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Bonewie Februar 2021

Das Magazin für Avenwedde, Friedrichsdorf, Spexard und Umgebung

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Unterhaltung / Service<br />

Tante Käthes Krämerladen<br />

Alle nannten das Geschäft<br />

von Tante Käthe stets den<br />

Krämerladen. Dabei hieß<br />

Tante Käthe mit Nachnamen<br />

gar nicht Krämer. Dass der<br />

Begriff von den Worten<br />

Kram oder kramen abgeleitet<br />

wurde, habe ich erst<br />

viel später verstanden. Heute<br />

sehne ich mich hin und<br />

wieder nach so einem Laden<br />

wie Tante Käthe ihn damals<br />

betrieben hat. Man muss<br />

aber danach suchen, denn<br />

es gibt sie nur noch vereinzelt.<br />

Ich glaube in unserem<br />

Ort ist davon keiner mehr zu<br />

finden. Bei Tante Käthe war<br />

immer Zeit für einen kurzen<br />

Plausch und wie oft haben<br />

wir Kinder einen Lutscher<br />

oder ein Bonbon geschenkt<br />

bekommen. Tante Käthe<br />

stand fein frisiert und mit<br />

ihrer steif gestärkten und<br />

gebügelten Schürze hinter<br />

dem Tresen und begrüßte<br />

jeden Kunden mit persönlichen<br />

Worten.<br />

„Na, junge Dame, wie geht<br />

es dir heute. Du bist ein bisschen<br />

blass um die Nase!“,<br />

sagte sie einmal zu mir.<br />

Ich versicherte ihr, dass ich<br />

aber ganz gesund sei. Ich<br />

reichte ihr meinen Einkaufsbeutel<br />

über den Tresen, in<br />

dem zwei Bierflaschen klimperten,<br />

die ich zurückgeben<br />

sollte.<br />

„Soll ich die wieder auffüllen?“,<br />

wollte sie wissen.<br />

Ich schüttelte den Kopf.<br />

Bier kauften wir nur am<br />

Wochenende. Während<br />

der Woche gab es Tee in<br />

allen Variationen. Wir Kinder<br />

bekamen am Samstag eine<br />

Flasche Apfelsinchen, die<br />

mussten wir uns einteilen.<br />

Oh, wie habe ich das Getränk<br />

geliebt. Noch heute<br />

genehmige ich mir ab und<br />

zu eine Flasche dieser knallorangen<br />

Zuckerbrause und<br />

dann denke ich zurück an die<br />

Zeit, als ich Kind war. Was<br />

gab es Schöneres als eine<br />

Scheibe frisches Graubrot<br />

mit Butter und Leberwurst,<br />

garniert mit Gewürzgurkenscheiben<br />

und dazu ein Glas<br />

Apfelsinchen? Nichts!<br />

Neben Tante Käthes Laden<br />

war eine Gastwirtschaft, in<br />

der Onkel Heinrich, Käthes<br />

Ehemann, das Regiment<br />

hatte. Er stand dort hinter<br />

seiner blitzblank geputzten<br />

Theke und versorgte die<br />

Gäste mit frisch gezapftem<br />

Bier, Limonaden, Frikadellen<br />

mit Senf und sauren Gurken.<br />

Manchmal gingen unsere<br />

Eltern mit uns dorthin und<br />

wir durften jeweils für einen<br />

Groschen Erdnüsse aus den<br />

Kugelautomaten ziehen,<br />

die früher in jeder Gastwirtschaft<br />

zu finden waren. Bei<br />

Onkel Heinrich gab es sogar<br />

zwei verschiedene Sorten,<br />

gesalzene Nüsse und Erdnüsse,<br />

die mit einer roten<br />

Zuckerschicht überzogen<br />

waren. Meine Mutter nahm<br />

für jeden von uns einen Bierdeckel<br />

und kniffte die vier<br />

Seiten ein wenig nach oben,<br />

so dass ein kleines Schälchen<br />

entstand, da hinein legten<br />

wir die Nüsse und genossen<br />

sie, langsam, eine nach der<br />

anderen.<br />

In der Kneipe gab es auch<br />

eine Musikbox. Für 50<br />

Pfennig konnte man drei<br />

Schlager wählen, wenn ich<br />

mich richtig erinnere. Während<br />

ich das hier schreibe,<br />

kriecht mir der Geruch der<br />

alten Kneipe in die Nase. Es<br />

duftet nach Bohnerwachs,<br />

Bier und Tabak. Ganz<br />

leise höre ich Rita Pavone<br />

singen: Arrividerci Hans. Ich<br />

kann den Text noch heute<br />

auswendig. Ich fand den<br />

Schlager toll. Später hat<br />

sich mein Musikgeschmack<br />

deutlich verändert, trotzdem<br />

war es so eine schöne Zeit<br />

mit dem Lied von Hans, den<br />

zwei kleinen Italienern, die<br />

nach Napoli reisen wollten<br />

und den roten Lippen, die<br />

zum Küssen da sind.<br />

Meine Freundin und ich<br />

sangen diese Schlager mit<br />

Begeisterung, wenn wir unsere<br />

täglichen Spaziergänge<br />

machten.<br />

Während ich das hier geschrieben<br />

habe, fühlt sich<br />

alles ganz frisch an. Es sind<br />

keine staubigen Erinnerungen<br />

mehr und nachdem<br />

ich nun nachgelesen habe,<br />

was mir da innerhalb der<br />

letzten Stunde auf die Tastatur<br />

gehüpft ist, habe ich<br />

große Lust, weitere Erinnerungen<br />

aufzuschreiben.<br />

Mal sehen, was da noch so<br />

kommt!<br />

© Regina Meier zu Verl<br />

www.reginameierzuverl.<br />

wordpress.com<br />

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