Mind-Mag 140
Die Zeitschrift von Mensa in Deutschland (MinD), des deutschen Ablegers der weltweiten Hochbegabten-Organisation Mensa.
Die Zeitschrift von Mensa in Deutschland (MinD), des deutschen Ablegers der weltweiten Hochbegabten-Organisation Mensa.
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Februar 2021<br />
MAGAZIN <strong>140</strong><br />
Wie geht<br />
gutes<br />
Unterrichten<br />
?<br />
Schule und Hochbegabung<br />
Homeschooling<br />
in Luxemburg<br />
„Ich habe<br />
immer auf mein<br />
Bauchgefühl<br />
gehört“<br />
Der M von nebenan<br />
Abdellah Lasri<br />
Ein Opernstar über<br />
die Schwierigkeit,<br />
einen Lebenstraum<br />
zu verwirklichen<br />
MinD-Spielepreis<br />
2021<br />
Vorgestellt:<br />
Die besten<br />
Neuheiten zum<br />
Spielen zu zweit
Auf der Suche nach<br />
netten Overachievern<br />
Wo steht das<br />
Klavier, und<br />
was soll ich<br />
in die andere<br />
Hand nehmen?<br />
Jetzt ist sie weg. Unsere<br />
Anzeige, mit der viele <strong>Mind</strong><strong>Mag</strong>s<br />
an dieser Stelle angefangen<br />
hatten. Und ich werde nicht<br />
mehr denken: „Stimmt. Du<br />
wolltest eine neue Anzeige<br />
für das <strong>Mind</strong><strong>Mag</strong> schreiben.“<br />
Wobei - in ein paar Monaten<br />
werde ich das wohl wieder<br />
denken, denn erfreulicherweise<br />
haben wir sehr viel zu tun, und<br />
irgend etwas bleibt ja immer<br />
liegen...<br />
Im März 2020 hatte ich auf ein<br />
Jobgesuch im Mensaverteiler<br />
folgende Antwort geschrieben:<br />
„Wir machen Cloudsoftware<br />
für Produktstammdatenmanagement,<br />
Fokus auf FMCG mit<br />
Schwerpunkt Lebensmittel. Unsere<br />
Kunden sind z.B. Unilever,<br />
Upfi eld und Frischeparadies. In<br />
unserem Team sind 3 Ms und<br />
sicher diverse potentielle Ms.<br />
Bei uns arbeiten eine Designerin,<br />
2 Physiker (davon ein<br />
promovierter mit MBA), ein Vertriebschef<br />
mit kaufmännischer<br />
Ausbildung und ansonsten<br />
Software- und Datenbankspezialisten<br />
(m/w/d) mit unterschiedlichem<br />
IT Background.<br />
Die meisten haben neben einem<br />
sehr tiefen IT-Know-How auch<br />
ein sehr gutes Verständnis für<br />
die Prozesse unserer Kunden,<br />
gerade im Zusammenhang<br />
mit den diversen Attributen im<br />
Lebensmittelbereich und dem<br />
GDSN.<br />
Wir sind auch jetzt voll arbeitsfähig,<br />
da wir schon frühzeitig auf<br />
die Cloud gesetzt und ohnehin<br />
viel aus dem Home Office gearbeitet<br />
haben. Wir haben auch<br />
einige Eltern mit unterschiedlich<br />
alten Kindern, sowie Studenten<br />
oder ältere Entwickler, die 50%,<br />
70% oder 80% Arbeitszeit haben,<br />
je nach Lebensmodell.<br />
Wir bedienen mit unserem<br />
Team Kunden in ganz Europa<br />
und weiter weg. Und wir sind<br />
relativ erfolgreich. Entsprechend<br />
haben wir an allen Enden<br />
viel zu tun, wobei motivierte, intelligente<br />
und nette Menschen<br />
wahrscheinlich helfen könnten.“<br />
Die Mensanerin, der meine Mail<br />
galt, hatte gefragt, ob es zuviel<br />
verlangt sei, einen anspruchsvollen<br />
Job haben zu wollen,<br />
wenn man vier Kinder hat und<br />
erstmal nur in Teilzeit arbeiten<br />
möchte. Seit Juli arbeitet sie bei<br />
uns - womit auch wir gelernt<br />
haben, dass virtuelles Onboarding<br />
sehr gut funktionieren<br />
kann.<br />
Warum schreibe ich Euch das<br />
alles?<br />
Nun, wir haben uns für dieses<br />
und die folgenden Jahre viel<br />
vorgenommen und könnten an<br />
der einen oder anderen Stelle<br />
Unterstützung gebrauchen.<br />
Unsere Baustellen - oder besser<br />
gesagt Spielplätze - werden<br />
dabei sein:<br />
Für einige Use Cases in unseren<br />
Anwendungen prüfen, ob wir<br />
nicht mit Hilfe von KI noch bessere<br />
Lösungen fi nden. Dabei<br />
eine extrem steile Lernkurve in<br />
Bezug auf KI hinlegen.<br />
Eine komplett neue Software<br />
bis Ende des Jahres entwickeln,<br />
cloud native mit den besten<br />
Technologien, die im Microsoft<br />
Tech Stack zur Verfügung stehen.<br />
Dabei auf unserer steilen Lernkurve<br />
bleiben.<br />
Unsere Azure Umgebung weiter<br />
nach den neuesten Erkenntnissen<br />
in Bezug auf Performance,<br />
Kosten und Sicherheit<br />
optimieren. Global mit einem<br />
verteilten Team noch besser<br />
skalieren. Unsere Arbeitsumgebung<br />
kontinuierlich verbessern,<br />
damit wir im verteilten Team<br />
optimal arbeiten können. Uns<br />
im Bereich Cybersecurity noch<br />
besser aufstellen. Hatte ich die<br />
steile Lernkurve schon erwähnt?<br />
Wenn Du jetzt denkst:<br />
„Klingt spannend. Wo steht...?“,<br />
dann guck auf unsere Webseite.<br />
Wenn Dich unsere Werte auch<br />
nicht abschrecken, dann sollten<br />
wir vielleicht mal reden.<br />
Wolfram Koller<br />
CEO Systrion AG<br />
www.systrion.com
Fotos: privat, pixabay<br />
Carsten Schumann mit Ben, Monika,<br />
Laura und Tom, Dorsten<br />
Janina Kleinemenke, Duisburg<br />
Christian Böhm und Trudy, Hamburg<br />
Cristina Jacob,<br />
Frankfurt/Main<br />
Statt Editorial (diesmal auf Seite 8) späte Silvestergrüße<br />
Gutes<br />
Gabriele Birke,<br />
Henning Scheibner, Bad Bramstedt<br />
Marc-Michel Münch, Berlin<br />
Florian Beck und Familie, Frickenhausen<br />
Sigrid Krug, München<br />
Birgit Walter und Familie,<br />
Neu Wulmstorf<br />
Anna Katharina Keller, Hamburg<br />
Anzeige<br />
Carola Bradl, Nürnberg<br />
Herbert zur Nedden, Hamburg<br />
Anna Aslanidou,<br />
Heinz-Jürgen Hartmann,<br />
Dortmund
Max Wieder und Mitbewohner, Nürnberg<br />
Stefanie Steinmann,<br />
Gersheim<br />
Constantin,<br />
Caspar und<br />
Caroline<br />
Pfannschmidt,<br />
Penzberg<br />
Juliane<br />
Jacobs,<br />
Bonn<br />
Aurelia Spatz,<br />
Augsburg<br />
Norbert Düll, Susanne Stöck,<br />
Trixi Willburger, Christoph Ruge, Erlangen<br />
Rüdiger Klings, Simone van de Steeg,<br />
Tim Klings, YuJin Son, Darmstadt<br />
neues<br />
Andreas Spies,<br />
Nürnberg<br />
Simone Dogu + Sascha,<br />
Bad Kreuznach<br />
Kaiken Junge,<br />
Hamburg<br />
Kian<br />
