br />

Anzeigen: Stefan Schulze<br />

Kundenbetreuung: Angelika Manicone<br />

Für unverlangt eingesandte Manuskripte<br />

und Bildzuschriften haftet der Verlag nicht.<br />

Portrait auf Seite 12: Margarita Drobiazko und Povilas Vanagas, Foto: Flade<br />

Inhalt<br />

Regeländerungen <strong>2020</strong>/2021 4<br />

ISU-Beschlüsse <strong>2020</strong>/2021 5<br />

Eislaufstars sammelten für WHO 5<br />

Beiträge, die mit Namen oder Initialen des Verfassers<br />

gezeichnet sind, stellen nicht unbedingt die Meinung<br />

der Redaktion oder des Herausgebers dar. Für die<br />

Richtigkeit der Mitteilungen und Berichte zeichnen<br />

die Clubs verantwortlich. Zuschriften können von uns,<br />

falls kein ausdrücklicher Vor behalt gemacht wird, im<br />

Wortlaut oder aus zugs weise veröffentlicht werden.<br />

Erscheinungsweise: 10 mal im Jahr, <strong>Mai</strong>/<strong>Juni</strong> und<br />

Juli/August sind Doppelausgaben, sonst monatlich.<br />

Bestellungen im Webshop: www.pirouette-online.de<br />

Einzelheft: 6,50 EUR zzgl. Versandkosten<br />

Jahresabonnement:<br />

Deutschland: 65 EUR, EU: 68 EUR inkl. Versand<br />

Probeabo: 33 EUR, EU: 35 EUR inkl. Versand<br />

Bankverbindungen:<br />

GLS Gemeinschaftsbank eG<br />

IBAN DE34430609677014380800,<br />

BIC GENODEM1GLS<br />

USt.-ID DE 178391062<br />

Anzeigen: Standard-Formate zum vergünstigten<br />

Festpreis in unserer Preisliste, z.B. 1/8 Seite<br />

1<strong>05</strong>,- EUR. Download unter www.pirouette-online.de/<br />

info/anzeigenpreise<br />

Copyright für alle Beiträge bei: STS·Verlag+Werbung.<br />

Nachdruck in Wort und Bild, auch auszugsweise,<br />

nur mit schriftlicher Ge neh migung des Verlags.<br />

Gerichtsstand: Bad Mergentheim<br />

Kündigung sind bis acht Wochen vor Ablauf des<br />

Abon ne ments möglich, sonst erfolgt Verlängerung um<br />

ein weiteres Jahr. Eine Kündigung bedarf der<br />

Schriftform.<br />

Die vollständigen AGB sind nachzulesen im Internet:<br />

www.pirouette-online.de/info/<br />

allgemeine-geschaeftsbedingungen<br />

<strong>Pirouette</strong>-Online<br />

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mich!<br />

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<strong>Pirouette</strong> im Internet:<br />

Unser Webshop<br />

Interview auf Seite 31: Victoria Sinitsina und<br />

Nikita Katsalapov, Foto: Flade<br />

Interview auf Seite 8: Andrei Mozalev, Foto: Flade<br />

Titelbild:<br />

Victoria Sinitsina & Nikita Katsalapov<br />

Foto: Olga Timochova<br />

Erscheinungstermin<br />

der nächsten <strong>Pirouette</strong>:<br />

Anfang August<br />

Wir bitten um Beachtung: Sämtliche Eislauf-<br />

Events wurden wegen Corona abgesagt. Daher<br />

erscheint unsere Sommerausgabe Juli/August<br />

etwas später als gewohnt. Das genaue Datum<br />

der Veröffentlichung steht noch nicht fest.<br />

Interview: Carolina Kostner 6<br />

Interview: Andrei Mozalev 8<br />

Wie Eisläufer die Krise überbrücken 9<br />

Neues aus aller Welt 10<br />

Portrait: Drobiazko & Vanagas 12<br />

Portrait: Yuma Kagiyama 14<br />

Nathalie Péchalat 60 Tage im Amt 15<br />

Wettbewerbe der kommenden Saisons 16<br />

Neues aus aller Welt 17<br />

Bundeskaderliste <strong>2020</strong>/2021 18<br />

Neues aus Russland 19<br />

Diskussionen über Sprünge 1985 und heute 20<br />

Neues aus aller Welt 21<br />

Die nächste Generation auf dem Eis 22<br />

Olga Sevastianovas Unfall 24<br />

Buchrezension: Sarah Abitbol 25<br />

Buchrezension: Alexei Mishin 27<br />

Eislaufgeschichte: Die Grundfiguren 28<br />

Neues aus aller Welt 30<br />

Interview: Sinitsina & Katsalapov 31<br />

Eiskunstlauf-Termine<br />

bis Anfang September (unter Vorbehalt)<br />

29.07. – 01.08. Glacier Falls in Anaheim/USA<br />

09.09. – 12.09. JGP in Budapest (Ungarn)<br />

09.09. – 13.09. Challenger: Asian Trophy in<br />

Peking (China)


4<br />

Regeländerungen <strong>2020</strong>/2021<br />

Regeländerungen für die nächste Saison<br />

Im Frühjahr konnte bzw. kann kein Eistanzpaar<br />

so trainieren wie beabsichtigt.<br />

Daher wird es, anders als noch im<br />

März geplant, keinen neuen vorgeschriebenen<br />

Rhythmus für den Rhythmustanz<br />

geben und keine Folkloremusik<br />

vorgeschrieben. Stattdessen bleiben<br />

Rhythmen (Finnstep in der Meisterklasse,<br />

Tea Time Foxtrott bei den <strong>Juni</strong>oren),<br />

Musikrichtung (Musical) und vorgeschriebene<br />

Elemente der vergangenen<br />

Saison auch in der kommenden gültig.<br />

Daher können alle Paare der Welt ihre<br />

Rhythmustänze und die Nachwuchspaare<br />

ihre Pflichttänze aus der vergangenen<br />

Saison erneut präsentieren und niemand<br />

muss (aber jeder darf) einen neuen<br />

Rhythmustanz einstudieren.<br />

Auch im Synchronlaufen bleiben die Elemente<br />

für Kurzprogramme und Küren unverändert. Die<br />

Altersgrenze für Nachwuchsläufer im Eistanzen<br />

und Synchronlaufen wird nur für die kommende<br />

Saison um ein Jahr erhöht, weil viele Läufer keine<br />

Gelegenheit hatten, die <strong>Juni</strong>orenelemente ab<br />

April zu trainieren. Dies gilt aber nur, wenn sie<br />

schon in der abgelaufenen Saison im Nachwuchsbereich<br />

gelaufen waren und wenn sie<br />

dieselben Programme behalten. Die Verbände<br />

müssen Genehmigungen für betroffene Läufer/<br />

-innen bei der ISU beantragen.<br />

Änderungen beim Einzelund<br />

Paarlaufen<br />

Im Einzel- und Paarlaufen stehen die vorgeschriebenen<br />

Elemente, von denen sich in jeder<br />

Saison einige ändern, im Regelbuch der ISU (anders<br />

als beim Eistanzen und Synchronlaufen).<br />

Diese Elemente im Regelbuch gelten wie geplant<br />

für die kommende Saison. Sinnvoll ist,<br />

dass vor dem Absprung vorgedrehte Sprünge<br />

mehr Minuspunkte erhalten sollen als bisher,<br />

weil das ebenso gemogelt ist wie nicht exakt<br />

gelandete Sprünge. Aber es gibt eine ziemlich<br />

fragwürdige Änderung: Bisher wurden Sprünge<br />

voll anerkannt, wenn weniger als eine Viertelumdrehung<br />

bei der Landung fehlte. Zwischen<br />

einer viertel und einer halben Umdrehung wurde<br />

der Sprung als unterdreht bewertet, das<br />

heißt nur noch mit 80 Prozent seiner Grundpunktzahl<br />

und Minuspunkten von den Preisrichtern.<br />

Fehlte mehr als eine halbe Umdrehung,<br />

wurde der Sprung abgewertet und erhielt nur<br />

die Wertigkeit des Sprungs mit einer Umdrehung<br />

weniger, davon abzogen wurden noch erhebliche<br />

Minuspunkte. Ein abgewerteter dreifacher<br />

Lutz wurde also wie ein ziemlich schlechter<br />

Doppellutz mit Beinahe-Sturz gewertet. In<br />

der kommenden Saison soll es außer Unterdrehung<br />

und Abwertung noch eine dritte Kategorie<br />

geben, die in den Ergebnislisten mit einem q<br />

(für quarter, also Viertel) gekennzeichnet werden<br />

und von den Preisrichtern mit -2 gewertet<br />

werden sollen: Wenn bei der Landung eines<br />

Sprungs genau eine Viertelumdrehung fehlt, soll<br />

es die volle Grundpunktzahl, aber Minuspunkte<br />

von den Preisrichtern geben.<br />

Dies ist jedoch etwas problematisch, weil die<br />

Technischen Spezialisten je nach Kameraperspektive<br />

nicht ganz genau sehen können, ob genau<br />

eine Viertelumdrehung fehlt oder geringfügig<br />

mehr oder weniger. Hierfür müsste man<br />

mehrere Kameras an verschiedenen Stellen der<br />

Eisbahn haben, im Extremfall sogar am Landeschlittschuh<br />

jedes Läufers, alle mit Zeitlupenfunktion,<br />

was zusätzliches Personal erfordern<br />

würde und die technischen Kosten jedes Wettbewerbs<br />

um viele tausend Euro, wenn nicht<br />

noch mehr in die Höhe treiben würde. Fabio<br />

Bianchetti, Chef der ISU-Kunstlaufkommission,<br />

sagte dagegen, dass das q die Arbeit der Technischen<br />

Jury leichter mache, weil man nicht mehr<br />

zwischen unterdreht und korrekt unterscheiden<br />

müsse, sondern in Zweifelsfällen etwas dazwischen<br />

habe. „Die Strafe für einen Läufer war<br />

groß, wenn der Sprung als unterdreht gewertet<br />

wurde, weil der Basiswert geringer war und<br />

auch der Ausführungsgrad der Preisrichter geringer<br />

wurde. Mit der Möglichkeit, den Sprung<br />

als „on the quarter“ (also mit genau einer Viertelumdrehung<br />

zu wenig) gelandet zu bewerten,<br />

bleibt in solchen Grenzfällen der Basiswert<br />

gleich und nur die Ausführung erhält Minuspunkte.“<br />

Diese übergenaue Präzision, so vermutet<br />

allerdings die <strong>Pirouette</strong>, könnte dazu führen,<br />

dass renommierte und bekannte Läufer im<br />

Zweifelsfall weniger hart bestraft würden als<br />

<strong>No</strong>bodies. Außerdem dürfte die Technische Jury<br />

noch länger diskutieren, bis die Punkte bekanntgegeben<br />

würden. Sämtliche Regeländerungen<br />

für kürzere Wettbewerbe verwandelten sich ins<br />

Gegenteil, so dass man womöglich bald nur<br />

noch 18 statt 24 Läufer die Kür laufen lässt.<br />

Und von den hart erkämpften 20 Paaren bei der<br />

WM-Kür kann man sich womöglich wieder verabschieden.<br />

Nathan Chens Trainer Rafael Arutunian<br />

fasste zusammen: „Unser Sport war schon<br />

immer subjektiv, egal in welchem Wertungssystem.<br />

Ich glaube an keine vollständige Objektivität,<br />

wenn Menschen, ob ohne oder mit Hilfe<br />

von Technik, etwas entscheiden.“<br />

Verändert hat sich auch die Wertigkeit für einige<br />

Sprünge. <strong>No</strong>ch 2016 lag die Basispunktzahl<br />

für einen vierfachen Lutz bei 13,6 Punkten, zuletzt<br />

bei 11,5, für einen 4F bei 11,0 und einen<br />

4R bei 10,5. Aber inzwischen gibt es viele Herren,<br />

die einen 4L zeigen (weil er mehr Punkte<br />

brachte), aber nur wenige 4F und 4R. Daher sind<br />

nun alle drei Vierfache gleichermaßen 11,0<br />

Punkte wert, obwohl der Lutz eigentlich schwieriger<br />

ist, weil man entgegen der Absprungrichtung<br />

weiterläuft. Der Basiswert des 3L wurde<br />

von 5,9 auf 5,3 Punkte herabgestuft. Es gibt<br />

also insgesamt weniger Punkte als bisher, weil<br />

man auf diese Weise die Zahl der Vierfachen,<br />

bei denen oft gepatzt wird, bei den Herren weiter<br />

vermindern will und auch die wenigen Damen<br />

mit Vierfachen nicht weiter ermutigen will.<br />

Der amerikanische Sprungtrainer Tom Zakrajsek<br />

meint: „Diese Änderungen müssen als Reaktion<br />

auf die Dominanz der russischen Mädchen und<br />

auch der von Nathan Chen interpretiert werden.“<br />

Der Weltmeister vermisst einen Bonus für<br />

Läufer, die mehrere der schwierigeren Vierfachen<br />

zeigen. Der russische Trainer Oleg Vasiliev<br />

findet, der Lutz sei der technisch anspruchsvollste<br />

Sprung.<br />

Bianchetti sieht es anders: „Von der Statistik<br />

her gesehen, ist der vierfache Rittberger der<br />

schwierigste Sprung, aber es hängt vom Körper<br />

des Läufers ab. Daher wollen wir den drei<br />

schwierigeren Vierfachen dieselbe Punktzahl geben.<br />

Der doppelte und einfache Lutz ist aber<br />

nach wie vor mehr wert als die anderen doppelten<br />

und einfachen Sprünge (außer dem Axel),<br />

denn für Kinder ist er nach wie vor schwerer.“<br />

Arutunian sieht es bei den Vierfachen ähnlich:<br />

„Es ist korrekt, den drei Sprüngen dieselbe<br />

Punktzahl zu geben, weil es die Chancen der<br />

Athleten gleichsetzt. Aber es sollte mehr Punkte<br />

für Läufer geben, die mehr als einen schwierigen<br />

Vierfachen zeigen.“ Negativ ist, dass durch<br />

die häufigen Punktänderungen, die manchmal<br />

zu einem Yoyo-Effekt führen, die Zuschauer<br />

nicht mehr durchblicken und das im Prinzip bewährte<br />

System noch mehr kritisieren werden.<br />

Im Paarlaufen erhalten die vier Todesspiralen<br />

unterschiedliche Basispunkte von 3,80 Punkten<br />

(mit Level 4) bis 4,90 Punkten statt bisher zwei<br />

verschiedene Wertigkeiten. Bei Hebungen ändern<br />

sich nur die Punkte für Hebungen mit Level<br />

1. Auch ein schwieriger Ausgang aus einer<br />

<strong>Pirouette</strong> kann in Zukunft einen Level mitbestimmen,<br />

jedoch nicht gleichzeitig mit einem<br />

schwierigen Eingang, denn nur eines von beiden<br />

zählt. In Zukunft darf der Herr die Dame während<br />

einer <strong>Pirouette</strong> auch kurz vom Eis abheben.<br />

<strong>No</strong>ch diskutiert und entschieden werden muss,<br />

ob bei der nächsten WM, die im März 2021 in<br />

Stockholm geplant ist, dieselben Startquoten<br />

gelten sollen wie <strong>2020</strong>. Ob diese WM stattfindet,<br />

ist wegen des Virus auch noch nicht sicher. Der<br />

schwedische Verband hat jedenfalls den Beginn<br />

des Kartenvorverkaufs zunächst von April auf<br />

Juli verschoben. Das Preisgeld für die Medaillengewinner<br />

bei den beiden Synchron-WM beträgt<br />

für die Meisterklasse jetzt 14.000, 10.000 und<br />

6.000 US-Dollar, für die <strong>Juni</strong>oren-WM 10.000,<br />

6.000 und 2.000 US-Dollar pro Team. <br />

<br />

Klaus-Reinhold Kany<br />

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Beschlüsse des ISU-Vorstands<br />

