Prima Magazin - Ausgabe Februar 2021
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Foto © Eva Maria Kamper<br />
KULTUR- & VERANSTALUNGSSZENE<br />
Günter Schütter, Veranstalter:<br />
„Kultur ist systemrelevant“<br />
Günter Schütter ist ein kulturschaffendes<br />
Unikat des Südburgenlandes.<br />
Er ist Organisator kleinerer Festivals<br />
und Kabaretts wie „Herbst.Wort.Lieder“<br />
oder dem „Uhudlertheater“. „Die derzeitige Situation ist verheerend.<br />
Es geht auch um die Wertschöpfungskette und die Akzeptanz<br />
gegenüber der Arbeit im Kulturgewerbe. Da läuft schon gewaltig<br />
was schief“, eröffnet er seinen klaren Standpunkt. Natürlich könne<br />
man niemandem einen Vorwurf machen, da keiner eine Pandemie<br />
in diesem Ausmaß erahnen konnte und ein Künstlerdasein natürlich<br />
auch ein Risiko birgt. „Aber das Krisenmanagement war als<br />
PR der Regierung nicht akzeptabel“, zeichnet der Organisator ein<br />
düsteres Bild. Er sei demnach vergeblich regional und auch bundesweit<br />
damit beschäftigt, politische Diskussionen anzuzetteln, um<br />
Lösungsansätze für die Kulturbranche herauszuarbeiten. Dabei<br />
gehe es ihm klar um das Bewusstsein, dass jeder kleine Beitrag für<br />
die Gesellschaft, auch aus der Kunst, ebenso „systemrelevant“ sei:<br />
„Auch die Berufsgruppe der Kulturschaffenden muss ordentlich<br />
sozial abgesichert und versorgt werden. Das öffentliche Bild über<br />
die Kulturbranche muss überdacht werden. Manche Künstler*innen<br />
geben letztendlich auf. Wenn es keine Kunst und Kultur mehr<br />
gibt, enden wir alle in einer Systemdepression!“ Die corona-tauglichen<br />
Anpassungen und Umbauten von Kulturbetrieben seien auch<br />
nur ein allzu hoher Kostenfaktor gewesen. In der Großstadt habe<br />
er zwar best-practise Beispiele erlebt, wie man trotz Corona ein<br />
Kulturerlebnis schaffen kann. „Aber wenn ich am Land eine kleine<br />
Veranstaltung plane und dann dennoch nur mit 40 Prozent Besucherauslastung<br />
starten darf, da kann ich meine Kosten niemals<br />
kompensieren, da kann ich es gleich sein lassen.“ Auch für Schütter<br />
mündet der große Lösungsansatz in der breiten Impfung der Menschen:<br />
„Auf ständige Tests bei allen kleinen Veranstaltungen ist<br />
doch kein Besucher neugierig. Außerdem sind Veranstalter*innen<br />
keine Gesundheitsbehörden, da ist nur die Impfung eine Lösung!“<br />
mich schon längst als klarer<br />
Impfbefürworter geoutet. Und<br />
nicht, weil ich bloß Festivals<br />
veranstalten will, sondern weil<br />
ich möchte, dass Corona besiegt<br />
wird und keine Menschen<br />
mehr daran sterben müssen!“<br />
Impfung bevorzugt<br />
Das Nova Rock Festival, der<br />
burgenländische Fixpunkt am<br />
Festivalhimmel, hängt seit vergangenem<br />
Frühjahr nach der<br />
kapitalen Absage aller Massenveranstaltungen<br />
genauso<br />
in der Luft wie alle anderen<br />
Konzerte und Festivals. Sitzplatzveranstaltungen<br />
oder<br />
virtuelle Online-Alternativen<br />
waren in dieser Dimension nie<br />
ein adäquater Ersatz. Für Juni<br />
<strong>2021</strong> ist man großer Hoffnung,<br />
allerdings hänge dieses Projekt<br />
sehr mit der Durchimpfungsrate<br />
in der Bevölkerung zusammen<br />
und zwar unabhängig<br />
von Berufsstand und Alter der<br />
Festivalbesucher. Der Impfplan<br />
der Regierung orientiere sich<br />
nach derzeitigem Stand aber<br />
sehr wohl nach diesen Prioritäten.<br />
Die generelle Impfbereitschaft<br />
der Bevölkerung ist<br />
de facto auch (noch) nicht von<br />
einer allheilbringenden Euphorie<br />