Alexander<br />
Schreyer,<br />
Eltville<br />
Cornelia Primke,<br />
Rolf Riedinger, München<br />
Mia Radtkes<br />
Kira, München<br />
Maya<br />
Zimmermann,<br />
Düsseldorf<br />
Maren Arnhold und<br />
Manuel Clemens,<br />
Berlin<br />
Ramona Koppik mit<br />
Elke, Svenja und Christian,<br />
München
Veronika Solar,<br />
Aschaffenburg<br />
Jens Schrobback, Frankfurt/Main<br />
Lara Schmalenstroer<br />
und Geschwister, Bonn<br />
Jan Gregor Putensen,<br />
Wismar<br />
Jahr!<br />
Evi und Dominik<br />
Konrad,<br />
Kümmersbruck<br />
Wolfgang Bau,<br />
Königswinter<br />
Sina Holtfreter,<br />
Bruchköbel<br />
Martin Eichler,<br />
Bad Homburg<br />
Anke Breuer und<br />
Tochter, Köln<br />
Lars Uebel, Alexander Kessner,<br />
Mel Jäger, Münster<br />
Kyla Hockenjos,<br />
Clara Richter,<br />
Benedikt Labrenz,<br />
Arne Kaps, München<br />
Rosi Heller,<br />
Radolfzell<br />
Petra Voss mit Kindern und<br />
deren Partnern, Hamburg<br />
Ariane Loos, Fulda
INHALT<br />
Silvester<br />
Gutes neues Jahr!<br />
Silvestergrüße von M zu M 3<br />
Editorial<br />
Jung und alt<br />
Über guten Unterricht, hochbegabte Senioren und<br />
ein Interview, das erfreuliche Folgen hatte 8<br />
Schwarzes Brett<br />
Mensa Wintercamps im Cyberspace 9<br />
Häkchen setzen! 9<br />
Beziehungsstudie des Ressorts<br />
Wissenschaft und Forschung 10<br />
Fotowettbewerb „Shyness“: Die Sieger 10<br />
prtnr.me: Neue Dating-App mit M-Feature11<br />
Kontaktanzeigen11<br />
Silvester<br />
Der Abgesang auf 2020 im Cyberspace<br />
Referenten, Spiele und ein zu schwieriges Quiz 12<br />
Advent, Advent<br />
Neun Türchen extra<br />
Der Mensa-Adventskalender 2020 14<br />
Cyberspace<br />
Kekse wichteln in drei Teilen<br />
Backen, versenden, verkosten 15<br />
Schule und Hochbegabung<br />
Umfrage<br />
Unterricht im Corona-Jahr<br />
Kuscheldecke und Quarantäne24<br />
Interview<br />
„Ich habe immer auf mein Bauchgefühl gehört“<br />
Homeschooling in Luxemburg26<br />
Abdellah Lasri:<br />
Der M von nebenan<br />
Ein Opernstar auf dem Weg<br />
zum wahren Glück<br />
Von der Schwierigkeit, einen<br />
Lebenstraum mit der Realität<br />
zu versöhnen30<br />
Prismenfernglas<br />
Gelungene und<br />
weniger gelungene<br />
Eindeutschungen<br />
Martin Luther, Aufklärer und<br />
falsche Freunde36<br />
Filmkunst<br />
Süße Tiere, heile Welt<br />
Die Kino-Kolumne mit Extra-Fakten für<br />
Besserwisser 38<br />
Unprominente Prominente<br />
Sein Name war Hase, und er<br />
wusste von nichts<br />
Karl Victor Hase: Sein legendärer<br />
Satz wurde Allgemeingut 40<br />
Senioren<br />
Alt und hochbegabt<br />
Noks Nauta über eine besondere und bisher kaum<br />
beachtete Lebenssituation41<br />
Tanja Gabriele Baudson<br />
Enthusiasmus, Fachwissen und Humor<br />
Was gute Lehrkräfte ausmacht 16<br />
Spielplatz<br />
Schachmärchen<br />
„Das Damengambit“<br />
bei Netflix 45<br />
6 | mind magazin <strong>140</strong>/februar 2021
INHALT<br />
MAGAZIN <strong>140</strong><br />
All you need is love<br />
Alles andere ist höchstens Sex …<br />
Über die Tantra-Massage46<br />
Spiele-Preis<br />
Analog spielen trotz Corona<br />
Die besten Neuheiten zu zweit66<br />
Die Fußball-Kolumne<br />
Verdammt lang her …<br />
Schalke, das Leiden und absurde Hoffnungen50<br />
Galerie<br />
Intelligent ist<br />
gleich: Frau,<br />
Buch, Brille<br />
Was beim Stöbern<br />
in Fotodatenbanken<br />
auffällt52<br />
Leserbriefe<br />
-Diese Polemik greift ins Leere<br />
-Ohne Kenntnis in die übliche Kerbe<br />
-Einen Gang runterschalten54<br />
Ortsblätter<br />
Sie halten den ganzen Laden zusammen<br />
Komische Namen und wahre Heldinnen und<br />
Helden: Ein Loblied56<br />
Chaos Computer Club<br />
Unter Hackern und ähnlichen Kreaturen<br />
Als Übersetzungs-Engel auf dem rc360<br />
<strong>Mind</strong>-Akademie<br />
„Wandel“ beim <strong>Mind</strong>-Hochschul-Netzwerk<br />
Im Lockdown baut das MHN seine Strukturen<br />
weiter aus62<br />
SIG Handwerken<br />
Schmetterlinge, Viren und sogar<br />
ein Lesezimmer<br />
Stricken, Häkeln, Nähen:<br />
Corona hat auch Vorteile!68<br />
Rätsel<br />
Numbered Rooms<br />
Eine Rätselart, die noch viel zu wenig Beachtung<br />
erfahren hat 73<br />
Organisation<br />
Wer weiß mehr?<br />
Organisatoren lokaler Treffen 74<br />
Information76<br />
Vorstand, Impressum 77<br />
Wissenschaft und Forschung<br />
Mensa qualifiziert!<br />
Professionell auf externe Anfragen reagieren64<br />
Mensa beim 3. Schweizer<br />
Begabungskongress64<br />
Persönlichkeit und Hochbegabung<br />
Manche Vorurteile kann man getrost und<br />
fundiert ablegen65<br />
Scheer Ware<br />
Eine Birke hat die Nase voll<br />
In memoriam Hildegard Knef 78<br />
Titelfotos: Karl Forster, pixabay<br />
Fotos Inhalt: Saad Hamza, Katharina<br />
Komarnicki, PHIL BRAY/NETFLIX, pixabay,<br />
wikimedia gemeinfrei<br />
mind magazin <strong>140</strong>/februar 2021 | 7
EDITORIAL<br />
ERWIN KLEIN<br />
Jung und alt<br />
Über guten Unterricht, hochbegabte Senioren und ein Interview,<br />
das erfreuliche Folgen hatte.<br />
N<br />
ie wurde so viel über Schulen geredet<br />
und geschrieben wie in den vergangenen<br />
Wochen. Offen halten, schließen, mit<br />
Maske oder ohne, lüften, Lockdown, Lernplattformen<br />
– was bin ich froh, mich damit<br />
nicht mehr im eigenen Haushalt auseinandersetzen<br />
zu müssen.<br />
Und jetzt fangen wir im <strong>Mag</strong> auch noch an.<br />
Schreiben über Homeschooling und gute<br />
und schlechte Lehrkräfte. Aber es geht dabei<br />
nur am Rande um Corona und die damit<br />
verbundenen Einschränkungen.<br />
Unser Thema lautet Hochbegabung, die<br />
sich erstaunlicherweise gerade in der Schule<br />
oft schwertut. Woran liegt's? Natürlich<br />
auch an der Lehrerin oder dem Lehrer. Tanja<br />
Gabriele Baudson beschreibt lesenswert,<br />
was Lehrkräfte hochbegabter Schulkinder<br />
mitbringen sollten. Wichtigste Erkenntnis<br />
für mich: Sie müssen nicht zwingend selbst<br />
einen überdurchschnittlichen IQ vorweisen,<br />
