Mind-Mag 140
Die Zeitschrift von Mensa in Deutschland (MinD), des deutschen Ablegers der weltweiten Hochbegabten-Organisation Mensa. Die Zeitschrift von Mensa in Deutschland (MinD), des deutschen Ablegers der weltweiten Hochbegabten-Organisation Mensa.
CHAOS COMPUTER CLUB Unter Hackern und ähnlichen Kreaturen Als flügelloser Übersetzungs-Engel auf dem rc3. B ei Rilke heißt es: „Ein jeder Engel ist schrecklich.“ Das Schreckliche zeigt sich gerade in der Schönheit des Engels. Und ebenso paradox waren auch meine Gefühle, als ich Ende 2020 zum ersten Mal als Dolmetscher – respektive „Translation Angel“ – auf dem alljährlichen Kongress des CCC anheuerte. Der CCC 1 , für all diejenigen, die die letzten Jahre nicht aufgepasst haben, ist der Chaos Computer Club. Seit über 30 Jahren begleitet er die technische Entwicklung und deren gesellschaftliche und politische Auswirkungen – mal kritisch, mal humorvoll, stets aber auf technisch höchstem Niveau. Der Chaos Communication Congress findet seit 1984 alljährlich „zwischen den Jahren“ statt, von 27.12. bis 30.12., und ist eines der größten Treffen von Hackern und ähnlichen Kreaturen in Europa, wahrscheinlich sogar weltweit. 2020 fand dieses Treffen Corona-bedingt als „remote chaos experience – rc3“ erstmals vollständig online statt. So kam es, dass mein erster Einsatz als freiwilliger Simultan-Dolmetscher aus meinem Homeoffice heraus erfolgte. Die Nervosität legte sich schon bald Erfahrung hatte ich bisher nur als professioneller Übersetzer von Texten gesammelt. Entsprechend nervös war ich, als ich am ersten Treffen des Dolmetsch- Teams namens „c3lingo“ 2 teilnahm. Doch die Nervosität legte sich schon bald. Die Gruppe stellte sich als bunte Ansammlung von Menschen heraus, die den Dolmetsch-Noobs viel Geduld entgegenbrachten und viel Unterstützung boten, von technisch bis psychologisch. Die Gruppe bestand aus 36 Dolmetscherinnen und Dolmetschern, die vorwiegend von Englisch nach Deutsch und umgekehrt übersetzten – so wie ich selbst auch. Weitere Sprachen, die abgedeckt wurden, waren Französisch und brasilianisches Portugiesisch. Die technische Infrastruktur setzte auf Mumble, einer Voice-Chat-Anwendung (natürlich Open-Source), und Livestreams via VLC Media Player auf. Die Dolmetschergruppe lauschte den Vorträgen im Livestream und übersetzte 1 https://www.ccc.de/de/club 2 https://c3lingo.org/
CHAOS COMPUTER CLUB Foto: Jae Rue auf Pixabay simultan in speziellen Channels des Chat-Clients, wobei immer zwei Freiwillige zusammenarbeiteten und sich etwa alle zehn Minuten abwechselten. Im gleichen Mumble-Channel lauschte ein Bot, der den Audio-Stream mit der Übersetzung dann live zur Weiterverarbeitung übertrug. Insgesamt wurden so 106 Stunden simultan gedolmetscht. Zum Nachhören findet man die Videos hier 3 . Wer Näheres zur Infrastruktur erfahren möchte, sei hiermit auf die Session mit dem Titel „Infrastructure Review“ 4 hingewiesen. Ein großer Teil der Faszination des Kongresses geht von der Bandbreite der Themen aus. Die Vorträge beschränken sich keineswegs auf technische Themen, ganz im Gegenteil. Es gibt diverse netzpolitische Vorträge, beispielsweise aktuell zum Auslieferungsverfahren von Julian Assange, kritische Auseinandersetzungen mit neurechten Bewegungen, Erfahrungsberichte zu Corona-Homeschooling, verschiedene Vorträge zu Klimawandel et cetera. Entsprechend weitgefächert waren auch die Vorträge, die ich selbst mit dolmetschte: „Measuring radioactivity using low-cost silicon sensors“, „Climate Tipping Points“, „Scientific Literacy 101“, „CO 2 messen – in Räumen und in der Atmosphäre“, „Globalisierung, Digitalisierung und die Wachstumsfrage“, „Organizational Psychology and Software Teams“ und „Building Blocks of Decentralization“. Tipps für Interessierte Zum Abschluss noch ein paar Tipps für diejenigen, die ebenfalls an einer solchen freiwilligen Mitarbeit auf dem Congress interessiert sind: 1) Habe keine Angst. Auch wenn das Umfeld – ähnlich wie Mensa! – stark abweicht vom Mainstream, auf den man konditioniert wurde, machen es einem die anderen sehr leicht, Anschluss zu finden. 2) Mache dich auf technische Schwierigkeiten gefasst, auch wenn du gut vorbereitet bist. 3) Suche dir zunächst lieber Vorträge, deren Inhalte weniger technisch sind oder bei denen du dich thematisch auf sicherem Terrain wähnst. 4) Kabelgebundene Kopfhörer und ein externes, gutes Mikro sind wichtig; allerdings gilt dies nur für das Remote-Setting. Üblicherweise gibt es physische Dolmetschkabinen vor Ort. 5) Als Anfänger sollte man sich nicht übernehmen. Zwei Vorträge pro Tag reichen erst einmal gut aus. Der erste kleine Blick hinter die Kulissen des Kongresses war zwar eine anstrengende, aber auch eine sehr bereichernde Erfahrung. Neben Dolmetsch- Engeln gibt es noch viele weitere Möglichkeiten, wie man das Event als freiwilliges Wesen unterstützen kann (siehe 5 ). Am Ende war die Tätigkeit als „Translation Angel“ dann doch schrecklich schön. Katzenzunge (auf dem Kongress und generell unter Hackern sind anonymisierende Spaßnamen üblich) 3 https://media.ccc.de/c/rc3 4 https://media.ccc.de/v/rc3-11585-infrastructure_review 5 https://engelsystem.de/
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Erfahrung hatte ich bisher nur<br />
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von Texten gesammelt. Entsprechend<br />
nervös war ich, als ich am<br />
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Doch die Nervosität legte<br />
sich schon bald. Die Gruppe<br />
stellte sich als bunte Ansammlung<br />
von Menschen heraus, die<br />
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Unterstützung boten, von technisch<br />
bis psychologisch.<br />
Die Gruppe bestand aus 36<br />
Dolmetscherinnen und Dolmetschern,<br />
die vorwiegend von<br />
Englisch nach Deutsch und umgekehrt<br />
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selbst auch. Weitere Sprachen,<br />
die abgedeckt wurden, waren<br />
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Portugiesisch. Die technische<br />
Infrastruktur setzte auf Mumble,<br />
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(natürlich Open-Source),<br />
und Livestreams via VLC Media<br />
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1 https://www.ccc.de/de/club<br />
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