Prima Magazin - Ausgabe Februar 2021
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Foto © www.momentothek-oberwart.at #236 Langer/Schober<br />
Foto © www.momentothek-oberwart.at #2169 Tillfried Schober<br />
Plätze & G‘schichtn<br />
Oberwarts<br />
von Ing. Wilhelm Hodits<br />
0664/50 44 55 4<br />
1980 wurde der Verein „Jugendhaus Oberwart“ gegründet und legte damit den Grundstein für eine kulturelle Bewegung, der der<br />
Großteil der Einwohner skeptisch gegenüber stand. Foto: www.momentothek-oberwart.at (Aufnahme: 1984). Foto rechts: Der<br />
Genossenschaftssaal wurde 1997 abgerissen und es kam zu einem bedeutenden Zu- und Umbau<br />
Ein weiter Weg zur Kunst<br />
Heute ist das OHO in der Lisztgasse Oberwart eines der bedeutendsten Kulturhäuser Österreichs.<br />
Im Jänner 2014 wurde das OHO sogar mit dem Österreichischen Staatspreis für zeitgenössische<br />
Kunst ausgezeichnet. Doch bis dahin war es ein weiter Weg. TEIL 1<br />
1928 wurde das Gebäude<br />
erbaut, das sich heute als OHO<br />
einen Namen in der zeitgenössischen<br />
Kunstszene gemacht<br />
hat. Aber von einem der<br />
bedeutendsten Kulturhäuser<br />
über die Grenzen des Burgenlandes<br />
hinaus war damals noch<br />
keine Rede. Gebaut wurde es<br />
nämlich vom Bezirksverband<br />
der Gewerbegenossenschaften.<br />
Hauptsächlich war es als Büro<br />
und als interne Fortbildungsstätte<br />
gedacht. Rund 80.000<br />
Schilling haben die Baukosten<br />
betragen. Nur wenige Jahre<br />
später wurde ein Saal dazugebaut,<br />
der für Kurse, Tagungen<br />
und auch für Tanzveranstaltungen<br />
der Gewerbegenossenschaft<br />
verwendet wurde. Bis<br />
zum Umbau im Jahr 1997 war<br />
das Haus deshalb nach seinem<br />
Erbauer als „Genossenschaftssaal“<br />
in Oberwart bekannt.<br />
Und dann kam der Krieg<br />
1938 wurde das Haus von den<br />
Nationalsozialisten okkupiert<br />
und später der Gauwirtschaftskammer<br />
Steiermark<br />
übertragen. Hier fanden viele<br />
Propagandaveranstaltungen<br />
der NSDAP statt. So kündigte<br />
die Oberwarter Sonntagszeitung<br />
im August 1938 eine<br />
große Werbeveranstaltung des<br />
Deutschen Roten Kreuzes im<br />
Genossenschaftssaal Oberwart<br />
an, um Krankenschwestern und<br />
Sanitäter für den Kriegseinsatz<br />
zu gewinnen. Neben Propagandaveranstaltungen<br />
gab es auch<br />
Fanfarebläser- und Trommlerkurse<br />
sowie diverse Veranstaltungen<br />
der Nationalsozialisten.<br />
Am 5. November 1942 kaufte<br />
die Stadtgemeinde Oberwart<br />
das Haus – der Kaufvertrag ist<br />
angeblich vernichtet worden.<br />
Zumindest ist er heute nicht<br />
mehr aufzufinden. Das Gebäude<br />
war jedenfalls bis zum Jahr<br />
1953 in Besitz der Gemeinde.<br />
Mit Kriegsende und Auflösung<br />
der Gauwirtschaftskammer<br />
Steiermark in Oberwart wurde<br />
das Haus leergeräumt. Geplündert,<br />
könnte man sagen.<br />
Nach dem Einmarsch der<br />
Russen in Oberwart im April<br />
1945 wurde der Genossenschaftssaal<br />
von diesen beschlagnahmt<br />
und für verschiedene<br />
Veranstaltungen genützt. Ein<br />
Zeitzeuge kann sich noch an<br />