aber unbedingt eine herausragende Begabung<br />
zum Unterrichten.<br />
Wir wissen aus Diskussionsforen und Zuschriften,<br />
wie sehr sich viele Eltern mit dem<br />
staatlichen Schulsystem abmühen. Ist dauerhaftes<br />
Homeschooling eine Alternative?<br />
In Deutschland dank Schulpflicht nicht –<br />
aber ein Gespräch mit einer luxemburgischen<br />
Homeschool-Lehrerin liefert spannende<br />
Ansätze.<br />
V<br />
on ziemlich jung zu recht betagt: Hochbegabte<br />
Senioren sind eine bislang<br />
eher unerforschte Personengruppe. Die<br />
Niederländerin Noks Nauta – selbst schon<br />
über 70 – beschäftigt sich seit Jahren mit<br />
dem Thema Hochbegabung und hat jüngst<br />
zusammen mit Ine Schouwstra das Buch<br />
„Hoogbegaafde Senioren“ herausgebracht.<br />
Auch wenn unser Niederländisch ausbaufähig<br />
ist: Grund genug, mit ihr über die speziellen<br />
Anforderungen und Bedürfnisse dieser<br />
Altersgruppe zu reden. Und vielleicht<br />
Anlass für manche (mich eingeschlossen),<br />
über die eigene Vergänglichkeit ganz unsentimental<br />
intensiver nachzudenken.<br />
D<br />
ann ist da noch Silvia<br />
Mittermüller.<br />
Vielleicht erinnert ihr<br />
euch an die Snowboarderin,<br />
die in der vergangenen<br />
Ausgabe als<br />
„Mensanerin von nebenan“<br />
eindrucksvoll über<br />
ihre Karriere und das Leben<br />
danach erzählte.<br />
Dem Berliner „Tagesspiegel“<br />
– größte Abo-Zeitung der Hauptstadt<br />
– gefiel dieses Gespräch so gut, dass<br />
er es leicht gekürzt Ende Dezember nachdruckte.<br />
Natürlich mit Verweis auf Mensa,<br />
das MinD-<strong>Mag</strong> und Interviewerin Natalie<br />
Lehman. Wir freuen uns<br />
sehr, ist es doch eine Bestätigung,<br />
dass wir manchmal<br />
manche Dinge offensichtlich<br />
ganz gut hinbekommen.<br />
Erwin ist Chefredakteur des MinD-<strong>Mag</strong>azins.<br />
8 | mind magazin <strong>140</strong>/februar 2021
MinD-<strong>Mag</strong><br />
im Netz lesen<br />
Auch dieses Heft stellen<br />
wir wieder auf die <strong>Mag</strong>azin-<br />
Platform „Yumpu“ ein.<br />
Zu finden auf Yumpu.com,<br />
Suchbegriff:<br />
<strong>Mind</strong>-<strong>Mag</strong>azin.<br />
Häkchen setzen!<br />
Wir müssen die Daten<br />
der Mitglieder und<br />
unsere IT-Systeme vor<br />
Missbrauch schützen<br />
und deren Nutzung<br />
auf eine definierte und<br />
rechtssichere Basis<br />
stellen. Vor einigen Monaten<br />
haben wir entsprechende<br />
Nutzungsbedingungen<br />
veröffentlicht.<br />
Das reicht aber<br />
nicht: Wer die Systeme<br />
inklusive Mailinglisten<br />
weiter nutzen<br />
will und den Bedingungen<br />
noch nicht aktiv<br />
zugestimmt hat: Das<br />
geht per Mausklick unter<br />
https://db.mensa.de<br />
nach dem Login.<br />
Terminkalender<br />
Schwarzes Brett<br />
Polarlichter über dem<br />
virtuellen Eismeer<br />
Mensa Wintercamps im Cyberspace.<br />
D<br />
as Virtuelle Winter<br />
MCCC (Mensa Clever<br />
Children Camp) fand<br />
vom 28. bis 30. Dezember<br />
statt. Über 60 Kinder<br />
haben teilgenommen –<br />
damit war es das größte<br />
MCCC, das wir jemals<br />
hatten. Gemeinsam haben<br />
wir uns auf vielfältige<br />
Abenteuer begeben.<br />
Es wurden Glückskekse<br />
gebastelt, Sport gemacht,<br />
Handlettering geübt, gequizzt,<br />
Sprachen gelernt,<br />
nach Hogwarts gereist,<br />
gebacken, programmiert<br />
und vieles mehr. Und am<br />
Ende stand fest: Wir haben<br />
Wiederholungsbedarf!<br />
Beim virtuellen Juniors<br />
Wintercamp zum Jahresauftakt<br />
sind 50 Teilnehmende<br />
online zusammengekommen<br />
und<br />
haben an vielseitigen<br />
Workshops, Vorträgen,<br />
Gesprächsrunden und<br />
Spieletreffs ihren Spaß<br />
gehabt. Einige Teilnehmende<br />
sind sich auch in<br />
einer VR-Umgebung begegnet,<br />
wie im Bild zu<br />
sehen ist. Dafür haben<br />
wir uns bei diesem Camp<br />
auf der Plattform AltspaceVR<br />
getroffen und mit<br />
zwei Experten aus der<br />
Wissenschaft über die<br />
Technologie und Social<br />
VR diskutiert. Nach einer<br />
Fragerunde ist die Gruppe<br />
ans virtuelle Eismeer<br />
gereist, um die Polarlichter<br />
anzuschauen und<br />
eine Schneeballschlacht<br />
zu machen – winterlicher<br />
wird's nicht!<br />
Doro Eder,<br />
Janne Neumann,<br />
Michael Bonfert<br />
Datum Uhrzeit Titel Ort Veranstalter<br />
11.02.2021 19:30 bis 21:30 Vortrag: Eine Reise an den Südpol online Juliane Schneider<br />
13.02.2021 19:30 bis 01:00 Craftbier-Tasting online Baldo Sahlmüller<br />
17.02.2021 11:30 bis 12:00 M3 ONLINE (Mittwochs-Morgen-MENSchen) online Ronald Bieber<br />
20.02.2021 19:00 bis 22:00 Spieleabend ohne Namen - Codenames online Herbert zur Nedden<br />
24.02.2021 19:00 bis 23:59 Virtuelles Mensa Youth-Treffen online Lennart Rittel<br />
05.04.2021 20:00 bis 23:59 Spieleabend online Susanne Severin<br />
24.04.2021 10:00 bis 19:00 3. Intarsienkurs für Mensaner und Freunde Fürstenzell Karin Polz<br />
13.05.2021 Motorrad-Wochenende Weserbergland Oedelsheim Iris Herrmann
Schwarzes Brett<br />
Beziehungsweise:<br />
mensanisch!<br />
E<br />
inige von euch<br />
haben es vielleicht<br />
schon in den<br />
Mensa-News oder<br />
über die Externe-Studien-Liste<br />
erfahren<br />
(und vielleicht sogar<br />
schon an der Befragung<br />
teilgenommen)<br />
– alle anderen haben<br />
jetzt noch mal die<br />
Chance!<br />
Wie im (Dr.-)Sommerheft<br />
des MinD-<br />
<strong>Mag</strong>azins zum Thema<br />
Liebe angekündigt,<br />
geht es bei unserer<br />
ersten großen<br />
Beziehungsstudie um<br />
die Frage, was den Ms<br />
in ihren Partnerschaften<br />
wichtig ist und<br />
welche weiteren Faktoren<br />
ihre Partnerpräferenzen<br />
beeinflussen.<br />
Die Befragung<br />
dauert etwa 40 Minuten.<br />
Falls ihr bislang<br />
noch nicht teilgenommen<br />
habt, bitte<br />
hier entlang: https://<br />
link.mensa.de/BZS<br />
Hintergrund: Ein<br />
Satzungszweck von<br />
Mensa ist „Wissenschaft<br />
und Forschung<br />
auf dem Gebiet der<br />
menschlichen Intelligenz,<br />
ihrer Ausprägungen,<br />
