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Stahlmarkt 01/2021

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China<br />

Special<br />

Quelle: Statista, World Steel Association, China Steel Association<br />

Jahr China Japan USA Deutschland<br />

in Mio. Tonnen<br />

Aufstiegs. Binnen zwanzig Jahren wuchs die Produktion<br />

auf heute rund 995 Millionen Tonnen. Damit ist China für<br />

mehr als die Hälfte der weltweiten Stahlproduktion verantwortlich<br />

(vgl. Abb1.).<br />

Zersplitterung und Ineffizienzen<br />

Welt<br />

1980 37,1 111,4 1<strong>01</strong>,4 51,3 717,0<br />

1990 66,4 110,3 89,7 43,9 770,0<br />

2000 128,5 106,4 1<strong>01</strong>,8 46,4 850,0<br />

2<strong>01</strong>0 637,4 109,6 80,5 43,9 1.413,5<br />

2<strong>01</strong>2 731,0 107,2 88,7 42,7 1.560,4<br />

2<strong>01</strong>4 822,3 110,7 88,2 42,9 1.671,1<br />

2<strong>01</strong>5 803,8 105,2 78,8 42,7 1.621,5<br />

2<strong>01</strong>6 807,6 104,8 78,5 42,1 1.629,1<br />

2<strong>01</strong>7 870,9 104,7 81,6 43,3 1.732,2<br />

2<strong>01</strong>8 920,0 104,3 86,6 42,4 1.808,4<br />

2<strong>01</strong>9 996,3 99,3 87,9 39,6 1.869,9<br />

Das gewaltige Wachstum brachte viele Probleme mit sich,<br />

mit denen der chinesische Stahlsektor zu kämpfen hat. Vor<br />

allem führte er zur Zersplitterung. Die fünf größten Unternehmen<br />

des Landes, Baowu Steel, HBIS Group, Shagang<br />

Group, Ansteel und Jianglong tragen gerade einmal ein<br />

knappes Viertel zur chinesischen Stahlproduktion bei. Zum<br />

Vergleich: In Deutschland stellen die drei größten Unternehmen,<br />

thyssenkrupp, ArcelorMittal und Salzgitter rund<br />

65 Prozent des in Deutschland produzierten Stahls her.<br />

Entsprechend ist eines der wichtigsten Ziele der Pekinger<br />

Zentralmacht die Konsolidierung des Sektors.<br />

Diese gestaltet sich aber schwierig. Denn die meisten<br />

chinesischen Großkonzerne sind in Staatshand. Unter den<br />

50 größten Stahlproduzenten weltweit gibt es 18 Staatskonzerne,<br />

und 16 davon stammen aus China. Die Betreiber<br />

sitzen jedoch auf unterschiedlichen staatlichen Ebenen<br />

(Zentralregierung, Provinzen und Kommunen) und<br />

widersetzen sich hartnäckig Zusammenschlüssen, weil sie<br />

den Verlust von Arbeitsplätzen und Einnahmen fürchten.<br />

Auch die zumeist kleinen und mittelständischen privaten<br />

Stahlwerke wehren sich mit aller Macht gegen eine wie<br />

auch immer geartete Konzentration im Sektor. Entsprechend<br />

bestehen große Ineffizienzen. Umweltauflagen<br />

werden meist missachtet, die Wettbewerbsfähigkeit ist<br />

im Vergleich zur Konkurrenz in beispielsweise Japan oder<br />

Südkorea gering. Auch mangelt es an einheitlichen Standards.<br />

Die grassierende Überproduktion führt zudem in<br />

einen Teufelskreislauf: Die Margen der einzelnen Produzenten<br />

sinken, was diese mit noch mehr Produktion zu<br />

kompensieren suchen. Das Ausland wehrt sich mit Zöllen<br />

gegen die als Dumpingstrategie angesehene Überproduktion.<br />

Allerdings gab es im vergangenen Jahr einige spektakuläre<br />

Übernahmen, vor allem der Kauf von Taiyuan Iron<br />

& Steel durch Baowu machte Schlagzeilen. Dadurch kam<br />

Chinas größter Stahlkonzern, Baowu, dem Ziel von 100<br />

Millionen Tonnen Produktionskapazität einen entscheidenden<br />

Schritt näher. Es bleibt abzuwarten, ob dadurch<br />

ein neuer Konsolidierungstrend etabliert wurde. Das<br />

jüngst unterzeichnete Freihandelsabkommen RCEP (Regional<br />

Comprehensive and Economic Partnership) könnte<br />

Hintergrund<br />

Der Große Sprung nach vorne<br />

Großer Sprung nach vorne war<br />

eine Industriekampagne für die<br />

Volksrepublik China, die von 1958<br />

bis zu ihrem vorzeitigen Abbruch<br />

im Jahr 1961 dauerte. Die von<br />

Mao Zedong ins Leben gerufene<br />

Kampagne sollte China in eine<br />

moderne Großmacht verwandeln.<br />

Die Landwirtschaft wurde<br />

zwangskollektiviert, die Arbeitskraft<br />

der Bauern durch zusätzliche<br />

Infrastruktur- und Industrialisierungsprojekte<br />

geschwächt. Die<br />

landwirtschaftliche Produktivität<br />

sank, die Lebensmittelversorgung<br />

dünnte zusehends aus, zugleich<br />

erhöhte der Staat die Getreideabgaben.<br />

Experten beziffern<br />

die Opferzahl der daraus<br />

resultierenden Hungersnot auf<br />

mindestens 15 Millionen Menschen.<br />

Neben der Getreideproduktion<br />

galt die Erhöhung der Stahlproduktion<br />

für den Erfolg des Großen<br />

Sprungs als besonders wichtig.<br />

Zu diesem Zweck erbaute und<br />

bediente die einfache Bevölkerung<br />

überall auf dem Land kleine,<br />

einfache Hochöfen.<br />

Die Regierung beharrte auf der<br />

Einhaltung unrealistischer Produktionsvorgaben,<br />

und den Bauern<br />

fehlte es zudem an Wissen<br />

über professionelle Stahlerzeugung.<br />

So erwies sich der auf diese<br />

Weise hergestellte Stahl als<br />

unbrauchbar. Der Verlust aus der<br />

Massenkampagne zur Steigerung<br />

der Eisen- und Stahlproduktion<br />

wurde auf umgerechnet 630 Millionen<br />

Euro geschätzt. phi<br />

<strong>01</strong> | <strong>2021</strong> www.stahleisen.de<br />

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