Im April tagte der ISU-Vorstand dreimal<br />

per Videokonferenz. Ende März fragte<br />

die ISU alle Verbände, wie man mit dem<br />

abgesagten ISU-Kongress in Phuket in<br />

Thailand verfahren solle. Mit großer<br />

Mehrheit haben die Verbände dafür votiert,<br />

ihn nicht ganz ausfallen zu lassen,<br />

sondern um ein Jahr zu verschieben, also<br />

an gleicher Stelle und im selben Hotel<br />

vom 31. <strong>Mai</strong> bis 4. <strong>Juni</strong> 2021 abzuhalten.<br />

Die beiden abgesagten WM in Montreal<br />

und in Lake Placid (Synchron) werden<br />

endgültig gestrichen und nicht im<br />

Herbst neu angesetzt. Die Liste der für<br />

die Saison 2019/20 aktiven Offiziellen<br />

für das Wertungssystem soll auch für die<br />

kommende Saison gelten. Die Frankfurter<br />

Sommerseminare werden abgesagt,<br />

daher dürfen alle in denselben Funktionen<br />

werten, in denen sie dies in der gerade<br />

zu Ende gegangenen Saison durften,<br />

außer sie haben die Altersgrenze<br />

von 70 Jahren erreicht.<br />

Auch die ISU kann natürlich nicht wissen, wie<br />

sich die Infektionszahlen des Coronavirus im<br />

Laufe der kommenden Monate weltweit entwickeln.<br />

Sie kann daher nur kurzfristig planen und<br />

muss, so wie vernünftige Politiker in aller Welt,<br />

bei jedem Wettbewerb zwischen der Sicherheit<br />

für alle Teilnehmer und Zuschauer und der<br />

Möglichkeit für Läufer, bei Wettbewerben starten<br />

zu können, abwägen. Jeweils zehn Wochen<br />

vor einem ISU-Wettbewerb und 12 Wochen vor<br />

jedem Grand Prix entscheidet der Weltverband,<br />

ob er definitiv gestrichen wird oder die Vorbereitungen<br />

weitergehen sollen, mit dem Vorbehalt,<br />

ihn auch kurzfristig noch abzusagen.<br />

Hierfür wurde eine fünfköpfige Arbeitsgruppe<br />

unter Leitung von ISU-Vizepräsident Alexander<br />

Lakernik ins Leben gerufen, die die Situation<br />

weltweit genau beobachtet und letztlich darüber<br />

entscheidet. Weitere Mitglieder dieser Arbeitsgruppe<br />

sind der leitende US-Sportdirektor David<br />

Raith, der deutsche Event-Koordinator Wieland<br />

Lüders, die ISU-Sportmanagerin Patricia Mayor<br />

aus Lausanne und die ISU-Anti-Dopingmanagerin<br />

Christine Cardis. Die Zehn-Wochenfrist gilt<br />

auch für die Challenger-Wettbewerbe, über die<br />

die ausrichtenden Verbände und weniger die ISU<br />

entscheiden. Wenn der erste <strong>Juni</strong>oren Grand Prix<br />

in Kanada definitiv abgesagt wird, wird das<br />

demnach bis zum 15. <strong>Juni</strong> bekannt gegeben. Der<br />

Stichtag für die Nebelhorn Trophy ist der 15.<br />

Juli, der Stichtag für Skate America der 1. August.<br />

Dieses Team soll in Zusammenarbeit mit<br />

den organisierenden Verbänden und der Athletenkommission<br />

Folgendes prüfen: Ist die Gesundheit<br />

der Sportler gesichert? Welche Probleme<br />

bringen kurzfristige Absagen bei nationalen<br />

und weltweiten Reisebeschränkungen, bei Angst<br />

vor Reisen? Haben die Sportler genügend Zeit<br />

und Gelegenheit, sich vorzubereiten? Macht eine<br />

Verschiebung auf einen späteren Zeitpunkt Sinn?<br />

Macht es Sinn, Wettbewerbe ohne Zuschauer<br />

abzuhalten, so wie bei der Fußball-Bundesliga in<br />

Deutschland? Sollen ganze Serien abgesagt werden<br />

und welchen Ersatz kann man planen? Welche<br />

finanziellen Konsequenzen entstehen für<br />

alle Beteiligten bei Absagen? Welche Ersatzlösungen<br />

gibt es? Können die Qualifikationen für<br />

das Finale beibehalten werden? Schwierige Fragen,<br />

die die Arbeitsgruppe beantworten und dem<br />

Vorstand zur schnellen Entscheidung vorlegen<br />

soll. Im Laufe des Sommers sollen außerdem die<br />

bei der WM geplanten ISU-Awards online vergeben<br />

werden. Klaus-Reinhold Kany<br />

5<br />

ISU-Beschlüsse <strong>2020</strong>/2021<br />

Neues aus aller Welt<br />

Fast 70 Eislaufstars sammelten für die WHO<br />

Am 25. April strahlten der ISU Youtube-<br />

Kanal und einige andere Kanäle die vierstündige<br />

Liveshow „Open Ice“ mit fast 70<br />

Eislaufstars aus Gegenwart und Vergangenheit<br />

aus, die von zu Hause aus etwas<br />

über sich erzählten. Zum Teil führten sie<br />

etwas vor, spielten zum Beispiel Klavier<br />

oder sangen, vor allem aber appellierten<br />

sie an die Zuschauer, Geld für die Stiftung<br />

der Vereinten Nationen zu spenden, damit<br />

diese noch mehr tun kann, um die Covid-<br />

19-Krankheit (Coronavirus) zu besiegen.<br />

Die kanadische Eistänzerin Kaitlyn Weaver, die<br />

bis zum vorigen Jahr mit Andrew Poje in der<br />

Weltspitze mitmischte, wurde durch eine vergleichbare<br />

Geldsammel-Sendung von Schauspielern<br />

inspiriert. Ihr gelang es, mit Hunderten von<br />

Telefonaten die Eisläufer für die Idee des Auftritts<br />

von zu Hause aus zu gewinnen und mit 65 Läufern,<br />

Trainern und anderen Mitgliedern der Eislauffamilie<br />

einen genau festgesetzten Zeitpunkt<br />

auszumachen, an dem diese angerufen werden<br />

und eine Handy- oder PC-Kamera auf sich gerichtet<br />

haben. Mitgemacht haben unter anderem<br />

die Olympiasieger Aljona Savchenko (als einzige<br />

Deutsche), Torvill und Dean, Davis und White, die<br />

Weltmeister Shae-Lynn Bourne, Kurt Browning,<br />

Meagan Duhamel und Eric Radford, Elvis Stojko,<br />

Elizaveta Tuktamysheva, Carolina Kostner, Gabriella<br />

Papadakis und Guillaume Cizeron, Stéphane<br />

Lambiel, Brian Orser und Brian Boitano (die das<br />

Duell der Brians von 1988 online nachspielten),<br />

Todd Eldredge und viele mehr.<br />

Die notwendige Technik beherrschte der US-Eistänzer<br />

Jordan Cowan, der von 2008 bis 2012<br />

mit Anastasia Olsen gelaufen war (unter anderem<br />

6. der Nebelhorn Trophy 2011) und inzwischen<br />

hauptberuflich mit der Technik von Kinound<br />

Fernsehübertragungen zu tun hat, sehr gut.<br />

Das Umschalten in die Wohnzimmer von etwa<br />

65 Läufern klappte sehr gut. Andere halfen im<br />

Hintergrund. Einige Tage später resümierte<br />

Weaver: „Vor der Sendung war ich so nervös<br />

wie vor einem Wettbewerb. Ich habe immer geglaubt,<br />

dass Träume wahr werden können, aber<br />

in diesem Fall bin ich jetzt noch überrascht, was<br />

für ein Erfolg die ganze Sache war. Das Projekt<br />

hat mir zum Glauben geholfen, dass alles möglich<br />

ist, wenn man die richtige Unterstützung<br />

hat, eine gute Absicht und viel Motivation.“<br />

Weaver moderierte die fast vierstündige Live-<br />

Show aus New York, ohne etwas in dieser Art jemals<br />

vorher gemacht zu haben, und achtete vor<br />

allem darauf, dass es auch viel zu lachen gab,<br />

während sie kurz mit allen Gästen sprach. Traurig<br />

war nur, als der kanadische Paarläufer Michael<br />

Marinaro erzählte, dass seine Großmutter drei<br />

Wochen zuvor gestorben war. Allerdings waren<br />

viele Läufer nur so kurz zu sehen und hören, dass<br />

sie kaum etwas Wesentliches sagen konnten.<br />

Das Geld (42.000 Dollar waren es einen Monat<br />

nach der Sendung) ging an den Corona-Fonds<br />

der Weltgesundheitsorganisation, eine Tochtergesellschaft<br />

der Vereinten Nationen, die im Augenblick<br />

alle Anstrengungen darauf richtet, die<br />

Corona-Pandemie weltweit einzudämmen. Dies<br />

ist, verglichen mit Fernsehsendungen, natürlich<br />

nur eine bescheidene Summe, aber den Livestream<br />

haben auch nur ein paar tausend Eislauffans<br />

und keine Millionen Fernsehzuschauer<br />

gesehen.<br />

So ganz nebenbei war die Show natürlich auch<br />

eine Ohrfeige für diejenigen vor allem in den<br />

USA, die nichts von der WHO halten und ausgerechnet<br />

jetzt kein Geld mehr an sie zahlen wollen.<br />

Die Stiftung der UNO hat die Show natürlich<br />

von Anfang an unterstützt. In kleinerem<br />

und anderem Rahmen gab es ähnliche Shows<br />

oder solche, um die Pflegekräfte in den USA zu<br />

unterstützen, zum Beispiel „Blades for the Brave“,<br />

organisiert von Tara Modlin-Maurizi. krk<br />

Besuchen Sie<br />

die <strong>Pirouette</strong><br />

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6<br />

Carolina Kostner<br />

Interview<br />

Carolina Kostner (33) ist eine der erfolgreichsten Eiskunstläuferinnen<br />

der vergangenen 15 Jahre. Die Italienerin gewann sechs<br />

WM-Medaillen, darunter Gold im Jahr 2012, sowie elf EM-Medaillen<br />

inklusive fünf EM-Titel. Kostner startete bei vier Olympischen<br />

Spielen und holte 2014 Bronze. Seit der WM 2018 pausiert<br />

sie und musste sich im Januar einer Hüftoperation unterziehen.<br />

Seitdem ist sie in der Nähe von Rom in der Reha, die allerdings<br />

durch die Corona-Pandemie eingeschränkt ist.<br />

Foto: privat<br />

Carolina Kostner »Ich kann es nicht erwarten,<br />

meine Schlittschuhe wieder anzuziehen«<br />

<strong>Pirouette</strong>: Wie geht es Ihnen jetzt nach der<br />

Operation?<br />

Carolina: Ich hatte schon während der letzten<br />

zwei Wettkampfsaisons (16/17 und 17/18) immer<br />

wieder Beschwerden. Nach der Saison 2018 waren<br />

die Schmerzen täglich präsent und dann<br />

habe ich beschlossen, mich erst einmal aus dem<br />

harten Training rauszunehmen. Ich habe einige<br />

konservative Therapien versucht, wobei die<br />

Schmerzen immer wieder gekommen sind, wenn<br />

ich zurück aufs Eis wollte, und so habe ich mit<br />

meinem ärztlichen Team entschieden, diese OP<br />

zu versuchen. Das angerissene Labrum (Gelenklippe)<br />

wurde praktisch wieder zusammengenäht<br />

und am Knochen fixiert. Ich habe außerdem eine<br />

angeborene Hüftdysplasie. Natürlich sind 25, 30<br />

Jahre hochintensive Aktivität viel Anspruch für<br />

ein Hüftgelenk und meine Ärzte haben gesagt,<br />

dass es nicht so schlimm aussah, wie man hätte<br />

denken können. Somit bin ich zuversichtlich, dass<br />

die Reha funktionieren wird. Ich brauche viel Geduld.<br />

Mir wurde von Anfang an gesagt, dass die<br />

Reha lange dauern wird und dass je gradueller<br />

man aufbaut, desto länger ich die Garantie habe,<br />

dass ich weiterhin Eislaufen kann. Ich vermisse es<br />

so sehr, ich laufe so gern Eis, sei es jetzt Wettkämpfe<br />

oder Shows oder was auch immer. Es gibt<br />

so viel, was man neben den Wettkämpfen noch<br />

machen kann. Ich vermisse es und ich kann es<br />

nicht erwarten, meine Schlittschuhe wieder anzuziehen<br />

und Eis zu laufen.<br />

Wie gehen Sie mit dieser Zwangspause um?<br />

Es ist ein guter Moment für mich, Ruhe zu finden<br />

und nach den vielen Reisen mal wirklich zu<br />

Hause zu sitzen und zu erkennen, was würde<br />

ich denn gern in der Zukunft machen, auf lange<br />

Sicht. Mein Wunsch und mein Traum ist es, diese<br />

vielseitige Erfahrung, die ich in so vielen Jahren<br />

gesammelt habe, weiterzugeben. Hier in Italien,<br />

wo das (Eislaufen) langsam mit meiner<br />

Karriere mitgewachsen ist, möchte ich das gerne<br />

weiterführen und die richtigen Strategien<br />

und die richtigen Methoden finden. Ich nutze<br />

natürlich auch die Zeit, um mein Studium fertig<br />

zu bekommen, mein Diplom zu schreiben. Man<br />

sagt ja, ich kann nur von meinem Glas geben,<br />

wenn das Glas voll ist. Das ist für mich eine<br />

kreative Zeit, vielleicht weg von dem ganzen<br />

Rummel und den Kameras, die aber auch sehr,<br />

sehr wichtig ist, um neue Kapitel aufzuschlagen.<br />

Möchten Sie vielleicht eine Ausbildung als<br />

Trainerin oder Choreographin machen?<br />

Ideen, Projekte und Vorschläge gibt es ganz viele.<br />

Ich habe mich noch nicht entschlossen.<br />

Gibt es eine ungefähre Zeit, wann Sie wieder<br />

aufs Eis können?<br />

Man hat schon von Anfang an ungefähr acht<br />

Monate Reha angesetzt und danach könnte ich<br />

langsam anfangen, aufs Eis zu gehen. Jetzt mit<br />

der (Corona) Situation weiß ich nicht, inwiefern<br />

sich meine Reha verlangsamt hat. Ich habe zwar<br />

Kontakt mit meinem Ärzteteam, aber wir haben<br />

uns schon länger nicht sehen können. Ich mache<br />

alles zu Hause, aber ich habe natürlich kein<br />

Schwimmbad, wo man vieles hätte beschleunigen<br />

können.<br />

Wie haben Sie diese Corona-Situation erlebt,<br />

gerade weil Italien leider so stark betroffen<br />

ist? Sie haben bei der Aktion „Distanti Ma<br />

Uniti“ (Auf Distanz aber vereint) mitgemacht.<br />

Wir sind ein südländisches Volk, viel mit Körperkontakt<br />

auch beim Grüßen und Tschüss sagen.<br />

Somit hatte unser Ministerium viele Sportler<br />

gefragt, ob wir bei der Aktion mitmachen würden.<br />

Dann ist die Zahl der Angesteckten und der<br />

Leute, denen es wirklich schlecht ging, rapide<br />

gestiegen. Das war ein Moment der Ungewissheit<br />

und mit vielen Gedanken verbunden, was<br />

kommt, wie können wir uns schützen, was können<br />

wir tun und danach ist eben diese Phase<br />

gekommen - okay, ich muss zu Hause bleiben,<br />

aber was ich kann ich von zu Hause tun. Als<br />

Kaitlyn Weaver mich für Open Ice kontaktiert<br />

hat, fand ich das eine absolut tolle Aktion. Jetzt<br />

hoffe ich, dass die Menschen langsam wieder<br />

mit dem Arbeiten beginnen können.<br />

Für Sie war es sicher nicht leicht, denn Sie<br />

konnten nicht bei Ihrer Familie sein.<br />

Ja, Sankt Ulrich ist stark betroffen und das ganze<br />

Tal wurde schnell gesperrt und somit hatte<br />

ich immer die Hintergedanken, ich hoffe, dass<br />

es meiner Familie gut geht, ich kenne meine El-


7<br />

tern, sie wollten es vielleicht nicht erzählen.<br />

Aber es ist nicht das erste Mal, dass wir monatelang<br />

auseinanderleben. Als ich in Oberstdorf<br />

zur Schule ging oder in St. Petersburg war, es<br />

gab immer Zeiten, in denen ich viel weg war,<br />

und es ist für uns eine Gewohnheit geworden,<br />

dass wir uns auf Skype treffen.<br />

Im vergangenen Herbst waren Sie bei der<br />

Virtue-Moir-Tour in Kanada dabei. Wie war<br />

das für Sie?<br />

Für mich war es ein Traum, der in Erfüllung<br />

ging. Wir waren eine supertolle Gruppe. Wir haben<br />

wirklich die Leidenschaft und die Zuneigung<br />

für Tessa und Scott in Kanada gespürt. Es war<br />

eine Riesen-Feier ihrer Karriere und was sie in<br />

Kanada und in der ganzen Eislaufwelt bewegt<br />

haben. Dort mit dabei sein zu dürfen, war für<br />

mich eine Riesenehre und Riesenfreude. Ich<br />

habe wegen der Schmerzen in meinen Solonummern<br />

schon damals keine großen technischen<br />

Schwierigkeiten machen dürfen, aber<br />

auch nicht können. Deshalb war ich nicht immer<br />

zufrieden mit mir selbst, mit dem, was ich<br />

bei dieser Tournee mitgeben konnte. Aber letztendlich<br />

muss man manchmal die eigenen Limits<br />

einfach erkennen und ich hatte so viel Unterstützung<br />

vom Publikum, aber auch von der ganzen<br />

Gruppe und es ist dann trotz allem eine super<br />

Tournee gewesen. Es war eine einzigartige<br />

Erfahrung zu sehen, wie beliebt das Eislaufen in<br />

Kanada ist und wie es geschätzt wird. Das habe<br />

ich natürlich mitgenommen. Ich hoffe, dass ich<br />

das mit der Zeit auch mal in Italien aufbauen<br />

kann. Das wäre ein Riesentraum. Ich bin mit<br />

ganz viel neuer Motivation und Inspiration in<br />

eine Zeit reingerutscht, in der ich natürlich in<br />

der Warteschleife stehe und eben diese Emotionen<br />

wieder erleben möchte. Jetzt ist das ein<br />

bisschen mit der Handbremse, erstmal mit der<br />

OP und dann durch das Coronavirus. Aber man<br />

muss einfach das Beste draus machen und ich<br />

denke, wir haben noch ganz viele Jahre vor uns,<br />

auch das Eislaufen miteinander und meine Leidenschaft<br />

mit den Eislaufliebhabenden zu teilen,<br />

und deswegen braucht man jetzt einfach<br />

ein wenig Geduld und dann wird sich alles wieder<br />

regeln.<br />

Meine Vision vom Eiskunstlauf ist, dass es wie<br />

ein Kunstwerk in einem Museum ist, man sieht<br />

sich das an und alles stimmt, alles ist in Harmonie.<br />

Das ist für mich immer meine Guideline, da<br />

möchte ich hin. Natürlich bin ich selbst immer<br />

sehr kritisch und sehr perfektionistisch und ich<br />

denke, ich werde ein Leben lang nicht dahin<br />

kommen, dass ich sagen könnte, das ist die Perfektion.<br />

Aber das ist für mich diese Leidenschaft,<br />

die mich dazu bringt, jedes Mal noch etwas<br />

dazu zu lernen, noch etwas dazu zu setzen<br />

und nochmal zu recherchieren und es nochmal<br />

zu versuchen und eben dann kleine Kunstwerke<br />

zum Leben zu bringen. Lori ist meine große Unterstützung<br />

und meine Mentorin. Ich habe ganz<br />

viel von ihr gelernt. Ich kann mich erinnern,<br />

2011/2012, ich hatte in meinem Mozart-Programm<br />

(Kür) einen Mohawk-Schritt, der mich in<br />

eine Spirale reinbegleitete und diesen Mohawk<br />

haben wir stundenlang geübt. Ganz oft bekomme<br />

ich tolle Komplimente, ‚es sieht so leicht<br />

aus‘ oder ‚es sieht aus als ob du fliegst‘, das ist<br />

für mich die Bestätigung, dass die Arbeit, die<br />

wir reingesteckt haben, Früchte getragen hat.<br />

Welche Ihrer bisherigen Programme sind<br />

Ihnen die liebsten?<br />

Jedes Programm hat seine eigene Geschichte<br />

und seine eigene Verbindung zumeinem Herzen<br />

und zu meinen Erinnerungen. Die Kür von Nizza<br />

(Mozarts Klavierkonzert <strong>No</strong>. 23) war natürlich<br />

eines der Programme, die mir Augen absolut geöffnet<br />

haben, in dem Sinne, dass ich erkannte,<br />

wie viel eigentlich die Kunst wert ist. Von dem<br />

Moment an sind das Ave Maria Programm entstanden,<br />

das Bolero Programm, bis hin zu Ne<br />

Me Quitte Pas. Ich denke, das sind die vier Stücke,<br />

die meine Seele sozusagen erzählt haben.<br />

Ich habe auch eine sehr, sehr tolle Erinnerung<br />

an das Kurzprogramm der Saison 2013/2014,<br />

das ich dann gewechselt hatte, die „Humoresque“<br />

von Dvorak. Das war eines meiner Lieblingsprogramme,<br />

es erzählte eine Geschichte<br />

und es war in meinen Augen etwas total Innovatives<br />

und so musikalisch und es hat so viel<br />

Spaß gemacht. Ich fand es sehr schade, dass<br />

dieses Programm nicht diese Anerkennung bekommen<br />

hat, die es verdient gehabt hätte.<br />

übernatürlich Schwieriges und es wird eine Zeit<br />

dauern, bis sich ein Gleichgewicht bildet. Ich bewundere<br />

alle diese Mädchen sehr. Ich kann aus<br />

meiner Erfahrung hoffen, dass sie immer gerecht<br />

mit ihrem Körper umgehen, damit sie auch lange<br />

Zeit oder so lange, wie sie wollen, diese Sportart<br />

betreiben können. Es wird sich mit der Zeit zeigen,<br />

wie man diese Höchstschwierigkeiten mit<br />

der Kunst verbinden kann. Das ist möglich. Wenn<br />

man das mit der bildenden Kunst vergleicht,<br />

egal, welche großen Artisten man nimmt, ob Picasso<br />

oder Renoir, Klimt, van Gogh - die meisten<br />

Künstler haben ihre schönsten Kunstwerke nicht<br />

gleich als erstes geschaffen.<br />

Große technische Schwierigkeiten lösen in<br />

dem Moment einen Riesen-Wow-Effekt aus,<br />

aber ich denke, langfristig erinnert man sich<br />

sehr gerne an große emotionale und künstlerische<br />

Programme.<br />

Das ist das Schöne - wir können Schwierigkeiten<br />

mit der Schönheit verbinden. Ich lade alle<br />

Athleten dazu ein, darüber nachzudenken - was<br />

kann ich mit meiner Persönlichkeit, mit meinem<br />

Dasein den Menschen bringen - nicht nur den<br />

Preisrichtern, die mich bewerten, sondern auch<br />

allen, die viel Geld ausgeben und sparen, um<br />

mich Eis laufen zu sehen. Auch der letzte, der<br />

ganz oben in der Ecke sitzt, wie kann ich dem<br />

einen schönen Nachmittag verschaffen. Und das<br />

ist etwas, was nicht nur der Erstplatzierte machen<br />

kann, sondern das kann auch der Letztplatzierte.<br />

Ja, alle wollen gewinnen und wir<br />

wollen alle die besten sein und einen Titel gewinnen,<br />

eine Medaille haben, aber wir haben<br />

auch die Möglichkeit, etwas zu bewegen, Menschen<br />

zu bewegen, Menschen zu motivieren.<br />

Das kommt von jedem einzelnen und da hat jeder<br />

seine Möglichkeit, nicht nur der Gewinner.<br />

Vielen Dank für das Interview und alles Gute<br />

für die Zukunft.<br />

Mit Carolina Kostner sprach Tatjana Flade. •••<br />

Carolina Kostner<br />

Interview<br />

Sie haben also fest vor, wieder aufzutreten.<br />

Ja, ich arbeite auf jeden Fall darauf hin. Natürlich<br />

muss ich Limits erkennen, wenn es soweit<br />

sein wird, wie jeder Artist irgendwann einmal<br />

die eigenen körperlichen Limits erkennen muss.<br />

Trotz allem denke ich, dass unsere Sportart<br />

nicht nur von technischen Schwierigkeiten,<br />

sondern auch von choreographischen Schwierigkeiten<br />

und Kreativität lebt. Ich kann mir vorstelle,<br />

dass es da noch ganz, ganz viel zu entwickeln<br />

und zu erforschen gibt und dass ich<br />

bestimmt noch sehr viel beitragen kann. Ich<br />

vermisse die Tage von Kreativität mit Lori (Nichol,<br />

Choreographin), ich kann es nicht erwarten<br />

mit ihr wieder zu kreieren und unsere Ideen<br />

und unsere Visionen vom Eiskunstlaufen weiter<br />

zu entwickeln.<br />

Bei Ihnen ist jedes Programm ein kleines<br />

Kunstwerk.<br />

Gibt es eine Musik, zu der Sie sehr gerne<br />

laufen möchten?<br />

Meine Oma war ein sehr großer Gustav Mahler<br />

Fan und ich würde sehr, sehr gerne mal zu einem<br />

Stück von Mahler laufen. Und dann träume<br />

ich davon, mit Musikern zusammenzuarbeiten.<br />

Ich könnte mir vorstellen, mit Ludovico Einaudi<br />

oder Ennio Morricone oder Yo Yo Ma oder Lang<br />

Lang zu arbeiten.<br />

Wie blicken Sie auf die aktuelle Entwicklung<br />

bei den Damen, die vierfache Sprünge zeigen?<br />

Jede Generation hat bestimmte Phasen. Es gab<br />

Phasen bei den Männern oder bei den Paaren<br />

oder Eistänzern, in denen es einen technischen<br />

Schub gibt und dann gibt es wieder einen künstlerischen<br />

Schub und dann wieder einen technischen<br />

Schub. Vor allem bei den Mädchen sind<br />

die Vierfachsprünge etwas absolut Neues und<br />

Foto: privat


8<br />

Andrei Mozalev<br />

Andrei Mozalev (17) gewann im März Gold bei seiner ersten <strong>Juni</strong>oren-WM. Die <strong>Pirouette</strong> erreichte<br />

ihn per Telefon in seinem Ferienhaus in der Nähe seiner Heimatstadt St. Petersburg.<br />

Andrei Mozalev mit Trainer Kirill Davydenko (links) und<br />

Choreograf Denis Lunin (rechts), Foto: Flade<br />

Interview<br />

Andrei Mozalev<br />

»Ein Wettbewerb ist immer ein Kampf mit dir selbst«<br />

<strong>Pirouette</strong>: Nach der <strong>Juni</strong>oren-WM waren Sie<br />

Ende März in Krasnojarsk bei der russischen<br />

Winter-Spartakiade und bevor in Russland<br />

die Eishallen schlossen, haben Sie schnell ein<br />

neues KP einstudiert.<br />

Andrei: Ja, wir haben es gerade noch geschafft.<br />

Die Musik verrate ich nicht, aber das Programm<br />

ist anders als das alte, auf keinen Fall ähnlich.<br />

Es hat mir viel Spaß gemacht, an dem Programm<br />

zu arbeiten, das war schon ein anderes<br />

Niveau und daher war es interessant. Denis Lunin<br />

hat das Programm aufgebaut.<br />

Dann haben Sie inzwischen die Musik für die<br />

Kür ausgesucht, aber die ist auch noch<br />

geheim. Warum wollen Sie nichts verraten?<br />

Ich möchte die Programme beim Wettbewerb<br />

zeigen und nicht vorher darüber reden, deswegen<br />

halte ich das geheim.<br />

Wie kommen Sie mit den Corona-Einschränkungen<br />

klar, wie trainieren Sie ohne Eis?<br />

Ich bin jetzt auf der Datscha und habe dort<br />

gute Möglichkeiten, ich laufe, springe, mit Kirill<br />

Anatolievitch (Davydenko, Trainer) trainiere ich<br />

online und wir haben auch Choreographie, das<br />

Training geht also weiter (lacht). Alles ist da,<br />

außer Eis. Ich halte mich in Form, denn vielleicht<br />

gehen wir morgen plötzlich aufs Eis. Dafür<br />

muss ich bereit sein und daher bemühe ich<br />

mich jeden Tag, die Form zu halten.<br />

Was ist positiv daran, so viel Trockentraining<br />

zu machen?<br />

Es ist natürlich gut, an der physischen Form zu<br />

arbeiten, ich sehe daran nichts Schlechtes. Aber<br />

natürlich vermisse ich das Eis. Das ist das erste,<br />

was ich mache, wenn die Quarantäne vorbei ist.<br />

Wie nutzen Sie die zusätzliche Zeit, die Sie<br />

jetzt haben?<br />

Ich habe jetzt mehr Zeit für die Schule. Vorher<br />

hatte ich weniger Zeit und weniger Energie dafür.<br />

Ich beende die neunte Klasse. <strong>No</strong>rmalerwei-<br />

se haben wir eine Abschlussprüfung, das allgemeine<br />

staatliche Examen (vergleichbar mit dem<br />

Realschulabschluss, T.F.), aber es wurde abgesagt.<br />

Wir werden einfach ein Zeugnis entsprechend<br />

unserer <strong>No</strong>ten im Schuljahr bekommen.<br />

Ich lese auch mehr Bücher in der Freizeit - gerne<br />

Stephen King, der Autor gefällt mir sehr.<br />

Wie sehen Sie ihre Entwicklung in der vergangenen<br />

Saison?<br />

Ich bin viele Wettbewerbe gelaufen, habe an Erfahrung<br />

gewonnen und mich mehr geöffnet. Ich<br />

denke, ich bin mental gewachsen und ich habe<br />

realisiert, dass Wettbewerbe nichts Schwieriges<br />

sind, sondern dasselbe wie ein Training.<br />

Sie beherrschen einen soliden vierfachen<br />

Toeloop. An welchen anderen Vierfachen<br />

arbeiten Sie?<br />

Das kann ich noch nicht sagen, das sehen Sie in<br />

der nächsten Saison. Es wird eine Überraschung.<br />

Was bedeutet der Titel bei der <strong>Juni</strong>oren-WM<br />

für die Zukunft?<br />

Dieser Sieg bedeutet, dass ich mich in die richtige<br />

Richtung bewege, dass ich einfach weiter<br />

vorangehen muss. Das ist wie ein kleines<br />

Sprungbrett, ein Schritt hin zur Meisterklasse.<br />

Ich möchte in die Meisterklasse aufsteigen, vielleicht,<br />

weil ich im Finale zusammen mit den<br />

Meisterklasseläufern war und das war eine andere<br />

Atmosphäre. In der Meisterklasse sind stärkere<br />

Läufer und viel mehr Zuschauer, und das<br />

gefällt mir. Die Zuschauer helfen mir, sie geben<br />

mir Kraft und eine positive Energie.<br />

Wie wichtig war es für Sie, in Tallinn Gold zu<br />

holen, nachdem Sie bei den Olympischen<br />

Jugendspielen und im Finale Zweiter waren?<br />

Ein Wettbewerb ist immer ein Kampf mit dir<br />

selbst. Ich wollte mir selbst beweisen, dass ich<br />

mit den Läufern aus anderen Ländern mithalten<br />

kann. Nach diesen zweiten Plätzen habe ich<br />

mich gefragt, wo ich schwächer als die Japaner<br />

bin. Daher war die <strong>Juni</strong>oren-WM sehr wichtig.<br />

Wie gehen Sie in Ihre erste Meistersaison?<br />

Ruhig, nirgendwo hin hetzen, meine Sache machen,<br />

nichts forcieren.<br />

Wie sind Sie zum Eiskunstlauf gekommen?<br />

Natürlich war es die Initiative meiner Eltern.<br />

Aber meine ältere Schwester ist Eis gelaufen<br />

und ich habe gern zugeschaut und wollte das<br />

auch machen. So kam es. Meine Schwester Lisa<br />

ist drei Jahre älter als ich. Sie hat erst Einzelund<br />

dann Synchronlauf gemacht. Als sie 16 war,<br />

hat sie aufgehört und jetzt studiert sie.<br />

Was ist Ihre erste Erinnerung ans Eislaufen?<br />

Wahrscheinlich als ich zu Kirill Anatolievitch gewechselt<br />

bin, denn das war ein großer Schritt für<br />

mich. Meine Mutter hat mich gefragt ‚willst du<br />

weitermachen, ist es dir ernst‘ und ich entschied<br />

für mich selbst, dass ich es will und es mir gefällt.<br />

Ich ging zu Kirill Anatolievitch und fing an<br />

ernsthafter zu trainieren. Ich war acht Jahre alt.<br />

Wie wichtig ist es für einen Läufer, „seinen“<br />

Trainer zu finden?<br />

Der Trainer ist offensichtlich ein wichtiger Teil,<br />

denn wir arbeiten die ganze Zeit zusammen, wir<br />

sind eins. Mir gefällt seine Ruhe und sein<br />

Selbstvertrauen. Wenn ich das übernehmen<br />

könnte, wäre alles gut. Natürlich ist er erfahrener<br />

als ich und weiß, was zu tun ist.<br />

Sie waren der einzige Spitzenläufer in der<br />

Gruppe, dann ist Anton Shulepov dazu<br />

gekommen. Wie ist es, mit einem Konkurrenten<br />

zu trainieren?<br />

Für mich ist das einfacher, denn ich habe jemanden<br />

neben mir und selbst wenn ich mental nicht<br />

so gut drauf bin, treibt es mich an, meinen Konkurrenten<br />

zu sehen. Es ist auch lustiger, vorher<br />

war es ein wenig langweilig (im Training).<br />

Wer sind Ihre Freunde?<br />

Ich möchte mit allen befreundet sein. Wir sind


9<br />

Wie haben Eisläufer die<br />

Zwangspause überbrückt?<br />

Von Mitte März bis Ende April waren fast alle Eishallen der Welt geschlossen,<br />

niemand konnte dort trainieren. Die DEU verschickte für ihre Kaderläufer zielgerichtete<br />