Charakteristiken<br />
und Anwendung“.<br />
Hierfür<br />
zeichnet das Ressort<br />
Wissenschaft und<br />
Forschung verantwortlich.<br />
Eines unserer Forschungsthemen<br />
ist<br />
die Frage, wie die Ms<br />
eigentlich so sind<br />
und wie sie sich vom<br />
Rest der Menschheit<br />
unterscheiden (denn<br />
nur, weil Ms nicht repräsentativ<br />
für Hochbegabte<br />
im Allgemeinen<br />
sind, heißt das<br />
ja nicht, dass sie keine<br />
spannende Untersuchungsgruppe<br />
wären – ganz im Gegenteil!).<br />
Die Beziehungsstudie<br />
beinhaltet<br />
deshalb auch Fragebögen,<br />
die so auch<br />
schon in früheren<br />
Untersuchungen verwendet<br />
wurden, um<br />
die Vergleichbarkeit<br />
sicherzustellen.<br />
Unser Ziel ist es,<br />
Mensa über die kommenden<br />
Jahre als<br />
ernstzunehmende Institution<br />
in der Begabungs-<br />
und Begabtenforschung<br />
zu etablieren.<br />
Wir freuen<br />
uns, wenn ihr uns dabei<br />
unterstützt!<br />
Dr. Tanja Gabriele<br />
Baudson<br />
1. Platz: I won't be photographed –<br />
Martin Sivak, Tschechische Republik<br />
Fotowettbewerb<br />
„Shyness“: Die Sieger<br />
2. Platz: Hidden –<br />
Wojciech Woszczyk, Polen<br />
3. Platz: Mina –<br />
David Barthelemy, France<br />
Berry sagt<br />
Die internationalen<br />
Sieger des<br />
Mensa Fotowettbewerbs<br />
2020 zum<br />
Thema Schüchternheit<br />
stehen<br />
fest. Hier seht ihr<br />
die drei Erstplatzierten.<br />
Auf Rang<br />
fünf folgt die beste<br />
deutsche Teilnehmerin<br />
Sabine Marieni.<br />
Das Thema<br />
des Wettbewerbs<br />
2021 heißt „Balance<br />
- Ausgeglichenheit“.<br />
Bis zum<br />
15.06.2021 können<br />
dazu Fotos eingereicht<br />
werden. Näheres<br />
im kommenden<br />
<strong>Mag</strong>.<br />
„ Nicht jeder, der einen Bart<br />
trägt, ist schon ein Prophet.“<br />
Altes persisches Sprichwort<br />
aus vorislamischer Zeit
Neue Dating-App mit M-Feature<br />
M Danijel Ilisin aus Hamburg<br />
schrieb uns:<br />
Meine Dating-App („prtnr.<br />
me“) ist jetzt endlich fertig (zumindest<br />
für iOS) und seit heute<br />
auch ganz offiziell im Apple-<br />
App-Store zu finden.<br />
Das allein ist schon der Kracher,<br />
allerdings noch sehr viel<br />
krachermäßiger finde ich den<br />
Umstand, dass (natürlich!) ein<br />
dediziertes M-Feature mit eingebaut<br />
wurde. Verifizierte Ms<br />
können sich in der App „finden“<br />
und miteinander in Kontakt treten<br />
(„daten“).<br />
Auf https://prtnr.me gibt es etwas<br />
Marketing-Blabla mit Infos<br />
zur App.<br />
Eine Android-Version ist bereits<br />
in der Mache und folgt<br />
„asap“.<br />
Die Startseite von prtnr.me. Marketing Bla-bla und Infos zur Nutzung der App.<br />
Wieso schreibe ich euch das?<br />
Weil es cool wäre, wenn irgendwann<br />
ganz Mensa (International?<br />
Träum …) über eine schicke,<br />
moderne App Online-Dating<br />
praktizieren würde. Denn wir<br />
wissen ja: Viele Ms wünschen<br />
sich einen Partner auf ähnlicher<br />
kognitiver Flughöhe.<br />
Und weil es gut passt, hier noch ein paar M-Kontaktgesuche<br />
Musikalischer Wunderknabe,<br />
zwischenzeitlich<br />
47 Jahre alt, mit Faible für<br />
Zahlenspielereien, orthografische<br />
Fachsimpeleien<br />
und philosophische<br />
Diskussionen über die<br />
Suche nach dem Glück<br />
sucht begeisterungsfähiges<br />
weibliches Pendant,<br />
bevorzugt aus dem<br />
Raum 70/71/72. E-Mail:<br />
551103854960@t-online.de<br />
Sapiosexuelle Sie<br />
(27 J.), sesshaft in München,<br />
sachlich-nüchtern,<br />
strukturiert, zielstrebig,<br />
mit trockenem Humor,<br />
manchmal zu pedantisch<br />
und Brettspielnerd sucht<br />
für eine Langzeitbeziehung<br />
mit tiefsinnigen Gesprächen:<br />
Mann (ca. 20-<br />
40 Jahre), in Bayern oder<br />
Baden-Württemberg lebend,<br />
der kulturell interessiert,<br />
aufrichtig, sportlich<br />
ist und sein Leben im<br />
Griff hat. Welcher Mann<br />
mit Grips fühlt sich angesprochen?<br />
Schreib mir<br />
einfach eine Nachricht an<br />
partnerauswahl@gmx.de<br />
Probieren geht über<br />
Studieren Als Medizinstudent<br />
um Rhein-Neckar,<br />
der sich bislang auf<br />
keine suboptimalen Beziehungen<br />
einließ, probiere<br />
ich also doch noch,<br />
im Leben eine Person mit<br />
vergleichbarer Empfänglichkeit<br />
für Sport, Tanz,<br />
Musik, Sprachen, Technik,<br />
Prinzipien und eigentlich<br />
auch alles andere zu finden.<br />
Über nerhoneniednikisum@gmx.de<br />
bis 31.<br />
März 2021 erreichbar.<br />
Eine Erzählung muss<br />
so sein, als träte man<br />
auf eine Lichtung hinaus,<br />
sagte Peter Handke einmal.<br />
Wer von Euch hat<br />
Interesse, sich über Literatur<br />
auszutauschen?<br />
Goethe, Schiller, Gedichte<br />
usw. (alles außer Krimi)<br />
Wer schreibt vielleicht<br />
selber an etwas?<br />
diemensanerin@web.de<br />
Dornröschen möchte<br />
endlich wachgeküßt werden<br />
- von einem Mann<br />
(ca. 50-65J., frei für einen<br />
Neubeginn), der sich<br />
durch Dornen nicht abschrecken<br />
läßt! Altruismus,<br />
Tierliebe und (mindestens)<br />
ein Studium<br />
(oder sonstwie ausgeprägte<br />
Bildung) sowie<br />
Interesse am Landleben<br />
(PLZ 21...) für die praktische<br />
Dornenbeseitigung<br />
wären von Vorteil, weitere<br />
Details verrät 58j. Ärztin<br />
gern auf Anfrage;-))<br />
Ziel: gemeinsam noch<br />
etwas für diese Welt zu<br />
bewegen! argo_akunita@<br />
yahoo.de mit Antwortgarantie;-))<br />
Ehrfurchtbegabter Weltentdecker<br />
mit Schönheitssinn<br />
und abstrakter<br />
Ader sucht junge fröhliche<br />
Sie für die einzigartige<br />
Mischung aus echter<br />
Freundschaft, wahrer<br />
Liebe und leidenschaftlicher<br />
Zuneigung. Ich<br />
komme aus NRW, bin 33<br />
J., NR, und halte nichts<br />
für selbstverständlich -<br />
auch nicht dich. Welche<br />
besondere Seite an dir<br />
möchtest du mir zeigen?<br />
DuAmZug@gmail.com<br />
Wer ebenfalls im <strong>Mag</strong> auf Partnersuche gehen möchte: Mail an chefredakteur@mensa.de genügt.
