Prima Magazin - Ausgabe Februar 2021
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Foto © ©zVg LEXI<br />
Rede & Antwort<br />
Persönlichkeiten im Gespräch<br />
mit Walter Reiss<br />
Erleichtert über den Abgang von Donald Trump zeigt sich der junge<br />
Weltbürger und Experte für Konfliktlösung, Augustin Nicolescou.<br />
Als Kenner von Politik und Gesellschaft in den USA beschreibt der<br />
Mitarbeiter des Österreichischen Studienzentrums für Frieden und<br />
Konfliktlösung (ÖSFK) auf Burg Schlaining im Gespräch mit Walter<br />
Reiss, was auf den neuen US-Präsidenten, sein gespaltenes Land<br />
und die Weltpolitik zukommt.<br />
„Habe vier Jahre lang<br />
den Atem angehalten“<br />
Mit welchem Gefühl haben<br />
Sie die feierliche Angelobung<br />
von Joe Biden erlebt?<br />
Augustin Nicolescou: Ich<br />
war sehr erleichtert. Denn vier<br />
Jahre lang habe ich den Atem<br />
angehalten. Es waren Jahre, wo<br />
man nie wissen konnte, was<br />
passiert. Und nach dem Sturm<br />
aufs Kapitol ist es nun gut, dass<br />
das zu Ende ist.<br />
Ist das wirklich zu Ende? Der<br />
neue Präsident hat betont,<br />
Einigendes vor Trennendes zu<br />
stellen. Wird er diese Erwartungen<br />
auch erfüllen können?<br />
Augustin Nicolescou: Er muss<br />
wohl sehr viele Wünsche erfüllen.<br />
Es gibt ja auch innerhalb<br />
seiner Partei, den Demokraten,<br />
unterschiedliche Interessen.<br />
Er selbst steht als moderater<br />
Politiker im Zentrum dieser<br />
Partei. Es wird schwierig für<br />
ihn, denn die USA sind tief<br />
gespalten: zwischen Land und<br />
Stadt, Nord und Süd, zwischen<br />
ärmeren und wohlhabenden<br />
Gruppen. Dazu kommt, dass<br />
zwei Drittel der Wähler der<br />
Republikanischen Partei nach<br />
wie vor überzeugt sind, dass<br />
der Sieg Bidens nicht legitim<br />
war. Diese Leute haben Angst<br />
vor dem, was jetzt kommen<br />
wird und befürchten ein totalitäres<br />
Regime und einen sozialistischen<br />
Staat. Das Problem<br />
dabei ist, dass die Leute das<br />
wirklich und ehrlich glauben.<br />
Meinungen statt Fakten<br />
Wie und warum kommen die<br />
Anhänger von Trump zu dieser<br />
tiefen Überzeugung?<br />
Augustin Nicolescou: Das<br />
liegt wohl auch an der amerikanischen<br />
Medienlandschaft.<br />
Es gibt in den USA mehrere<br />
parallele mediale Universen.<br />
Früher haben sich die Menschen<br />
über lokale Nachrichtensender<br />
informiert. Man hat<br />
die Sender und Redaktionen<br />
gekannt und ihnen vertraut.<br />
Seit es Social Media gibt, sind<br />
diese lokalen Medien verschwunden.<br />
In den großen<br />
Netzwerken sind Meinungen<br />
stärker präsent als Fakten.<br />
Also die ideale Bühne für<br />
Donald Trump?<br />
Augustin Nicolescou: Ja, die<br />
Spaltung der US-Gesellschaft<br />
hat schon in den 1990er-Jahren<br />
begonnen und Trump hat<br />
sich auf Twitter – politisch erfolgreich<br />
– als die bestimmende<br />
Medienfigur präsentiert.<br />
Auf Twitter und anderen<br />
Kanälen wurde Trump ja gesperrt...<br />
Augustin Nicolescou: Grundsätzlich<br />
hat sich gezeigt, dass<br />
nach solchen Sperren rechtsextreme<br />
und rassistische Inhalte<br />
an Bedeutung verloren haben.<br />
Wird Joe Biden es schaffen,<br />
die zerrissene Gesellschaft<br />
Amerikas wieder zu vereinen?<br />
Augustin Nicolescou: Auch<br />
da werden die Medien eine<br />
gewisse Rolle spielen: Es wird<br />
sich zeigen, ob Trump-nahe<br />
Medien wie Fox News die Kooperation<br />
von Republikanern<br />
und Demokraten unterstützen<br />
oder ob sie es nicht tun. Und<br />
es gibt nach wie vor weitere<br />
– extrem rechts stehende –<br />
Netzwerke, die falsche Fakten<br />
verbreiten.<br />
Verlorenes Vertrauen<br />
wiedergewinnen<br />
Sie sind Trainer für Konflikttransformation<br />
und Experte<br />
für Dialogprozesse: Nehmen<br />
wir mal an, Joe Biden würde<br />
Sie als Berater in seinen<br />
politischen Stab aufnehmen:<br />
Welche Tipps würden Sie ihm<br />
geben?<br />
Augustin Nicolescou: Joe<br />
Biden ist innenpolitisch und<br />
außenpolitisch gefordert. Seit<br />
dem Zweiten Weltkrieg war<br />
die amerikanische Außenpolitik<br />
berechenbar, egal ob Demokraten<br />
oder Republikaner an<br />
der Macht waren. Die Trump-<br />
Administration hat sich von<br />
europäischen und südostasiatischen<br />
Verbündeten abgewandt.<br />
Mein wichtigster Tipp: Es gilt,<br />
Vertrauen wieder zu gewinnen.<br />
Leicht wird das nicht.<br />
Wird sich im Kräfteverhältnis<br />
der Mächte USA – China –<br />
Russland etwas ändern?<br />
Augustin Nicolescou: Dieses<br />
Verhältnis ist heute ganz<br />
anders als vor der Ära Trump.<br />
4 FEBER <strong>2021</strong><br />
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