Athletikwochenpläne, damit sie auf dem Trockenen die Form halten können.<br />

Anfang <strong>Mai</strong> öffneten einige Hallen mit Einschränkungen<br />

wieder, aber bis Ende <strong>Mai</strong> konnten<br />

nur wenige Läufer intensiv trainieren. In<br />

Deutschland war dies zunächst in Oberstdorf<br />

und Berlin ausschließlich für DEU-Kaderläufer<br />

erlaubt. Aber nur fünf Sportler durften gleichzeitig<br />

auf dem Eis sein, obwohl die Eisfläche<br />

auch mit dem nötigen Sicherheitsabstand viel<br />

mehr erlaubt hätte. In Oberstdorf durften die<br />

Paarläufer und Rostislav Sinicyns Eistanzpaare<br />

nicht zusammen trainieren, sondern nur getrennt,<br />

also keine Hebungen, <strong>Pirouette</strong>n und zusammen<br />

getanzte Schrittfolgen üben, sondern<br />

nur parallele Schrittfolgen. Elena Pavlova und<br />

Ruben Blommaert sind übrigens von Berlin nach<br />

Oberstdorf umgezogen und werden dort in erster<br />

Linie bei Ex-Paarläufer Florian Just trainieren,<br />

weil Blommaerts Verlobte eine hauptberufliche<br />

Stelle beim Deutschen Skiverband nahe<br />

München angenommen hat. Nicole Schott zeigte<br />

für Sportdeutschland-TV einmal auf der Iso-<br />

Matte zu Hause eine Stunde lang Konditionsund<br />

Streckungstraining. In Berlin war das Training<br />

wieder anders, dort durften auch Paarlauf-<br />

nur auf dem Eis Rivalen. Ich verbringe Zeit mit<br />

den anderen Jungs, mit denen ich in der Eislauf-Akademie<br />

trainiere.<br />

Was möchten Sie nach Ihrer aktiven Karriere<br />

machen?<br />

Ich möchte Trainer werden. Ich kann nicht<br />

ohne Eiskunstlauf sein, ich will immer auf dem<br />

Eis und in dieser Umgebung sein. Ich liebe es<br />

einfach. Mir gefällt alles – die Sprünge mag<br />

ich natürlich am liebsten, aber ich genieße<br />

auch einfach das Laufen und die <strong>Pirouette</strong>n.<br />

Wie beschreiben Sie sich selbst in ein paar<br />

Worten?<br />

Ich bin ein bescheidener, ruhiger Mensch.<br />

Was wären Sie, wenn Sie kein Eiskunstläufer<br />

wären?<br />

Das ist schwer zu sagen. Ich war etwa zwei<br />

Jahre alt, als ich mit dem Eislaufen anfing. Ich<br />

kann mir mein Leben nicht ohne Eislaufen<br />

vorstellen.<br />

Vielen Dank für das Interview und alles<br />

Gute für die neue Saison.<br />

Mit Andrei Mozalev sprach Tatjana Flade. •••<br />

elemente geübt werden. Nur zehn namentlich<br />

zuvor aufgeführte Personen durften in die abgeschlossene<br />

Halle, also in der Regel Läufer mit<br />

Haupttrainer, aber zum Beispiel nicht einmal<br />

DEU-Vizepräsident Reinhard Ketterer, der in<br />

denselben Berliner Hallen jahrzehntelang gearbeitet<br />

hatte. Romy Oesterreich sprach mit der<br />

»<br />

<strong>Pirouette</strong>.<br />

Romy Oesterreich:<br />

„Wir sind für die überschaubare Zahl der<br />

Bundeskaderläufer relativ zufrieden. Es ist<br />

ein schöner Saisonbeginn, weil<br />

«<br />

es noch nicht<br />

so hektisch ist, sondern wir ziemlich entspannt<br />

trainieren können und viel Platz haben.<br />

Und alle machen auch gut mit. Wir haben<br />

auch Mentaltraining gemacht und daran<br />

gearbeitet, dass sich die Läufer besser und<br />

als Team verstehen. Aber jetzt (Ende <strong>Mai</strong>)<br />

kommen auch die Schulen und das Eishockey<br />

wieder und zwei Hallen sind offen, da wird<br />

das Risiko größer. Denn jetzt stehen Eltern<br />

und Sportler mehr zusammen und man weiß<br />

natürlich nie, wer sich an die Regeln hält<br />

und wer etwas leichtsinnig ist.“<br />

Die Dortmunder Eishalle war geschlossen, so<br />

dass auch Katharina Müller und Tim Dieck nicht<br />

dort trainieren konnten. Aber es gelang im <strong>Mai</strong>,<br />

zwei andere Eishallen in NRW (Dinslaken und<br />

Willingen) ausfindig zu machen, die geöffnet<br />

waren und in denen sie etwas trainieren konnten,<br />

aber nur mit viel Fahrerei. Mit Haupttrainerin<br />

Angelika Krylova in Moskau haben sie vereinbart,<br />

dass sie entweder wieder nach Russland zu<br />

ihr fliegen, wenn dies wieder erlaubt ist. Oder<br />

Krylova kommt mit einem oder zwei ihrer Paare<br />

für ein paar Wochen nach Deutschland, falls dies<br />

früher möglich ist. In einer TV-Sendung über<br />

Probleme von Sportstätten-Gaststätten in Köln<br />

war zu sehen, dass Nargiz Süleymanova ganz alleine<br />

in der Kölner Halle trainierte, weil sie dort<br />

die einzige Kaderläuferin ist. Nathalie Weinzierl<br />

wollte nach langer Verletzungspause eigentlich<br />

Anfang April wieder beim Frühlingspokal in Egna<br />

starten und muss nun ihr Comeback verschieben.<br />

Lea Johanna Dastich ist ebenfalls wieder gesund<br />

und wollte im März in Luxemburg starten, aber<br />

auch das fiel ins Wasser. Die Sporthilfe versicherte<br />

den Spitzensportlern, dass die monatlichen<br />

Unterstützungsgelder weiterhin zuverlässig<br />

auf ihrem Konto landen würden. Aber die<br />

selbtsständigen Trainer hatten oft nur geringe<br />

Einkünfte durch Online-Unterricht, wenn überhaupt<br />

und mussten daher Anträge auf staatliche<br />

Überbrückungsgelder stellen.<br />

„Bleibt im Verein“<br />

Auch Eisläufer in anderen Ländern hatten wenig<br />

Trainingsmöglichkeiten. Viele posteten Videos<br />

von ihrem Trockentraining oder wurden richtig<br />

kreativ. Österreichische und französische Läufer<br />

appellierten an die Mitglieder der Eislauffamilie,<br />

in ihrem Sportverein zu bleiben und nicht zu<br />

kündigen, um ein paar Euro zu sparen und damit<br />

den Konkurs zu riskieren. Denn diese Vereine<br />

haben jahrelang viel für Läufer, Freunde und<br />

Angehörige getan und werden dies weiterhin<br />

tun, wenn sie die Krise überleben und die laufenden<br />

Kosten zahlen können.<br />

Auch originelle Videos waren zu sehen: Die Österreicherin<br />

Olga Mikutina ließ sich in einem<br />

Kaufhaus filmen, während sie an einem Regal<br />

mit Spagat vorbeitanzt und dabei mit ihrem Fuß<br />

eine Riesenpackung Toilettenpapier angelt und<br />

in ihren Einkaufswagen balanciert. Alexei Yagudin<br />

zeigte auf Inlinern zur Originalmusik und im<br />

Originalkostüm sein berühmtes Winter-KP aus<br />

dem Jahr 2002 in einer Garageneinfahrt ein<br />

bisschen Clownesk-ungeschickt. Von hinten<br />

sieht man eine Frau mit der Frisur seiner damaligen<br />

Trainerin Tatiana Tarasova, die sein Programm<br />

bejubelt. Der kanadische Einzelläufer<br />

Roman Sadovsky drehte ein drei Minuten langes<br />

Video mit Musik, Worten und künstlerischem<br />

Anspruch, in dem er seine augenblicklichen Gefühle<br />

darstellt. Der Oberstdorfer Kanadier Gary<br />

Beacom lief einen Mond auf Inlinern auf dem<br />

leeren Parkplatz der Nebelhornbahn mit Blick<br />

auf die geschlossene Eishalle von Oberstdorf.<br />

Der US-Fernsehsender NBC drehte am ersten<br />

Tag der Wiedereröffnung der Hertz-Eishalle von<br />

Marina Zueva in Estero nahe Naples in Südwest-Florida<br />

(siehe <strong>Pirouette</strong> September 2019)<br />

und man sah, dass ihre Läufer begeistert auf<br />

dem Eis waren. Sie und die französischen Eistänzer<br />

Julia Wagret und Piere Souquet wurden<br />

kurz interviewt.<br />

Andere waren in der Krisenbekämpfung aktiv:<br />

Nathan Chen sagte in einem Interview, seine<br />

ältere Schwester Janice sei Wissenschaftlerin,<br />

die in einem Laboratorium in einem Team an<br />

einem Impfstoff gegen den Virus arbeite. Eistänzerin<br />

<strong>Mai</strong>a Shubutani, die im vergangenen<br />

Winter selbst wegen einer Krebserkrankung im<br />

Krankenhaus lag, sammelte Geld für Beschäftigte<br />

in Gesundheitsberufen. Alle aktiven Läufer<br />

hoffen, dass sie bald wieder Wettbewerbe laufen<br />

können. <br />

Klaus-Reinhold Kany<br />

Besuchen Sie<br />

die <strong>Pirouette</strong><br />

auf Facebook<br />

Krisenüberbrückung der Eisläufer


10<br />

News<br />

<strong>No</strong>rbert Schramm (rechts) mit Bernhard Hoëcker in<br />

„Wer weiß denn sowas“ . Quelle: DasErste.de<br />

<strong>No</strong>rbert Schramm wurde 60<br />

Am 7. April wurde der aus Nürnberg stammende<br />

und während seiner ISU-Karriere in Oberstdorf<br />

lebende <strong>No</strong>rbert Schramm 60 Jahre alt.<br />

Von 1982 bis heute ist er der bekannteste und<br />

erfolgreichste Eiskunstläufer der alten Bundesrepublik,<br />

ein richtiger Star. 1982 und 1983 wurde<br />

er Europameister und in beiden Jahren auch<br />

Zweiter der WM (jeweils hinter Scott Hamilton).<br />

Seine Programme waren für die damalige Zeit<br />

überaus kreativ und ein bisschen ausgeflippt. Er<br />

beherrschte alle Dreifachsprünge außer dem<br />

Axel, den damals noch kaum jemand zeigte,<br />

aber die Pflichtfiguren liebte er ebenso wenig<br />

wie viele andere künstlerische Läufer. Eine<br />

olympische Medaille 1984 gewann er nicht,<br />

weil die damaligen deutschen Offiziellen ihn ein<br />

bisschen fallenließen und mehr die nationalen<br />

Konkurrenten unterstützten. Denn er hatte wenige<br />

Monate vor Olympia seinen langjährigen<br />

Trainer und Bundestrainer Erich Zeller verlassen<br />

und war auch nicht mehr ganz in der Topform<br />

wie 1982 und 1983. In einem Interview mit<br />

dem Spiegel erzählte er kürzlich, dass der deutsche<br />

IOC-Funktionär Thomas Bach (heute IOC-<br />

Präsident) am Tag vor dem Wettbewerb bei den<br />

Olympischen Spielen im Deutschen Haus in Sarajevo<br />

zu seinen Eltern kam und ihnen sagte, er<br />

werde Platz neun belegen. Genauso kam es<br />

dann auch. Die folgende WM, bei der er sich<br />

hätte revanchieren können, beendete er mit einem<br />

Knall. Nach der zweiten Pflichtfigur, mit<br />

deren Bewertung er nicht einverstanden war,<br />

ging er zur Schiedsrichterin Sonia Bianchetti,<br />

verbeugte sich und sagte ihr, er höre jetzt auf.<br />

Anschließend war er viele Jahre lang als Showläufer<br />

erfolgreich, als Harlekin, als Tango-Franz,<br />

bei Holiday on Ice, beim russischen Eiszirkus und<br />

vielen anderen Gelegenheiten. Er begann ein Betriebswirtschaftsstudium<br />

in Augsburg. Dann leitete<br />

er Eisshows, viele Jahre lang in Rust und<br />

anderswo, aber mit oft berechtigter Kritik eckte<br />

er auch öfter an und wollte sich nicht verbiegen<br />

lassen. Durch Gesichtslähmungen ab Silvester<br />

1997 war er jahrelang gesundheitlich gehandicapt.<br />

Privat war er zweimal verheiratet und geschieden.<br />

Die DEU versuchte vergeblich, ihn als<br />

Lehrgangsleiter zu integrieren. Er wanderte auf<br />

dem Jakobsweg, reiste zwei Jahre durch Südamerika,<br />

lebte drei Jahre lang als Fotograf in<br />

New York, war in einem Jahr im Dschungelcamp<br />

und kehrte wieder nach Deutschland zurück.<br />

Seit einigen Jahren arbeitet er für eine Immobilienagentur<br />

im niederbayrischen Deggendorf,<br />

lebt aber in Oberstdorfs Nachbarort Sonthofen.<br />

Bruno Massot wieder Vater<br />

Olympiasieger Bruno Massot und Ehepartnerin<br />

Sophie wurden am 19. <strong>Mai</strong>, also neun Tage<br />

später als berechnet, zum zweiten Mal Eltern.<br />

Nach dem Sohn Louka kam diesmal Tochter<br />

Charlie. Die Familie will demnächst umziehen<br />

und Massot arbeitet nicht mehr in der kalten<br />

Eishalle von La-Chaux-de-Fonds, sondern bereits<br />

in dem erst wenige Jahre alten und geheizten<br />

Trainingszentrum in der Swatch- und<br />

Rolex-Stadt Biel (französisch Bienne) direkt an<br />

der Sprachgrenze zwischen der deutsch- und<br />

der französischsprachigen Schweiz.<br />

Ruben Rosic verlässt DEU<br />

Die DEU-Geschäftsstelle muss schon wieder<br />

einen neuen Mitarbeiter suchen. Nach gut<br />

eineinhalb Jahren verließ Ruben Rosic die<br />

DEU und wird Geschäftsführer des Bayrischen<br />

Eissportverbandes. Bis eine NachfolgerIn gefunden<br />

und eingearbeitet ist, schrieb die DEU,<br />

könne sich die Bearbeitung von Unterlagen in<br />

den nächsten Monaten verzögern.<br />

Neues spanisches<br />

Eistanzpaar<br />

Die ISU hat nach Angaben des spanischen Eissportverbandes<br />

einem neuen Eistanzpaar grünes<br />

Licht mit der üblichen Freigabe-Bescheinigung<br />

gegeben. Erika Riera und der aus Weißrussland<br />

stammende Raman Balanovich trainieren in<br />

Lyon bei Olivier Schoenfelder und planen, in der<br />

kommenden Saison für Spanien zu starten.<br />

Neues tschechisches Paar<br />

Zhuk/Bidar<br />

Nachdem Russland die Paarläuferin Elizaveta<br />

Zhuk freigegeben hat, kann sie in der kommenden<br />

Saison nach Angaben des tschechischen<br />

Verbandes mit dem tschechischen Partner<br />

und früheren <strong>Juni</strong>orenweltmeister Martin<br />

Bidar international starten. Das Paar wird in<br />

der Mozer-Schule in Moskau trainieren.<br />

Soucisse/Firus wechseln<br />

zu Carol Lane<br />

Das kanadische Eistanzpaar Carolane Soucisse<br />

und Shane Firus, im Januar Dritte der nationalen<br />

Meisterschaften, wechselt von Montreal<br />

nach Scarborough bei Toronto in die Schule<br />

von Carol Lane. Zunächst waren sie für die<br />

WM in Montreal erstes Ersatzpaar, aber zwei<br />

Wochen zuvor wurden sie für dieses dann abgesagte<br />

Event doch noch nominiert. Denn der<br />

ursprünglich nominierte Nikolaj Sörensen und<br />

dessen Partnerin Laurence Fournier Beaudry<br />

erkannten, dass sie nach seiner Knieoperation<br />

vom Herbst 2019 noch nicht wieder fit genug<br />

für die WM waren. Soucisse und Firus schrieben<br />

im Facebook, von einem großen emotionalen<br />

Hoch nach der kurzfristigen <strong>No</strong>minierung<br />

seien sie in ein Tief gefallen, als die WM<br />

abgesagt wurde. Bei Carol Lane (mit ihrem<br />

Spitzenpaar Gilles/Poirier) wollen sie sich nun<br />

auf Olympia 2022 vorbereiten, so schrieben sie.<br />

Charlie Bilodeau hört auf<br />

Der kanadische Paarläufer Charlie Bilodeau (26)<br />

hat seine Karriere unerwartet beendet und sich<br />

damit auch von seiner letzten Partnerin Lubov<br />

Iliushechkina getrennt, mit der er eine Saison<br />

lang zusammengelaufen war. Für die ausgefallene<br />

WM waren sie erster Ersatz. Bilodeau schrieb<br />

sehr ausführlich, seine Entscheidung sei felsenfest<br />

und werde viele überraschen, auch seine<br />

Partnerin und Trainer Richard Gauthier. „Ich verabschiede<br />

mich vom Eiskunstlaufen und beginne<br />

ein neues Kapitel in meinem Leben. Ich war einfach<br />

unglücklich, hatte keine Motivation mehr,<br />

sogar psychologische Störungen und fühle mich<br />

jetzt endlich befreit vom Stress.“ Mit seiner früheren<br />

Partnerin Julianne Séguin war Bilodeau<br />

Zweiter der <strong>Juni</strong>oren-WM 2015 geworden und<br />

bei drei großen WM (Plätze 8, 11 und 22) und<br />

den Olympischen Spielen 2018 (Rang 9) gestartet.<br />

Nach einer Saison ohne Partnerin hatte er<br />

im Frühjahr 2019 mit Lubov Iliushechkina angefangen.<br />

Diese schrieb, sein plötzliches Karriereende<br />

sei „wie ein Messerstich in meinen<br />

Rücken“, denn sie habe keine Ahnung gehabt<br />

und wollte mit ihm zu den Olympischen Spielen<br />

2022, die ihre ersten Spiele gewesen wären.<br />

McNamara/Carpenter<br />

beenden Laufbahn<br />

Das US-amerikanische Eistanzpaar Lorraine<br />

McNamara und Quinn Carpenter hat zum Saisonende<br />

seine gemeinsame Karriere beendet.<br />

Mehr als 14 Jahre sind sie zusammengelaufen,<br />

was für amerikanische Verhältnisse selten ist. Sie<br />

haben immer in der Schule von Alexei Kiliakov in<br />

Wheaton/Maryland trainiert. Ihre größten Erfolge<br />

waren der Gewinn der <strong>Juni</strong>oren-WM 2016, drei<br />

Medaillen bei den <strong>Juni</strong>orenfinales 2014, 2016<br />

und 2017, ein vierter Platz bei der Vier-Kontinente-Meisterschaft<br />

2018 und ein dritter Platz beim<br />

Grand Prix 2018 in Helsinki. Wegen der außerordentlich<br />

starken Konkurrenz in den USA konnten<br />

sie sich für keine WM qualifizieren und landeten<br />

im Januar <strong>2020</strong> bei den US-Meisterschaften auf<br />

Platz sechs. McNamara sucht nach einem neuen<br />

Partner, während Carpenter sich um einen zukünftigen<br />

Hauptberuf kümmern will.<br />

Plutowska/Flémin beenden<br />

Karriere<br />

Das für Polen laufende Eistanzpaar Justyna Plutowska<br />

und Jérémie Flémin (ein Franzose) hat<br />

seine Karriere beendet. Zuletzt haben sie in der<br />

Eistanzschule von Montreal (IAM) trainiert, aber<br />

der erhoffte Leistungssprung blieb aus. Bei den<br />

beiden vergangenen Europameisterschaften belegten<br />

die zweimaligen Zweiten der polnischen<br />

Meisterschaften (hinter Kaliszek/Spodyryev) jeweils<br />

Platz 22 und erreichten somit nicht das<br />

Finale. Bei der WM sind sie nie gestartet und<br />

waren auch für Montreal nur Ersatz. Plutowska<br />

kehrte in ihre Heimat nach Polen zurück und<br />

Flémin will jetzt Shows in den USA laufen.


Joan Slater gestorben<br />

Die britische Eistanztrainerin Joan Slater ist<br />

am 14. April im Alter von etwas über 80 Jahren<br />

(das genaue Alter ist nicht bekannt) gestorben.<br />

Die Mutter des Eistänzers und Eurosportkommentators<br />

Nicky Slater und ihr Bruder<br />

John Slater waren in den Jahren 1952 und<br />

1953 Eistanzweltmeister vor dem bekannteren<br />

Duo Westwood/Demmy, außerdem startete<br />

Joan auch im Paarlaufen und als Einzelläuferin<br />

und tourte nach ihrer Amateurkarriere mehrere<br />

Jahre mit den Ice Capades vor allem durch<br />

<strong>No</strong>rdamerika. 1960 begann sie eine eindrucksvolle<br />

Trainerkarriere, in der sie jedes Alter unterrichtete.<br />

Ihre bekanntesten Schüler waren<br />

Karen Barber/Nicky Slater, Sharon Jones/Paul<br />

Askham sowie Sinead und John Kerr, die sie<br />

viele Jahre lang aufbaute und bis zu ersten internationalen<br />

Erfolgen betreute (bevor sie zu<br />

Evgeni Platov wechselten). Sinead Kerr<br />

schrieb: „Joan Slater war nicht nur eine Trainerin,<br />

sondern gehörte zur Familie.“ Bruder<br />

John fügte hinzu: „Sie war auch unser Mentor.<br />

Wie oft haben wir in ihrem Haus gewohnt. Sie<br />

nahm sich eines nur mäßig begabten Jungen<br />

mit fragwürdigen Trainingsgewohnheiten an<br />

und machte ihn in sieben Jahren zu einem<br />

Olympiateilnehmer. Sie war höllisch anspruchsvoll,<br />

aber man wusste immer, dass sie<br />

sich um uns kümmerte.“<br />

Ron Ludington bei<br />

der Aufnahme in die<br />

Halle of Fame 1999<br />

Quelle: privat<br />

Trainer Ron Ludington<br />

gestorben<br />

Der früher sehr bekannte und erfolgreiche<br />

Paarlauftrainer Ron Ludington ist am 14. <strong>Mai</strong><br />

mit 85 Jahren an plötzlichen Herzproblemen<br />

gestorben. Nach dem Gewinn der olympischen<br />

Paarlauf-Bronzemedaille im Jahr 1960 mit seiner<br />

späteren Ehefrau Nancy hatte er zunächst<br />

in Detroit und dann in Wilmington, Delaware<br />

als Trainer begonnen. Dabei hatte er im ersten<br />

Jahr großes Glück: Den Flug zur in Prag geplanten<br />

WM 1961 konnte er sich nicht leisten,<br />

denn damals mussten die Trainer ihre Reisekosten<br />

noch selbst bezahlen. Daher blieb er zu<br />

Hause und entkam dem Absturz des Flugzeuges<br />

in Belgien, bei dem das gesamte US-Team<br />

starb, auch sein Paarlaufpaar und sein früherer<br />

Trainer. Seit den 1980er Jahren war er Cheftrainer<br />

in den Trainingshallen der nahen Universität<br />

von Newark/Delaware, zwischen New<br />

York und Washington. Dieses Trainingszentrum<br />

machte er zu einem der führenden in den USA,<br />

vor allem weil er schon früher als andere das<br />

Know-how der Universität für sein Training<br />

nutzte. Etwa 25 Läufer, vor allem Paare, führte<br />

er bis zu Olympischen Spielen, darunter allein<br />

acht Läufer aus verschiedenen Ländern in Sarajevo<br />

1984 und sechs im Jahr 1988. Insgesamt<br />

arbeitete er 59 Jahre als Trainer.<br />

Seine bekanntesten Duos waren die Geschwister<br />

Carruthers (Silber in Sarajevo 1984) und das<br />

Paar Urbanski/Marval. In Newark trainierten<br />

(zum Teil bei anderen Trainern) auch die Einzelläufer<br />

Johnny Weir und Kimmie Meissner, die<br />

Weltmeisterin von 2006 sowie die Eistänzer<br />

Spitz/Gregory, Semanick/Gregory und Fox/Dalley.<br />

Bis zur Corona-bedingten Schließung der Halle<br />

im März <strong>2020</strong> unterrichtete er und hatte in der<br />

Haupthalle einen eigenen Sessel am Rande der<br />

Bande. Die <strong>Pirouette</strong> hatte die universitätseigenen<br />

Eishallen von Newark in Delaware viele Jahre<br />

lang jeden Sommer besucht, bis die Bedeutung<br />

des Zentrums nachließ. Ludingtons letzter<br />

Spitzenpaarläufer war Nathan Bartholomay, der<br />

mit Felicia Zhang Platz 12 bei den Olympischen<br />

Spielen 2014 belegte, aber zu dieser Zeit schon<br />

in Florida bei Jim Peterson trainierte. Er schrieb:<br />

„Ron hatte einen riesigen Schatz an Kenntnissen<br />

für jeden, der bei ihm trainierte. Ich schätze<br />

mich sehr glücklich, dass ich bei ihm von 2006<br />

bis 2012 trainieren konnte. In diesen Jahren<br />

habe ich das Meiste gelernt.“<br />

11<br />

News<br />

Joan Slater, hier mit Sinead und John Kerr<br />

Quelle: Facebook<br />

Dr. Klaus-Dieter Kwiet<br />

gestorben<br />

Der einstige Eistänzer und spätere Arzt Dr.<br />

Klaus-Dieter Kwiet ist am 8. April mit 57 Jahren<br />

gestorben. Als <strong>Juni</strong>oren waren er und seine<br />

Schwester Elke ein sehr vielversprechendes<br />

Eistanzpaar. Sie starteten bei der <strong>Juni</strong>oren-<br />

WM und waren in der Meisterklasse in den<br />

Jahren 1979-1981 Zweite und Dritte der<br />

Deutschen Meisterschaften. Aber dann beendeten<br />

sie ihre Karriere, weil sie sich auf ihr<br />

Studium konzentrierten und häufig Meinungsverschiedenheiten<br />

auf dem Eis austrugen.<br />

Er wurde Preisrichter, beendete diese Tätigkeit<br />

aber noch unter dem 6,0-System wieder.<br />

Später wurde er alkoholkrank, hatte andere<br />

gesundheitliche Beschwerden und musste<br />

seinen Beruf aufgeben.<br />

Finnische Synchrontrainerin<br />

wieder im Amt<br />

Die finnische Synchrontrainerin Mirjami Penttinen<br />

war im Januar von ihrem Verband für ein<br />

Jahr suspendiert worden, weil sie sich gegenüber<br />

den Läuferinnen des Teams Unique zu hart benommen<br />

habe, sie wegen ihres Gewichtes beschimpft<br />

habe, vulgär geworden sei und erniedrigende<br />

Aktionen befohlen habe. Daher sollen Läuferinnen<br />

an Ess- und psychologischen Störungen<br />

leiden. Aber im April schrieb ihr Verein, der Helsinki<br />

Ice Skating Club, sieben Wochen Sperre seien<br />

genug, man wolle ihr eine neue Chance geben<br />

und in der kommenden Saison dürfe sie wieder<br />

arbeiten. In den sieben Wochen habe sie „inhumane<br />

Hassmails“ erhalten, schrieb der Verein,<br />

und verwies auf die „Fair Play“-Broschüre des<br />

Olympischen Komitees, derzufolge eine zweite<br />

Chance möglich sein soll. Penttinen habe ihre<br />

Trainingsmethoden jetzt geändert. Der Eislaufverband<br />

kritisierte die Entscheidung des Clubs und<br />

schrieb, man sehe die Vergehen der Trainerin immer<br />

noch so schwerwiegend wie im Januar. Man<br />

werde überlegen, den Verein aus dem Verband<br />

auszuschließen. In diesem Fall hätte das durch<br />

den zweiten nationalen Platz für die WM qualifizierte<br />

Team nicht an der Synchron-WM teilnehmen<br />

können. Bevor eine Entscheidung getroffen<br />

wurde, sagte die ISU jedoch die Synchron-WM in<br />

Lake Placid wegen des Coronavirus ab. Die Reaktion<br />

von Eltern auf die Entscheidung des Vereins<br />

waren sehr unterschiedlich: Einige begrüßten,<br />

dass Penttinen wieder arbeiten dürfe, andere waren<br />

entsetzt. Eine Läuferin, so berichtete das finnische<br />

Fernsehen, sei aus dem Club und dem<br />

Team ausgetreten.<br />

Anzeige<br />

In Schweden gibt es ein ähnliches Problem:<br />

Die führende schwedische Synchrontrainerin<br />

Andrea Dohany, die viele Jahre lang die mehrfachen<br />

Weltmeister<br />

Team Surprise trainiert<br />

hatte, ist schon<br />

länger unter Beschuss<br />

und wurde im April in<br />

den Medien kritisiert,<br />

weil sie zu hart und<br />

laut mit ihren Läuferinnen<br />

umgegangen<br />

sein soll. krk


12<br />

Margarita Drobiazko & Povilas Vanagas<br />

Portrait<br />

Portrait: Wenn aus einer „temporären“ Partnerschaft 30 Jahre werden<br />

Margarita Drobiazko & Povilas Vanagas<br />

tanzen noch immer<br />

übers Eis<br />

Sie waren anders, sie waren einzigartig<br />

und sie schrieben Eiskunstlauf-Geschichte:<br />

Die Eistänzer Margarita Drobiazko<br />

und Povilas Vanagas sind die ersten und<br />

bislang einzigen Eisläufer Litauens, die mit<br />

Bronze bei der EM und WM im Jahr 2000<br />

Medaillen bei einer ISU Meisterschaft gewinnen<br />

konnten. Das Paar hörte 2002 mit<br />

dem Wettkampfsport auf, aber sie kehrten<br />

zurück, um 2006 bei ihren fünften Olympischen<br />

Spielen zu starten und holten eine<br />

weitere Bronzemedaille bei der EM in diesem<br />

Jahr. Nach der WM beendeten sie ihre<br />

Wettkampfkarriere endgültig und treten<br />

seitdem vorwiegend in Russland in Shows<br />

und Eismusicals auf. In Litauen produzieren<br />

sie außerdem ein eigenes Schaulaufen.<br />

Povilas Vanagas, dessen Mutter Lilija Vanagiene<br />

eine ehemalige Eiskunstläuferin war und später<br />

Trainerin und Verbandsfunktionärin wurde, war<br />

Einzelläufer in Litauen und wechselte später<br />

zum Eistanz. Die Trainerin Tatiana Tarasova<br />

brachte ihn 1989 in Moskau mit der Russin<br />

Margarita Drobiazko zusammen, aber die Läufer<br />

dachten damals, dass ihre Partnerschaft nicht<br />

von Dauer sein würde. Tatsächlich sind sie nun<br />

seit fast 31 Jahren auf dem Eis ein Paar und seit<br />

20 Jahren miteinander verheiratet.<br />

Im Rückblick nennen sie ihre ersten Olympischen<br />

Spiele 1992 in Albertville als ein besonderes<br />

Highlight. „Ich hatte sehr viele patriotische<br />

Gefühle damals. Ich bin nur im Eiskunstlauf<br />

geblieben, weil Litauen unabhängig wurde<br />

und sich für mich theoretisch die Chance ergab,<br />

bei den Olympischen Spielen zu starten“, sagte<br />

Vanagas. „Ich wollte eigentlich zwei Jahre später<br />

(nach den Spielen) aufhören und Rita wusste<br />

das. Wir wurden temporär ein Paar und jetzt<br />

laufen wir immer noch zusammen. Es gibt im<br />

Leben nichts Beständigeres als das Temporäre“,<br />

fuhr er fort.<br />

Ihre erste EM- und WM-Medaille im Jahr 2000<br />

(mit einer ihrer bekanntesten Küren zu „Spente<br />

le Stelle“, gesungen von Emma Shapplin) ist<br />

eine andere liebgewordene Erinnerung. „Die<br />

glücklichsten Momente waren unsere ersten Podestplätze<br />

bei der EM in Wien und dann in Nizza<br />

(bei der WM). Und dann natürlich auch, als<br />

wir 2006 zurückkamen und eine Medaille bei<br />

der EM holten“, erinnerte sich Drobiazko. „Zurückzukehren<br />

war eine sehr ernste Entscheidung<br />

für uns und wir wussten nicht, was wir zu er-<br />

Bei der Eisshow<br />

„Carmen“ 2019<br />

Foto: Flade


warten hatten. Das (Wertungs-) System hatte<br />

sich geändert, alles war anders. Wir hätten 15.<br />

oder 20. werden können. Aber wir kamen nicht<br />

umsonst zurück, sondern wir gewannen Medaillen.<br />

Für Litauen war das eine große Sache, denn<br />

wir wissen nicht, wann unser Land wieder Läufer<br />

haben wird, die Medaillen holen.“<br />

Bei der WM 2002 belegten Drobiazko/Vanagas<br />

einen umstrittenen vierten Platz, und Eistanzkollegin<br />

Albena Denkova aus Bulgarien (die<br />

2006 und 2007 mit Maxim Staviski Weltmeisterin<br />

wurde) organisierte einen Läufer-Protest mit<br />

38 Unterschriften gegen die von vielen als ungerecht<br />

empfundene Entscheidung, ihnen keine<br />

Medaille zuzuerkennen, der allerdings zu nichts<br />

führte. Nach einem respektablen siebten Rang<br />

bei den Olympischen Spielen 2006 in Turin<br />

kehrten die Litauer in die Show zurück. Der<br />

Übergang fiel ihnen nicht schwer.<br />

Tatsächlich war das Duo bei den Fans immer<br />

sehr beliebt und bereits während der Wettkampfzeit<br />

bei Shows gern gesehen. Sie traten<br />

international auf, auch in Deutschland. Dann<br />

startete Ilia Averbukh, der mit seiner Partnerin<br />

Irina Lobacheva einer der härtesten Konkurrenten<br />

von Drobiazko/Vanagas war, seine Projekte,<br />

die den Eiskunstlauf in Russland populärer als je<br />

zuvor machten. Er begann mit einer Schaulauftournee,<br />

dann kamen die berühmte „Ice Age“<br />

TV-Show und schließlich die Eismusicals. Drobiazko<br />

und Vanagas, die mittlerweile 48 und 49<br />

Jahre alt sind, hätten nicht geglaubt, dass sie so<br />

lange auftreten würden. „Wir dachten, dass wir<br />

zwei, drei Jahre lang in Shows laufen und das<br />

war’s“, sagte die Tänzerin. „Dann dachte ich, es<br />

wird schwer sein zu laufen, wenn du erst einmal<br />

über 30 bist und wenn du über 40 bist, kommst<br />

du morgens gar nicht mehr aus dem Bett. Aber<br />

zum Glück ist das nicht passiert. Wir dachten<br />

auch, dass die Leute uns mit der Zeit vergessen,<br />

wir werden nicht mehr eingeladen, aber stattdessen<br />

wurde es mehr und mehr“, ergänzte sie.<br />

Vor der Corona-Krise<br />

traten die Litauer in<br />

etwa 150 Shows im<br />

Jahr auf. „Manchmal,<br />

wenn ich zu Hause<br />

bin, würde ich gern<br />

etwas anderes tun,<br />

aber dann kommt ein<br />

neues interessantes<br />

Angebot rein und du<br />

willst es machen“,<br />

sagte Drobiazko. Ihre<br />

Show in Litauen liegt<br />

ihnen besonders am<br />

Herzen, weil sie ihrem<br />

Land etwas zurückgeben<br />

wollen. Sie sagen<br />

auch, dass sie Glück<br />

hatten und von<br />

schweren Verletzungen<br />

oder gesundheitlichen<br />

Problemen verschont<br />

wurden.<br />

„Die Showkarriere gefällt<br />

mir besser als die<br />

Wettkampfzeit“, meinte Vanagas. „Du kannst<br />

dich besser ausdrücken und es kostet weniger<br />

Nerven. Du hast eine bessere Verbindung mit<br />

dem Publikum und für mich ist es interessanter,<br />

Shows zu sehen als Wettkämpfe. Wenn ich einen<br />

Wettbewerb anschaue, dann sehe ich dieses<br />

weiße Licht, die Anspannung, die Nervosität<br />

und ich empfinde das als unangenehm. Ich<br />

wünsche mir, die Atmosphäre wäre mitfühlender,<br />

damit es sich nicht wie eine schreckliche<br />

Prüfung anfühlt.“<br />

Dennoch verfolgen die Eistänzer die Wettbewerbe<br />

und sind an den aktuellen Entwicklungen im<br />

Sport interessiert. „Ich mag all diese Regeln<br />

nicht, die es heute gibt, und ich habe die Nase<br />

voll davon, ständig dieselben Hebungen, Schrittfolgen<br />

und Twizzles zu sehen. Ich sehne mich<br />

nach Programmen, wie sie Torvill/Dean, Klimova/Ponomarenko<br />

und die Duchesnays gelaufen<br />

sind“, kritisierte Drobiazko. Aber sie äußert auch<br />

Lob: „Wir haben Paare wie Gabriella Papadakis/<br />

Guillaume Cizeron, sie sind einfach überirdisch.<br />

Sie sind einzigartig. Und nun sind Sinitsina/<br />

Katsalapov an sie herangekommen, was mich<br />

sehr glücklich macht, denn dieses Paar gefällt<br />

mir sehr gut. Gott sei Dank gibt es Paare, die<br />

trotz dieser Regeln ihren eigenen Stil haben.“<br />

Das ISU-Wertungssystem hat nach Vanagas’<br />

Auffassung insgesamt mehr Positives als Negatives<br />

gebracht. Die<br />

Margarita Drobiazko<br />

und Povilas Vanagas<br />

im Jahr 1994<br />

Bei der Nebelhorn Trophy 20<strong>05</strong><br />

Fotos: Krauter<br />

Programme seien<br />

komplexer, die Hebungen<br />

akrobatischer geworden.<br />

„Allerdings<br />

haben wir auf der<br />

künstlerischen Seite<br />

verloren, weil so viele<br />

Elemente und Übergänge<br />

gemacht werden<br />

müssen, dass die<br />

schauspielerischen Fähigkeiten<br />

und das Berührende<br />

an den Programmen verloren gegangen<br />

sind. Nur sehr wenige, die Besten in der<br />

Welt, können das erhalten.“<br />

Drobiazko und Vanagas choreografieren nur gelegentlich<br />

Programme für andere Läufer, weil sie<br />

dafür zu wenig Zeit haben. Sie hatten jedoch<br />

Freude daran, in Averbukhs Kinder-TV-Projekt<br />

Programme für die Teilnehmer aufzubauen.<br />

Dennoch wollen sich weiterhin auf die eigene<br />

Showkarriere konzentrieren. „Warum sollten wir<br />

ein Auto stoppen, das fährt?“, fragte Vanagas.<br />

„Wenn ein Rad abfällt, können wir überlegen, zu<br />

welcher Werkstatt wir gehen oder ob wir das<br />

Auto wechseln müssen.“<br />

Seine Ehefrau lachte. „Wir laufen schon so lange<br />

in den Shows, dass sich die Dinge, die ich<br />

gerne machen würde, mit der Zeit geändert haben.<br />

Ich wollte mal Innenarchitektin werden,<br />

dann Designerin für Sportkleidung und dann<br />

dachten wir, wir organisieren Shows. Alles<br />

hängt davon ab, wie unsere finanzielle Situation<br />

sein wird, wenn wir mit den Shows aufhören.<br />

Am liebsten würde ich mich nur um herrenlose<br />

Katzen und Hunde kümmern, wenn ich kein<br />

Geld verdienen müsste.“<br />

Die kinderlosen Eistänzer haben einige Straßenkatzen<br />

und -hunde adoptiert, die sie in ihrem<br />

Haus bei Moskau betreuen. Tatjana Flade<br />

13<br />

Margarita Drobiazko & Povilas Vanagas<br />

Portrait


14<br />

Yuma Kagiyama<br />

Portrait<br />

Foto: Flade<br />

Portrait:<br />

Yuma Kagiyama<br />

springt ins Rampenlicht<br />

Der Japaner Yuma Kagiyama hat in der abgelaufenen Saison gleich einen doppelten<br />

Durchbruch gefeiert – bei den <strong>Juni</strong>oren und in der Meisterklasse.<br />

