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INTERVIEW DES MONATS<br />
<strong>planet</strong> <strong>toys</strong><br />
G.M.: Unser Ziel ist eine einheitliche europäische<br />
Regelung. Das Thema steht<br />
in allen europäischen Ländern oben auf<br />
der Agenda. Aber in Brüssel mahlen die<br />
Mühlen manchmal langsam. Und selbst<br />
wenn wir eine europäische Regelung<br />
haben, brauchen wir am Ende trotzdem<br />
eine deutsche Durchführungsregelung.<br />
Deswegen führt an einem nationalen Gesetz<br />
kein Weg vorbei. Mit einer nationalen<br />
Initiative haben wir jetzt die Chance, die<br />
EU-Gesetzgebung in unserem Sinne zu<br />
beeinflussen. Denn Brüssel schaut genau<br />
hin, was wir in Deutschland machen. Wir<br />
sollten vorangehen und die Standards<br />
selber definieren, bevor es Brüssel für<br />
uns tut. Das wäre auch im Interesse der<br />
deutschen Wirtschaft.<br />
»Es kann nicht länger sein,<br />
dass sich einige anstrengen<br />
und andere ohne Rücksicht<br />
auf Menschenrechte produzieren.«<br />
DR. GERD MÜLLER<br />
Bundesentwicklungsminister<br />
© BMZ Pool /Janine Schmitz<br />
Angesichts der Komplexität von manchen<br />
Lieferketten dürfte ein solches Gesetz<br />
doch zu einem erheblichen Bürokratieaufwand<br />
und Belastungen führen, weil<br />
jedes Unternehmen versuchen wird,<br />
sich so gut es geht abzusichern.<br />
G.M.: Ob in der Spielwarenbranche oder<br />
im Textilbereich – die vielen Vorreiterunternehmen<br />
zeigen ja, es geht. Gerade in<br />
Zeiten der Digitalisierung ist dies ohne<br />
übermäßigen bürokratischen Aufwand<br />
möglich. Wir alle sehen aber auch, dass<br />
wegen der Coronakrise viele Unternehmen<br />
in einer schwierigen Situation sind.<br />
Deswegen gehen wir mit Augenmaß vor:<br />
Kleine Firmen oder Handwerksbetriebe<br />
sind ausgenommen. Und es wird Übergangsfristen<br />
geben, um sich auf die Regeln<br />
einstellen zu können. Auch bei den zu<br />
erfüllenden Sorgfaltspflichten gehen wir<br />
nicht über das hinaus, was die Vereinten<br />
Nationen und die OECD ohnehin vorgeben:<br />
Ein Unternehmen hat bei etwaigen<br />
Schadensfällen nichts zu befürchten,<br />
wenn es seine Lieferketten analysiert<br />
und Vorsorgemaßnahmen trifft.<br />
Weiterer neuralgischer Punkt ist die<br />
Firmengröße, ab der Unternehmen davon<br />
betroffen sind. Bleibt es bei den 500<br />
Beschäftigten? Und welche Sanktionen<br />
drohen, wenn Unternehmen dagegen<br />
verstoßen?<br />
G.M.: Menschenrechte sind nicht verhandelbar<br />
und gelten grundsätzlich für alle.<br />
Aber jede Regelung muss umsetzbar<br />
sein. Wir achten daher besonders auf<br />
die Belange des Mittelstands. Vom Gesetz<br />
werden nur größere Unternehmen<br />
erfasst. Die kennen die Mechanismen.<br />
Kleine mittelständische Unternehmen<br />
sind nicht betroffen. Wir bieten den Unternehmen<br />
auch Beratungen an – über<br />
800 haben wir schon durchgeführt. Am<br />
Ende ist es auch eine Frage der Reputation,<br />
ob Unternehmen sich zu Menschenrechten<br />
bekennen oder eben nicht.<br />
Deutschland will in der EU vorangehen,<br />
kehrt aber nicht gerne vor der eigenen<br />
Haustür, so unser Eindruck. Denken Sie<br />
an die heftigen Auseinandersetzungen<br />
um die Einführung des Mindestlohns,<br />
der in Ihrer Partei sehr umstritten war.<br />
Angelsächsische Länder waren uns um<br />
Jahre voraus. Oder denken Sie auch an<br />
die seit Langem umstrittenen Werkverträge<br />
oder die Zustände in der fleischverarbeitenden<br />
Industrie, die allen bekannt<br />