SILVESTER<br />
LUKAS KÖPPEL<br />
Der Abgesang auf 2020<br />
mit Referenten, Spielen und<br />
einem zu schwierigen Quiz<br />
Silvester im Cyberspace.<br />
V<br />
or ein paar Wochen haben<br />
wir beschlossen, dass<br />
wir eine virtuelle Silvester-Veranstaltung<br />
organisieren wollen,<br />
damit niemand allein sein<br />
muss, der es nicht sein will. So<br />
begannen wir mit der Planung<br />
der Programmpunkte und stepby-step<br />
wurden es mehr.<br />
Den Einstieg in den Abend<br />
machten die hervorragenden<br />
Vorträge von Markus Gyger<br />
(zum Thema Zielsetzung und<br />
Zielformulierung), Martin Volbers<br />
(über Abnehmen und die<br />
Haltbarkeit guter Vorsätze), Tobias<br />
Müller-Zielke (Thema: Getting<br />
things done) und Thomas<br />
Steffens (Vegan kochen für Anfänger),<br />
die (fast) vollständig<br />
ausgebucht waren und sehr positiv<br />
aufgenommen wurden.<br />
Um 20 Uhr<br />
ging's los<br />
Codenames hatte ein Problem mit Nürnberg. <br />
Ein Lob allen Referenten, die<br />
sich innerhalb weniger Wochen<br />
dazu bereit erklärt haben, hier<br />
vorzutragen und ein besonderer<br />
Dank geht an Maria Henke,<br />
LoCo für Veranstaltungsunterstützung<br />
im Cyberspace. Sie hat<br />
sich um die Organisation der<br />
Vorträge und die Buchung der<br />
Referenten gekümmert.<br />
Zwischen Vortragsende und<br />
dem offiziellen Beginn fanden<br />
sich bereits die ersten Ms ein,<br />
die damit schon zwei Stunden<br />
vor Start zusammensaßen und<br />
Screenshots: Lukas Köppel<br />
Unterhaltungen führten. Und<br />
dann war es 20:00 Uhr! Der große<br />
Beginn!<br />
Ja, in etwa. Hätte sich nicht<br />
eine Gruppe gefunden, die<br />
um kurz vor 20:00 Uhr mit einer<br />
außerplanmäßigen Runde<br />
Codenames begann. Spalter!<br />
Dabei hatte ich eine so schöne<br />
Rede vorbereitet, um mich<br />
12 | mind magazin <strong>140</strong>/februar 2021
SILVESTER<br />
Da wir alle schön unsere GEZ-<br />
Gebühren zahlen, haben wir es<br />
uns als Gruppe von etwa 20 Ms<br />
über die Mediathek eines der<br />
großen öffentlichen Sender angeschaut.<br />
Punkt Mitternacht. Jahreswechsel.<br />
Sekt. Gesundes Neues.<br />
Yeah. Geändert hat sich nichts.<br />
Hemmungsloses Rumschmieren bei den Montagmalern. <br />
an die Anwesenden zu wenden.<br />
Aber so sollte es sein.<br />
Ungezwungenes Beisammensein.<br />
Das zu tun, worauf man<br />
gerade Lust hat. Die Gäste verteilten<br />
sich also fleißig auf die<br />
unterschiedlichen Räume, unterhielten<br />
sich oder spielten<br />
gemeinsam. Den Einstieg<br />
zur Spielerunde machte Montagsmaler,<br />
das auch bei (MY-)<br />
Stammtischen regelmäßig gespielt<br />
wird. Malen? Zeichnen?<br />
Verschandeln? Passt alles.<br />
Beinahe zwei Stunden haben<br />
wir unserem inneren Picasso<br />
gefrönt – oder dem Schmierfinken,<br />
je nachdem, wie man zum<br />
Kubismus steht.<br />
Kapitulation vor<br />
dem Quiz<br />
Parallel dazu startete um<br />
21:30 Uhr das Quiz von Hermann<br />
Baesecke, das er extra<br />
für den Silvesterabend zusammengestellt<br />
hatte. Es vergingen<br />
etwa 25 Minuten und plötzlich<br />
stieg die Personenanzahl im<br />
Spieleraum wieder an. Warum?<br />
Nun, Hermann hat etwas erreicht,<br />
was bisher wahrscheinlich<br />
nicht viele Ms geschafft haben.<br />
Die Teilnehmer hatten aufgegeben.<br />
Hermanns Quiz war zu<br />
schwierig. Die anwesenden Ms<br />
bekamen es nicht hin. Von dieser<br />
Sache bin ich bis heute begeistert,<br />
und dafür gebührt ihm<br />
eigentlich eine Anstecknadel in<br />
Gold als „Bezwinger der Ms“.<br />
Codenames mochte<br />
Nürnberg nicht<br />
Nachdem unsere Stifte leer<br />
waren, sind wir um 22:30 Uhr<br />
auf Codenames umgestiegen.<br />
Was mir negativ aufgefallen<br />
ist: Das Spiel mochte Nürnberg<br />
nicht und hat es direkt in<br />
der ersten Runde als Attentäter-Karte<br />
ausgewählt. Freundchen<br />
Spiel, so geht das nicht!<br />
Du musst nicht den Finger in<br />
die Wunde legen. Nach einer<br />
Stunde war auch schon wieder<br />
Schluss, denn was gehört zu jeder<br />
Silvesterfeier? Richtig. Dinner<br />
for One.<br />
Unterhaltungen bis<br />
spät in die Nacht<br />
Es ging mit guten Unterhaltungen<br />
weiter, die bis spät in<br />
die Nacht anhielten. Selbst um<br />
halb zwei waren es noch 20 Ms,<br />
die beisammen waren, und man<br />
munkelt, dass einige ganz Harte<br />
sogar bis 4:00 Uhr aushielten.<br />
Ich finde, dass es ein schöner<br />
Ausklang des Jahres war, auch,<br />
weil sich viele Ms begegneten,<br />
die sich vorher noch nicht<br />
kannten. Der virtuelle Raum<br />
macht diese Treffen möglich. 71<br />
angemeldete Ms waren es, von<br />
denen im Schnitt 40 gleichzeitig<br />
online waren. Aus der ganzen<br />
Bundesrepublik.<br />
Einen speziellen Dank noch<br />
an Gianna Liehr und Leo V.<br />
Bauer, die sich, so wie immer,<br />
im Hintergrund um die Verifikation<br />
neuer User kümmerten.<br />
Ohne die beiden wäre vieles<br />
nicht möglich.<br />
Bis zum nächsten Silvester?<br />
Wir werden sehen!<br />
mind magazin <strong>140</strong>/februar 2021 | 13
ADVENT, ADVENT<br />
DOROTHEE KAGELMANN<br />
Neun Türchen extra<br />
Der Mensa-Adventskalender 2020<br />
– und vielleicht auch 2021?<br />
„Klar, da bin ich gerne dabei“,<br />
war ganz spontan meine Antwort,<br />
als Ulrike Dürnfeld mich<br />
fragte, ob ich Lust hätte, einen<br />
Adventskalender mit ihr zu gestalten.<br />
Wir saßen an einem lauen<br />
August-Abend ziemlich entspannt<br />
draußen in einer Kneipe<br />
und hofften, dass der Corona-Virus<br />
sich bald eindämmen<br />
ließe und an Weihnachten wieder<br />
Normalität herrschen würde.<br />
Das war ziemlich an der Realität<br />
vorbei, wie sich später herausstellen<br />
sollte.<br />
Organisation und<br />
Vorbereitung<br />
Zufrieden ins neue Jahr: Das Adventskalender-Team<br />
Ulrike Dürnfeld, Benjamin Diethelm<br />
und Dorothee Kagelmann.<br />
<br />
Montage: Klein<br />
Die Projekt-Organisation war<br />
über Confluence schnell aufgesetzt<br />
und unsere Experten aus<br />
der Webredaktion, Sabine Bauten<br />
und Benjamin Diethelm,<br />
waren auch gleich motiviert. Es<br />
folgte eine Flut an E-Mails, die<br />
ich unter dem Decknamen „Projekt<br />
Schneemann“ an viele Ms<br />
rausschickte, um Content zu gewinnen.<br />
Parallel kündigte Ulrike<br />
das Projekt an und warb um<br />
Unterstützung. In dieser corona-bedingt<br />
recht kontaktarmen<br />
Zeit bescherte mir das Projekt<br />
eine Menge Kommunikation<br />
und auch sehr viel Spaß. Denn<br />
aufgrund der XXL-Version bestand<br />
der Anspruch, 33 Türchen<br />
zu gestalten – Inhalt, Layout<br />
plus Türchenfoto. Als nächstes<br />
war die Webredaktion im Einsatz,<br />