Der Teenager machte auf sich aufmerksam, als<br />

er bei seinen zwei <strong>Juni</strong>oren Grand Prix Gold und<br />

Silber gewann. Damit qualifizierte er sich das<br />

erste Mal für das <strong>Juni</strong>orenfinale, wo er Rang<br />

vier belegte. Das sollte der einzige Wettbewerb<br />

der Saison bleiben, bei dem er keine Medaille<br />

gewann. Kagiyama, der am 5. <strong>Mai</strong> seinen 17.<br />

Geburtstag feierte, sicherte sich den Titel bei<br />

der Japanischen <strong>Juni</strong>orenmeisterschaft und holte<br />

Bronze in der Meisterklasse. In Lausanne bei<br />

den Olympischen Jugendspielen blieb er in der<br />

Erfolgsspur und gewann vor den Russen Andrei<br />

Mozalev und Daniil Samsonov, die seine Hauptkonkurrenten<br />

in der Saison waren. Mal war er<br />

vor ihnen, mal hinter ihnen. In Seoul debütierte<br />

der Japaner bei der Vier-Kontinente-Meisterschaft<br />

in der Meisterklasse und ergatterte mit<br />

sehr guten Leistungen in einem starken Feld<br />

Bronze. „Ich hätte mir nie vorstellen können,<br />

dass ich hier eine Medaille hole, und ich bin<br />

noch im Schockzustand. Ich habe sehr hart gearbeitet,<br />

so ist dieses Resultat eine gute Belohnung,<br />

aber ich bin immer noch sehr überrascht“,<br />

kommentierte der Teenager in Seoul.<br />

Nach diesen Erfolgen fuhr Kagiyama als ein<br />

Top-Favorit zur <strong>Juni</strong>oren-WM nach Tallinn.<br />

Er gewann das KP knapp vor Mozalev, aber<br />

nach drei Fehlern in der Kür musste er sich<br />

mit Silber begnügen. „Im Einlaufen hatte ich<br />

das Gefühl, dass mein Körper und mein Geist<br />

nicht richtig miteinander verbunden waren und<br />

ich hatte etwas Mühe. Ich war ein wenig nervös<br />

und das führte zu den Fehlern“, erklärte<br />

der Japanische <strong>Juni</strong>orenmeister. Aber er kann<br />

auf eine sehr gute Saison zurückblicken und ist<br />

motiviert für die Zukunft. „Das ist die erste<br />

Saison, in der ich einen Vierfachen (Toeloop)<br />

im Programm hatte und das war ziemlich erfolgreich.<br />

Er war eigentlich von Anfang<br />

an recht stabil. Über die Saison<br />

hinweg habe ich meine<br />

Positionen in den <strong>Pirouette</strong>n<br />

verbessert und ebenso<br />

mich läuferisch und im<br />

Ausdruck gesteigert.<br />

Bei jedem Wettbewerb<br />

habe ich etwas<br />

gelernt, auf das ich<br />

aufbauen konnte“,<br />

analysierte der<br />

Läufer. „Jeder<br />

Wettbewerb hat<br />

mich mental<br />

stärker<br />

gemacht.“<br />

International in Erscheinung getreten war Kagiyama<br />

erst in der Vorsaison 2018/19 und das<br />

habe ihn stark motiviert, sagte er. „In der vergangenen<br />

Saison startete ich das erste Mal im<br />

<strong>Juni</strong>oren Grand Prix und auch erstmals gegen<br />

internationale Läufer. Das hat mich motiviert<br />

und ich wollte besser werden. Ich habe hart<br />

trainiert und den vierfachen Toeloop gelernt.“<br />

Der Dritte der Vier-Kontinente-Meisterschaft ist<br />

spritzig auf dem Eis, hat gute läuferische Fähigkeiten<br />

und schöne Sprünge. Der Eiskunstlauf<br />

liegt Kagiyama offenbar im Blut, denn sein Vater<br />

Masakazu war ein erfolgreicher Sportler, der<br />

1989 bei der <strong>Juni</strong>oren-WM Bronze gewann,<br />

dreimal Japanischer Meister wurde und bei den<br />

Olympischen Spielen 1992 und 1994 dabei war.<br />

In Albertville belegte er Platz 13 und zwei Jahre<br />

später in Lillehammer wurde er Zwölfter. Danach<br />

schlug der heute 49-Jährige eine Trainerkarriere<br />

ein. Sein Sohn ist sein bisher erfolgreichster<br />

Schüler. „Mein Vater hat sehr viel Erfahrung<br />

und gibt sie an mich weiter. Er erzählt<br />

mir, wie er sich bei Wettbewerben gefühlt hat.<br />

Das ist nur positiv, ich habe nie irgendwelchen<br />

Druck verspürt“, sagte Kagiyama junior.<br />

Er wuchs einfach so in den Sport hinein. „Am<br />

Anfang arbeitete mein Vater auf dem Eis, während<br />

ich nur um ihn herum spielte. Als ich dann<br />

richtig mit dem Eislaufen anfing, hat es mir<br />

Spaß gemacht und ich wollte mehr lernen und<br />

ernsthaft trainieren“, erinnerte er sich. Seine ältere<br />

Schwester und der jüngere Bruder dagegen<br />

wurden keine Eiskunstläufer. „Nachdem ich zu<br />

den <strong>Juni</strong>oren aufgestiegen war, wollte ich an<br />

die Spitze kommen. Vielleicht bin ich ein Spätstarter“,<br />

erzählte er und lachte. Am besten gefallen<br />

ihm die Sprünge und vor allem das Gefühl,<br />

einen Vierfachen zu stehen.<br />

Kagiyama trainiert heute in Yokohama bei seinem<br />

Vater. „Ich bekomme keine Sonderbehandlung,<br />

sondern ich fühle mich gleichberechtigt<br />

neben den anderen Schülern. Mein Vater ist<br />

nicht zu streng, aber wenn es mal einen schwierigen<br />

Moment gibt, wenn er sich aufregt, dann<br />

ist er ein bisschen unheimlich. Dabei geht es<br />

ums Eislaufen. Aber in der letzten Zeit habe ich<br />

hart trainiert und deshalb ist das schon lange<br />

nicht mehr passiert“, meinte er mit einem Lächeln.<br />

Der Schüler ist der einzige Läufer auf seinem<br />

Niveau in seiner Trainingsgruppe, aber es<br />

macht ihm nichts aus. „Die jüngeren Läufer<br />

kommen nach und sie sind ziemlich gut. Ich hoffe,<br />

dass wir uns gegenseitig motivieren. Es könnte<br />

eine gute Idee sein, mit anderen Läufern auf<br />

demselben Niveau unter Wettkampfbedingungen<br />

zu trainieren – vielleicht eine Woche lang.“<br />

Masakazu Kagiyama erlitt 2018 einen Schlaganfall<br />

und hat sich noch nicht vollständig davon<br />

erholt. Er reiste in der vergangenen Saison nur<br />

zu Wettbewerben in Japan, nicht jedoch ins<br />

Ausland. Dort betreute die Choreografin Misao<br />

Sato den <strong>Juni</strong>or. Yuma blieb aber mit dem Vater<br />

in Kontakt. „Vor dem Wettbewerb hat er mir<br />

eine Nachricht geschickt und ich habe versucht,<br />

an seine Worte zu denken. Nach der Kür (in Tallinn)<br />

habe ich meinen Vater kontaktiert und er<br />

sagte mir, dass ich recht gut gelaufen sei. Er<br />

sagte auch, dass es jetzt an der Zeit sei, zu entspannen<br />

und eine Pause zu machen“, verriet der<br />

Läufer. Doch er denkt natürlich bereits an die<br />

kommende Saison. „Ich möchte gern den vierfachen<br />

Salchow in mein Programm aufnehmen.<br />

Ich möchte beide Programme wechseln“, kündigte<br />

er an. Der 17-Jährige will nun komplett in<br />

die Meisterklasse aufsteigen und freute sich darauf.<br />

„Der größte Unterschied zu den <strong>Juni</strong>oren<br />

ist die Erfahrung, die die Meisterklasseläufer<br />

haben. Sie machen viel mehr Wettbewerbe. Ich<br />

denke, dass ich noch nicht genug Wettkampferfahrung<br />

habe. Ich hoffe, dass ich viel mehr<br />

Wettbewerbe laufen kann und ein Spitzenläufer<br />

werde“, sagte Kagiyama.<br />

Zur Spitze gehört er eigentlich jetzt schon, wie<br />

er bewiesen hat. Japan hat in dem fröhlichen,<br />

aufgeschlossenen Teenager ein weiteres großes<br />

Talent. <br />

Tatjana Flade


Französische<br />

Neuordnung mit<br />

Hindernissen<br />

Nathalie Péchalat hatte nach ihrer<br />

Wahl zur französischen Verbandspräsidentin<br />

einen Start voller<br />

Hindernisse. Die Sporttageszeitung<br />

L’Equipe veröffentlichte auch nach<br />

der Wahl viele Artikel. Außerdem gab<br />

sie dem TV-Kommentator Paul Peret<br />

zwei größere Interviews. Auf diese<br />

beiden Quellen stützt sich diese Zusammenfassung<br />

in erster Linie.<br />

Wegen der in Frankreich sehr strengen Bewegungseinschränkungen<br />

wegen der Corona-Pandemie<br />

durfte Péchalât bis Mitte <strong>Mai</strong> kein einziges<br />

Mal das Verbandsbüro betreten, weil es<br />

mehr als einen Kilometer von zu Hause entfernt<br />

liegt. Daher konnte sie viele Dokument noch<br />

gar nicht einsehen. Damien Boyer-Gibaud, einer<br />

ihrer letztlich nicht angetretenen Gegenkandidaten<br />

und Chef eines Eistanzclubs, zweifelte<br />

die Wahl mehrfach an. Zum ersten weil die<br />

Versammlung wegen des einen Tag zuvor verkündeten<br />

Versammlungsverbotes von mehr als<br />

100 Personen illegal sei (die <strong>Pirouette</strong> berichtete).<br />

Als feststand, dass nur etwa 90 Personen<br />

im Raum waren, ergänzte er seine Zweifel mit<br />

der Behauptung, die Wahl hätte wegen des Corona-Virus<br />

überhaupt nicht stattfinden dürfen,<br />

weil nicht alle Wahlberechtigten bereit gewesen<br />

seien, anzureisen und sich dem Risiko einer<br />

Ansteckung auszusetzen. Als auch dieses Argument<br />

abgelehnt wurde, kritisierten er und sein<br />

Anwalt, dass die Wahl nicht geheim gewesen<br />

sei, weil es keine Wahlkabinen und keine geschlossenen<br />

Umschläge gab. Aber der neue Verbandsanwalt<br />

sagte, die Wahl sei geheim gewesen,<br />

weil der anwesende <strong>No</strong>tar verkündet habe,<br />

die Vereinsvertreter sollten ihre Wahlzettel falten<br />

und erst dann in die Urne werfen. Dies bestreitet<br />

Boyer-Gibaud, einen Ton-Mitschnitt<br />

scheint es nicht zu geben. Ein vom Verband beauftragter<br />

Professor für Sportrecht sagte, im<br />

Wahlgesetz stünde nicht ausdrücklich, das<br />

Wahlkabinen und verschließbare Umschläge<br />

notwendig seien. Wenn man die Zettel falte<br />

und daher niemand sehen könne, wer wen gewählt<br />

habe, sei die Wahl geheim und damit<br />

rechtmäßig. Außerdem war sie die einzige verbliebene<br />

Kandidatin.<br />

Ex-Präsident Didier Gailhaguet nahm seinen<br />

Rücktritt nicht klaglos hin. Er beauftragte einen<br />

Anwalt, ihn in einem Verfahren gegen das Ministerium<br />

zu vertreten. Seine Behauptung: Die<br />

Ministerin Roxana Maracineanu habe seinen<br />

Kopf schon gefordert, als die Missbrauchsvorwürfe<br />

noch nicht bewiesen waren, und habe<br />

daher rechtswidrig gehandelt. Nur die daraufhin<br />

folgende Medienkampagane gegen ihn habe ihn<br />

dazu gezwungen, „das Handtuch zu werfen“. Er<br />

forderte 300.000 Euro Schadenersatz. Außerdem<br />

weigere er sich, wie die Zeitung „Le Monde“ am<br />

14. <strong>Mai</strong> schrieb, seine Mitgliedschaft im Nationalen<br />

Olympischen Komitee aufzugeben.<br />

Erstes Thema: Missbrauch<br />

Foto: Brajon<br />

Erstes Arbeitsgebiet von Péchalat war die Aufarbeitung<br />

der Missbrauchsfälle. Hierfür sollten<br />

ihr sämtliche Vereine in einem Fragebogen berichten,<br />

ob es Vorfälle gab. Oberstes Ziel sei,<br />

dass die Eltern wieder Vertrauen in die Trainer<br />

gewinnen und bereit sind, ihre Kinder trainieren<br />

zu lassen. Insgesamt wurden in den letzten 30<br />

Jahren 18 französische Trainer und andere Betreuer<br />

beschuldigt, Läuferinnen misshandelt zu<br />

haben. Gilles Beyer wurde suspendiert, gegen<br />

ihn läuft eine gerichtliche Untersuchung, weil er<br />

noch 2014 und 2015 die Einzelläuferin Nadjma<br />

Mahamoud und ihre Mutter belästigt haben<br />

soll. Dieser Fall ist anders als die früheren Vergehen<br />

noch nicht verjährt. Einige weitere Verfahren<br />

laufen ebenfalls. Das französische Fernsehen<br />

hat aus seinem Archiv einige Filmbeiträge<br />

aus Sportnachrichten aus den Jahren 1997 und<br />

2003 ausgegraben, in denen über einen Prozess<br />

gegen den Eislauftrainer Pascal Delorme aus<br />

Nancy berichtet wird. Eltern klagen an, er habe<br />

sechs junge Mädchen missbraucht. Einige sprachen<br />

in den Beiträgen darüber, Eltern kommen<br />

zu Wort, auch der Angeklagte wird befragt. Die<br />

Eltern kritisieren, dass der Verband vor dem Prozess<br />

nichts gegen ihn unternommen habe.<br />

Als Vizepräsidentin des Verbandes nominierte<br />

Péchalat die frühere Shorttrackerin Stéphanie<br />

Bouvier. Für den Vorstand nominierte sie außerdem<br />

für den Kunstlauf den Jungtrainer Yoann<br />

Deslot, für Eistanz Pernelle Carron, für das Synchronlaufen<br />

Anne-Sophie-Druet und für die anderen<br />

Sportarten weitere Personen, zum Beispiel<br />

die Schatzmeisterin, die schon unter Gailhaguet<br />

arbeitete und eine „neutrale Buchhaltungsexpertin“<br />

sei. Die Stelle eines Eventmanagers wurde<br />

ebenso ausgeschrieben wie die eines Presseund<br />

Kommunikationsreferenten. Der bisherige<br />

DTN (Directeur Technique National), der als Verwaltungsbeamter<br />

die Verbindung zum Ministerium<br />

herstellt und eine Art Oberchef ist, will<br />

nicht mehr für den Verband arbeiten und soll<br />

durch einen vom Ministerium ernannten Nachfolger<br />

ersetzt werden.<br />

Die Kommentatorentätigkeit bei Eurosport hat<br />

Péchalat aufgegeben, ebenso ihre Aktivität in<br />

der französischen Anti-Doping-Kommission.<br />

Falls wieder ein Sommertraining erlaubt ist, will<br />

sie ihr bereits vor der Wahl vertraglich vereinbartes<br />

Trainer-Engagement in Mégève auf eine<br />

Woche verkürzen, aber nicht ganz streichen,<br />

weil Eltern bereits vor Monaten Hotels bezahlt<br />

hatten, damit ihre Kinder mit ihr arbeiten können.<br />

Sie werde sich hauptberuflich und ganztags<br />

um ihre neue Aufgabe kümmern. Didier Lucine<br />

aus Annecy, eine Art Sprecher der französischen<br />

Trainer, sagte, sie sei mit Abstand die<br />

beste Kandidatin gewesen. Sie sei kompetent,<br />

intelligent, kenne die Eislaufszene und habe einen<br />

Management-Abschluss einer französischen<br />

Hochschule. Sie habe niemandem etwas versprochen<br />

und mit ihr werde es keine Kumpeloder<br />

„Spezlwirtschaft“ geben. Übrigens sei sie<br />

kürzlich beim Präsidenten des Skiverbandes in<br />

Annecy gewesen, um sich bei ihm zu informieren,<br />

wie man einen Verband führt, der mehrere<br />

Sportarten umfasst.<br />

Aber Péchalat sagte auch, dass ein „Damoklesschwert“<br />

über ihr hänge, falls ihre Wahl für ungültig<br />

erklärt werde und alle Arbeit umsonst sei.<br />

Sie wolle neue Sponsoren finden und daher auch<br />

Events organisieren. Der Grand Prix solle, falls<br />

gesetzlich erlaubt, wieder in Grenoble stattfinden,<br />

denn das habe sich bewährt. Die <strong>Juni</strong>oren-<br />

WM im Synchronlaufen solle im März 2021 wie<br />

geplant in Angers abgehalten werden. Die WM<br />

2022 sei eigentlich in Montpellier geplant, aber<br />

man müsse auch an das Pariser Publikum denken.<br />

Denn dorthin könnten eventuelle Sponsoren,<br />

die in Paris sitzen, ihre Kunden leichter einladen<br />

als in das fast 1.000 Kilometer entfernte<br />

Montpellier. Nicht thematisiert wurde im Interview,<br />

dass die große Accor Hotels Arena (früher<br />

POPB) in Paris-Bercy seit der Renovierung für<br />

den Verband zu teuer ist. Dieses Geld müsste<br />

wohl ein Sponsor bezahlen, falls man die WM in<br />

Paris abhalten will. Klaus-Reinhold Kany<br />

15<br />

Nathalie P´chalat 60 Tage im Amt


16<br />

Wettbewerbe der kommenden Saisons<br />

Unvollständige Liste<br />

geplanter Wettbewerbe<br />

Die noch nicht vollständige Liste der<br />

geplanten nationalen und internationalen<br />

Wettbewerbe steht in dieser Saison<br />

unter ganz besonderem Vorbehalt. Denn<br />

niemand weiß Ende <strong>Mai</strong>, ob die Wettbewerbe<br />

überhaupt stattfinden können und<br />

wenn ja, unter welchen Bedingungen<br />

(siehe Seite 4). Daher sind sämtliche Termine<br />

mit noch weniger Gewähr als sonst.<br />

Die ISU hat bis zum Redaktionsschluss dieses<br />

Heftes am 27. <strong>Mai</strong> zwar die geplanten Termine<br />

der <strong>Juni</strong>oren Grand Prix, Grand Prix und Challenger<br />

Wettbewerbe veröffentlicht, aber noch<br />

keine weiteren. Viele Verbände wissen vor allem<br />

aus finanziellen Gründen noch gar nicht, ob sie<br />

die üblichen Wettbewerbe überhaupt einplanen<br />

können. Die Slowakei hat ihre beiden Wettbewerbe<br />

in Kosice und Bratislava schon Mitte <strong>Mai</strong><br />

abgesagt, obwohl das Land verhältnismäßig wenige<br />

Corona-Fälle hat. Aber eine Verbandsvertreterin<br />

schrieb der <strong>Pirouette</strong>, das Reisen mit<br />

Quarantäne für Überseeläufer sei zu kompliziert.<br />

Kanada sagte den ersten <strong>Juni</strong>oren Grand Prix<br />

am 26. <strong>Mai</strong> ab. Die ISU hat immerhin am 26.<br />

<strong>Mai</strong> alle Verbände gefragt, ob sie Mitte Oktober<br />

kurzfristig <strong>Juni</strong>oren Grand Prix als Ersatz organisieren<br />

wollen. Internationale Nachwuchswettbewerbe<br />

sind noch gar nicht bekannt.<br />

Ungünstig ist, dass die Bavarian Open erstmals<br />

nicht im Februar gleichzeitig mit den Vier-Kontinente-Meisterschaften<br />

stattfinden sollen, sondern<br />

parallel zu den Europameisterschaften in<br />

Zagreb. Das bedeutet, dass keine für die EM<br />

qualifizierten Läufer am Start sein werden,<br />

höchstens die Ersatzläufer. Der Heiko-Fischer-<br />

Pokal liegt später als sonst. Die Challenger-<br />

Wettbewerbe der Synchronteams liegen für viele<br />

Synchronteams zu früh und zu dicht beieinander,<br />

denn in diesem Frühjahr und Sommer<br />

blieb viel zu wenig Zeit, um die Programme aufzubauen,<br />

wenn sie überhaupt auf das Eis durften.<br />

Allerdings können sie wie die Eistänzer dieselben<br />

Programme wie in der vergangenen Saison<br />

zeigen. <br />

krk<br />

<strong>2020</strong><br />

26.08. – 29.08. <strong>Juni</strong>oren Grand Prix in<br />

Richmond (Kanada)<br />

abgesagt<br />

02.09. – <strong>05</strong>.09. <strong>Juni</strong>oren Grand Prix in<br />

Košice (Slowakei), abgesagt<br />

09.09. – 12.09. <strong>Juni</strong>oren Grand Prix in<br />

Budapest (Ungarn), ohne<br />

Paare<br />

09.09. – 13.09. Challenger: Asian Open<br />

Trophy in Peking (China),<br />

ohne Paare<br />

<strong>2020</strong><br />

16.09. – 18.09. Challenger: Nepela<br />

Memorial in Bratislava,<br />

Slowakei, abgesagt<br />

16.09. – 19.09. <strong>Juni</strong>oren Grand Prix in<br />

Shin-Yokohama (Japan),<br />

ohne Paare<br />

17.09. – 19.09. Challenger: Autumn<br />

Classic in Oakville,<br />

Ontario, Kanada<br />

18.09. – 20.09. Dreitannen Cup in Olten<br />

(Schweiz)<br />

23.09. – 26.09. <strong>Juni</strong>oren Grand Prix in<br />

Ostrava (Tschechische<br />

Republik)<br />

23.09. – 26.09. Challenger: Nebelhorn<br />

Trophy in Oberstdorf<br />

30.09. – 03.10. <strong>Juni</strong>oren Grand Prix in<br />

Taschkent (Usbekistan)<br />

07.10. – 10.10. <strong>Juni</strong>oren Grand Prix in<br />

Ljubljana (Slowenien),<br />

ohne Paare<br />

08.10. – 11.10. Challenger: Finlandia<br />

Trophy in Espoo (Finnland)<br />

09.10. – 11.10. Ticino Cup in Bellinzona<br />

(Schweiz)<br />

10.10. – 11.10. Ruhr Cup in Essen<br />

15.10. – 17.10. Challenger: Budapest Trophy<br />

(Ungarn), ohne Paare<br />

23.10. – 25.10. Westfalen Cup in Dortmd.<br />

23.10. – 25.10. Grand Prix: Skate America<br />

in Las Vegas (USA)<br />

23.10. – 25.10. Lentia Cup in Linz<br />

23.10. – 25.10. Montalin Cup in Chur<br />

(Schweiz)<br />

29.10. – 01.11. Challenger: Denis Ten<br />

Memorial in Almaty<br />

(Kasachstan)<br />

30.10. – 01.11. Hessenpokal in Frankfurt<br />

30.10. – 01.11. Grand Prix: Skate Canada<br />

in Ottawa (Kanada)<br />

30.10. – 01.11. Trophée Romand in<br />

Lausanne (Schweiz)<br />

06.11. – 08.11. Grand Prix: Cup of China<br />

in ??? (Ort noch offen)<br />

06.11. – 08.11. Eulach Cup in Winterthur<br />

(Schweiz)<br />

07.11. Christmas Cup in<br />

Bremerhaven<br />

12.11. – 15.11. Challenger: Warschau Cup<br />

(Polen), ohne Paare<br />

12.11. – 15.11. Züri-Leu Cup in Zürich-<br />

Oerlikon (Schweiz)<br />

13.11. – 15.11. Grand Prix: Internationaux<br />

de France evtl. in Grenoble<br />

(Frankreich)<br />

13.11. – 15.11. Dom-Pokal in der Eishalle<br />

Lentpark in Köln<br />

20.11. – 22.11. Eiscup in Innsbruck<br />

20.11. – 22.11. Grand Prix: Rostelecom<br />

Cup in Moskau (Russland)<br />

<strong>2020</strong><br />

21.11. <strong>No</strong>rdbergpokal in Bergkamen<br />

(NRW)<br />

21.11. – 22.11. Eisemann-Pokal in Stuttgart<br />

21.11. – 22.11. Lugano Cup (Schweiz)<br />

23.11. – 30.11. Challenger: Inge Solar Trophy<br />

in Innsbruck (Österreich),<br />

ohne Paare<br />

27.11. – 29.11. Grand Prix: NHK Trophy in<br />

Japan, Ort noch offen<br />

27.11. – 29.11. Montfort Cup in Feldkirch<br />

(Österreich)<br />

27.11. – 29.11. EVBN Cup in Grindelwald<br />

(Schweiz)<br />

02.12. – <strong>05</strong>.12. Challenger: Golden Spin in<br />

Zagreb (Kroatien)<br />

03.12. – 06.12. Flimser Trophy (Schweiz)<br />

<strong>05</strong>.12. Nikolauspokal in<br />

Möhnesee (NRW)<br />

10.12. – 12.12. Österreichische Staatsmeisterschaften<br />

in Linz<br />

10.12. – 13.12. Finale in Peking (China),<br />

Test-Event für Olympia 22<br />

11.12. – 13.12. Deutsche Nachwuchs- und<br />

<strong>Juni</strong>orenmeisterschaften<br />

in Dortmund<br />

12.12. – 13.12. Coupe de Tramelan<br />

(Schweiz)<br />

12.12. – 13.12. Schweizermeisterschaften<br />

(Elite) in Luzern<br />

17.12. – 19.12. Deutsche Meisterschaften<br />

in Hamburg (Volksbank<br />

Arena)<br />

17.12. – 20.12. Championnat Romand in<br />

St. Imier (Schweiz)<br />

2021<br />

09.01. – 10.01. Fanny Elßler Cup in<br />

Eisenstadt (Österreich)<br />

09.01. – 10.01. Tenini-Graf Cup in<br />

Wetzikon (Schweiz)<br />

15.01. – 17.01. Kasermandl Laufen in<br />

Dornbirn (Österreich)<br />

15.01. – 17.01. Coupe neuchàteloise in<br />

Neuchàtel (Schweiz)<br />

16.01. Waldstadtpokal in Iserlohn<br />

(NRW)<br />

16.01. – 17.01. Schweizer <strong>Juni</strong>orenmeisterschaften<br />

in Bulle<br />

21.01. – 23.01. La Coupe du Rhone in<br />

Monthey (Schweiz)<br />

23.01. – 24.01. Montafoner Schlittschuh<br />

in Schruns (Österreich)<br />

25.01. – 31.01. Europameisterschaften in<br />

Zagreb (Kroatien)<br />

25.01. – 31.01. Bavarian Open in<br />

Oberstdorf<br />

29.01. Wiehlcup in Wiehl (NRW)<br />

30.01. – 31.01. Hippolyt Cup in St. Pölten<br />

(Österreich)<br />

30.01. – 31.01. Coupe Prévòtoise in<br />

Moutier (Schweiz)<br />

30.01. – 31.01. Urdorfer Kürkonkurrenz<br />

(Schweiz)<br />

04.02. Ina-Bauer-Pokal in Krefeld<br />

<strong>05</strong>.02. – 07.02. Schweizer Nachwuchsmeisterschaft<br />

in Basel


17<br />

2021<br />

06.02. – 07.02. Baden-Württembergische<br />

Meisterschaften in<br />

Mannheim<br />

08.02. – 14.02. Vier-Kontinente-Meisterschaften<br />

in Sydney<br />

(Australien)<br />

11.02. – 14.02. NRW-Landesmeisterschaften<br />

in Dortmund<br />

12.02. – 14.02. Schweizer Jugendmeisterschaft<br />

in Rapperswil<br />

19.02. Quirinuspokal in Neuss<br />

25.02. – 28.02. Deutschlandpokal in Erfurt<br />

25.02. – 28.02. Challenge Cup in Den Haag<br />

26.02. – 28.02. Ice-Trophy in Biel<br />

(Schweiz)<br />

01.03. – 07.03. <strong>Juni</strong>oren-WM in Harbin<br />

(China)<br />

<strong>05</strong>.03. – 07.03. Heiko-Fischer-Pokal in<br />

Stuttgart<br />

<strong>05</strong>.03. – 07.03. Feldkirch Trophy<br />

(Österreich)<br />

12.03. – 14.03. Dom-Pokal in Köln<br />

19.03. – 21.03. Haydn Pokal in Eisenstadt<br />

(Österreich)<br />

20.03. Grafschafter Cup in Moers<br />

(NRW)<br />

22.03. – 28.03. Weltmeisterschaften in<br />

Stockholm (Schweden)<br />

26.03. – 28.03. Wolf Cup in St. Pölten<br />

(Österreich)<br />

27.03. Niedersächsische<br />

Meisterschaften<br />

28.03. Marietta Marik-Pokal in<br />

Bielefeld<br />

2022<br />

10.01. – 16.01. Europameisterschaften in<br />

Tallinn (Estland)<br />

? Vier-Kontinente-Meisterschaften:<br />

bis jetzt kein<br />

Bewerber<br />

04.02. – 20.02. Olympische Spiele in Peking<br />

(China)<br />

07.03. – 13.03. <strong>Juni</strong>oren-WM in Sofia<br />

(Bulgarien)<br />

21.03. – 27.03. Weltmeisterschaften in<br />

Montpellier oder Paris<br />

(Frankreich)<br />

Die <strong>Pirouette</strong> auf Facebook<br />

Synchronwettbewerbe <strong>2020</strong>/2021<br />

04.12. Challenger: Asia Trophy in<br />

Hongkong<br />

10.12. – 13.12. Challenger: Irvine,<br />

Kalifornien (USA)<br />

17.12. – 19.12. Challenger: Danzig (Polen)<br />

14.01. – 17.01. Challenger: Turku (Finnland)<br />

21.01. – 23.01. Challenger: Salzburg<br />

(Österreich)<br />

20.01. NRW-Sys-Trophy in Neuss<br />

12.03. – 14.03. <strong>Juni</strong>oren-WM in Angers<br />

(Frankreich)<br />

26.03. – 27.03. Mixed Age Trophy in Basel<br />

(Schweiz)<br />

08.04. – 10.04. Weltmeisterschaften in<br />

Zagreb (Kroatien)<br />

Synchronwettbewerbe 2022<br />

17.03. – 19.03. <strong>Juni</strong>oren-WM in Innsbruck<br />

(Österreich)<br />

07.04. – 09.04. Weltmeisterschaften in<br />

Hamilton (Kanada)<br />

Neues aus aller Welt<br />

Nicole Bobek Mutter<br />

Die US-Einzelläuferin Nicole Bobek, inzwischen<br />

42, wurde im März Mutter eines Sohnes namens<br />

Alejandro. Sie war eine schillernde Persönlichkeit,<br />

die auf dem Eis mit guter Ausstrahlung<br />

glänzte und eine beeindruckende<br />

Kombination aus dreifachem Lutz und dreifachem<br />

Toeloop beherrschte, als das noch selten<br />

war. Aber sie war auch unstet und wechselte<br />

fast jedes Jahr ihren Trainer. Ihr größter Erfolg<br />

war die Bronzemedaille bei der WM 1995, als<br />

sie von Richard Callaghan trainiert wurde.<br />

Später kam sie mehrfach mit dem Gesetz in<br />

Konflikt und wurde 2010 wegen Drogenhandels<br />

verurteilt. Im Januar 2017 heiratete sie den<br />

Zirkusartisten Pedro Santos Lopez, trat auch im<br />

Zirkus auf, lebt jetzt in Florida und arbeitet<br />

dort in der Eishalle in der Kleinstadt Lake<br />

Worth in untergeordneter Position. krk<br />

Falschmeldung zu<br />

Alexandra Stepanova<br />

Mehrere internationale Nachrichtenagenturen,<br />

darunter die deutsche dpa und die niederländische<br />

ANP, haben im April die Falschmeldung<br />

verbreitet, dass die russische Eistänzerin Alexandra<br />

Stepanova wegen Dopingvergehen gesperrt<br />

worden sei und ihre seit 2018 gewonnenen<br />

Medaillen zurückgeben müsse. Sie beriefen<br />

sich dabei auf die russische Anti-Dopingagentur<br />

RUSADA. Tatsächlich hatte die RUSADA auf<br />

ihrer Webseite die Sperre einer Sportlerin namens<br />

Alexandra Stepanova bekanntgegeben,<br />

dabei handelte es sich jedoch um eine gleichnamige<br />

