Stahlmarkt 01/2021
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Deutschland<br />
Handel & Service<br />
»Wir stellen fest,<br />
dass die Schwächen einiger<br />
großer Player deutlich<br />
sichtbarer werden, was<br />
für Spezialisten durchaus<br />
Chancen bietet.«<br />
Michael Allexi, rff<br />
zu immer größer werdenden Einheiten<br />
im Stahlhandel. Aus unserer Sicht<br />
hat die Entwicklung durch die Krise<br />
noch mehr an Dynamik gewonnen.<br />
Die Gründe liegen zum einen an dem<br />
weiter steigenden Handlungsdruck<br />
und zum anderen an dem weiterwachsenden<br />
Liquiditäts- und Kapitalbedarf.<br />
Dennoch stellen wir fest,<br />
dass die Schwächen einiger großer<br />
Player deutlich sichtbarer werden,<br />
was für Spezialisten durchaus Chancen<br />
bietet. Für den Endverbraucher<br />
heißt das im Endeffekt, dass größer<br />
nicht automatisch auch besser ist.<br />
Was ist Ihr persönliches »learning«<br />
aus der Corona-Krise?<br />
Allexi: Erstens: Die Krise hat gezeigt,<br />
dass die Gemeinschaft – auch in Unternehmen<br />
– viel erreichen und verändern<br />
kann, wenn der Wille da ist.<br />
Zweitens: dass Unternehmen, die<br />
im strategischen Grundmodell und in<br />
der »Customer Centricity« (Kundenorientierung,<br />
Anm. d. Red.) gut aufgestellt<br />
sind, in der Lage sind, Krisen<br />
erfolgreicher zu bewältigen.<br />
Drittens: dass die Unternehmens-<br />
und Führungskultur – inklusive der<br />
internen Kommunikation – eine noch<br />
stärkere Schlüsselrolle bei der Krisenbewältigung<br />
einnimmt als so schon.<br />
Viertens: Die VUCA-Welt ist und bleibt<br />
die neue Konstante. Darum gilt es,<br />
stets vorbereitet zu sein! (Das Kunstwort<br />
»VUCA« setzt sich aus den Anfangsbuchstaben<br />
der Begriffe »Volatilität«<br />
beziehungsweise Kursschwankung,<br />
»Unsicherheit«, »Komplexität«<br />
und »Ambiguität« – also Mehrdeutigkeit<br />
– zusammen. Es beschreibt die<br />
he rausfordernden Bedingungen der<br />
Unternehmensführung gerade in der<br />
heutigen Zeit, Anm. d. Red.)<br />
Welche Themen bewegen Sie<br />
zurzeit besonders?<br />
Allexi: Das sind vor allem drei Themen.<br />
Einerseits die langfristige Liefersicherheit:<br />
Welche Werke werden<br />
überleben? Ebenfalls sehr wichtig<br />
für uns ist die optimale Mengenplanung:<br />
Wann zieht der Markt wieder<br />
an, und zu welchem Zeitpunkt sind<br />
Bestellungen von Long Leads (Komponenten<br />
mit langem Vorlauf, Anm.<br />
d. Red.) in welchen Mengen auszulösen?<br />
Was uns momentan zudem<br />
sehr bewegt, ist die Vermeidung von<br />
Überforderung der Organisationen<br />
und ihrer Mitarbeiter durch zu viele<br />
Projekte.<br />
Wie schätzen Sie den Markt in den<br />
kommenden Monaten ein?<br />
Allexi: Aufgrund des Nachfrageeinbruchs<br />
bei Rohren und Rohrzubehör<br />
seit dem Sommer ist der übliche Lagerzyklus<br />
zum Jahresende ausgefallen,<br />
ebenso wie der anschließende<br />
Aufbau der Bestände im Frühjahr ausfällt.<br />
Die Läger sind voll und zum Teil<br />
signifikant überstockt. Viele Werke<br />
für Rohr und Rohrzubehör bleiben bis<br />
tief ins Jahr <strong>2021</strong> strukturell dramatisch<br />
infraausgelastet. Liquidität ist in<br />
Krisen das höchste Gut, diesbezüglich<br />
ist bei einigen Unternehmen eine kritische<br />
Marke erreicht. Dies kann auch<br />
kundenseitig dazu führen, dass im<br />
Aufschwung das nötige Kapital zur<br />
Vorfinanzierung der Aufträge fehlt.<br />
Es ist davon auszugehen, dass es<br />
weitere Infektionswellen bis tief in dieses<br />
Jahr geben wird. Spätestens Mitte<br />
des Jahres sollte eine deutliche Verbesserung<br />
der Nachfrage in den Bereichen<br />
»Maintenance« und »Projekte« einsetzen.<br />
Die Frage ist, wie stark dieser Aufschwung<br />
ausfallen wird und ob es auch<br />
Foto: Tata Steel<br />
durch die dramatische Verknappung<br />
von Seecontainern zu einer Überhitzung<br />
der Preise kommt.<br />
Was sind Ihre Pläne für <strong>2021</strong>?<br />
Allexi: Die Frage sollte eher lauten:<br />
»Was sind Ihre Pläne für 2022?«.<br />
Denn die Pandemie wird uns in diesem<br />
Jahr weiter stark beschäftigen.<br />
Somit bleibt es auch im Jahr <strong>2021</strong> bei<br />
den organisatorischen und hygienischen<br />
Herausforderungen, die uns<br />
seit Monaten belasten. Die Umsetzung<br />
von Maßnahmen zur Verbesserung<br />
der Effizienz und Effektivität<br />
wie auch der Katalysator in Richtung<br />
Digitalisierung benötigen Zeit. Bei<br />
der Umsetzung werden die Kapazitäten<br />
der Mitarbeiter und der Organisation<br />
belastet. Dennoch wird uns<br />
<strong>2021</strong> in diesen Punkten einen deutlichen<br />
Schritt nach vorne bringen. Dieses<br />
Jahr werden wir dazu nutzen, um<br />
anstehende Expansionen und Investitionen<br />
detailliert zu planen und<br />
vorzubereiten.<br />
Welches sind aus Ihrer Sicht<br />
die jüngsten Entwicklungen im<br />
Stahlhandel?<br />
Jens Lauber: Aus Sicht von Tata Steel<br />
in Europa liegt eine der jüngsten Entwicklungen<br />
im Stahlhandel darin, dass<br />
Supply Chains deutlich lokaler geworden<br />
sind. Grund hierfür sind Unsicherheiten,<br />
die ihren Ursprung in den aktuellen<br />
Bedingungen rund um die<br />
Corona-Pandemie haben. Darüber<br />
hinaus sehen wir einen klaren Trend<br />
darin, den eigenen ökologischen Fußabdruck<br />
zu verbessern, sowohl in der<br />
Logistik als auch in anderen Bereichen.<br />
Jens Lauber<br />
Managing Director<br />
Business<br />
Planning und<br />
Supply Chain<br />
Management,<br />
Tata Steel in<br />
Europa<br />
<strong>01</strong> | <strong>2021</strong> www.stahleisen.de<br />
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