die mit allen gelieferten<br />
Formaten zurechtkommen wollte.<br />
Da gab es die ein oder andere<br />
Herausforderung, die hervorragend<br />
gemeistert wurde.<br />
Zahlen, Daten, Fakten<br />
Da Ms Zahlen mögen, bekamen<br />
wir regelmäßig die Klicks geliefert.<br />
Stand 2. Januar 2021 verzeichneten<br />
wir allein auf der<br />
Übersichtsseite über 21.000 Besucher,<br />
von denen mehr als<br />
14.000 auch ein Türchen öffneten.<br />
Das am häufigsten besuchte<br />
Türchen erzielte über 1.100<br />
Klicks – das war tatsächlich der<br />
29. 11.2020. Die Wünsche zum<br />
neuen Jahr waren scheinbar weniger<br />
wichtig – sie landeten auf<br />
dem letzten Platz mit unter 100<br />
Klicks. Allerdings traf das letzte<br />
Türchen auch erst mit Verspätung<br />
ein.<br />
Euer Feedback<br />
Wünscht ihr euch für 2021 wieder<br />
einen M-Adventskalender?<br />
Wir würden uns freuen, wenn<br />
ihr uns direkt an mitgliederbetreuung@mensa.de<br />
schreibt<br />
oder die Umfrage über den Link<br />
in der Februar-Ausgabe der<br />
Mensa-News beantwortet:<br />
• Hat dir der M-Adventskalender<br />
gefallen?<br />
• Hast du gewusst, dass vom<br />
29. 11. bis 31. 12. 2020 täglich<br />
ein Türchen zum Öffnen wartete?<br />
• Würdest du den Adventskalender<br />
2021 besuchen, wenn<br />
du täglich einen E-Mail-Link<br />
erhalten würdest (Abonnement)?<br />
• Würdest du 2021 den Inhalt<br />
für ein Türchen des Adventkalenders<br />
gestalten?<br />
• Ist dir das Thema Weihnachten<br />
und Adventskalender<br />
eher fremd?<br />
Falls Ihr den Adventskalender<br />
nochmal anschauen möchtet,<br />
ist das unter https://www.mensa.de/adventskalender/<br />
noch<br />
möglich.<br />
14 | mind magazin <strong>140</strong>/februar 2021
CYBERSPACE<br />
MARIA HENKE<br />
Kekse wichteln in drei Teilen<br />
Backen, versenden, verkosten.<br />
K<br />
lassisches wie Zimtsterne,<br />
Vanillekipferl, Nussecken<br />
und Schwarz-Weiß-Gebäck,<br />
winterliche Schneeflocken<br />
und Vanille-Schneebälle,<br />
fruchtige Zitronensterne, tierische<br />
Bärentatzen, Anisplätzchen,<br />
Ingwer-Cookies, Pumpernickelkekse<br />
und einige andere<br />
mehr machten sich in der letzten<br />
Novemberwoche auf den<br />
Postweg. Verschickt wurden sie<br />
von neun Teilnehmenden am<br />
„Kekse wichteln“ quer durch die<br />
Republik, zum Beispiel von Düsseldorf<br />
nach Hamburg, aus dem<br />
Fränkischen ins Holsteinische<br />
und zwischen den Jakobswegstationen<br />
Rostock und Roßtal.<br />
Diese Förderung der nationalen<br />
Postdienstleister war ein Teil<br />
der achttägigen Veranstaltungsreihe<br />
„Kekse wichteln im Cyberspace“,<br />
die aus drei Teilen bestand.<br />
Vorausgegangen war „Kekse<br />
wichteln Teil 1: Backen“ in geselliger<br />
virtueller Runde an einem<br />
Sonntagnachmittag. Neun<br />
Ms hatten sich im Hotel Mensa<br />
zusammengerottet, um die Bar<br />
in eine Weihnachtsbäckerei zu<br />
verwandeln. Der<br />
Backofen, in dem<br />
sonst nur Nachos<br />
mit Käse überbacken<br />
werden,<br />
war etwas klein,<br />
die Backausstattung<br />
der Bar etwas<br />
spartanisch<br />
<br />
und beides so virtuell, dass wir<br />
alle dann doch auf unser heimisches<br />
Equipment zurückgegriffen<br />
haben.<br />
So haben alle bei netter Unterhaltung,<br />
in der es nicht nur um<br />
Kekse ging, vor sich hin gebacken.<br />
Nur selten wurde das Gespräch<br />
vom Geräusch einer Küchenmaschine<br />
unterbrochen.<br />
Mir verging die Zeit wie im<br />
Fluge. Dass ich nach Stunden in<br />
der Küche, als sich Rücken und<br />
Füße meldeten, auch beim Verzieren<br />
des letzten Kekses noch<br />
Unterhaltung hatte, nahm der<br />
ganzen Weihnachtsbäckerei die<br />
Längen.<br />
Auf Basis einer Abfrage, wer<br />
welche Unverträglichkeiten hat<br />
und wer diese mit gluten-, nussoder<br />
milcheiweißfreien Rezepten<br />
bedienen kann, waren<br />
Wichtelpartner<br />
oder Wichteltrios<br />
zusammengestellt<br />
worden. So<br />
konnten in „Kekse<br />
wichteln Teil 2:<br />
Versand“ alle Angemeldeten<br />
mindestens<br />
ein Päck-<br />
Fotos: Maria Henke<br />
chen in VHS-Kassettengrößen<br />
verschicken und in Empfang<br />
nehmen.<br />
Zu guter Letzt haben wir uns<br />
dann am Folgesonntag, pünktlich<br />
zum 1. Advent, noch zu<br />
„Kekse wichteln Teil 3: Verkosten“<br />
getroffen – wieder virtuell<br />
im Hotel Mensa natürlich. Nicht<br />
wenige hatten der Versuchung<br />
widerstanden und das empfangene<br />
Wichtelpäckchen noch<br />
verschlossen aufbewahrt. Nun<br />
wurden Päckchen geöffnet, die<br />
vielen verschiedenen Sorten beprobt<br />
und gelobt, Fotos und Rezepte<br />
ausgetauscht.<br />
Abschließender Kommentar<br />
eines Teilnehmers:<br />
„Es war nett mit euch. Wenn<br />
das Ganze nächstes Jahr wieder<br />
stattfindet und ich Zeit habe,<br />
komme ich vorbei.“<br />
Nach dem Backen folgte der Versand<br />
mit anschließender Verkostung.<br />
mind magazin <strong>140</strong>/februar 2021 | 15
SCHULE UND HOCHBEGABUNG<br />
TANJA GABRIELE BAUDSON<br />
Enthusiasmus,<br />
Fachwissen und Humor<br />
Was gute Lehrkräfte ausmacht.<br />
Der Schulmeister von Eßlingen. Dar stellung<br />
aus dem Codex Manesse, um 1340. <br />
Abbildung: wikimedia gemeinfrei<br />
Hochbegabte sind eine<br />
heterogene Gruppe mit<br />
vielfältigen Bedürfnissen.<br />
Damit muss man als<br />
Lehrkraft erst einmal<br />
umgehen können. Wenn<br />
das aber gelingt, ist der<br />
Lohn gewiss: Wer seine<br />
Schülerinnen und Schüler<br />
als Individuen behandelt,<br />
macht auch erfolgreichen<br />
Unterricht. Aber reicht das,<br />
um Hochbegabte gut zu<br />
unterrichten?<br />
D<br />
ie Bedeutung der Lehrkraft<br />
für den Bildungsweg ihrer<br />
Schülerinnen und Schüler ist<br />
kaum zu überschätzen. Das zeigen<br />
nicht nur individuelle Erfahrungen,<br />
in denen die prägende<br />
Rolle einzelner Lehrpersonen<br />
– im Guten wie im Schlechten<br />
– immer wieder thematisiert<br />
werden, sondern auch die wissenschaftliche<br />
Forschung.<br />
John Hatties „Visible Learning<br />
– Lernen sichtbar machen“<br />
war in den letzten Jahrzehnten<br />
hierfür das vermutlich prominenteste<br />
Beispiel. Seine Mega-Analyse,<br />
die zahlreiche Metaanalysen<br />
(zusammenfassende<br />
Analysen von Einzelstudien)<br />
zur Wirkung verschiedener<br />
Schüler-, Lehrer- und Unterrichtsmerkmale<br />
und Maßnahmen<br />
auf den Lernerfolg zusammenfasst,<br />
zeigt ganz deutlich:<br />
Auf die Lehrkraft kommt es an.<br />
Und wenn man sich vor Augen<br />
führt, dass diejenigen, die heute<br />
die Schulbank drücken, diejenigen<br />
sind, die morgen die Geschicke<br />
der Welt leiten, erscheint es<br />
durchaus sinnvoll, sich mit dem<br />
