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planet toys_Feb_2021

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INTERVIEW DES MONATS<br />

<strong>planet</strong> <strong>toys</strong> 17<br />

DAS LIEFERKETTEN-<br />

GESETZ WIRD KOMMEN<br />

Bundesentwicklungsminister Dr. Gerd Müller bezeichnet Politiker, die sich mit den Nöten und<br />

Sorgen der ärmsten Länder der Welt beschäftigen, als „Menschen mit Herz“. Er will nicht nur<br />

sein Lieferkettengesetz endlich verabschiedet sehen, sondern auch Amazon & Co. in die Verantwortung<br />

nehmen.<br />

Herr Minister, was halten Sie vom Prinzip<br />

der Freiwilligkeit bei der Einhaltung<br />

der Menschenrechte? Den Deutschen<br />

Verband der Spielwarenindustrie haben<br />

Sie doch ausdrücklich dafür gelobt, dass<br />

er sich seit Jahren für menschenwürdige<br />

Arbeit und Nachhaltigkeit entlang<br />

der Lieferketten einsetzt, und die deutschen<br />

Unternehmen seien viel weiter<br />

als einige Verbandsgeschäftsstellen!<br />

Dr. Gerd Müller: Genauso ist es – viele<br />

Unternehmen gehen selbst voran. Mit der<br />

neu gegründeten Fair Toys Organisation<br />

entsteht jetzt eine Brancheninitiative für<br />

faire Spielzeugproduktion. Darüber freue<br />

ich mich sehr. Zehn Unternehmen sind<br />

schon beigetreten, darunter Fischertechnik,<br />

Zapf, HABA, Sigikid und der<br />

Plüsch-Hersteller Heunec. Sie müssen<br />

konkrete Schritte für menschenwürdige<br />

Arbeitsbedingungen nachweisbar umsetzen.<br />

Und sie verpflichten sich, dass<br />

auch bei Zulieferern im Ausland existenzsichernde<br />

Löhne gezahlt werden.<br />

Das ist ein Riesenschritt nach vorn! Wir<br />

haben durch die EU-Spielzeugrichtlinien<br />

zu Recht strenge Regeln, etwa zu<br />

Schadstoffen. Wer will schon giftiges<br />

Spielzeug für seine Kinder? Das Gleiche<br />

muss jetzt Schritt für Schritt auch<br />

für die Arbeitsbedingungen gelten. Es<br />

kann nicht länger sein, dass noch immer<br />

Kinder für unser Spielzeug arbeiten<br />

müssen. Oder die Arbeiterin in Asien 14<br />

Stunden am Tag, sechs Tage die Woche<br />

für einen Stundenlohn von weniger als<br />

40 Cent schuftet.<br />

Einen ähnlichen Ansatz verfolgen Sie<br />

im Textilbereich mit dem staatlichen<br />

Siegel „Grüner Knopf“.<br />

G.M.: Das stimmt. Wir haben im Herbst<br />

2019 angefangen. Textilfirmen müssen<br />

46 anspruchsvolle Sozial- und Umweltstandards<br />

erfüllen – von A wie Abwassergrenzwerte<br />

bis Z wie Zwangsarbeitsverbot.<br />

Im ersten Halbjahr 2020 wurden<br />

bereits 50 Millionen Kleidungsstücke<br />

mit dem Grünen Knopf verkauft. Das<br />

sind 1,5 bis drei Prozent Marktanteil –<br />

eine solide Entwicklung mitten in der<br />

»Mit der neu gegründeten<br />

Fair Toys Organisation entsteht<br />

jetzt eine Brancheninitiative<br />

für faire Spielzeugproduktion.<br />

Darüber freue<br />

ich mich sehr.«<br />

DR. GERD MÜLLER<br />

Bundesentwicklungsminister<br />

© BMZ Pool /Janine Schmitz<br />

Coronakrise. Das deutsche Bio-Siegel<br />

startete mit zwei Prozent. Heute kennt<br />

es jeder. Immer mehr kaufen Bio, weil<br />

ihnen Nachhaltigkeit wichtig ist. Ich bin<br />

optimistisch, dass es beim Grünen Knopf<br />

genauso sein wird. Kleidung mit dem<br />

Grünen Knopf gibt es mittlerweile für<br />

jeden Geschmack und Geldbeutel. Einzelhändler<br />

wie Lidl, Tchibo, Kaufland und<br />

Aldi machen mit. Aber auch Outdoor-<br />

Firmen wie Jack Wolfskin, Vaude oder<br />

Branchenpioniere wie Hess Natur und<br />

Trigema. Das zeigt: Unser Siegel kommt<br />

an. Das Gleiche wünsche ich der Fair<br />

Toys Initiative.<br />

Das heißt, Freiwilligkeit funktioniert?<br />

G.M.: Ein Wandel zu mehr Nachhaltigkeit<br />

geht nicht über Nacht. Es braucht Pionierfirmen,<br />

die vorangehen. Deswegen<br />

sind freiwillige Initiativen so wichtig. Sie<br />

zeigen: Es geht. Und sie machen anderen<br />

Mut, mitzumachen. Aber nur mit<br />

Freiwilligkeit erreicht man nie alle. Das<br />

zeigen die letzten 50 Jahre. Deswegen<br />

brauchen wir verbindliche Grundstandards,<br />

die für alle gelten. Wie das Verbot<br />

der Kinderarbeit. 75 Millionen Kinder<br />

schuften weltweit unter ausbeuterischen<br />

Bedingungen in Steinbrüchen, Textilfabriken<br />

oder auf Kaffeeplantagen – auch<br />

für unsere Produkte. Es kann nicht länger<br />

sein, dass sich einige anstrengen<br />

und andere ohne Rücksicht auf Menschenrechte<br />

produzieren. Und sich so<br />

noch Wettbewerbsvorteile verschaffen.<br />

Märkte brauchen klare Regeln. Deshalb<br />

schlagen Arbeitsminister Heil und ich<br />

ein Lieferkettengesetz vor, das gleiche<br />

Spielregeln für alle schafft.<br />

Es sei Zeit zu handeln, so Ihre Worte.<br />

Wird das Lieferkettengesetz tatsächlich<br />

noch in dieser Legislaturperiode<br />

kommen?<br />

G.M.: Ja, da bin ich optimistisch. Trotz<br />

des Widerstands einiger Verbände<br />

werden wir ein solches Gesetz noch in<br />

dieser Legislaturperiode beschließen<br />

– um Kinderarbeit endlich zu stoppen<br />

und Menschenrechtsstandards für deutsche<br />

Produkte sicherzustellen. 75 % der<br />

Deutschen, die Verbraucherzentralen<br />

und fast 100 Unternehmen und jetzt auch<br />

70 Ökonomen fordern ein solches Gesetz:<br />

„Made in Germany“ soll nicht nur<br />

für gute Qualität stehen, sondern auch<br />

für faire Produktion.<br />

Einstimmig haben die Sozial- und Arbeitsminister<br />

der EU-Staaten kürzlich<br />

für ein europäisches Lieferkettengesetz<br />

votiert. Sie haben das begrüßt. Muss<br />

die Bundesregierung trotzdem vorpreschen,<br />

nur weil es im Koalitionsvertrag<br />

steht, oder sollten wir nicht erst auf<br />

Brüssel warten, um eventuelle Wettbewerbsverzerrungen<br />

zu vermeiden?

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