Leichtathletin und die Meldung war<br />

unter der korrekten Überschrift „Leichtathletik“<br />

veröffentlicht. Der russische Verband publizierte<br />

eine Richtigstellung auf seiner Webseite. Die<br />

Eistänzerin Stepanova bezeichnete die Falschmeldungen<br />

in der russischen Presse als „verantwortungslos“.<br />

Die dpa und ANP zogen ihre<br />

Artikel zurück und korrigierten sie, nachdem<br />

die <strong>Pirouette</strong> sie auf den Fehler aufmerksam<br />

gemacht hatte. Da war sie allerdings schon in<br />

vielen Medien wie z.B. dem ZDF Videotext und<br />

dem ORF erschienen. Wer als erster schlecht<br />

recherchierte und die Meldung auf den Markt<br />

brachte, die andere offenbar ohne Prüfung einfach<br />

übernahmen, ist nicht klar.<br />

Alexander Zhulin zum<br />

dritten Mal Vater<br />

Der ehemalige russische Eistänzer und heutige<br />

Spitzentrainer Alexander Zhulin wurde Anfang<br />

April zum dritten Mal Vater. Er und seine dritte<br />

Ehefrau Natalia Mikhailova, eine ehemalige<br />

Schülerin, freuten sich über die Geburt ihrer<br />

zweiten gemeinsamen Tochter, die sie Elena<br />

nannten. Aus der Ehe mit Tatiana Navka hat<br />

Zhulin eine erwachsene Tochter, Sasha (20). Die<br />

zweite Tochter Ekaterina ist sieben Jahre alt.<br />

Robin Szolkowy in den<br />

USA auf Eis gelegt<br />

Robin Szolkowy war in den USA nach Schließung<br />

der Eishallen in Kalifornien Mitte März<br />

wie Trainerkollegen in Deutschland und aller<br />

Welt auf Eis gelegt. „Seit sieben Wochen bin<br />

ich ohne Einkommen, denn ich erhalte ja nur<br />

Geld, wenn ich als Trainer Stunden geben<br />

kann“, sagte der 40-Jährige der „Freien Presse“<br />

Chemnitz im <strong>Mai</strong>. Aber schon davor erfüllten<br />

sich die Hoffnungen nicht, den Paarlauf in den<br />

USA auszubauen. „Ich war in der ganzen Zeit<br />

nur einmal mit zwei potenziellen Kandidaten<br />

drei Tage unterwegs. Es gibt viele gute Ideen<br />

und es ist einiges geplant. Aber bis jetzt wurde<br />

auch hier zu wenig umgesetzt“, kommentierte<br />

der fünfmalige Weltmeister, der seit <strong>No</strong>vember<br />

als freiberuflicher Trainer arbeitete<br />

und Privatstunden gab. Im März wollte er eigentlich<br />

nach Europa kommen und dort neue<br />

Jobmöglichkeiten ausloten, aber die Pandemie<br />

machte diese Pläne zunichte. Seinen Optimismus<br />

verliert der zweimalige Olympia-Dritte<br />

dennoch nicht: „Vielleicht arrangiere ich mich<br />

weiter in den USA, gebe noch mal Gas. Ich<br />

weiß es momentan nicht. Aber ich bin ein<br />

Stehaufmännchen.“ <br />

tat<br />

Erscheinungstermin<br />

der nächsten <strong>Pirouette</strong>:<br />

Anfang August<br />

Wir bitten um Beachtung: Sämtliche Eislauf-<br />

Events wurden wegen Corona abgesagt. Daher<br />

erscheint unsere Sommerausgabe Juli/August<br />

etwas später als gewohnt. Das genaue Datum<br />

der Veröffentlichung steht noch nicht fest.<br />

News


18<br />

Bundeskaderliste <strong>2020</strong>/2021<br />

Die neue DEU-Kaderlisten<br />

Die DEU will in ihrer neuen Kaderliste wieder sowohl tatsächliche<br />

große Talente fördern als auch einige, die eigentlich<br />

nicht alle Kriterien erfüllt haben, bei denen aber die<br />

Aussicht besteht, dass sie dies in der beginnenden Saison tun.<br />

Natürlich steht diesmal alles noch mehr unter dem Vorbehalt,<br />

dass auch Wettbewerbe unter guten Bedingungen und nach<br />

intensiver Vorbereitung stattfinden dürfen, bei denen sie ihr<br />

Können zeigen können.<br />

Seit den Deutschen Meisterschaften sei er nicht wieder gelaufen und<br />

habe noch nicht entschieden, ob er noch einmal anfangen will. Shari<br />

Koch und Christian Nüchtern haben sich nach längerer Überlegung getrennt,<br />

sind aber weiterhin auf der Kaderliste, weil sie neue Partner suchen.<br />

Amanda Peterson und Maximilian Pfisterer konnten im NK1 bleiben,<br />

nachdem sie die Punktzahlen für den Perspektivkader nicht geschafft<br />

haben. Zwei andere Berliner Eistänzer in Berlin wollten ein Probetraining<br />

machen, sobald ihre Partner anreisen dürfen.<br />

Endgültig nicht mehr im Kader sind Aljona Savchenko und Bruno Massot,<br />

die somit keine Anti-Doping-Tests mehr ablegen müssen. In der Meisterklasse<br />

fehlen Lutricia Bock und Catalin Dimitrescu. Beide konnten die<br />

notwendigen Punktzahlen bei weitem nicht erreichen. Dimitrescu schrieb<br />

der <strong>Pirouette</strong> auf Nachfrage Anfang <strong>Mai</strong>, er mache zurzeit ein mehrmonatiges<br />

bezahltes Praktikum in der Schweiz für sein Informatik-Studium.<br />

Kader Name Haupttrainingsort Haupttrainer/in<br />

Damen<br />

PK Lea Johanna Dastich Mannheim Pötzsch<br />

PK Kristina Isaev Mannheim Sczypa<br />

PK Nicole Schott Oberstdorf Huth<br />

EK Nathalie Weinzierl Mannheim Pötzsch<br />

NK1 Aya Hatakawa Oberstdorf Just<br />

NK1 Ann-Christin Marold Linz Jaschek/Haider<br />

NK1 Nargiz Süleymanova Köln Zubkova<br />

NK1 Anastasia Steblyanka Mannheim Pötzsch<br />

NK2 Aurelie Beier Dortmund Dieck<br />

NK2 Sophia Gienger Regensburg Dedovic<br />

NK2 Marielen Hirling Stuttgart Unger<br />

NK2 Ina Jungmann Dortmund Gnilozoubova<br />

NK2 Hanna Pfaffenrot Dortmund Gnilozoubova<br />

NK2 Olesia Ray Dortmund Gnilozoubova<br />

NK2 Maria-Aimée Renné Berlin Oesterreich<br />

NK2 Janne Salatzki Berlin Herrmann<br />

NK2 Fiona Wiens Neuwied Zimmer<br />

Herren<br />

PK Paul Fentz Berlin Oesterreich<br />

PK Jonathan Heß Mannheim Sczypa<br />

PK Thomas Stoll Berlin Striegler<br />

NK1 Denis Gurdzhi Dortmund Gnilozoubova<br />

NK1 Kai Jagoda Berlin Machon<br />

NK1 Nikita Starostin St. Petersburg Kulibanova<br />

NK1 Louis Weissert Dortmund Dieck<br />

NK2 Davide Calderari Oberstdorf Fajfr<br />

NK2 Tim England Erfurt England<br />

NK2 Leon Kraiczyk Regensburg Dedovic<br />

NK2 Linus Mager Oberstdorf Fajfr<br />

NK2 Arthur <strong>Mai</strong> Berlin Machon<br />

Paare<br />

PK Minerva Hase Berlin Oesterreich<br />

PK <strong>No</strong>lan Seegert Berlin Oesterreich<br />

PK Annika Hocke Berlin Rex<br />

PK Robert Kunkel Berlin Rex<br />

PK Elena Pavlova Oberstdorf Just<br />

PK Ruben Blommaert Oberstdorf Just<br />

EK Talisa Thomalla Berlin ---<br />

NK1 Letizia Roscher Chemnitz Scheibe<br />

NK1 Luis Schuster Chemnitz Scheibe<br />

NK2 Daniela Muntean Berlin Rex<br />

NK2 Artem Rotar Berlin Rex<br />

Die beste deutsche <strong>Juni</strong>orin Nargiz Süleymanova ist jetzt im Nachwuchskader<br />

1 und ist jetzt auch finanziell besser abgesichert als bisher. Denn<br />

DEU-Vizepräsident Reinhard Ketterer sagte der <strong>Pirouette</strong>, er habe ein neues<br />

Finanzierungsprojekt für besondere Talente gestartet. Er und andere Offizielle<br />

wollen gutverdienende ehemalige Läuferinnen und Läufer ansprechen,<br />

für die die DEU früher jahrelang finanziell viel getan hat. Man will<br />

sie fragen, ob sie nicht als großzügige Mäzene für einzelne Läufer in Aktion<br />

treten wollen, ähnlich wie dies die Alumni, also ehemaligen Absolventen<br />

von Hochschulen in den USA tun, die anschließend eine lukrative Karriere<br />

gemacht haben und nun als Dank größere Summen an ihre frühere<br />

Universität spenden. Erfolg hatte Ketterer als erstes bei dem ehemaligen<br />

Deutschen Eistanzmeister Hendryk Schamberger, der als Arzt in der<br />

Schweiz gut verdient und ab sofort Nargiz Süleymanova sponsoren will<br />

und ihr zum Beispiel ein Aufenthalt bei einem Spitzenchoreografen, ein<br />

Trainingslager oder andere Eislaufkosten bezahlen will. Gespräche mit weiteren<br />

Besserverdienern will Ketterer in naher Zukunft führen - eine glänzende<br />

Idee angesichts der geringen Finanzmittel der DEU mangels anderer<br />

Sponsoren als der Bundeswehr. Nikita Starostin durfte nach dem geplanten<br />

und ausgefallenen Wettbewerb von Mitte März in Luxemburg nicht<br />

zurück nach Russland und war dann einige Zeit bei dem Choreografen<br />

Adam Solya in Belgien. Die DEU konnte mit viel Aufwand erreichen, dass<br />

beide im <strong>Mai</strong> über die Grenze nach Oberstdorf fahren konnten und er dort<br />

trainieren kann, bis er wieder nach St. Petersburg darf. Denn in Belgien<br />

sind alle Eishallen noch länger geschlossen. Klaus-Reinhold Kany<br />

Kader Name<br />

Haupttrainingsort Haupttrainer/in<br />

Eistanzen<br />

PK Shari Koch Berlin Caruso<br />

PK Christian Nüchtern Berlin Caruso<br />

PK Katharina Müller Moskau Krylova<br />

PK Tim Dieck Moskau Krylova<br />

PK Jennifer Janse van R. Oberstdorf Sinicyn<br />

PK Benjamin Steffan Oberstdorf Sinicyn<br />

EK Charise Matthaei Berlin ---<br />

NK1 Lea Enderlein Berlin Caruso<br />

NK1 Malte Brandt Berlin Caruso<br />

NK1 Viktoriia Lopusova Dortmund Schulz<br />

NK1 Asaf Kazimov Dortmund Schulz<br />

NK1 Lara Luft Oberstdorf Sinicyn<br />

NK1 Stephano V. Schuster Oberstdorf Sinicyn<br />

NK1 Amanda Peterson Berlin Caruso<br />

NK1 Maximilian Pfisterer Berlin Caruso<br />

NK1 Anne-Marie Wolf Chemnitz Hilpert<br />

NK1 Max Liebers Chemnitz Hilpert<br />

NK2 Daria Grimm Oberstdorf Sinicyn<br />

NK2 Michail Savitskyi Oberstdorf Sinicyn<br />

NK2 Alexia Kruk Berlin Caruso<br />

NK2 Jan Eisenhaber Berlin Caruso<br />

NK2 Lilia Schubert Chemnitz Hilpert<br />

NK2 Kieren Wagner Chemnitz Hilpert<br />

Synchronlaufen<br />

? Team Berlin 1 Berlin Hofmann


19<br />

Neues aus<br />

Russland<br />

Ende März schlossen die Eishallen in<br />

Russland, die Läufer stellten wie überall<br />

auf Trockentraining um. Einige kamen dabei<br />

auf kreative Ideen, zum Beispiel Lisa<br />

Tuktamysheva, die mit ihre Choreographen<br />

Juri Smekalov online und live per Internet<br />

eine neue Kür zu japanischer Musik einstudierte.<br />

Die Musik komponierte der russische<br />

Musiker Bkhima Iunusov extra für das<br />

Projekt, wie die Läuferin der <strong>Pirouette</strong> in<br />

einem Telefon-Interview berichtete.<br />

Ihr neues KP zu „Spartakus“ konnte Tuktamysheva<br />

noch vor den Schließungen mit Anna<br />

Cappellini und Luca Lanotte in Italien aufbauen.<br />

»<br />

Alexandra Trusovas Trainerwechsel von Eteri<br />

Tutberidzes Gruppe zu Evgeni Plushenko machte<br />

Schlagzeilen. Das erste Interview gab Trusova<br />

»<br />

der Autorin dieses Artikels.<br />

Alexandra Trusova:<br />

„Ein Trainerwechsel ist ein verantwortungsvoller<br />

Schritt. Nur hier in Russland löst diese<br />

Frage so viele Emotionen, Diskussionen, sogar<br />

Anklagen und Beschimpfungen aus. Diese<br />

Emotionen kommen wahrscheinlich daher,<br />

weil Eiskunstlauf in unserem Land so populär<br />

ist. Jeder Sportler analysiert sein Potenzial<br />

und die Situation um ihn herum, und damit<br />

meine ich nicht nur den Sport. Meine Gedanken<br />

brachten mich zu dem Schluss, dass<br />

die Zeit für den nächsten Schritt gekommen<br />

ist, den nächsten Schritt vorwärts. Ich habe<br />

mich entschieden, mit Evgeni Viktorovitch<br />

(Plushenko) zu arbeiten, nicht weil er ein<br />

großartiger Sportler ist, obwohl man das<br />

nicht vergessen sollte. Für mich ist er vor allem<br />

eine herausragende Persönlichkeit. Außerdem<br />

ist er eine zutiefst künstlerische Person,<br />

was mich anzieht.“<br />

«<br />

Mit Trusova wechselte Trainer Sergei Rozanov<br />

zu Plushenkos Schule. Dieser Trainer hatte erfolgreich<br />

mit ihr und anderen Läuferinnen der<br />

Gruppe gearbeitet. Plushenko kündigte an, dass<br />

er sich voll auf die Aufgabe als Trainer konzentrieren<br />

werde. Nach Trusovas Wechsel überschlugen<br />

sich die Spekulationen, wer noch die<br />

Schule verlasse, aber Europameisterin Aliona<br />

Kostornaia, Vize-Europameisterin Anna Shcher-<br />

»<br />

Lisa Tuktamysheva:<br />

„Das war Juris Idee und ich habe mich sehr<br />

gefreut, dass ich die erste war, die online mit<br />

ihm etwas gestaltet. Ich hatte ein paar<br />

Zweifel, schon so früh meine Choreographie<br />

und Musik bekannt zu geben. Aber dann<br />

entschied ich, dass das nicht schlimm ist,<br />

sondern sehr interessant und kreativ. So etwas<br />

gab es noch nicht. Wir haben uns (auf<br />

dem Video) sehr gut gesehen und gemeinsam<br />

online die Bewegungen gestaltet – er<br />

zeigte etwas und ich habe es nachgemacht.<br />

Dazu hatten wir live Zuschauer dabei, die<br />

uns geschrieben haben, welche Bewegungen<br />

wir nehmen sollen. Alle haben bei unserer<br />

Kür mitgemacht. Aber es war<br />

«<br />

nicht so einfach,<br />

denn wenn du alle Emotionen reinbringst,<br />

haust du den Fernseher um (lacht).<br />

Juri gab mir den Schlüssel zu seinem Studio<br />

und die Endversion der Kür konnte ich dort<br />

auf dem Boden komplett tanzen. Meine Trainer<br />

Alexei Nikolaevitch (Mishin) und Tatiana<br />

Nikolaevna (Prokofieva) waren mit dem Resultat<br />

zufrieden.“<br />

Mikhail Kolyada<br />

beim Trockentraining<br />

zu Hause<br />

Lisa Tuktamysheva<br />

tanzt ihre neue Kür<br />

im Studio<br />

Fotos: privat<br />

bakova und andere wiesen die Gerüchte zurück.<br />

Kostornaia und Shcherbakova posteten immer<br />

mal wieder Videos von ihrem Training und<br />

streamten ein gleichzeitiges Work-out auf Instagram.<br />

Dabei beantworteten sie Fragen der<br />

Fans. Kostornaia erzählte, dass sie die Zeit für<br />

die Schule nutze. „Am Anfang der Quarantäne<br />

war da noch ein gewisser Enthusiasmus, jetzt<br />

wollen wir nur noch schnell aufs Eis“, meinte<br />

Shcherbakova. Der Wunsch wurde den Läuferinnen<br />

Ende <strong>Mai</strong> erfüllt, als die Trainingsbasis<br />

in <strong>No</strong>vogorsk für sie und andere Läufer aus<br />

Moskau und St. Petersburg öffnete. Alle wurden<br />

auf Corona getestet und waren zunächst regelrecht<br />

kaserniert.<br />

Europameister Dmitri Aliev, der unter anderem<br />

bei Trainer Evgeni Rukavitsin auf der Datscha<br />

trainierte und ansonsten nach eigener Auskunft<br />

sich vor allem um seinen Hund kümmerte, und<br />

die Schüler von Alexei Mishin wollten Anfang<br />

<strong>Juni</strong> in das Trainingszentrum in Kislovodsk im<br />

Kaukasus fahren. Die Paarlauf-Europameister<br />

Alexandra Boikova/Dmitrii Kozlovskii ließen das<br />

Trainingslager in <strong>No</strong>vogorsk aus, da sich Boikova<br />

auf ihre Abschlussprüfung an der Schule<br />

vorbereitete, wie Tamara Moskvina sagte.<br />

Ziemlich ausgebremst sah sich Mikhail Kolyada,<br />

der nach der krankheitsbedingt verpassten Saison<br />

durchstarten wollte. Der „<strong>Pirouette</strong>“ schrieb<br />

er, dass er sich nicht unterkriegen lasse.<br />

Mikhail Kolyada:<br />

„Ich trainiere alleine und mache Kraftübungen<br />

für verschiedene Muskeln und die Statik,<br />

aber natürlich fehlt mir die dynamische<br />

Arbeit sehr und ich möchte endlich<br />

«<br />

aufs Eis.<br />

Es gibt etwas Positives - ich habe mit Dascha<br />

(seiner Frau) mit Acroyoga angefangen<br />

und hätte nie gedacht, dass das so viel Spaß<br />

macht. Dascha hilft mir, mit der schwierigen<br />

Situation zurecht zu kommen. Zu zweit ist<br />

es uns niemals langweilig – wir machen<br />

Sport, lernen, lesen, schauen Filme. Die jetzige<br />

Situation hilft, sich selbst zu verstehen<br />

und es ist Zeit, die Fragen zu beantworten,<br />

die man im ‚normalen‘ Leben nicht angeht.<br />

Man kann in Ruhe darüber nachdenken, wie<br />

es weitergeht.“<br />

Evgenia Medvedeva war im April nach Japan<br />

gereist, um sich nach eigenen Angaben auf eine<br />

Show vorzubereiten und weil sie Sorge hatte,<br />

nicht mehr dorthin reisen zu können. Allerdings<br />

war absehbar, dass die Show abgesagt werden<br />

würde, was dann auch so kam. Die zweimalige<br />

Weltmeisterin blieb in Japan, gerüchteweise,<br />

weil sie dort auf Trainingsmöglichkeiten hoffte.<br />

Das wiederum erzürnte einige Japaner, die die<br />

russische Botschaft aufforderten, ihre Staatsbürgerin<br />

nach Hause zu schicken.<br />

Der erste bekannte Corona-Fall im russischen<br />

Eiskunstlauf betraf Olympiasiegerin Tatiana<br />

Navka, die sich aber schnell erholte. Ihr Ehemann,<br />

Regierungssprecher Dmitri Peskov, musste<br />

länger im Krankhaus bleiben, bevor er als geheilt<br />

entlassen wurde. Tatjana Flade<br />

Neues aus Russland


20<br />

Das Übel der dreifachen Sprünge<br />

Diskussion 1985<br />

Diskussionen über Sprünge der Damen gab es schon vor 35 Jahren<br />

Uwe Prieser<br />

Seit zwei Jahren springen mehrere russische<br />

Läuferinnen und eine Amerikanerin,<br />

überwiegend zwischen 13 und 16<br />

Jahre alt, im Wettbewerb regelmäßig<br />

vierfach. Seitdem wird vermehrt darüber<br />

diskutiert, ob man die Altersgrenze für die<br />

Meisterklasse erhöhen oder Vierfachsprünge<br />

bei den Damen einschränken<br />

oder sogar ganz verbieten soll. Ein Blick in<br />

die jüngere Eislaufgeschichte zeigt, dass<br />

es in den 1980er Jahren eine ähnliche<br />

Diskussion gab. Allerdings ging es damals<br />

darum, ob Läuferinnen dreifach springen<br />

oder sich mit Doppelsprüngen begnügen<br />

sollen. Heute sind die Dreifachsprünge<br />

außer dem Axel für Läuferinnen mit internationalem<br />

Niveau auch dann selbstverständlich,<br />

wenn sie schon 20 oder 25 Jahre<br />

alt sind. Könnte es daher sein, dass in<br />

20 oder 30 Jahren Vierfachsprünge so<br />

selbstverständlich sind wie heute die<br />

Dreifachen? Man wird es sehen.<br />

Die <strong>Pirouette</strong> hat einen Artikel von 1985<br />

zum Thema Dreifachsprünge der Damen<br />

in „Die Zeit“ gefunden und druckt ihn hier<br />

ungekürzt nochmals ab. Geschrieben hat<br />

damals Uwe Prieser, der damals zeitweise<br />

bei dpa, zeitweise als freier Journalist,<br />

später als Pressesprecher der DEU aktiv<br />

war und inzwischen im Ruhestand ist.<br />

Die im Text erwähnte Anna Kondrashova<br />

(damals noch anders geschrieben) ist die<br />

heute in Estland aktive Trainerin Anna<br />

Levandi. Wir haben die alte Rechtschreibung<br />

beibehalten.<br />

krk<br />

Das Übel der dreifachen Sprünge<br />

Was Eiskunstläuferinnen mit fünfzehn auf dem Eis können, können sie mit zwanzig<br />

nicht mehr · Von Uwe Prieser, erschienen in „Die Zeit“ am 1. März 1985<br />

Wenn Anna Kondraschowa ihre Kür läuft, dann<br />

verwandelt sich Musik in Schlittschuhschritte<br />

und Tanzfiguren. Sie sagt, sie vergäße dann alles<br />

um sich herum. Dann stürzt sie bei einem Dreifachsprung,<br />

und die schöne Illusion ist hin, und<br />

Anna Kondraschowa wird wieder nicht Weltmeisterin.<br />

Die letzte Eiskunstläuferin, der es gelang,<br />

die Grazie mit dem Erfolg zu verbinden, ist vor<br />

neun Jahren als Weltmeisterin abgetreten: die<br />

Amerikanerin Dorothy Hamill. Die Eisprinzessin,<br />

diese romantische Kunstfigur des Sports, ist seither<br />

immer bläßlicher geworden. Dorothy Hamill<br />

war die letzte Weltmeisterin, die keinen Dreifachsprung<br />

in ihrer Kür hatte. Mit ihrem Rücktritt<br />

begann ein neuer, athletischer Abschnitt im Eiskunstlauf<br />

der Damen: die Zeit der Dreifachsprünge<br />

– gut 15 Jahre später als bei den Männern.<br />

Damit einher ging ein erschreckender Verlust an<br />

Ausdruckskraft und Stil, kurz an Schönheit. Die<br />

Internationale Eislauf-Union reagierte darauf im<br />

vergangenen Jahr mit einer Regeländerung, die<br />

die Anzahl der erlaubten Dreifachsprünge während<br />

einer Kür reduzierte, „um die Schönheit des<br />

Eislaufs zu fördern“. Das war nicht genug.<br />

Winter für Winter stirbt in den Damen-Wettbewerben<br />

der internationalen Meisterschaften die<br />

Schönheit an den Dreifachsprüngen. Vor der Pubertät<br />

erlernt, gelingen Dreifachsprünge den Eislaufmädchen<br />

von 13 oder 14 Jahren scheinbar<br />

mühelos. Winter für Winter hofft die Eislaufwelt<br />

vergeblich, es werde endlich eine Läuferin nachwachsen,<br />

die Erfolg und Grazie wieder verbindet.<br />

Doch wenn aus den Schlittschuh-Hüpfemädchen<br />

von wenig über 80 Pfund junge Frauen geworden<br />

sind und das wirkliche Eiskunstlaufen anfangen<br />

könnte, dann haben sie plötzlich das<br />

Springen verlernt. Katarina Witt, die Olympiasiegerin<br />

aus der DDR, lieferte kürzlich bei der Europameisterschaft<br />

in Göteborg das jüngste Beispiel.<br />

<strong>No</strong>ch nie lief die nunmehr 19jährige, die<br />

mit 15 in die Weltklasse gesprungen war, so<br />

schön und ausdrucksstark. Und noch nie war sie<br />

so wackelig bei ihren Dreifachsprüngen.<br />

Denise Biellmann, Weltmeisterin aus der<br />

Schweiz, die <strong>Pirouette</strong>n wie einen Spagat im<br />

Stehen drehte, beherrschte als 15jährige fünf<br />

der sechs verschiedenen Eislaufsprünge dreifach<br />

und war damit den Männern ebenbürtig. Als sie<br />

1981, inzwischen 19 Jahre alt, endlich Weltmeisterin<br />

wurde und zu Stil und persönlichem<br />

Ausdruck gefunden hatte, schaffte sie mit Ach<br />

und Krach gerade noch zwei Dreifache. Ihre<br />

Zeit, so hieß es für sie damals wie heute für Katarina<br />

Witt, sei abgelaufen. Dabei hätte sie erst<br />

anfangen müssen. (Hinweis der <strong>Pirouette</strong>: Katarina<br />

Witt war in den Jahren 86 - 88 nochmals<br />

sehr erfolgreich und wurde 1988 Olympiasiegerin<br />

und 1987 und 88 Weltmeisterin. Aber das<br />

konnte der Autor noch nicht wissen.)<br />

Tiffany Chin, das neue Schlittschuh-Wunderkind<br />

aus den USA, sprang vor zwei Jahren sogar den<br />

dreifachen Axel, der in Wahrheit eine dreieinhalbfache<br />

Drehung in der Luft verlangt und in<br />

der Welt von weniger als einem halben Dutzend<br />

Männern beherrscht wird. Jetzt ist Tiffany Chin<br />

fast 19. Statt aller sechs verschiedenen Dreifachsprünge<br />

springt sie nur noch die beiden leichtesten<br />

sicher. Seit Jahren wird bei Trainern und<br />

Funktionären im internationalen Eiskunstlauf<br />

eine Frage verdrängt: Sind ausgewachsene Eiskunstläuferinnen<br />

auf Grund ihrer Körperkonstitution<br />

für Dreifachsprünge überhaupt geeignet?<br />

0,6 bis 0,7 Sekunden befindet sich eine Läuferin<br />

bei einem Dreifachsprung in der Luft. Das verlangt<br />

großen Krafteinsatz beim Absprung, hohe<br />

Rotationsgeschwindigkeit, ein günstiges Last-<br />

Kraft-Verhältnis. Alles das hat eine 14jährige<br />

Eisläuferin, wenn sie, wie es die Regel ist, seit<br />

acht Jahren mit methodischem Training aufgebaut<br />

worden ist. Alles das verliert sie mehr oder<br />

weniger, wenn sich ihr Körper verändert.<br />

Oberarme und Oberschenkel werden bei den<br />

Sprüngen als Schwungelemente eingesetzt. Nach<br />

der Pubertät nimmt ihr Umfang gewöhnlich zu.<br />

Das Verhältnis von Fettgewebe zu Muskelmasse<br />

verändert sich zuungunsten der Muskulatur, und<br />

damit verändert sich auch das Last-Kraft-Verhältnis<br />

nachteilig. Sportlerinnen, die dies mit forciertem<br />

Krafttraining ausgleichen, finden gar<br />

nicht erst zum Eiskunstlauf, sondern gehen eher<br />

zur Leichtathletik. Im übrigen wäre in der<br />

24-Stunden-Trainingswoche (mitunter 30 Stunden)<br />

einer Eiskunstläuferin für ein solches Krafttraining<br />

auch keine Zeit. Der vorher spindelförmige<br />

Körper des jungen Mädchens bekommt Busen<br />

und Po. Die Drehachse der Teilschwerpunkte des<br />

Körpers stimmt nun nicht mehr wie vorher mit<br />

der Drehachse des Sprungs überein. Der Effekt<br />

bei der Rotation eines Dreifachsprungs ist dann<br />

dem eines nicht ausgewuchteten Autoreifens<br />

vergleichbar. Die Drehung ist nicht mehr harmonisch,<br />

die Sicherheit des Körpergefühls kommt<br />

abhanden. Folge: technische Unsicherheit, Stürze,<br />

Kürvorträge, in denen soviel Streß auf den<br />

Sprüngen liegt, daß die Läuferinnen die Zeit zwischen<br />

den Sprüngen mit einstudierten Arm- und


21<br />

Körperbewegungen überbrücken, die persönlichen<br />

Stil suggerieren sollen, während die eigentliche<br />

Konzentration vollständig auf die Dreifach-<br />

Sprünge gerichtet ist. 70 bis 80 Prozent der Trainingszeit<br />

gehen für die Sprünge drauf. Häufig<br />

entwickeln Choreographen einen Küraufbau, der<br />

unter der athletischen und damit auch nervlichen<br />

Überlastung im Wettkampf so gut wie nie zu einem<br />

persönlichen Stil ausgebaut werden kann. Es<br />

ist kein Zufall, daß seit Jahren die tänzerisch<br />

schönsten Küren von Läuferinnen gezeigt werden,<br />

die bei der Medaillenvergabe leer ausgehen.<br />

Vor fast zehn Jahren triumphierte die Eislaufwelt:<br />

Dorothy Hamill wird die letzte Weltmeisterin<br />

ohne Dreifachsprung sein. Es ist so gekommen,<br />

doch dieser Fortschritt ist fragwürdig geworden.<br />

Im Kunstturnen würde kein Mensch auf<br />

die Idee verfallen, die Frauen um eines athletischen<br />

Fortschritts willen an den Ringen oder am<br />

Parallelbarren turnen zu lassen, weil die Beherrschung<br />

dieser Geräte ihre Körperkräfte überfordert.<br />

Statt dessen wurden frauenspezifische Geräte<br />

geschaffen: Schwebebalken, Stufenbarren.<br />

Trotz aller heute gezeigten Dreifachsprünge gelten<br />

die beiden Amerikanerinnen Peggy Fleming,<br />

Ende der sechziger Jahre, und Janet Lynn, Anfang<br />

der siebziger Jahre, als unerreichte Ideale<br />

des Eiskunstlaufs der Damen. Anna Kondraschowa<br />

und Tiffany Chin sind im vergangenen Winter<br />

von der Technischen Kommission der Internationalen<br />

Eislauf-Union als jene Läuferinnen<br />

bezeichnet worden, die dieses Ideal erreichen<br />

könnten. Die 19 Jahre alte Moskauerin jedoch<br />

muß den Luxus, Musik in Schlittschuhschritte<br />

und Tanzfiguren zu verwandeln, mit erhöhtem<br />

Sturzrisiko bezahlen. Und die auf Dreifachsprünge<br />

fixierten Preisgerichte entmutigen seit Jahren<br />

jene Läuferinnen, die die Grazie in die Eisarena<br />

zurückbringen wollen. Ein Dreifachsprung zu<br />

wenig oder ein Sturz zuviel – und sie erhalten<br />

nicht einmal in der B-<strong>No</strong>te für den künstlerischen<br />

Wert ihrer Kür den Lohn, weil sich die B-<br />

<strong>No</strong>te nach der A-<strong>No</strong>te für den sportlichen Inhalt<br />