waren. Erst musste Corona kommen,<br />
dass auch Berlin gesetzgeberisch tätig<br />
wurde. Messen wir Deutschen nicht zu<br />
oft mit zweierlei Maß?<br />
G.M.: Nein, das sehe ich anders. Beim<br />
Thema Nachhaltigkeit sind wir in vielen<br />
Bereichen Vorreiter. Stichwort Energiewende.<br />
Kein anderes Land steigt gleichzeitig<br />
aus Kohle und Kernkraft aus. Oder<br />
Recycling. Da setzen unsere Kommunen<br />
EU-weit Standards. Aber ich stimme Ihnen<br />
zu. Wir müssen noch viel stärker vom<br />
Reden ins Handeln kommen. Deswegen<br />
kämpfe ich ja für ein ambitioniertes Gesetz<br />
zur Einhaltung menschenrechtlicher<br />
und ökologischer Mindeststandards in<br />
unseren Lieferketten.<br />
Von Amazon & Co. fordern Sie, dass sie<br />
sich durch einen Fonds zur Finanzierung<br />
der Impfkampagnen in den Entwicklungsländern<br />
einbringen. Die Konzerne<br />
stehen aufgrund ihrer Geschäftspraktiken<br />
und ihrer kreativen Steuerpolitik<br />
seit vielen Jahren in der Kritik. EU-<br />
Kommissarin Margrethe Vestager will<br />
sich das auch nicht mehr länger mit<br />
»„Made in Germany“ soll<br />
nicht nur für gute Qualität<br />
stehen, sondern auch für<br />
faire Produktion.«<br />
DR. GERD MÜLLER<br />
Bundesentwicklungsminister<br />
ansehen. Hinkt die Politik immer der<br />
Entwicklung hinterher?<br />
G.M.: In der Coronakrise machen die Digitalkonzerne<br />
und die Finanzwirtschaft<br />
riesige Gewinne, während die Geschäfte<br />
in unseren Innenstädten leiden. Amazon<br />
verdreifachte im letzten Quartal seinen<br />
Gewinn. Allein Amazon-Chef Jeff Bezos<br />
ist in der Coronakrise um über 70 Milliarden<br />
Dollar reicher geworden. Das<br />
Nettovermögen von Mark Zuckerberg<br />
von Facebook stieg teilweise an einem<br />
einzigen Tag um 8 Milliarden Dollar. Ich<br />
fände es angemessen, wenn sich diese<br />
superreichen Krisengewinner auch an der<br />
Krisenbewältigung beteiligen. Das geht<br />
nur freiwillig, aber es wäre ein wichtiger<br />
Beitrag, damit die Welt schneller aus der<br />
Krise kommt. Mein Vorschlag ist, dass<br />
sie in einen Solidaritätsfonds einzahlen<br />
– etwa bei den Vereinten Nationen.<br />
Reicht das?<br />
G.M.: Sicherlich nicht. Auch hier braucht<br />
es verbindliche Grundstandards. Digitalkonzerne<br />
wie Google, Facebook oder<br />
Apple machen in Europa, aber auch in<br />
Entwicklungsländern, prächtige Geschäfte,<br />
zahlen aber bisher kaum Steuern. Wann,<br />
wenn nicht jetzt wollen wir diese steuerliche<br />
Ungerechtigkeit beenden? Deswegen<br />
unterstütze ich Finanzminister<br />
Scholz dabei, eine wirksame Digitalsteuer<br />
einzuführen. Ich hoffe, dass es hier im<br />
OECD-Kreis mit der neuen US-Regierung<br />
vorangeht und endlich ein international<br />
einheitliches Konzept beschlossen wird.<br />
Eine solche Digitalsteuer erbringt auch<br />
Mittel, die wir im weltweiten Kampf gegen<br />
die Covid-19-Krise dringend brauchen.<br />
Zurück zu fairen Lieferketten: Der staatliche<br />
„Grüne Knopf“ zeichnet nachhaltige<br />
Textilien aus. Die von Ihrem Ministerium<br />
unterstützte Multi-Stakeholder-Initiative<br />
Fair Toy Organisation arbeitet aktuell an<br />
einem Siegel für die Spielwarenbranche.<br />
Wird es demnächst für jede Branche einen<br />
„nachhaltigen Knopf“ geben?<br />
G.M.: Wir brauchen beides: Mindeststandards,<br />
die für alle gelten. Diese werden<br />
vom Lieferkettengesetz festgelegt. Und<br />
Vorreiterinitiativen, die darüber hinausgehen<br />
und Best Practice definieren. Viele<br />
Verbraucherinnen und Verbraucher wol-