eine solche Propagandaveranstaltung<br />
erinnern, die für einen<br />
jungen Oberwarter gerade<br />
noch einmal gut ausgegangen<br />
ist. Bei der besagten Veranstaltung<br />
der Russen haben<br />
diese die angeblich zahlreichen<br />
ruhmvollen Errungenschaften<br />
der Kommunisten angepriesen.<br />
Sie wollten den Oberwartern<br />
erklären, was die russischen<br />
Kommunisten denn nicht alles<br />
erfunden und erbaut hätten. In<br />
der letzten Reihe saß ein junger<br />
Oberwarter Bursche, dem das<br />
alles zu viel wurde. Er stand auf<br />
und sagte laut in einem ordentlichen<br />
Hianzisch: „Wos hobt’s<br />
Ihr erfunden? An Schmorrn<br />
hobt’s erfunden.“ Daraufhin<br />
verließ er seelenruhig den Saal.<br />
Im Raum wurde es ganz still.<br />
Jeder wartete auf die Reaktion<br />
der Russen. Und diese taten<br />
– nichts. Mit großer Wahrscheinlichkeit<br />
haben sie das<br />
Hianzisch des jungen Mannes<br />
nicht verstanden und schenkten<br />
dem Auftritt des Burschen zum<br />
Glück keinerlei Beachtung.<br />
Standort der<br />
Wirtschaftskammer<br />
Die Wirtschaftskammer trat<br />
nach dem Zweiten Weltkrieg<br />
als Nachfolgerin der einstigen<br />
Gewerbegenossenschaften in<br />
Erscheinung und stellte am 19.<br />
November 1946 den Antrag auf<br />
eine Rückübertragung des Gebäudes.<br />
Immerhin war die Gewerbegenossenschaft<br />
von den<br />
Nationalsozialisten ja sozusagen<br />
enteignet worden. Die Rückerstattung<br />
erfolgte jedoch erst<br />
am 4. September 1953. Laut<br />
Zeitzeugenberichten dürfte der<br />
Bürobetrieb der Wirtschaftskammer<br />
in diesem Haus in der<br />
Lisztgasse 12 aber bereits 1947<br />
erfolgt sein. Womöglich gab<br />
es einen Pachtvertrag mit der<br />
Gemeinde. Belegt werden kann<br />
dies aber nicht. Da das Gebäude<br />
für die Wirtschaftskammer<br />
mit den Jahren zu klein wurde,<br />
hat diese in der Wienerstraße<br />
ein Grundstück erworben,<br />
um ein neues Gebäude für die<br />
Bezirksstelle und das WIFI zu<br />
errichten. 1963 wurde es am<br />
heutigen Standort fertiggestellt.<br />
Die Wirtschaftskammer zog<br />
somit aus dem „Genossenschaftssaal“<br />
aus.<br />
Ausweichquartier<br />
Der „Genossenschaftssaal“ wurde<br />
danach kurzfristig immer<br />
wieder für die unterschiedlichsten<br />
Zwecke verwendet.<br />
So mietete die Firma Triumph<br />
das Gebäude als Anlernbetrieb<br />
für die Näherinnen. Ab März<br />
1964 wurde das Haus an die<br />
Bundesgebäudeverwaltung<br />
vermietet und im Juli 1966 um<br />
800.000 Schilling an diese verkauft.<br />
In dieser Zeit war auch<br />
das Ergänzungskommando des<br />
Bundesheeres hier angesiedelt.<br />
In den 1970er-Jahren lagerte<br />
sogar die Begas Gasleitungsrohre<br />
im Haus. Dann kam der<br />
völlige Wandel. Im Jahr 1980<br />
wurde der Verein „Jugendhaus“<br />
gegründet.<br />
Wie sich das Haus zu einem<br />
Kunst- und Kulturhaus entwickelte,<br />
das heute über die<br />
Grenzen Österreichs bekannt<br />
ist, lesen Sie in der nächsten<br />
<strong>Ausgabe</strong>.<br />
18 FEBER <strong>2021</strong><br />
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