richtet. Die Schönheit stirbt an den Sprüngen.<br />

Fleur Maxwell bei der<br />

EM 2016 in Bratislava<br />

Foto: Carmichael<br />

Was macht eigentlich…<br />

Fleur Maxwell?<br />

Die bis 2017 für Luxemburg gestartete Läuferin<br />

mit sehr ansprechendem Laufstil, aber<br />

Schwächen bei den Sprüngen musste wegen<br />

einer Hüftverletzung ihre Eislaufkarriere aufgeben,<br />

auch als Profi, und konnte auch nicht<br />

mehr bei der Nebelhorn Trophy 2017 versuchen,<br />

sich für Olympia 2018 zu qualifizieren.<br />

Ihr größter Erfolg war die Teilnahme als einzige<br />

Luxemburgerin an den Olympischen<br />

Spielen 2006, wo sie Platz 24 belegte und somit<br />

das Finale erreichte. Nach längerer Entschlusslosigkeit<br />

und einigem Hin und Her zog<br />

die inzwischen 31 Jahre alte Läuferin im Dezember<br />

2019 nach New York um, weil dort<br />

ihre Lebensgefährtin lebte, wie die Klatschtageszeitung<br />

New York Post Anfang April<br />

schrieb. Dort eröffnete sie nach Beratung mit<br />

einigen „Influencern“, wie sie heute genannt<br />

werden, ein Modegeschäft mit dem Namen<br />

Body by Fleur. Drei Monate später musste sie<br />

ihr Geschäft wegen des Coronavirus schließen.<br />

Um wenigstens etwas Geld zu verdienen,<br />

gibt sie seitdem online Konditionstrainingskurse<br />

und Ballettstunden in ihrem Studio.<br />

aus Russland stammen und viel Sinn für den<br />

Eiskunstlauf hatten, den Grand Prix in seiner<br />

Stadt. Er machte in der Lobby spontan einige<br />

Sprünge auf dem Trockenen nach, die er gerade<br />

bei Läufern gesehen hatte. Das beobachtete zufällig<br />

die Startrainerin Tatiana Tarasova und<br />

sprach ihn und seine Eltern an. Sie fragte, ob er<br />

nicht regelmäßig trainieren will und schickte<br />

ihn zu Vitaly Schulz. Später wurde dann Martina<br />

Dieck seine Haupttrainerin, und Jahre später<br />

traf er im Sommertraining in Russland Tarasova<br />

wieder. Zunächst waren die Fahrten von Gelsenkirchen<br />

nach Dortmund immer sehr aufwändig,<br />

weil dies 45 Minuten dauerte und beide Eltern<br />

berufstätig waren. Als er 10 Jahre alt war,<br />

zog die Familie nach Dortmund, so dass er alleine<br />

zur Halle gehen konnte. Er kam in den<br />

Bundeskader, zeichnete sich vor allem durch die<br />

Sprünge aus, probierte auch den 4T, wurde<br />

Fünfter bei den Olympischen Jugendspielen<br />

2012 sowie im selben Jahr Deutscher <strong>Juni</strong>orenmeister.<br />

Letzter Höhepunkt war Platz 3 in der<br />

Meisterklasse der Deutschen Meisterschaften<br />

2016. Aber dann musste er vor allem wegen<br />

schon jahrelang akuter Rückenprobleme aufhören.<br />

Im Herbst 2019 lief er mit Nadine Klein in<br />

der Fernsehshowreihe „Dancing on Ice“. Viele<br />

Prominenten hätten, so sagte er jetzt, unterschätzt,<br />

wie schwer ein gutes Laufen auf dem<br />

Eis sei. Für April <strong>2020</strong> waren Shows in Mexiko<br />

bei „Illusions on Ice“ geplant. Der Flug war<br />

schon gebucht, aber die Shows wurden wegen<br />

der Coronakrise abgesagt. Er hofft, dass sie im<br />

<strong>No</strong>vember <strong>2020</strong> nachgeholt werden.<br />

News<br />

Als die amerikanische Weltmeisterin Elaine Zayak,<br />

die als 15jährige ebenfalls alle Dreifachsprünge<br />

beherrschte und später ihr Sprungvermögen<br />

stark eingebüßt hatte, vor drei Jahren<br />

von Peggy Fleming wegen ihres Mangels an<br />

Ausdruckskraft kritisiert wurde, schmollte sie:<br />

„Die hat gut reden, die brauchte damals ja auch<br />

bloß den Doppelaxel zu springen.“<br />

„Anlagebedingte körperliche Unterschiede zwischen<br />

Damen und Herren“, so schreibt der ehemalige<br />

deutsche Weltklasseläufer Sepp Schönmetzler<br />

in seiner Doktorarbeit „Biomechanische<br />

Analyse von Küren und Sprungtechniken beim<br />

Eiskunstlaufen“, „machen den Axel zum Problemsprung<br />

der weiblichen Eiskunstläufer,... die<br />

immer wieder Schwierigkeiten mit dem Doppelaxel<br />

haben.“ Die Vielfalt des Eiskunstlaufs mit<br />

<strong>Pirouette</strong>n, Schritten, Kombinationen ist groß<br />

genug, um auf Dreifachsprünge bei den Damen<br />

zu verzichten. Im Paradewettbewerb Eistanz<br />

gibt es überhaupt keine Sprünge. Doch eine Eiskunstläuferin<br />

ohne Grazie, das ist wie Romeo<br />

und Julia ohne Leidenschaft. <br />

•••<br />

Niko Ulanovsky im<br />

Jahr 2015<br />

Foto: Flade<br />

Was macht eigentlich…<br />

Niko Ulanowsky?<br />

Im April war der Dortmunder Einzelläufer Niko<br />

Ulanovsky (23) Gast in der Talkshow von Christian<br />

Oberfuchshuber und erzählte aus seinem Leben.<br />

Als er fünf Jahre alt war, besuchte der gebürtige<br />

Gelsenkirchener mit seinen Eltern, die<br />

Joannie Rochette<br />

bei Art on Ice 2014<br />

Foto: Kolb<br />

Was macht eigentlich…<br />

Joannie Rochette?<br />

Die sechsfache Kanadische Meisterin im Einzellauf<br />

machte während der Olympischen Spiele<br />

von 2010 in Vancouver besondere Schlagzeilen,<br />

als sie mit starken Nerven eine Bronzemedaille<br />

gewann, obwohl ihre erst 55 Jahre alte Mutter<br />

Thérèse zwei Tage vor dem Kurzprogramm<br />

plötzlich an einem Herzinfarkt verstorben war.<br />

Im Jahr zuvor war Joannie Zweite der WM geworden.<br />

Dies waren ihre beiden größten sportlichen<br />

Erfolge. Nach einigen Jahren mit Shows<br />

begann sie 2014 ein Medizinstudium in Montreal,<br />

das sie im April <strong>2020</strong> abschloss. Seitdem<br />

arbeitet die inzwischen 34-Jährige als Ärztin in<br />

einem Kranken- und Pflegeheim in Montréal,<br />

das auch Corona-Patienten beherbergt. krk


22<br />

Die nächste Generation auf dem Eis<br />

Die nächste Generation<br />

auf dem Eis<br />

Maxim Naumovs Eltern Evgenia Shishkova und<br />

Vadim Naumov waren erfolgreiche Paarläufer<br />

und die Weltmeister im Jahr 1994. Nach ihrer<br />

aktiven Karriere zogen sie wie viele russische<br />

oder ehemals sowjetische Läufer in den 90ern in<br />

die USA, weil sie dort Verdienstmöglichkeiten<br />

hatten, während Russland zunächst in einer<br />

Wirtschaftskrise versank.<br />

Eiskunstlauf ist eine Familienangelegenheit für viele Sportler, die in der vergangenen<br />

Saison international gestartet sind. Allein bei der <strong>Juni</strong>oren-WM in Tallinn<br />

waren vier Söhne ehemaliger erfolgreicher Eiskunstläufer am Start, darunter die<br />

drei US-Herren Ilia Malinin, Maxim Naumov und Andrew Torgashev (die außerdem<br />

alle russischer Abstammung sind). Dazu kam der Silbermedaillengewinner Yuma<br />

Kagiyama aus Japan (siehe Portrait Seite 14). In vielen Fällen werden oder wurden<br />

die jungen Läufer von ihren Eltern sogar trainiert.<br />

mitnimmt. „Wir versuchen diese Balance zwischen<br />

Eltern und Trainer auf der einen und Sohn<br />

und Schüler auf der anderen Seite zu finden.<br />

Jetzt, da ich älter werde, verstehe ich viele Dinge,<br />

die sie mir gesagt haben. Jetzt ergibt alles<br />

einen Sinn. Ich bin froh über alle Entscheidungen,<br />

die sie für mich getroffen haben“, fährt der<br />

US-<strong>Juni</strong>orenmeister fort.<br />

Andrew Torgashev wurde bis vor zwei Jahren<br />

ebenfalls von seinen Eltern trainiert. Seine aus<br />

Odessa kommende Mutter Ilona Melnichenko<br />

war 1987 <strong>Juni</strong>orenweltmeisterin im Eistanz und<br />

sein Vater Artem Torgashev gewann bei der <strong>Juni</strong>oren-WM<br />

im selben Jahr Silber im Paarlauf. Er<br />

arbeitet heute in Florida. Der Trainerwechsel<br />

nach Colorado Springs zu Christy Krall war eine<br />

gemeinsame Entscheidung der Familie. „Ich<br />

denke, ich habe mit meinen Eltern als Trainer<br />

alles erreicht, was wir erreichen konnten. In<br />

Florida war ich der einzige Läufer auf hohem<br />

Niveau, in Colorado bin ich einer von vielen.<br />

Meine Mutter arbeitet aber immer noch mit mir<br />

an den Eislauffertigkeiten“, erklärte er. Er sieht<br />

es als großen Vorteil an, dass seine Eltern Eiskunstläufer<br />

waren. „Sie verstehen, was du<br />

durchmachst. Ob du sehr gute oder sehr harte<br />

Tage hast – sie sind immer für dich da. Sie verstehen<br />

den Sport und die ganze Arbeit, die du<br />

hineinsteckst. Der Vorteil ist, dass sie dir am<br />

nächsten stehen, was manchmal auch ein<br />

Ilia Malinin mit Mutter und Choreografin Tatjana<br />

Malinina und Trainer Roman Skorniakov, Foto: Flade<br />

Erste Schritte auf dem Eis: Maxim Naumov mit seinen<br />

Eltern 2004, Foto: privat<br />

Ilia Malinin ist der Sohn der Vier-Kontinente-<br />

Meisterin von 1999, Tatiana Malinina, und des<br />

Olympiateilnehmers Roman Skorniakov. Beide<br />

kamen aus Russland, starteten jedoch für Usbekistan.<br />

Malinin findet, dass es ein Vorteil ist,<br />

von den Eltern trainiert zu werden. „Ich denke,<br />

es ist viel einfacher so, denn ich kann so viel<br />

Trainingszeit mit ihnen bekommen, wie ich<br />

brauche.“ Der 15-Jährige empfindet keinen besonderen<br />

Druck aufgrund der Erfolge seiner Eltern:<br />

„Für mich ist das eine Gelegenheit, von ihnen<br />

zu lernen. Sie erzählen mir manchmal von<br />

den Fehlern, die sie im Wettkampf gemacht haben<br />

und sagen mir, dass ich nicht dieselben<br />

Fehler machen soll. Ich habe das Gefühl, dass<br />

ich ihre Tradition fortsetze, denn sie waren bei<br />

den Olympischen Spielen und der WM dabei.“<br />

Andrew Torgashev, Foto: Flade<br />

Maxim Naumov mit Eltern heute, Foto: Flade<br />

„Meine erste Erinnerung ans Eislaufen ist, wie<br />

meine Eltern mich als ich drei Jahre alt war, das<br />

erste Mal in die Eishalle gebracht haben. Ich erinnere<br />

mich, wie ich ihre Hände hielt und gleiten<br />

konnte“, sagt Maxim Naumov. Seine Eltern<br />

sind bis heute seine Trainer, was der 18-Jährige<br />

für einen großen Vorteil hält, weil sie ihn so gut<br />

kennen. Aber es gibt auch stressige Momente,<br />

wenn die Familie Probleme vom Eis nach Hause<br />

Andrew Torgashev mit seinen Eltern und früheren Trainern Ilona Melnichenko und Artem Torgashev, Foto: privat


Nachteil sein kann“, sagt der 19-Jährige. Auch<br />

er spürt keinen extra Druck. „Ich habe definitiv<br />

darüber nachgedacht, aber der Gedanke ist<br />

nicht ständig präsent und kontrolliert mich, weil<br />

ich weiß, dass meine Eltern stolz auf mich sein<br />

werden, egal was kommt. Ich mache diesen<br />

Sport und verfolge diese Karriere für mich selbst<br />

und weil ich es will“, fügt er hinzu.<br />

Der aktuell prominenteste Sportler aus einer<br />

Eislauffamilie ist der russische Eistänzer Ivan<br />

Bukin, der mit Alexandra Stepanova bisher vier<br />

Medaillen bei der EM gewonnen hat. Sein Vater<br />

Andrei ist der Eistanz-Olympiasieger von 1988<br />

und auch seine Mutter Elena Vasiuk war Eistänzerin.<br />

„Mein Papa wollte gar nicht, dass ich Eiskunstlauf<br />

mache. Meine Oma hat mich in die<br />

Eishalle gebracht“, verrät Bukin. „Meine Mutter<br />

wollte, dass ich Einzelläufer werde, aber als<br />

man mir vorschlug, zum Eistanz zu wechseln,<br />

habe ich zugestimmt. Ehrlich gesagt, war ich<br />

kein guter Springer“, erinnert sich der 26-Jährige.<br />

Anders als viele andere Eisläufer-Kinder<br />

wurde er nie von seinen Eltern trainiert, denn<br />

sie arbeiteten stets in Igor Bobrins Eistheater.<br />

„Ich bin sehr stolz auf meinen Vater. Ich habe<br />

mir angeschaut, wie er und Natasha (Natalia<br />

Bestemianova) gelaufen sind, und sie hatten<br />

sehr viel Tempo und liefen wunderschön“, ergänzt<br />

Bukin.<br />

Ivan Bukin mit seinem Vater Andrei, dem Olympiasieger<br />

im Eistanzen 1988, Foto: privat<br />

Witzigerweise ist einer seiner Konkurrenten Anthony<br />

Ponomarenko, Sohn von Marina Klimova<br />

und Sergei Ponomarenko, der Eistanz-Olympiasieger<br />

von 1992, die in den 1980er Jahren Rivalen<br />

von Bestemianova/Bukin waren. Anthony<br />

Ponomarenko wurde in den USA geboren und<br />

startet für die USA mit Christina Carreira. Anfänglich<br />

trainierten ihn seine Eltern, seit einigen<br />

Jahren ist er jedoch bei Igor Shpilband.<br />

Im russischen Eistanz gibt es zwei weitere international<br />

aktive Kinder von ehemaligen Läufern:<br />

Jonathan Guerreiro, Olympiateilnehmer<br />

mit Tiffany Zagorski, ist der Sohn von Svetlana<br />

Liapina, die 1985 und 1986 Silber und Bronze<br />

bei der <strong>Juni</strong>oren-WM im Eistanz gewann. Sie<br />

ist heute Trainerin, aber betreut nicht ihren<br />

Sohn. Annabelle Morozov dagegen, die Tochter<br />

des Olympia-Teilnehmers und heute bekannten<br />

Trainers Nikolai Morozov, ist stolz darauf, dass<br />

sie bei ihrem Vater trainiert. „Ich habe Glück,<br />

dass mein Papa mein Trainer ist. Ich denke, er<br />

ist der beste Trainer, den es gibt, denn er kann<br />

mit Einzelläufern, Paaren und Eistänzern arbeiten,<br />

was sehr selten ist. Selbst wenn ich dazwischen<br />

mit anderen Trainern arbeite, vergesse<br />

ich nie, was mein Vater mir sagt.“ Annabelle<br />

Morozov tritt mit Andrei Bagin international an<br />

und belegte mit ihm Platz vier bei der Russischen<br />

Meisterschaft <strong>2020</strong>.<br />

Viele der Läufer der zweiten Generation haben<br />

einen russischen Hintergrund, aber nicht alle.<br />

Auch in Deutschland wird man bei international<br />

aktiven Läufern fündig: Tim Diecks Vater<br />

Frieder war Eistänzer und seine Mutter Martina<br />

(geborene Fuchs) war Einzelläuferin und ist<br />

heute Trainerin. Eistänzer Maximilian Pfisterers<br />

Vater Peter war einst ebenfalls Eistänzer. Heute<br />

nicht mehr aktiv sind Peter und Martin Liebers,<br />

deren Vater Mario fünfmal Vize-Meister der<br />

DDR war und von 1976 bis 1980 bei Europaund<br />

Weltmeisterschaften startete. Und die<br />

Tochter von Olympiasiegerin Anett Pötzsch,<br />

Claudia Rauschenbach, war einst Paarläuferin<br />

mit Robin Szolkowy.<br />

Der EM-Dritte von 2019, Matteo Rizzo, ist Sohn<br />

von Walter Rizzo und Brunhilde Bianchi, die als<br />

Eistänzer bei Europameisterschaften liefen.<br />

Walter Rizzo ist bis heute im Trainerteam seines<br />

Sohnes. „Ich bin wirklich in einer Eislauffamilie<br />

groß geworden. Ich habe verschiedene Sportarten<br />

ausprobiert wie Fußball, Schwimmen, Basketball<br />

und Tennis. Aber am Ende hat mir Eislaufen<br />

sehr viel Spaß gemacht“, sagt der Italiener.<br />

„Es ist leichter, wenn du deine Familie bei<br />

dir hast. Ich bin sehr dankbar dafür“, ergänzt er.<br />

Jonathan Guerreiro & Tiffany Zagorski (links) und Ivan Bukin & Alexandra Stepanova bei der EM Graz <strong>2020</strong>, Foto: Flade<br />