Thema „gute Lehrkräfte“ zu befassen.<br />
Aber was bedeutet das für<br />
Hochbegabte – also diejenigen,<br />
deren hohes Potenzial besondere<br />
Chancen birgt, die Welt zum<br />
Positiven zu verändern? Nur wenige<br />
Aspekte der Hattie-Studie<br />
beziehen sich spezifisch auf diese<br />
Zielgruppe. Und dabei geht es<br />
hauptsächlich um die Wirksamkeit<br />
der gängigen Begabungsfördermaßnahmen:<br />
• Akzeleration (beschleunigtes<br />
Durchlaufen der Schullaufbahn,<br />
etwa durch vorzeitige<br />
Einschulung oder Überspringen<br />
von Klassen)<br />
• Enrichment (Anreicherung<br />
des Lernstoffs mit Inhalten,<br />
die über den Lehrplan hinausgehen<br />
oder diesen vertiefen)<br />
• fähigkeitsbezogene Gruppierung<br />
Hochbegabter (etwa in<br />
Form von Begabtenklassen).<br />
16 | mind magazin <strong>140</strong>/februar 2021
Hilfe,<br />
da sind ja<br />
Hochbegabte<br />
in der<br />
Klasse.<br />
Die erfreuliche Quintessenz: Begabungsförderung<br />
wirkt – und<br />
insbesondere die administrativ<br />
recht unkompliziert umzusetzenden<br />
Akzelerationsmaßnahmen<br />
spielen dabei ziemlich weit<br />
vorne mit. (Interessierte finden<br />
eine kontinuierlich aktualisierte<br />
Liste der Wirkfaktoren unter<br />
http://mind-mag.de/link/hattie)<br />
Gut für<br />
Hochbegabte?<br />
Eine spannende Frage, die<br />
Hatties Studie nicht beantwortet,<br />
ist jedoch,<br />
was gute Lehrkräfte<br />
speziell für Hochbegabte<br />
ausmacht.<br />
Ist es hohe fachliche<br />
Kompetenz?<br />
Ein bestimmtes<br />
Persönlichkeitsprofil?<br />
Muss<br />
eine Lehrkraft für<br />
Hochbegabte selbst<br />
hochbegabt sein?<br />
Oder brauchen<br />
Hochbegabte im Grunde<br />
nur dasselbe wie alle Schülerinnen<br />
und Schüler – beziehungsweise<br />
ist es umgekehrt<br />
vielleicht eher so, dass auch<br />
die durchschnittlich Begabten<br />
mit einer „optimalen“ Hochbegabten-Lehrkraft<br />
besser fahren<br />
würden als mit dem Durchschnittslehrer?<br />
(Die Frage, ob es<br />
einer speziellen „Hochbegabten-Didaktik“<br />
bedarf, ist übrigens<br />
bis heute nicht abschließend<br />
geklärt.) Und was wünschen<br />
sich eigentlich die Hochbegabten<br />
selbst? Auf diese<br />
Fragen will ich in diesem Artikel<br />
eingehen.<br />
Die gute Lehrkraft –<br />
ein Universaltalent<br />
Meine eigene geplante zweite<br />
Schullaufbahn nach dem Abitur<br />
Also lautet ein Beschluß:<br />
Daß der Mensch was lernen muß.<br />
Daß dies mit Verstand geschah<br />
war Herr Lehrer Lämpel da.<br />
(Wilhelm Busch: Max und Moritz, vierter Streich)<br />
Abbildung: wikimedia gemeinfrei<br />
SCHULE UND HOCHBEGABUNG<br />
auf der anderen Seite des Katheders<br />
(Pult/Lehrstuhl) scheiterte<br />
seinerzeit ja schon am frühen<br />
Aufstehen. Aber die Anforderungen<br />
an Lehrkräfte umfassen<br />
natürlich weit mehr als nur das.<br />
Individuell auf alle Schülerinnen<br />
und Schüler eingehen; zu<br />
allen möglichen Diversitätsfaktoren<br />
von Geschlecht und Migrationshintergrund<br />
über Rechenschwäche<br />
und ADHS bis<br />
hin zur Hochbegabung etwas<br />
Kluges sagen können; nicht nur<br />
fachlich, sondern auch sozial<br />
und emotional kompetent sein;<br />
Eltern beraten; Wissenschaftlerinnen<br />
bei ihren Studien unterstützen;<br />
nebenbei noch administrative<br />
Aufgaben in den<br />
ohnehin überfüllten Tagesplan<br />
einbauen, die einem nonchalant<br />
„von oben“ aufgedrückt<br />
werden – von wegen, Lehrer haben<br />
morgens recht und nachmittags<br />
frei!<br />
Jede Lehrkraft, die sich bemüht,<br />
einen guten Job zu machen<br />
– und ich glaube, das sind<br />
die meisten, auch wenn die<br />
„schwarzen Schafe“ oft ungebührlich<br />
viel Aufmerksamkeit<br />
bekommen und so das Bild zu<br />
Unrecht prägen –, hat meinen<br />
höchsten Respekt. Als „eierlegende<br />
Wollmilchsau“ hat man<br />
es echt nicht leicht.<br />
Merkmale guter<br />
Lehrkräfte<br />
Systemische Ansätze gehen<br />
davon aus, dass die<br />
Bedeutung eines Begriffs<br />
nicht naturgegeben ist, sondern<br />
über soziale Konsensbildung<br />
ausgehandelt wird – Bedeutungen<br />
können sich also<br />
auch verschieben. Das gilt na-<br />
mind magazin <strong>140</strong>/februar 2021 | 17
SCHULE UND HOCHBEGABUNG<br />
türlich auch für das Konzept<br />
der „guten Lehrkraft“. Was diese<br />
ausmacht, ist folglich auch<br />
gesellschaftlichen Trends unterworfen.<br />
Als Schwerpunkte<br />
wurden beispielsweise Lernerfolg<br />
der Schülerinnen und Schüler<br />
(in diese Tradition reiht sich<br />
beispielsweise die Hattie-Studie<br />
ein), Bewusstheit über die Werte<br />
und Ziele, die das eigene Lehrverhalten<br />
prägen, Reflexionsfähigkeit<br />
und vieles mehr identifiziert<br />
(Tirri, 2008).<br />
Drei „Merkmals-Cluster“ haben<br />
sich dabei in Forschung und<br />
Praxis über die Jahrzehnte hinweg<br />
immer wieder als relevant<br />
erwiesen:<br />
• Wärme und Freundlichkeit –<br />
die Lehrkraft ist warmherzig<br />
und einfühlsam, schafft eine<br />
persönliche Beziehung zu<br />
den Schülern und gibt überwiegend<br />
positives, individualisiertes<br />
Feedback. Gute Lehrkräfte<br />
mögen ihre Schüler<br />
und Schülerinnen und zeigen<br />
das auch.<br />
• Organisiertheit und Klarheit<br />
– die Lehrkraft ist organisiert,<br />
gut vorbereitet, hat klare<br />
Ziele, verfolgt diese systematisch,<br />
und stimmt sie auf<br />
die individuellen Bedürfnisse<br />
der Lernenden ab. Sie ist eindeutig<br />
und unmissverständlich<br />
in ihrer Wortwahl und<br />
ihren Ansagen. So bleibt für<br />
die Schülerinnen und Schüler<br />
netto mehr Zeit zum Lernen.<br />
• Stimulation und Kreativität<br />
– die Lehrkraft macht keinen<br />
Unterricht nach „Schema<br />
F“, sondern hat Freude<br />
am Unterrichten, ist fantasievoll,<br />
sorgt für Abwechslung<br />
im Unterricht und aktiviert<br />
die Schülerinnen und Schüler,<br />
indem sie allen etwas bietet<br />
und sie dort abholt, wo sie<br />
gerade stehen.<br />
Individualisierung und Schüler-<br />
Zentrierung – das scheint in allen<br />
diesen Punkten durch – sind<br />
somit wichtige Schlüssel zum<br />
erfolgreichen Unterricht. Voraussetzung<br />
dafür ist, dass Lehrkräfte<br />
etwas über ihre Schülerinnen<br />
und Schüler wissen.<br />
Mit Blick auf die Hochbegabten<br />
heißt das: Lehrkräfte sollten<br />
auch etwas darüber wissen, wie<br />
Hochbegabte sind, wie man sie<br />
erkennt, und welche Bedürfnisse<br />
sie haben, um den Unterricht<br />
dann situationsadäquat dar-<br />
18 | mind magazin <strong>140</strong>/februar 2021
SCHULE UND HOCHBEGABUNG<br />
Albert Anker: Die Dorfschule von 1848,<br />
Kunstmuseum Basel.<br />
Abbildung: wikimedia gemeinfrei<br />