geprägt. „Dabei hat es<br />
IM FOKUS<br />
jeder in der Hand, wie schnell<br />
wir unser normales Leben wieder<br />
zurück bekommen“, mahnt<br />
auch Ewald Tatar, wobei er<br />
damit keine Impfpflicht auf<br />
Konzerten meinen möchte.<br />
Man habe bereits ein Konzept<br />
angedacht, wonach geimpfte<br />
Besucherinnen und Besucher<br />
in einer Art „Fast Lane“ einen<br />
rascheren Zutritt zu den Festivals<br />
erhalten. Menschen, die<br />
zuerst Testergebnisse vorzuweisen<br />
haben, würden sehr viel<br />
mehr Zeit einplanen müssen.<br />
Entscheidungen im März<br />
Tatar stünde auch in regem<br />
Kontakt mit der Regierung,<br />
um über die Planung von Veranstaltungen<br />
zu diskutieren.<br />
„In den nächsten Monaten<br />
wird viel passieren. Wir haben<br />
politische Entscheidungsträger<br />
wissen lassen, dass wir<br />
spätestens Anfang März eine<br />
klare Ansage brauchen, ob<br />
ein Festival in der Größe des<br />
Nova Rock stattfinden kann.<br />
Ansonsten geht es sich mit<br />
der Organisation nicht mehr<br />
aus!“ An der zuweilen kargen<br />
Kommunikation seitens der<br />
Regierung hat man schon zu<br />
Zeiten der zwingenden Absage<br />
im Frühjahr 2020 gelitten.<br />
„Wochenlang hieß es weder<br />
ja oder nein, ob man Konzerte<br />
veranstalten darf. Das war<br />
schon chaotisch. Als dann das<br />
Verbot kam, haben wir schnell<br />
reagiert und quasi das gesamte<br />
Festival mit den meisten Beteiligten<br />
ins Jahr <strong>2021</strong> verschoben!“<br />
Wie er sich die Reintegration<br />
der Menschen auf<br />
den Konzertgeländen vorstellt,<br />
wenn Abstandhalten passé<br />
ist? „Die kurze ‚Sommerpause‘<br />
vom Virus war schon ein Indiz<br />
dafür, dass es schneller gehen<br />
wird, als wir glauben oder befürchten<br />
und die Menschen zu<br />
ihrem gewohnten Verhalten<br />
zurückfinden!“<br />
Das Interview mit Ewald Tatar<br />
nachzuhören im prima! Podcast<br />
Schriftsteller und<br />
Regisseur<br />
Peter Wagner:<br />
„Unbefriedigender Zustand,<br />
aber dankbar<br />
für die Erfahrung“<br />
Künstler Peter Wagner hat<br />
die Zeit des Stillstands<br />
durchaus produktiv genutzt.<br />
Zwei Filme hat er fertiggestellt,<br />
einen neuen produziert<br />
und eine Theateraufführung<br />
inszeniert. Zuletzt<br />
arbeitete er gemeinsam<br />
mit einer Schülergruppe an<br />
einem Livestream.<br />
„Viele Künstler*innen hat es<br />
brutal getroffen, auch wenn<br />
die Hilfen vom Bund unbürokratisch<br />
waren. Es ist natürlich<br />
ein unbefriedigender<br />
Zustand und dennoch bin ich<br />
über die Erfahrung dankbar.<br />
Es ist natürlich fraglich,<br />
ob neue Spielformen im<br />
virtuellen Bereich wirklich die<br />
Kommunikationswege der<br />
Zukunft sind. Die physische<br />
Kommunion von ausübenden<br />
Künstlerinnen und Künstlern<br />
und zuschauendem Publikum<br />
wird sich nicht auflösen, wir<br />
werden uns auch weiterhin<br />
als soziales Gefüge brauchen.<br />
Trotzdem gehen wir in ein<br />
neues Zeitalter und sollten erkennen,<br />
dass sich tatsächlich<br />
vieles im Umbruch befindet<br />
– so dramatisch all die Kontaktbeschränkungen<br />
auch<br />
erscheinen. Diese Pandemie<br />
kann auch als existenzieller<br />
Hinweis verstanden werden,<br />
als moralischer Vektor, unser<br />
Leben gründlicher zu denken.<br />
Besser, man erkennt die<br />
Zeichen, das wird uns auch<br />
bei der Klimakrise abverlangt<br />
werden.<br />
Foto © Christian Ringbauer<br />
FEBER <strong>2021</strong><br />
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