In Australien brachte die Eistänzerin und Olympiastarterin<br />

Monica McDonald ihren Sohn<br />

Brendan und ihre Tochter Chantelle zum Eiskunstlauf.<br />

Brendan, der bei zwei Olympischen<br />

Spielen am Start war, ist Einzelläufer, während<br />

Chantelle inzwischen zum Eistanz wechselte.<br />

Die US-Paarlaufmeisterin von 2019, Ashley<br />

Cain-Gribble, ist die Tochter von Peter Cain, der<br />

als Paarläufer für Australien startete und mit<br />

seiner Schwester Elizabeth 1976 Bronze bei der<br />

<strong>Juni</strong>oren-WM gewann. Der Este Arlet Levandi<br />

war bei den Olympischen Jugendspielen und im<br />

<strong>Juni</strong>oren Grand Prix dabei. Seine Mutter Anna<br />

Kondrashova gewann 1984 WM-Silber sowie<br />

mehrere EM-Medaillen für die Sowjetunion.<br />

Sein Vater Aller ist übrigens ein ehemaliger<br />

nordischer Kombinierer und Bronzemedaillengewinner<br />

bei den Olympischen Spielen 1988.<br />

Schließlich kommt der US-Eistänzer Jean-Luc<br />

Baker, der mit Kaitlin Hawayek 2018 Vier-Kontinente-Meister<br />

wurde, aus einer Eislauffamilie.<br />

Seine Mutter Sharon Jones vertrat Großbritannien<br />

bei den Olympischen Spielen 1988 und<br />

sein Vater Stephen war Paarläufer auf internationalem<br />

Niveau.<br />

Tatjana Flade<br />

Ermittlungen gegen Fajfr<br />

eingestellt<br />

Die Tageszeitung taz schrieb am 19. <strong>Mai</strong>,<br />

dass die Staatsanwaltschaft Kempten die Ermittlungen<br />

gegen Trainer Karel Fajfr wegen<br />

Misshandlung gegen den Eisläufer Isaak<br />

Droysen eingestellt hat, weil sie nicht bewiesen<br />

werden können. Nur wegen einer Ohrfeige<br />

soll Fajfr eine Geldbuße zahlen, erklärte<br />

Fajfrs Anwalt. Die taz schrieb über die Ermittlungen:<br />

„Während manche stark Partei<br />

für den erfolgreichen Trainer ergriffen und<br />

behaupteten, so etwas würde der nie tun,<br />

solidarisierten sich andere mit dem Sportler<br />

und bestätigten einzelne Tatvorwürfe. Fajfr<br />

ist wegen seiner harten Trainingsmethoden<br />

umstritten. Einige Sportler wie die frühere<br />

deutsche Meisterin Annette Dytrt engagierten<br />

ihn gerade, weil sie genau so eine harte<br />

Hand brauchten.“<br />

Weiter schrieb die taz: „Beendet ist der Vorgang<br />

mit dem Strafbefehlsantrag aber noch<br />

lange nicht, und das nicht allein, weil es sich<br />

lediglich um einen Antrag der Staatsanwaltschaft<br />

handelt. Beide Seiten wollen die Entscheidung<br />

der Staatsanwaltschaft nicht hinnehmen.<br />

Fajfra Anwalt sagte der taz: „Sollte<br />

wegen des einzig verbleibenden Vorwurfs, einer<br />

angeblichen Ohrfeige, ein Strafbefehl ergehen,<br />

wird unser Mandant hiergegen Einspruch<br />

einlegen. Eine Ohrfeige hat es niemals<br />

gegeben.“ Claus Bohnenberger, der Anwalt<br />

des früheren Sportlers Isaak Droysen,<br />

hat angekündigt, bei der Generalstaatsanwaltschaft<br />

in München Beschwerde gegen<br />

die Einstellung des Verfahrens zu den anderen<br />

Tatvorwürfen einzulegen. Offen ist auch<br />

noch eine Zivilklage Fajfrs gegen seinen früheren<br />

Schüler Droysen am Landgericht Köln<br />

wegen Verleumdung. Fajfr fordert finanzielle<br />

Entschädigung wegen der aus seiner Sicht<br />

nicht zutreffenden Behauptungen, die sein<br />

Sportler in zahlreichen Medien erhob und die<br />

sein Ansehen geschädigt hätten.“ krk<br />

23<br />

Die nächste Generation auf dem Eis


24<br />

Olga Sevastianovas Unfall<br />

Olga Sevastianovas Unfall<br />

Im Schatten einer<br />

spektakulären Show<br />

Die russische Eis-Akrobatin Olga<br />

Sevastianova kämpft nach ihrem<br />

lebensgefährlichen Unfall bei den<br />

Olympischen Jugendspielen um einen<br />

Weg zurück in ein normales Leben.<br />

Olga Sevastianova freute sich auf diesen Dienstag,<br />

den 7. Januar <strong>2020</strong>. Zwei Tage vor der Eröffnungsfeier<br />

der Olympischen Jugendspiele in<br />

Lausanne war in der Vaudoise Eishalle eine Generalprobe<br />

angesetzt. Für die 35 Jahre alte Eis-<br />

Akrobatin, die an einem Ring in fünf Meter<br />

Höhe über dem Eis schwebend ihre spektakulären<br />

Kunststücke zeigte, sollte das ein Highlight<br />

ihrer Showkarriere werden – ein großer Auftritt,<br />

vielleicht ein Türöffner für weitere interessante<br />

Engagements.<br />

Mit ihrem Ehemann Sergei überprüfte sie morgens<br />

ihre Ausrüstung, danach hatte das Paar<br />

noch Zeit vor dem Beginn der Probe und unternahm<br />

einen Ausflug zum Genfer See, genoss das<br />

wunderschöne Bergpanorama. Alles schien perfekt.<br />

Doch der Tag endete für Sevastianova in einer<br />

Katastrophe. Bei der Generalprobe verlor sie<br />

den Halt, als das Seil aus noch nicht geklärter<br />

Ursache ruckte, und stürzte vor den Augen ihrer<br />

kleinen Tochter und ihres Mannes aus etwa fünf<br />

Metern Höhe ungeschützt auf das harte Eis und<br />

fast in den Tod. Im Krankenhaus diagnostizierten<br />

die Ärzte einen Leberriss, innere Blutungen und<br />

zahlreiche Knochenbrüche – allein fünf Gesichtsknochen<br />

waren gebrochen. Sie retten der<br />

Artistin mit einer Operation das Leben, versetzten<br />

sie in ein künstliches Koma. „Ich erinnere<br />

mich an den Moment, als ich dort stand und auf<br />

meinen Auftritt wartete, aber an den Absturz<br />

selbst erinnere ich mich nicht“, sagte Sevastianova<br />

der „<strong>Pirouette</strong>“ in einem exklusiven Interview.<br />

„Die Ärzte sagen, das ist normal, eine<br />

Schutzfunktion unseres Gehirns. Ich denke, ich<br />

lag fünf oder sieben Tage im Koma. Dann stieg<br />

der Schädelinnendruck und sie mussten eine<br />

Trepanation (Schädelbohrung) vornehmen und<br />

ein Stück Schädelknochen entfernen.“ Neun Wochen<br />

lang lag die Frau in der Klinik.<br />

Der schreckliche Unfall wirft auch ein Schlaglicht<br />

auf die Situation von Akrobaten wie Sevastianova,<br />

die das Publikum mit atemberaubenden<br />

Kunststücken begeistern und traditionelle<br />

Eisshows bereichern. Die Veranstalter<br />

schmücken sich damit, aber das Risiko bleibt oft<br />

bei den Darstellern. Denn ausreichend versichert<br />

war die Russin offenbar nicht. Ihre Freunde<br />

sammelten über die Plattform Go Fund Me<br />

Spenden, um die horrende Krankenhausrechnung<br />

zu bezahlen. „Ich denke, das war das erste<br />

Mal, dass nicht mein Auftraggeber eine Versicherung<br />

für mich abgeschlossen hatte“, sagte<br />

Sevastianova, die früher unter anderem im Europapark<br />

Rust und beim Zirkus Flic Flac in<br />

Deutschland sowie bei Holiday on Ice auftrat.<br />

„Meine Versicherung bezahlte nur einen kleinen<br />

Teil. Wir bekamen eine riesige Unterstützung,<br />

dafür werde ich bis an mein Lebensende dankbar<br />

sein. Sogar Fremde halfen finanziell, schickten<br />

Geschenke für die Kinder, eine Bekannte von<br />

Bekannten ließ Sergei bei sich wohnen, während<br />

ich im Krankenhaus lag“, erzählte die Eis-<br />

Künstlerin unter Tränen.<br />

Im Stich gelassen fühlte sie sich dagegen zunächst<br />

vom Internationalen Olympischen Komitee,<br />

in dessen Auftrag die Schweizer Produktionsfirma<br />

Carré (Art on Ice) einen Teil der Eröffnungsfeier<br />

organisierte. Am Tag des Unfalls habe<br />

ein Schweizer TV-Sender die anwesenden Vertreter<br />

des IOCs gefilmt, aber keiner der Offiziellen<br />

habe auch nur ein Wort über das Unglück<br />

verloren, obwohl sie davon wussten, berichtete<br />

Sevastianova. Nachdem Schweizer Medien den<br />

Fall aufgegriffen hatten, entschieden das IOC<br />

und die Organisatoren der Jugendspiele, sich an<br />

den Reha-Kosten zu beteiligen. „Wir wollten eigentlich<br />

nicht an die Öffentlichkeit gehen“,<br />

meinte die Artistin. Aber die hohen Rechnungen<br />

hätten ihr keine andere Wahl gelassen.<br />

Olga Sevastianova und Ehemann im Krankenhaus<br />

Fotos: privat<br />

Das Unglück wird vermutlich ein gerichtliches<br />

Nachspiel haben. Es laufen noch polizeiliche Ermittlungen<br />

zur Unfallursache und ob jemand<br />

Schuld trägt, wie Sevastianovas Rechtsanwältin<br />

Elza Reymond der „<strong>Pirouette</strong>“ mitteilte. Diese<br />

strafrechtliche Untersuchung werde voraussichtlich<br />

noch einige Monate dauern. Inwiefern<br />

der Auftraggeber Art on Ice eine Versicherungspflicht<br />

gehabt hätte, wird wohl ebenfalls ein<br />

Gericht klären müssen, aber eine Klage wurde<br />

noch nicht eingereicht. „Art on Ice behauptet,<br />

sobald ich in den Fall involviert war, hätte das<br />

die Firma davon abgehalten, eine Geste finanzieller<br />

Unterstützung zu zeigen“, schrieb Reymond.<br />

„Weder Olga noch ich haben finanzielle<br />

Hilfe von Art on Ice abgelehnt und tatsächlich<br />

gab es keinerlei derartigen Angebote.“ Art on<br />

Ice-Sprecherin Gabriela Buchs nahm auf Anfrage<br />

der <strong>Pirouette</strong> Stellung zu dem Vorfall:<br />

»<br />

Gabriela Buchs:<br />

„Art on Ice und Olga hatten im Vorfeld ein<br />

Auftragsverhältnis für den entsprechenden<br />

Event vereinbart. Der Vertrag hat klar Rechte,<br />

Pflichten definiert. Unser Auftragsverhältnis<br />

definiert Kranken- wie Unfallversicherung und<br />

diese ist in der Verantwortung des Künstlers“,<br />

teilte Buchs mit. Man sei von dem Unfall sehr<br />

betroffen und habe die Artistin und ihre Familie<br />

vom ersten Moment an unterstützt, sowohl<br />

organisatorisch vor Ort als auch finanziell,<br />

ohne zu zögern und auf freiwilliger Basis.<br />

„Leider wurde diese Hilfe unterbunden, sobald<br />

Olgas Anwalt involviert wurde. Aufgrund der<br />

Komplexität der Rechtslage war es uns nicht<br />

möglich, uns weiter an einer finanziellen Unterstützung<br />

zu beteiligen. Die Untersuchung<br />

ist immer noch nicht abgeschlossen, weshalb<br />

wir die Einzelheiten des Unfalls nicht kennen“,<br />

schrieb Buchs. „Wir stehen noch immer<br />

in regelmäßigem Kontakt mit<br />

«<br />

der Familie Sevastianova.<br />

Unsere Gedanken und unser Mitgefühl<br />

gehen an sie. Es liegt ein langer Weg<br />

der Rehabilitation vor ihr, und wir bedauern,<br />

dass wir nicht mehr tun können, denn erst<br />

das Ergebnis der offiziellen Untersuchung<br />

wird es uns ermöglichen, zu entscheiden,<br />

welche weiteren Maßnahmen wir ergreifen<br />

können, um sie zu unterstützen.“


25<br />

Spendensammlung für Olga Sevastianova:<br />

www.gofundme.com/f/<br />

help-olga-get-her-life-back<br />

Generell ist die Absicherung von Artisten, die ihr<br />

Geld mit gefährlichen Shownummern verdienen,<br />

ein heikles Thema. Mehrere von der <strong>Pirouette</strong><br />

befragte Showveranstalter in Deutschland wollten<br />

keine Auskunft darüber geben, wie sie ihre<br />

Akrobaten absichern. Nur der Europapark Rust<br />

erklärte, dass sich selbstständige Künstler in Eigenverantwortung<br />

versichern müssen, was auch<br />

Vertragsbestandteil sei. Angestellte Künstler seien<br />

dagegen automatisch versichert. Allerdings<br />

bietet nicht einmal jede Versicherung Policen<br />

an. Die Allianz teilte zwar mit, dass sich bei ihr<br />

Zirkusartisten und Angehörige anderer Hochrisiko-Berufe<br />

gegen Unfälle und Berufsunfähigkeit<br />

versichern können. Aber billig ist das nicht - abhängig<br />

von den Risiken des Jobs werden Aufschläge<br />

erhoben.<br />

Dreieinhalb Monate nach jenem schicksalshaften<br />

Dienstag ist Sevastianova wieder zu Hause<br />

in Sankt Petersburg, mit ihrem Mann Sergei<br />

und ihren zwei Kindern, dem neun Jahre alten<br />

Mikhail und der drei Jahre jüngeren Sofia. Sie<br />

ist auf Hilfe angewiesen, kann ihre rechte<br />

Hand, die bei dem Sturz zerschmettert wurde,<br />

nur eingeschränkt benutzen, sieht doppelt. Aktuell<br />

kann die Eisläuferin, die in der Ukraine<br />

geboren wurde und im Alter von einem Jahr<br />

mit ihrer Familie nach St. Petersburg umzog,<br />

wegen der Corona-Pandemie nicht einmal dringend<br />

notwendige Reha-Maßnahmen wahrnehmen.<br />

Sevastianova gibt nicht auf und hofft auf<br />

die Rückkehr in ein normales Leben. „Es gibt<br />

immer Hoffnung. Die Ärzte in der Schweiz haben<br />

mir gesagt, dass die Wiederherstellung<br />

etwa eineinhalb Jahre dauern wird, auch die<br />

Sehfähigkeit. Aber ich werde sicher nicht mehr<br />

in der Luft (als Akrobatin) arbeiten können.<br />

Meine rechte Hand wird bestenfalls zu 50 Prozent<br />

wieder funktionsfähig sein. Die Hand erholt<br />

sich nicht so schnell, wie ich es möchte.<br />

Vor allem die Beweglichkeit des Gelenks ist<br />

nicht, wie sie sein sollte“, sagte die 35-Jährige.<br />

Sie überlegt, zukünftig als Eiskunstlauftrainerin<br />

tätig zu sein, denn sie hat eine abgeschlossene<br />

Trainerausbildung. Seit ihrer Kindheit stand sie<br />

auf dem Eis und als sie zehn Jahre alt war, gaben<br />

ihre Eltern sie in das St. Petersburger Kinder-Eisballett.<br />

Ihre ersten internationalen Aufritte<br />

hatte sie mit elf und seitdem war ihr Leben<br />

untrennbar mit Shows verbunden. Nun<br />

muss sie sich umorientieren und ist dazu auch<br />

bereit. Doch die Rückkehr in ein normales Leben<br />

ist noch ein langer Weg. Tatjana Flade<br />

Olga Sevastianovas Unfall<br />

Sarah Abitbol<br />

Ein so langes Schweigen<br />

Eine Buchanalyse von Klaus-Reinhold Kany<br />

Ende Januar dieses Jahres erschien in Frankreich das Buch<br />

„Un si long silence“ (Ein so langes Schweigen), in dem die<br />

einstige Paarläuferin Sarah Abitbol ihren Trainer Gilles Beyer<br />

anklagt, sie als Jugendliche häufig misshandelt und vergewaltigt<br />

zu haben. Das Werk löste eine große Welle von Zeitungsartikeln,<br />

Fernsehsendungen, weitere Veröffentlichungen<br />

und sogar eine Parlamentsdebatte aus. Eine Reihe anderer<br />

missbrauchter Sportlerinnen ging daraufhin ebenfalls<br />

an die Öffentlichkeit. Mitte Februar musste der langjährige<br />

Verbandspräsident Didier Gailhaguet zurücktreten. Man<br />

warf ihm unter anderem vor, nicht nur diesen einen, sondern<br />

weitere Trainer gedeckt und wohl wenig oder nichts<br />

gegen den gängigen Missbrauch im Verband unternommen<br />

zu haben.<br />

Die inzwischen 44 Jahre alte Abitbol, die Ende März <strong>2020</strong> wieder<br />

in die USA zurückkehrte, beginnt mit einem Tagebuch aus dem<br />

Jahr 1990, in dem sie mit vier verschiedenen Abkürzungs-Buchstaben<br />

zusammenfasst, was Beyer ihr an welchem Tag angetan<br />

hat (belästigt, angefasst, gelutscht und geschlafen). Im ganzen<br />

Werk nennt sie ihn Monsieur O, siezt ihn und spricht ihn immer<br />

wieder direkt an. Weder ihr jetziger Ehepartner Jean-Louis Lacaille<br />

noch ihre Mutter seien begeistert gewesen, als Abitbol<br />

ihnen vor etwa zwei Jahren sagte, dass sie ein Buch über ihre<br />

Geschichte schreiben wollte. Ihr ehemaliger Paarlaufpartner


26<br />

Sarah Abitbol<br />

Buchrezension<br />

Stéphane Bernadis, der jetzt ein Restaurant in<br />

Miami betreibt, fürchtete um ihre Zukunft. Sie<br />

selbst klagt Beyer an, dass sie noch immer<br />

Angst habe, wenn sie ihre Wohnung verlasse,<br />

Aufzug fahre, durch Tiefgaragen gehe und bei<br />

vielen anderen Gelegenheiten. Sie sei bei Therapeuten<br />

gewesen und könne seitdem wenigstens<br />

alleine mit dem Auto fahren und einkaufen<br />

gehen. Sie fragt, wie vielen anderen Mädchen<br />

er sich genähert habe. Den Anblick eines<br />

nackten Mannes könne sie immer noch nicht<br />

ertragen, nicht einmal den ihres jetzigen Ehemannes.<br />

Sie habe praktisch nie zu jemandem<br />

auf Französisch sagen können: „Je t’aime“ (Ich<br />

liebe dich). In Englisch sei das viel leichter, weil<br />

Beyer immer nur Französisch mit ihr gesprochen<br />

habe. Auch das (französische) Wort „violer“<br />

für „vergewaltigen“ habe sie Jahrzehnte<br />

lang nicht aussprechen können.<br />

Im Kapitel 2 erzählt sie von ihrer Kindheit ab<br />

dem 5. Lebensjahr im westfranzösischen Nantes,<br />

der ersten Trainerin, dem Wechsel nach Paris,<br />

der ihren Eltern große Opfer abverlangt, zum<br />

Beispiel den Verkauf der Eigentumswohnung.<br />

Sie spricht von der Schule, dem geliebten Pariser<br />

Trainer Jean-Christophe Simond und den<br />

ersten Wettbewerben als Einzelläuferin. Als sie<br />

13 ist, wird Simond vom Cheftrainer Beyer entlassen<br />

und muss in die Provinz nach Nizza. Abitbol<br />

versteht nicht warum. Auf Nachfrage der<br />

<strong>Pirouette</strong> sagt der inzwischen nicht mehr als<br />

Trainer aktive Europameister von 1981, dass er<br />

bei den damaligen Spitzenläufern Abitbol, Laetitia<br />

Hubert und Laurent Tobel zu beliebt geworden<br />

war und außerdem Beyer nachts im Mädchenzimmer<br />

eines früheren Ferienlagers erwischt<br />

hatte. Beyer verbietet Abitbol einen<br />

Wechsel nach Nizza, denn dann würde sie nicht<br />

mehr gefördert. Beyer übernimmt das Trockentraining,<br />

zwingt die Mädchen, die Beine extrem<br />

zu spreizen, und stellt sich immer so, dass er<br />

dazwischen blicken kann. Keine Läuferin mag<br />

das, aber niemand sagt etwas. Lange Hosen wie<br />

für die männlichen Läufer sind nicht erlaubt,<br />

außerdem bekommen sie Klapse auf den Po.<br />

Im Sommertraining im westfranzösischen La Roche-sur-Yon<br />

1990, als sie 14 ist, eskaliert die Situation.<br />

Beyer kommt unter dem Vorwand, er<br />

müsse aufpassen, dass die Mädchen nicht in das<br />

Jungenzimmer einen Stock tiefer gehen, jede<br />

Nacht in das Mädchenzimmer und vergeht sich<br />

an Abitbol. Sie riecht seine Parfumsorte und ist<br />

seitdem dagegen allergisch. Im Buch klagt sie ihn<br />

an, warum er das tue, obwohl er verheiratet sei<br />

und seine Ehefrau ein paar Zimmer weiter<br />

schläft. Aber damals war sie gelähmt vor Angst,<br />

ließ alles über sich ergehen und beschreibt es<br />

recht drastisch und ausführlich. Später missbrauchte<br />

Beyer sie mehrfach in der Tiefgarage,<br />

den Umkleidekabinen und einem leeren Zimmer<br />

der Eishalle Sonia Henie in Paris mit Liege, zu<br />

dem nur er einen Schlüssel hatte. Sie bringt es<br />

nicht über das Herz, ihre Eltern einzuweihen, weil<br />

sie ihren Traum weiterleben wollte, einmal so erfolgreich<br />

wie ihr Idol Katarina Witt zu werden.<br />

Aber „mein innerer Motor steht still“, schreibt sie.<br />

Als der Verband eine Paarlaufsichtung macht,<br />

meldete sie sich sofort an, weil für die Paare<br />

nicht Beyer zuständig war, sondern Jean-Rolland<br />

Racle, Mit ihm kam sie gut zurecht und erfuhr<br />

erst viele Jahre später, dass er andere Läuferinnen<br />

missbrauchte. Auf ihre Initiative lief sie<br />

dann von 1992 bis 2003 mit Stéphane Bernadis,<br />

der sie gut behandelte, „wie ein Feder hob“ und<br />

mit harter Arbeit eine einmalige Chance sah,<br />

trotz zunächst mangelnder Eleganz Karriere zu<br />

machen. Einige Jahre war das Duo auch glücklich<br />

privat liiert. Mit ihm gewann sie sieben<br />

EM-Medaillen und 2000 eine WM-Medaille.<br />

Auch ihn weihte sie nicht in ihre Vergangenheit<br />

ein. Einige Anekdoten aus dieser Zeit gibt sie<br />

zum Besten, spricht zum Beispiel über den dreifachen<br />

Wurfaxel, über korrupte Preisrichter und<br />

das Messerattentat auf Bernadis bei der WM<br />

2000 in Nizza.<br />

Ausführlich behandelt sie ihren Achillessehnenriss<br />

eine Woche vor Beginn der Olympischen<br />

Spiele 2002 in den USA. Der Verband habe eine<br />

fachlich ungeeignete Ärztin gehabt, die sie nur<br />

dank einer privater Liaison behandeln durfte.<br />

Ein hoher Verbandsvertreter, den sie nicht namentlich<br />

nennt (als sie das Buch schrieb, waren<br />

noch alle fest im Sattel) habe ihr gesagt, sie<br />

müsse schweigen und dürfe so lange nicht zurück<br />

nach Frankreich zur kurzfristigen Behandlung,<br />

bis die französische Preisrichterin (Marie<br />

Reine Le Gougne) für Olympia ausgelost war.<br />

Dies gelte, obwohl bei einem Achillessehnenriss<br />

schnell gehandelt werden muss, um Spätschäden<br />

zu vermeiden. Er sei kaum an ihrer Verletzung<br />

interessiert gewesen, sondern nur an der<br />

Politik. Denn er erklärte ihr, diese Preisrichterin<br />

sollte beim Gold im Paarlaufen für die Russen<br />

und gegen die Kanadier stimmen, damit beim<br />

Tanzen als Gegenleistung die Litauerin für die<br />

Franzosen Anissina/Peizerat stimmte. Diese Geschichte<br />

löste bekanntlich den Preisrichterskandal<br />

von Salt Lake City aus. Im französischen<br />

Krankenhauszimmer habe Bernadis tagelang<br />

auf dem Boden übernachtet und ihr beigestanden,<br />

aber vom Verband habe sich nie jemand<br />

gemeldet. Man fand heraus, dass die ungeeignete<br />

Ärztin ihr bei den ersten leichten<br />

Schmerzen eine falsche Cortisonspritze gegeben<br />

habe, die den Sehnenriss zwei Tage später<br />

noch förderte.<br />

Abitbol und Bernadis kamen ein Jahr später<br />

noch einmal in Form und holten bei der EM<br />

2003 Silber. Didier Gailhaguet habe ihnen beim<br />

Empfang mit den Worten gratuliert, er habe<br />

schon immer gewusst, dass sie wieder in Form<br />

kommen. Abitbol schreibt sarkastisch, das habe<br />

er aber ein Jahr lang vergessen zu sagen, als sie<br />

eine schwere Zeit durchmachten. Bei der WM<br />

2003 hatte sie eine Panikattacke und brach die<br />

Kür zunächst ab, ließ sich dann aber vom Trainer<br />

überreden, noch einmal von vorne anzufangen.<br />

Dann beendeten sie ihre ISU-Karriere und<br />

liefen, privat kein Paar mehr, einige Jahre bei<br />

Holiday on Ice und in anderen Shows. Eine Holiday-Show<br />

in Deutschland im September 2004<br />

brach sie nach erneuter Panikattacke ab. Sie<br />

hatte Selbstmordgedanken, aber ein befreundeter<br />

Tischtennisspieler richtete sie wieder auf.<br />

Schließlich erzählte sie ihm und ihren Eltern alles,<br />

die ganz entsetzt waren, weil sie Beyer voll<br />

vertraut hatten. Aber die Taten waren schon<br />

verjährt, so dass eine gerichtliche Klage keinen<br />

Sinn machte. Vorher hatte sie aus Scham geschwiegen.<br />

Sie lief später wieder mit Bernadis in Shows,<br />

weigerte sich aber, bei den Galas der Trophée<br />

Bompard mitzumachen, die Beyer moderierte.<br />

Sie stellte eine eigene Konkurrenzshow namens<br />

„Rèves de Glace“ (Träume auf dem Eis) auf kleinen<br />

Eisflächen in Stadtzentren auf die Beine.<br />

Dort lernte sie den neun Jahre jüngeren Paarläufer<br />

Jean-Louis Lacaille kennen, in den sie<br />

sich verliebte und den sie 2010 heiratete. 2011<br />

wurde Tochter Stella geboren. Etwa ab 2012 begann<br />

das Paar mit Projekten in Miami. 2016 sah<br />

sie Beyer zufällig in einem Restaurant in Paris<br />

mit einer ganz jungen Eisläuferin. Dies bestätigte<br />

ihre Idee, ein Buch zu schreiben, um andere<br />

Läuferinnen zu warnen. Sie traf die Einzelläuferin<br />

Laetitia Hubert, die wohl ebenfalls jahrelang<br />

von Beyer misshandelt worden war und als Trainerin<br />

in Albertville arbeitet. Aber diese wollte<br />

die ganze Geschichte nicht öffentlich machten,<br />

weil sie zu viel Stress fürchtete. Die #MeToo-<br />

Bewegung und die Enthüllungen im Fall des<br />

Hollywood-Produzenten Harvey Weinstein ermutigten<br />

sie zusätzlich, das Schweigen zu brechen,<br />

zuletzt auch noch die vom Verband vertuschte<br />

Affäre von Morgan Ciprès. Ihr Schlusssatz:<br />

Sie wolle sich nicht rächen, sondern verhindern,<br />

dass andere Mädchen und ihre Tochter<br />

Stella Ähnliches erleiden müssten.<br />

„Un si long silence“ ist als Taschenbuch<br />

im Verlag Plon in Frankreich unter der ISBN<br />

978-2-259-28264-2 erschienen und kostet<br />

17 Euro. Auf Nachfrage der <strong>Pirouette</strong> schrieb<br />

Sarah Abitbol, eine Übersetzung in die deutsche<br />

Sprache sei wohl nicht geplant, aber<br />

vielleicht eine englischsprachige Version,<br />

falls sich ein Verlag und ein/e qualifizierte/r<br />

Übersetzer/in finden.<br />

Empfehlenswert!<br />

Webseite mit vielen Interviews, Fotos<br />

und Reportagen, die in der <strong>Pirouette</strong> nicht<br />

untergebracht werden konnten.<br />

Scan<br />

mich!<br />

www.figureskating-online.com


27<br />

Worüber das<br />

Eis schweigt<br />

Alexei Mishins Erinnerungen<br />

Alexei Mishin ist einer der bekanntesten und erfolgreichsten<br />

Eiskunstlauftrainer der Welt. Auch im Alter von mittlerweile<br />

79 Jahren ist er als Trainer aktiv und hat Freude an der Arbeit mit<br />

Topläufern wie Elizaveta Tuktamysheva, aber auch mit Kindern<br />

und Jugendlichen.<br />

Alexei Mishin<br />

Buchrezension<br />

Seinem Buch „Worüber das Eis schweigt“ stellt<br />

Mishin voran, dass es nicht über ihn, sondern<br />

über die Welt des Eiskunstlaufs sei, in die er vor<br />

mehr als 60 Jahren eintrat. Damit hat er die<br />

komplette Entwicklung des modernen Eiskunstlaufs<br />

nicht nur verfolgt und begleitet, sondern<br />

auch maßgeblich gestaltet. Darüber ist in diesem<br />

Buch einiges zu erfahren. Den ersten Teil widmet<br />

der Autor seiner Jugend und seiner sportlichen<br />

Karriere. Geboren wurde er im März 1941 in Sevastopol<br />

auf der Krim, also wenige Monate bevor<br />

Deutschland im Zweiten Weltkrieg die Sowjetunion<br />

angriff, in eine Lehrerfamilie. Die Mutter<br />

unterrichtete Russisch, der Vater war Hochschullehrer<br />

für Mathematik und Physik. Mishin<br />

erinnert sich, dass Puffer aus Kartoffelschalen in<br />

Kriegszeiten eine Delikatesse waren. Und als sein<br />

Vater auf Fronturlaub einmal Schokolade mitbrachte,<br />

wusste der kleine Junge nicht einmal,<br />

was das war. Später zog die Familie für einige<br />

Jahre nach Tiflis in Georgien und schließlich<br />

nach St. Petersburg. Als Jugendlicher trieb Mishin<br />

allerlei Unfug, im Winter schnallte er sich<br />

Kufen unter und ließ sich von Lastwagen über<br />

die Straße ziehen. Dieser und andere Streiche<br />

führten dazu, dass die Eltern den 15-Jährigen<br />

zum Eislauftraining schickten, damit er von der<br />

Straße wegkam. „Zwei Umstände führten zu<br />

meiner zukünftigen sportlichen Spezialisierung.<br />

Erstens liebt es mein Vater selbst in seiner Jugend,<br />

mit meiner Mutter Eis zu laufen (….).<br />

Zweitens hatte der Vater Kufen gekauft.“ Die<br />

montierte er selbst auf gewöhnliche Halbschuhe.<br />

Die Anfänge waren also mehr als bescheiden,<br />

aber Mishin, der mit Stolz vermerkt, dass seine<br />

erste Trainerin eine Schülerin des legendären<br />

ersten russischen Eiskunstlauf-Olympiasiegers<br />

Nikolai Panin-Kolomenkin war, zeigte Talent. Als<br />

Einzelläufer brachte er es in die nationale Spitze,<br />

aber der Durchbruch gelang ihm als Paarläufer<br />

mit Tamara Moskvina. Dabei begannen sie ihre<br />

gemeinsame Karriere erst im „fortgeschrittenen“<br />

Alter von 24 Jahren. Seine größten Erfolge feierte<br />

das Duo 1969, als sie Medaillen bei der EM<br />

und WM gewannen und bei der sowjetischen<br />

Meisterschaft gar Gold vor den damaligen Stars<br />

Belusova/Protopopov. Nach der erfolgreichen<br />

Saison begann Mishin seine Karriere als Wissenschaftler<br />

(er ist heute Professor) und Trainer.<br />

Bereits als Läufer hatte er großes Interesse an<br />

den biomechanischen Abläufen im Eiskunstlauf.<br />

Sein Vater, der Physiker, half ihm dabei, den<br />

Kern zu erkennen, dass<br />

belebte und unbelebte<br />

Körper letztendlich<br />

denselben mechanischen<br />

Gesetzen unterliegen.<br />

Schon früh<br />

bastelten Vater und<br />

Sohn eine Kamera,<br />

mit deren Hilfe sie<br />

Trainingsprozesse<br />

aufzeichneten und<br />

analysierten. In einem<br />

Kapitel des<br />

Buchs geht Mishin<br />

auf seine theoretischen Grundlagen<br />

des Eiskunstlaufs ein, die er auch in mehreren<br />

Fachbüchern vermittelt. Von Anfang an lag sein<br />

Augenmerk auf der Entwicklung der Sprünge.<br />

Seine Rotations- und andere Übungen, seine<br />

Methodik und von ihm entwickelte Trainingsgeräte<br />

fanden ihren Weg in die Welt.<br />

Mit seinem typischen Humor berichtet der Trainer<br />

von seiner ersten Reise in die USA zu Trainer<br />

Carlo Fassi im Jahr 1972, auf der er den<br />

Läufer Sergei Tchetverukhin begleitete. Danach<br />

aber erhielt Mishin ein Ausreiseverbot und durfte<br />

seine Schüler nicht zu Meisterschaften und<br />

den Olympischen Spielen 1976 begleiten. Die<br />

Funktionäre hatten offenbar Sorge, dass er sich<br />

ins Ausland absetzen würde.<br />

Der Trainer schreibt ausführlich über seine bekanntesten<br />

Schüler. Alexei Urmanov war sein<br />

erster Läufer, der einen Vierfachsprung erlernte<br />

und sein erster Olympiasieger. Mishin hätte ihm<br />

noch mehr Medaillen und Titel zugetraut, wenn<br />

er sich nicht 1997 bei der WM an der Leiste<br />

verletzt hätte. Der Coach hebt Alexei Yagudins<br />

kämpferische Qualitäten hervor. Den meisten<br />

Raum gibt Mishin seinen Lieblingsschülern Evgeni<br />

Plushenko und Lisa Tuktamysheva. Er erzählt<br />

von ihren Siegen und Niederlagen und<br />

was seiner Meinung nach dahintersteckte. Warum<br />

aber Tuktamysheva nach ihrem Triumph<br />

2015 drei Jahre lang den Anschluss an die Spitze<br />

verlor, kann auch der Maestro nicht erklären.<br />

Er lobt sie für ihre Klugheit, Persönlichkeit und<br />

ihr sportliches Talent. Mishin würdigt Plushenko<br />

als einen großartigen Sportler, Künstler und<br />

Menschen, der sich ihm gegenüber stets korrekt<br />

verhielt und verhält. Interessant ist die Schilderung<br />

der Rivalität zwischen Yagudin und Plushenko.<br />

Der Leser erfährt<br />

auch etwas über das Privatleben Mishins,<br />

der seine ehemalige Schülerin Tatiana Oleneva<br />

heiratete und mit der er bis heute ein erfolgreiches<br />

berufliches und privates Tandem bildet. Die<br />

zwei Söhne des Paares spielten allerdings Tennis<br />

und sind heute Tennislehrer.<br />

Stets aktiv und jung geblieben, denkt Mishin<br />

nicht an den Ruhestand: „Mein Plan ist denkbar<br />

einfach. Morgens aufwachen und sich gut<br />

fühlen. Anziehen, frühstücken, ins Auto springen<br />

und zur Eishalle fahren. In die Programme,<br />

Sprünge, <strong>Pirouette</strong>n, Erfolge und Niederlagen<br />

der Schüler eintauchen. Zu Wettbewerben fahren.<br />

Dissertations-Manuskripte lesen, ein Kapitel<br />

in meinen Memoiren schreiben. Auf die<br />

Datscha fahren (…) Bäume pflanzen (…) Tennis<br />

spielen, ins Fitnesszentrum gehen und sich dabei<br />

ein neues Trainingsgerät ausdenken (…)<br />

Und wenn am Ende dann noch eine Medaille<br />

herausspringt, ist das toll.“ Sein Vater, der 95<br />

wurde, habe gesagt, es gebe keine Alten, sondern<br />

nur Langlebige.<br />

Fazit: Mishins Erinnerungen sind eine spannende<br />

Zeitreise von den Anfängen des sowjetischen<br />

Eiskunstlaufs (Zeiten, die heute so<br />

fern erscheinen, aber deren Spuren nicht<br />

verwischt sind) bis in die Gegenwart. Der legendäre<br />

Trainer schreibt interessant und humorvoll.<br />

Schüler und Weggefährten kommen<br />

ebenfalls zu Wort. Das Buch (318 Seiten,<br />

mit Farb- und schwarz-weiß Fotos, ISBN<br />

978-5-04-088686-9) ist aktuell nur auf<br />

Russisch erhältlich, aber eine englische<br />

Übersetzung ist in Arbeit. Tatjana Flade


28<br />

Die Grundfiguren<br />

Eislaufgeschichte<br />

Dr Carl Korper von Marienwerth<br />

Das Eiskunstlaufen besteht aus Grundfiguren,<br />

die die Basis jedes Programms<br />

bilden und auf die sich alle Elemente zurückführen<br />

lassen. Dies erkannte im Jahr<br />

1881 der Autor des ersten Lehrbuchs der<br />

„Wiener Schule“, Rechtsanwalt Dr. Karl<br />

Korper von Marienwerth (1840-1911).<br />

Korper gehörte 1867 zu den Mitbegründern<br />

und fungierte ab 1875 als Präsident<br />

des Wiener Eislauf-Vereins. Er war geteilter<br />

Sieger im vom 6. bis 7. Januar 1872<br />

ausgetragenen ersten europäischen Eiskunstlauf-Wettbewerb<br />

– dem „Internationalen<br />

Eissporttag“.<br />

In seinem im Jahr 1881 im Verlag „Alfred<br />

Hölder“ erschienenen Werk „Spuren auf dem<br />

Eise“ definierte er Bogen, Schlangenbogen,<br />

Dreier, Doppeldreier und Schlingen als Grundfiguren.<br />

Der Gegendreier galt damals als „verkehrter<br />

Dreier“ und bildete noch eine Sonderform<br />

des Dreiers. Wende und Gegenwende<br />

wurden erst zu anerkannten Grundfiguren,<br />

als der zweifache Europameister Eduard Engelmann<br />

(1864-1944) diese in Großbritannien<br />

für das Gruppenlaufen von Figurenkombinationen<br />

entwickelten Drehungen am Beginn<br />

der 1890er Jahre in Wien erfolgreich propagierte.<br />

Als erster Läufer vermochte Gilbert<br />

Fuchs (1871-1952), diese ab 1895 „einkantig“,<br />

also ohne Kantenwechsel, auszuführen.<br />

Bis zu diesem Zeitpunkt setzen sie sich aus<br />

der Kombination von Kreisbogen mit Dreier<br />

und Schlangenbogen zusammen. Entsprechend<br />

der Kanten ein- und auswärts, der<br />

Richtungen vor- und rückwärts und des ausführenden<br />

Fußes links und rechts werden jeweils<br />

acht Arten der Grundfiguren unterschieden.<br />

Die Grundfiguren erhielten Kreisform<br />

und wurden als Achter oder mit Schlangenbogen<br />

als Paragraphen ausgeführt. Auf<br />

diese Weise entstand ein ganzes System von<br />

Kombinationsfiguren.<br />

Als Praxistest wurde das „Internationale<br />

Preis-Figuren-Eislaufen“ vom 21. – 23. Januar<br />

1882 in Wien veranstaltet, das aus drei Abteilungen<br />

bestand. Neben dem Vorführen einer<br />

Spezialfigur und dem „Einzellaufen ohne<br />

programmmäßige Beschränkung“ (Kür) mussten<br />

23 Figuren auf jedem Fuß mit dreimaliger<br />

Wiederholung dargeboten werden. Jeder einzelnen<br />

Figur wurde in der Ausschreibung eine<br />

Wertquote zwischen 1 und 5 zugeordnet. Diese<br />

mussten mit der vergebenen <strong>No</strong>te im Spektrum<br />

1 bis 3 multipliziert werden. Die Gesamtpunktzahl<br />

entschied über die Platzierung in diesem<br />

Wettbewerbsteil. Die Ausschreibung ging als<br />

„Wiener Programm“ in die Geschichte ein und<br />

bildete im Jahr 1890 die Basis der Wettlauf-<br />

Ordnung des Deutsch-Österreichischen Eislaufverbandes,<br />

die man auch für die ersten ISU-<br />

Wettbewerbe nutzte. Diese bildete die Verhandlungsgrundlage<br />

eines 1895 vom 2. ISU-Kongress<br />

eingesetzten Ausschusses zur Ausarbeitung eines<br />

international verbindlichen Regelwerks.<br />

Dem Ausschuss gehörten Tibor von Földváry<br />

(Budapest), Robert Holletschek (Troppau), Dr.<br />

Oskar Bohn (Berlin), Ivor Hult (Stockholm) und<br />

Karl Fillunger (Wien) an, alles Personen aus den<br />

oberen Schichten der Gesellschaft. Die Meinung<br />

von Edgar Syers (London) sollte eingeholt werden.<br />

Die im Jahr 1897 beschlossene Wettlaufordnung<br />

der ISU enthielt ein Verzeichnis von 69<br />

Pflichtfiguren mit Wertzahlen.<br />

Eine andere Verbindung von Grundfiguren stellen<br />

Spezialfiguren (wie Sterne, Glocken, Kreuze,<br />

Blüten, Buchstaben), Schritte (z.B. Engländer,<br />

Amerikaner, Choctaw, Mohawk) und Schrittfolgen<br />

(z.B. Reben, Tänze) dar. Auch die Kürelemente<br />

basieren auf den Grundfiguren. So bestehen<br />

<strong>Pirouette</strong>n aus fortgesetzt ausgeführten<br />

Mini-Schlingen. Selbst Sprünge sind eigentlich<br />

in der Luft ausgeführte Figuren bzw. Schritte.<br />

Die Herausbildung der<br />

Bogen<br />

Älteste Grundfigur ist der Bogen als fortgesetztes<br />

Gleiten auf einer Kante der Kufe. Die Entwicklung<br />

war an die Einführung eines Schlittschuhmodells<br />

mit in einer Holzsohle eingelassenen<br />

Eisenkufe im 13. Jahrhundert in den Niederlanden<br />

gebunden. Im Gegensatz zu den bisher<br />

verwendeten Knochengleitern erlaubte die Eisenkufe<br />

einen Abstoß mittels Abdruck von der<br />

Kante der Kufe. Der Einsatz von Stöcken zur<br />

Fortbewegung entfiel. Man reihte damals hauptsächlich<br />

flache Bogen mit Fußwechsel aneinander.<br />

Diese Bogenfolgen werden noch heute als<br />

„holländern“ bezeichnet. Die kurze Kufenauslegung<br />

behinderte aber das Rückwärtslaufen.<br />

Schlangenbogen und Dreier<br />

Der Schlangenbogen sowie der Dreier vorwärts<br />

auswärts wurden im ersten bekannten Eislauflehrbuch<br />

der Welt „A Treatise on Skating“ (Abhandlung<br />

über das Eislaufen) von Robert Jones<br />

dokumentiert. Es erschien im Jahr 1772 im Verlag<br />

William Cole London und war Zeugnis des<br />

grazilen „Kavalierstils“ mit Beschreibungen von<br />

Figuren, Figurenkombinationen, Elementen wie<br />

Mond, Fechter, Spirale und Manövern (z.B. Salu-<br />

tieren) sowie von Ausführungsbestimmungen.<br />

Das Laufen von Figuren und die Darbietung<br />

von Elementen als eine „Gentle Art“ bildete<br />

einen Code über die gesellschaftliche Stellung<br />

und diente der Abgrenzung vom volkstümlichen<br />

Eislaufen. Mit seinem Lehrbuch gilt Jones<br />

als Erfinder und erster Promoter des Figurenlaufens<br />

auf dem Eis. Die Ausführung eines<br />

Schlangenbogens – Jones spricht von einer<br />

„serpentine line“ – beeinhaltet einen Wechsel<br />

der Bogenart einwärts auf auswärts oder umgekehrt<br />

in fortgesetzter Laufrichtung. Bei einem<br />

Dreier erfolgt ein Wechsel der Laufrichtung<br />

durch eine halbe Drehung auf einem<br />

Bein von vorwärts nach rückwärts über die<br />

Spitze oder von rückwärts nach vorwärts über<br />

die Ferse mit Kantenwechsel. Jones bezeichnete<br />

den Dreier auf Grund seines Spurenbilds<br />

als „figure of a heart on one leg“. Robert Jones<br />

wurde um 1740 als Sohn eines Schneiders<br />

in <strong>No</strong>rdwales geboren. Als Enthusiast für<br />

Feuerwerke und Schießpulver erhielt er das<br />

Angebot, Mitglied der Royal Artillery in der<br />

Kaserne von Woolwich zu werden, und stieg<br />

zum Lieutenant gesellschaftlich auf. Im Juli<br />

1772 endete seine steile Laufbahn, als Jones<br />

im Old Bailey für sexuellen Missbrauch an einem<br />

dreizehnjährigen Jungen zum Tode verurteilt<br />

und im Newgate-Gefängnis inhaftiert<br />

Eiskunstlauf-Pionier<br />

Henry Eugene Vandervell


wurde. Aufgrund seiner großen Popularität als<br />

Eislauf-Propagandist begnadigte ihn König<br />

George III. am 12. September 1772 unter der<br />

Bedingung, dass er das Land verlässt. Jones<br />

lebte daraufhin in Südfrankreich. Am 06. Dezember<br />

1788 berichtete die „Times“, dass Jones<br />

als Söldner in der Türkei in Erscheinung<br />

trat, wo er bei einem Militäreinsatz ums Leben<br />

gekommen sein soll. Das von Jones erfundene<br />

Schlittschuhmodell, bei dem neben Riemen<br />

ein Absatzsporn zur besseren Befestigung<br />

diente, wurde von der Firma „Riccard‘s Manufactory“<br />

vermarktet.<br />

Doppeldreier und Schlinge<br />

Die Ausführung von weiteren Figuren war an<br />

Veränderungen der Kufengestaltung gebunden.<br />

Als führender Exponent des Figurenlaufes und<br />

Gründungsmitglied der „Oxford Skating Society“<br />

stellte Henry Boswell im Jahr 1837 den ersten<br />

speziell für das Figurenlaufen entwickelten<br />

„Holz-Eisen-Schlittschuh“ vor. Die Laufschiene<br />

seines „Club Skates“ war bis zu dem Absatzende<br />

verlängert, erhöht und leicht gekrümmt. Boswell<br />

soll sämtliche Bogenarten, Formen des Dreiers,<br />

den um 1825 entwickelten Doppeldreier und die<br />

als „kanadische Erfindung“ bezeichnete Schlinge<br />

29<br />

Eislaufgeschichte Die Grundfiguren<br />

Robert Jones<br />

Die Schlittschuhe von Robert Jones, Quellen: www.skateguard1.blogspot.com<br />

Grundfiguren des Eiskunstlaufens<br />

beherrscht haben. Die Schlinge ist eine Drehung<br />

auf einem Fuß auf einer Kante um 360°<br />

mit schlingenförmigem Spurenbild ohne Richtungswechsel.<br />

Boswell gilt als der erste Eislauf-Professional,<br />

der sich auf den ab 1841<br />

neu entwickelten Londoner Eisersatz-Bahnen,<br />

die man Glaciarium nannte, produzierte.<br />

Der Doppeldreier wurde erstmalig vom<br />

Präsidenten des 1830 gegründeten<br />

Glasgower Eislauf-Vereins, George Anderson<br />

(1819-1896), in seinem 1852 unter<br />

dem Pseudonym Cyclos erschienenen<br />

Buch „The Art of Skating“ als „United<br />

Three“ beschrieben. Er beinhaltet eine<br />

Kombination eines Vorwärts- mit einem<br />

Rückwärts-Dreier.<br />

Wende, Gegenwende,<br />

Gegendreier<br />

Auch die Grundfiguren Wende, Gegenwende<br />

und Gegendreier wurden in den<br />

Eislauf-Clubs in Großbritannien ausgearbeitet,<br />

die das Gruppenlaufen von Kombinationsfiguren<br />

pflegten. Dieses verlangte nach<br />

Entwicklung immer neuer Figuren und Schritte,<br />

was sich vor allem Henry Eugene Vandervell<br />

(1824-1908) zur Aufgabe machte. Die<br />

Das „Club Skate“-Modell von Henri Boswell<br />

Quelle: Henry Eugene Vandervell & Thomas Maxwell<br />

Witham „A System of Figure Skating“ (1869)<br />

von ihm entwickelte Systematik des Eislaufs<br />

stellte die erste definierte Theorie und Methodik<br />

des Eislaufens sowie einen Versuch<br />

dar, Ordnung ins „eislauftechnische Chaos“<br />

zu bringen. Das „Vandervellsche System“<br />

wurde 1869 in seinem mit Thomas Maxwell<br />

Witham verfassten Lehrbuch „System<br />

of Figure-Skating“, Verlag „Mac<br />

Millan and Co“, vorgestellt. Mehrere<br />

überarbeitete Auflagen folgten bis<br />

1897. Vandervell und Witham waren<br />

Mitglieder im Skating-Club London. Sie analysierten<br />

sämtliche bekannte Figuren nach:<br />

Bogenarten, Bogenkombinationen, Gruppenfiguren,<br />

Schlingen und Schritten („Alternating<br />

Movements“). Elemente, die nicht<br />

dem Konzept des „English Figuring“ entsprachen,<br />

erschienen abgewertet im Kapitel<br />

„<strong>No</strong>ndescript Figures“. Sie zeichneten<br />

Spurenbilder und definierten Ausführungsbestimmungen.<br />

In die überarbeiteten<br />

Auflagen flossen aktuelle britische<br />

Figureninnovationen, aber auch<br />

im Ausland erfundene Elemente und<br />

Figuren über Auswertung von Lehrbüchern<br />

ein. Die Erstausgabe 1869 enthält<br />

im Kapitel „Alternating Movements“ eine<br />

erste Beschreibung der um 1860 von Vandervell<br />

erfundenen Gegenwende. Vandervell


30<br />

Grundfiguren des Eiskunstlaufens<br />

Eislaufgeschichte<br />

arbeitete als Börsenmakler und lebte in großem<br />

Wohlstand in der Aldridge Road 28. Nach dem<br />

Tod seiner ersten Frau heiratete Vandervell im<br />

Jahr 1869 die 26 Jahre jüngere Fanny Thornton,<br />

mit der er fünf Kinder hatte. Vandervell war<br />

langjähriger Vorsitzender des Ice Figure Committee‘s<br />

der National Skating Association – des<br />

1879 gegründeten, weltweit ersten Eislauf-Landesverbandes.<br />

Zu seinen weiteren Verdiensten<br />

gehört die Entwicklung und Einführung von<br />

dreistufigem Testlaufen (Gold / Silber / Bronze)<br />

- die Vandervell-Tests - im Jahr 1880. Für seine<br />

Verdienste als „Eiskunstlauf-Pionier“ wurde<br />

Vandervell im Jahr 2015 posthum in die „Hall of<br />

Fame“ des Eiskunstlaufs berufen.<br />

Die Wende wurde um 1878 bis 1881 durch die<br />

Studenten Montague Sneade Monier-Williams<br />

(1860-1931) und Winter Randall Pidgeon<br />

(1860-1926) ausgearbeitet. Sie gehörten dem<br />

1880 gegründeten „Oxford University Skating<br />

Club“ an. Die Wende beinhaltet einen Wechsel<br />

der Laufrichtung durch eine halbe Drehung auf<br />

einem Fuß in Richtung des Einlaufbogens ohne<br />

Kantenwechsel. Einlauf- und Auslaufbogen sind<br />

entgegengesetzt. 1883 wurde die Wende - damals<br />

als „Three Quarter Turn“ bezeichnet - in<br />

Monier-Williams Lehrbuch „Combined Figure<br />

Skating“ dokumentiert. Bei der Gegenwende erfolgt<br />

der Wechsel der Laufrichtung entgegen<br />

der Richtung des Einlaufbogens ohne Kantenwechsel.<br />

Monier-Williams eröffnete eine Arztpraxis<br />

im Londoner Stadtteil Onslow Gardens<br />

und arbeitete später in der Chelsea Clinic of<br />

Physical Education. 1927 zog er sich in die berühmte<br />

Künstlergemeinde Collioure in den Pyrenäen<br />

zurück und führte danach die von Émile<br />

Coué entwickelte therapeutische Behandlungsmethode<br />

der Autosuggestion in Großbritannien<br />

ein. Monier-Williams war Mitglied im Wimbledon<br />

Skating Club und wirkte zudem als Vizepräsident<br />

der National Skating Association.<br />

Winter Randall Pidgeon führte nach dem Ingenieurstudium<br />

eine Bürstenfabrik in London und<br />

kurz vor dem Ersten Weltkrieg mit großem Erfolg<br />

die „British Vacuum Cleaner Company Ltd.“<br />

Er war zudem ein berühmter Erfinder. Eine Influenzmaschine<br />

– ein elektrostatischer Generator,<br />

der zur Spannungserzeugung das Prinzip<br />

der Trennung elektrischer Ladungen durch Influenz<br />

nutzt - trägt seinen Namen. Pidgeon<br />

lebte mit seiner Frau Mary Constance Heap in<br />

South Paddington und gehörte ebenfalls zu den<br />

angesehensten Mitgliedern im Wimbledon Skating<br />

Club. 1892 veröffentlichte er in Zusammenarbeit<br />

mit Montagu Sneade Monier-Williams<br />

und Arthur Dryden das Lehrbuch „Figure-<br />

Skating Simple and Combined“.<br />

Den Gegendreier entdeckte Thomas Maxwell<br />

Witham auf Rollschuhen. Der Gegendreier bezeichnet<br />

den Wechsel der Laufrichtung durch<br />

eine halbe Drehung auf einem Fuß von vorwärts<br />

nach rückwärts über die Spitze oder von rückwärts<br />

nach vorwärts über die Ferse mit Kantenwechsel<br />

entgegen der Drehrichtung des Einlaufbogens.<br />

Im Jahre 1880 dokumentierte Witham<br />

seine Erfindung mit einer entsprechenden Spurenbildzeichnung<br />

in der Zeitschrift „The Field“.<br />

Thomas Maxwell Witham war ein Jurist und<br />

wurde im Jahr 1857 durch die Anwaltskammer<br />

Middle Temple als Barrister (eine Version von<br />

Anwalt) zugelassen.<br />

Bis 1990 bildete die Pflicht einen Bestandteil<br />

des Wettkampfprogramms im Einzellaufen.<br />

Nach deren Abschaffung spielen die Grundfiguren<br />

heute vor allem in der geforderten Schrittfolge<br />

eine wichtige Rolle. Die Anzahl verschiedenartiger<br />

Drehungen pro Fuß kombiniert in einem<br />

Cluster bilden Features zur Levelvergabe.<br />

Weitere Kriterien sind die Ausführung der Figuren<br />

im Takt sowie zur Interpretation der Musik<br />

mittels Einbindung in plastische Verfahren, was<br />

eine enorme Erhöhung des Schwierigkeitsgrads<br />

darstellt. Die Erfinder der Grundfiguren würden<br />

über diese Komplexität staunen.<br />

<br />

Dr. Matthias Hampe<br />

Neues aus aller Welt<br />

Neues Paar Knierim/Frazier<br />

Wie schon im Aprilheft der <strong>Pirouette</strong> vermutet,<br />

laufen Alexa Knierim und Brandon Frazier nach<br />

dreitägigem Probetraining kurz vor der Schließung<br />

aller Eishallen als neues US-amerikanisches<br />

Paarlaufpaar zusammen. Knierim war bis<br />

Februar <strong>2020</strong> mit ihrem Ehemann Chris Knierim<br />

gestartet, der nach offensichtlich nicht überwind<br />

baren Sprungschwächen nach der Vier-<br />

Kontinente-Meisterschaft das Handtuch warf.<br />

Privat versteht sich das seit 2016 verheiratete<br />

Paar aber weiterhin sehr gut. Frazier war bis zu<br />

den US-Meisterschaften <strong>2020</strong> mit Haven<br />

Denney gelaufen und bis Februar <strong>2020</strong> auch<br />

privat mit ihr liiert, aber auch sie konnte seit einer<br />

schweren Verletzung vor einigen Jahren keine<br />

beständige Leistung mehr bringen und spielte<br />

ohnehin mit dem Gedanken, ihre Karriere zu<br />

beenden. Frazier, ein alter Kumpel von Chris<br />

Knierim aus gemeinsamen Trainingsjahren in<br />

Colorado Springs, zog von Florida nach Irvine in<br />

Kalifornien und das neue Paar wird bei Jenni<br />

Meno, Todd Sand und Chris Knierim trainieren.<br />

Ziel sind natürlich die Olympischen Spiele 2022.<br />

Getrennt hat sich dagegen das US-Paar Nica Digerness<br />

und Danny Neudecker aus Colorado<br />

Springs, Sechste bei Skate America 2018, aber<br />

nur Neunte der US-Meisterschaften <strong>2020</strong>.<br />

Kritik an Scott Moir<br />

Der kanadische Eistänzer Scott Moir wurde im<br />

April in den sozialen Medien und im Fernsehsender<br />

CBC heftig kritisiert, weil er die Corona-<br />

Quarantäneregel gebrochen habe. Statt zu Hause<br />

in Kanada sei er in Tampa, Florida gewesen.<br />

Aber der zweifache Eistanz-Olympiasieger antwortete<br />

seinen Kritikern, er habe keinen Urlaub<br />

gemacht. Stattdessen sei er bei seiner Verlobten<br />

Jackie Mascarin gewesen, die in Tampa als medizinische<br />

Assistentin in einer Lungen- und Coronaklinik<br />

arbeite. Er habe den Haushalt geführt,<br />

eingekauft und für sie gesorgt, wenn sie<br />

nach ihrer täglichen Arbeit erschöpft gewesen<br />

sei. „Sie ist eine von den Heldinnen, über die<br />

zurzeit so viel gesagt wird. Und als ihr Lebensgefährte<br />

sollte ich sie dabei unterstützen. Ich<br />

habe in Tampa die Quarantäneregeln eingehalten<br />

und halte sie auch in Kanada ein.“<br />

Eigentlich sollte Moir an der Eröffnungszeremonie<br />

der WM in Montreal teilnehmen, aber als<br />

die WM abgesagt wurde, habe er sich entschlossen,<br />

zu seiner Verlobten zu reisen. Ende<br />

April kehrte das Paar nach Kanada zurück. Moir<br />

habe laut CBC betont, er sei nicht mit dem<br />

Flugzeug, sondern die etwa 2000 Kilometer lange<br />

Strecke in zwei Tagesfahrten mit dem Auto<br />

zurück nach Kanada gereist. Moir: „Wir sind Kanadier<br />

und sind bald wieder zu Hause.“ Seine<br />

Tanzpartnerin Tessa Virtue war seit März bei ihrem<br />

Freund und Hockeyspieler Morgan Rielly in<br />

Vancouver. <br />

Eishalle als Leichenhaus<br />

Nicht nur in Madrid, wie im Aprilheft der <strong>Pirouette</strong><br />

berichtet, sondern auch anderswo dienen<br />

geschlossene Eishallen zurzeit als Leichenaufbewahrungsstätten,<br />

wenn mehr Menschen<br />

als sonst sterben und die üblichen Kühlhäuser<br />

der Beerdigungsinstitute überfüllt sind. Denn<br />

sie sind kalt, so dass die Körper in den Särgen<br />

nicht so schnell verwesen. Neuestes Beispiel ist<br />

das „Gardens Ice House“ in der Kleinstadt Laurel<br />

im Bundesstaat Maryland (zwischen Philadelphia<br />

und Washington), in dem mehr als<br />

1.000 Menschen an dem Coronavirus gestorben<br />

sind. In anderen Jahren hatte hier stets im <strong>Juni</strong><br />

der erste kleine nationale Eistanzwettbewerb<br />

der neuen Saison stattgefunden, die Chesapeake<br />

Open. Igor Shpilbands Paare sind dort oft<br />

ihre neuen Programme erstmals vor einer US-<br />

Jury gelaufen.<br />

Weihnachtsmärchen <strong>2020</strong><br />

Die Berliner Vereine suchen Besetzungen der<br />

Haupt- und Nebenrollen für das Weihnachtsmärchen<br />

<strong>2020</strong>, in der Hoffnung, dass sie es im<br />

Spätherbst dieses Jahres auch aufführen dürfen.<br />

Der Neusser Verein hat dagegen sein alle zwei<br />

Jahre stattfindendes Weihnachsmärchen abgesagt,<br />

weil zu wenig Zeit bleibe, um es nach der<br />

Wiedereröffnung der Halle einzustudieren. Vereinschef<br />

Ulrich Giesen sagte, dem Verein gingen<br />

dadurch mindestens 40.000 Euro Einnahmen<br />

verloren.<br />

Isabella Tobias wurde<br />

Mutter<br />

Die amerikanische Eistänzerin Isabella Tobias Lites<br />

(28), die mit ihrem letzten Tanzpartner Ilia<br />

Tkachenko von 2015 bis Ende 2017 für Israel<br />

gestartet war (unter anderem Vierte der EM<br />

2017 und 12. der WM 2017) und vorher mit anderen<br />

Partnern für andere Länder gelaufen war,<br />

und ihr Ehepartner wurden am 12. März Eltern<br />

eines Sohnes namens James Alvan Lites. Die Familie<br />

lebt inzwischen in Dallas, Texas. Tkachenko<br />

arbeitet seit 2018 als Assistenztrainer von<br />

Marina Zueva, zunächst in Canton bei Detroit<br />

und seit dem Frühjahr 2019 in der Hertz Arena<br />

in Estero nahe Naples in Südwest-Florida. krk


<strong>Pirouette</strong>: Wie haben Sie die WM-Absage<br />

aufgenommen?<br />

Victoria: Am Anfang waren wir natürlich sehr<br />

enttäuscht, denn wir hatten so viel Zeit und<br />

Kraft in die Vorbereitung der WM investiert.<br />

Aber wir verstehen, dass sich das (Coronavirus)<br />

so schnell ausgebreitet hat und leider alles geschlossen<br />

wurde.<br />

Wie kommen Sie mit der aktuellen Situation<br />

in der Corona-Krise zurecht?<br />

Nikita: Die ersten zwei Wochen sind wir auf die<br />

Datscha gefahren und haben uns dort erholt.<br />

Das war wie ein Urlaub, denn in Moskau stieg<br />

die Zahl der Infizierten stark an und uns war<br />

klar, dass das lange dauern wird. Nach zwei<br />

Wochen sind wir nach Hause zurückgekehrt und<br />

haben langsam angefangen, etwas zu tun. Vika<br />

hat sich ein Laufband gekauft und hat damit<br />

angefangen zu trainieren. Ich habe auch Übungen<br />

gemacht, so gut ich konnte. Wir haben viel<br />

Musik gehört (für eine neue Kür). Wir saßen<br />

nicht tatenlos herum, sondern haben versucht,<br />

uns persönlich weiterzuentwickeln, etwas Neues<br />

für uns zu entdecken, zu lesen, etwas anzuschauen<br />

und den Eiskunstlauf nicht zu vergessen.<br />

Es ist natürlich eine schwierige Situation.<br />

Das Schwierigste war, voneinander und von den<br />

Freunden und Eltern getrennt zu sein. In Moskau<br />

wurde ein elektronischer Passierschein eingeführt<br />

und Vika und ich konnten höchstens<br />

zusammen in ein Geschäft fahren, mit Masken<br />

und Handschuhen natürlich. Aber moralisch<br />

bauen wir uns damit auf, dass wir uns sagen, es<br />

wird alles gut werden. Das Gute ist, dass es im<br />

Internet alles Mögliche gibt, viele interessante<br />

Sachen und man kann ein neues Hobby entdecken.<br />

Ich habe zum Beispiel die Wirtschaft und<br />

die Märkte studiert, womit man sich später im<br />

Leben mal befassen könnte. Ich habe mich aber<br />

auf nichts festgelegt.<br />

Victoria: Ich habe angefangen mehr zu lesen.<br />

Victoria Sinitsina &<br />

Nikita Katsalapov<br />

»Der Kopf schaltet sich ein und du<br />

denkst nicht nur an Eiskunstlauf«<br />

Victoria Sinitsina und<br />

Nikita Katsalapov<br />

bei der EM in Graz<br />

Foto: Flade<br />

Ich habe mir auch einige Gedanken gemacht,<br />

was ich später machen könnte, aber mehr verrate<br />

ich noch nicht. Der Kopf schaltet sich ein,<br />

es ist mehr Zeit, du denkst nicht nur an den Eiskunstlauf,<br />

sondern auch über andere Dinge<br />

nach, über dein Leben und darüber, was du später<br />

machen willst. Daraus kann man sehr viel<br />

Positives ziehen.<br />

Sie konnten also gar nicht zusammen<br />

trainieren?<br />

Nikita: Nein, denn die meiste Zeit sind wir nicht<br />

zusammen.<br />

Wie sieht es mit Online-Training aus?<br />

Victoria: Ich habe ein paar Online-Trainings gemacht,<br />

aber nur für die Familie. Ich mag das<br />

nicht online machen, ich kann das nicht so weitergeben<br />

und zeigen oder selbst so trainieren.<br />

Ich habe daher vor allem alleine zu Hause trainiert,<br />

getanzt und sogar Choreographie gemacht,<br />

aber das war schwieriger.<br />

Ende <strong>Mai</strong> begann für Läufer des Nationalteams<br />

ein Trainingslager in <strong>No</strong>vogorsk bei<br />

Moskau, aber Sie lassen es aus. Warum?<br />

Nikita: Wie ich es verstehe, wird man dort auf<br />

eine bestimmte Zeit in Quarantäne gesperrt,<br />

man darf nicht raus und alles ist sehr streng.<br />

Ehrlich gesagt, wir haben uns so entschieden,<br />

weil wir nicht eingesperrt werden wollten. Wir<br />

hoffen, dass sich die Regeln hier in der Stadt<br />

bald lockern oder wir fahren in ein anderes Trainingslager,<br />

auch ohne Eis, und machen mehr<br />

Athletiktraining. Es ist eine schwierige Frage,<br />

aber wir haben uns dafür entschieden, dieses<br />

erste Trainingslager auszulassen. Wir haben<br />

jetzt noch keine Informationen, wann wir wieder<br />

voll auf dem Eis trainieren können.<br />

Wie schwer wird es, nach so einer langen<br />

Eis-Pause wieder in Form zu kommen?<br />

Nikita: Ich kann von mir sagen, dass ich schon<br />

einige schwere Verletzungen hatte. Jetzt kann<br />

ich wenigstens zu Hause trainieren und etwas<br />

machen und ich fühle mich gut dabei. Aber es<br />

Die Eistanz-Europameister Victoria Sinitsina (25) und Nikita<br />

Katsalapov (28) trafen sich mit der „<strong>Pirouette</strong>“ per Videoschalte<br />

aus ihren Wohnungen in Moskau. Katsalapov hatte gerade einen<br />

Zahnarztbesuch hinter sich, bei dem ein Zahn gezogen wurde,<br />

war aber trotzdem gerne bereit zum Interview.<br />

gab Zeiten, da lag ich nur oder saß ich nur herum,<br />

wie als ich an der Schulter operiert wurde.<br />

Da habe ich lange Zeit ausgesetzt, acht Monate.<br />

Wir haben schon einige Schwierigkeiten durchgemacht<br />

und denken, dass wir uns in Form halten<br />

und hoffen, dass es nicht so schwer sein<br />

wird. Denn wir haben jetzt immer die Möglichkeit<br />

etwas zu machen und müssen nicht nur<br />

herumsitzen. Am Anfang ist es immer schwierig,<br />

die neuen Programme zusammenzubekommen,<br />

die neuen Elemente. Dieser Prozess ist immer<br />

schwer. Urlaub ist jedenfalls nicht geplant.<br />

Sie haben sich dafür entschieden, Ihren<br />

erfolgreichen Rhythmustanz zu „Singin‘ in<br />

the Rain“ zu behalten. Warum?<br />

Victoria: Erstens werden wir sehr wenig Zeit haben,<br />

um ein neues Programm vorzubereiten.<br />

Zweitens ist dieses Programm so gut gelungen<br />

und passt so zu uns, dass wir es mit Vergnügen<br />

laufen. Es unterstreicht uns, es gefällt uns sehr<br />

gut. Vielleicht kann man etwas noch Besseres<br />

finden, aber eine ganze Saison ist damit (mit<br />

diesem Thema) vergangen und viel Musik ist<br />

schon verwendet worden und mir scheint, es<br />

wäre schwierig, etwas Besseres für uns zu finden.<br />

Die Kostüme wollen wir unbedingt wechseln,<br />

denn wir möchten doch etwas Neues hereinbringen,<br />

um den Charakter aufzufrischen.<br />

Was können Sie uns über Ihre Kür verraten?<br />

Nikita: Wir haben erst vor kurzem alle gemeinsam<br />

damit begonnen, die Ideen für die Kür zu<br />

diskutieren. Wir sind jetzt noch mitten in dem<br />

Prozess und haben uns noch nicht endgültig für<br />

eine Idee entschieden.<br />

Was möchten Sie Ihren Fans sagen?<br />

Victoria: Wir sind alle zusammen in dieser<br />

Situation. In dieser Zeit muss man zusammenhalten<br />

und sich unterstützen und an sich<br />

arbeiten.<br />

Vielen Dank für das Interview und alles Gute!<br />

Mit Victoria Sinitsina und Nikita Katsalapov<br />

sprach Tatjana Flade. <br />

•••<br />

31<br />

Victoria Sinitsina & Nikita Katsalapov<br />

Interview


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