auf abstimmen zu können. Wie<br />
sieht es damit aus?<br />
Wissen über<br />
Hochbegabte: die<br />
große Leerstelle<br />
Was Lehrkräfte über Hochbegabte<br />
wissen, ist in der Regel<br />
überschaubar: In einem Fragebogen<br />
zu Hochbegabung beantworteten<br />
sie weniger als 30 Prozent<br />
der Fragen richtig, knapp<br />
40 Prozent konnten sie nur mit<br />
„weiß nicht“ beantworten (Heyder<br />
et al., 2018). Kritisch ist bei<br />
dieser Studie (neben der kleinen<br />
Stichprobe) anzumerken, dass<br />
der Fragebogen Hochbegabung<br />
einseitig als hohe Intelligenz<br />
konzipierte, ohne die Befragten<br />
darauf hinzuweisen, sodass<br />
nicht auszuschließen ist, dass<br />
sie sich an einer pädagogisch<br />
sinnvolleren Definition orientierten,<br />
etwa dem Drei-Ringe-<br />
Modell von Renzulli oder dem<br />
mind magazin <strong>140</strong>/februar 2021 | 19
SCHULE UND HOCHBEGABUNG<br />
Münchner Hochbegabungsmodell.<br />
Aber selbst, wenn wir die Ergebnisse<br />
für bare Münze nehmen:<br />
Man könnte den Lehrkräften<br />
selbst ihre Unwissenheit ja<br />
noch nicht einmal zum Vorwurf<br />
machen. Vielmehr ist das Problem<br />
schon in der Lehrerbildung<br />
verortet, wo Hochbegabung – im<br />
Gegensatz zu scheinbar „echten“<br />
und wichtigeren Problemen, die<br />
Schülerinnen und Schüler haben<br />
können – eine eher marginale<br />
Rolle spielt.<br />
Hochbegabung<br />
und Inklusion<br />
Auch, wenn uns das Thema Inklusion<br />
inzwischen ja schon<br />
länger begleitet und in der Begabungsforschung<br />
seit vielen<br />
Jahren diskutiert wird: Damit,<br />
dass auch Hochbegabung<br />
selbstverständlich darunter zu<br />
subsumieren ist, tun sich viele<br />
Lehrkräfte (und Bildungspolitikerinnen<br />
und -politiker) in der<br />
Praxis noch schwer. Inklusion<br />
wird nach wie vor eher mit „Defizit“<br />
und „Bedürftigkeit“ assoziiert;<br />
Hochbegabung ist dagegen<br />
doch ein Glück! Nie lernen müssen,<br />
weil einem doch alles zufliegt;<br />
immer die Antwort parat<br />
haben – so jemandem verzeiht<br />
man selbst das linkische Sozialverhalten<br />
doch gerne. Und wer<br />
schon derart privilegiert ist, der<br />
braucht die knappen Ressourcen<br />
doch nicht denjenigen wegzunehmen,<br />
die diese viel dringender<br />
brauchen.<br />
Hier zeigt sich ein weiteres<br />
Problem: Das Bild, das Lehrkräfte<br />
von Hochbegabten haben, ist<br />
von denselben Stereotypen geprägt,<br />
die sich auch in der allgemeinen<br />
Bevölkerung finden,<br />
wo Hochbegabung nicht nur<br />
mit Hochleistung, sondern (zumindest<br />
in zwei Drittel der Fälle)<br />
auch mit sozialen und emotionalen<br />
Schwierigkeiten assoziiert<br />
wird (Baudson, 2016).<br />
Irgendwas muss in die Wissenslücke<br />
ja rein. Der Vielfalt<br />
der tatsächlichen Hochbegabten<br />
wird man mit einem solchen<br />
Schubladendenken allerdings<br />
nicht gerecht – zumal gerade<br />
die sozialen und emotionalen<br />
Schwierigkeiten, die Hochbegabten<br />
so gern zugeschrieben<br />
werden, in der empirischen Realität<br />
keine Grundlage haben.<br />
Wenn Hochbegabte Probleme<br />
haben, ist nicht die Hochbegabung<br />
die Ursache, sondern vielmehr<br />
die Tatsache, dass ihre<br />
Umwelt mit ihrer Begabung<br />
nicht umgehen kann. (Oder<br />
auch etwas ganz anderes, was<br />
mit der Begabung nichts zu tun<br />
hat – denn natürlich sind auch<br />
Hochbegabte vor kritischen Lebensereignissen,<br />
Krankheiten<br />
und derlei Unbill nicht gefeit,<br />
sondern leiden darunter ebenso<br />
wie alle Menschen.)<br />
Unwissen, Fehlauffassungen<br />
und Stereotype sind darüber hinaus<br />
auch in der pädagogischen<br />
Praxis äußerst relevant. Wer<br />
keine Ahnung von Hochbegabung<br />
hat, weiß auch nichts darüber,<br />
was Hochbegabte brauchen.<br />
Erschwerend kommt hinzu<br />
– das zeigt die oben erwähnte<br />
Studie zum Wissen von Lehrkräften<br />
–, dass Lehrkräfte mit<br />
vielen Fehl-Auffassungen über<br />
Hochbegabung häufig auch negativer<br />
gegenüber Begabten-<br />
Fördermaßnahmen eingestellt<br />
sind. Solche Bedingungen sind<br />
für die positive Entwicklung<br />
hochbegabter Schülerinnen und<br />
Schüler alles andere als optimal.<br />
Wie sollten Lehrkräfte<br />
für Hochbegabte sein?<br />
Studien aus über 40 Jahren legen<br />
nah, dass sich die Merkmale<br />
effektiver Hochbegabtenlehrkräfte<br />
in drei Kategorien unterteilen<br />
lassen – das zeigt eine Literaturübersicht<br />
von Vialle und<br />
Quigley (2002). Die Autorinnen<br />
fassen diese wie folgt zusammen:<br />
• persönlich-soziale Merkmale:<br />
Verständnis für die kognitiven,<br />
sozialen und emotionalen<br />
Bedürfnisse Hochbegabter;<br />
Humor; Fehlerkultur;<br />
Enthusiasmus und Kultursensibilität<br />
• Lehr-/Unterrichtsstrategien<br />
und pädagogische Ansätze:<br />
Fähigkeit zur Differenzierung<br />
des Curriculums; Anregung<br />
höherer Denkprozesse;<br />
Ermutigung zum unabhängigen<br />
Denken; schülerzentrierter<br />
Unterricht; Verständnis<br />
der Lehrkraft als „Lernbegleiter“;<br />
Schaffung einer angstfreien<br />
Lernumgebung; gute<br />
Organisiertheit<br />
• Intellektuell-kognitive Merkmale:<br />
fundiertes Fachwissen;<br />
breite Interessen (insbesondere<br />
kultureller/literarischer<br />
Art); überdurchschnittliche<br />
Intelligenz; lebt „lebenslanges<br />
Lernen“ vor; Kreativität;<br />
herausragende kommunikative<br />
Fähigkeiten.<br />
Welche Merkmale sind aus Sicht<br />
hochbegabter Schülerinnen und<br />
Schüler nun am wichtigsten?<br />
Spannend ist hier insbesonde-<br />
20 | mind magazin <strong>140</strong>/februar 2021
SCHULE UND HOCHBEGABUNG<br />
Weisheitslehrer mit Schüler. Illustration aus dem 17. Jahrhundert zu Comenius: Orbis sensualium<br />
pictus. <br />
re die Frage, ob persönlich-soziale<br />
oder intellektuell-kognitive<br />
Merkmale als wichtiger eingeschätzt<br />
werden, da sie stärker<br />
an die Person der Lehrkraft<br />
gekoppelt sind als die stärker<br />
handlungsgebundenen Unterrichtsstrategien<br />
und pädagogischen<br />
Ansätze.<br />
Die Forschung zur sozialen<br />
Wahrnehmung legt nah, dass<br />
wir bei der Begegnung mit unbekannten<br />
Personen zunächst<br />
bewerten, ob sie uns freundlich<br />
gesonnen sind – erst, wenn dies<br />
verneint wird, stellt sich überhaupt<br />
die Frage nach der Kompetenz.<br />
Die australische Forscherin<br />
Wilhelmina Vialle und<br />
ihre Kolleginnen ließen Schüler<br />
und Schülerinnen einer Begabtenschule<br />
36 Fragen beantworten,<br />
in denen sie jeweils<br />
zwischen einem persönlich-sozialen<br />
und einem intellektuellkognitiven<br />
Merkmal entscheiden<br />
mussten, was ihnen bei einer<br />
Lehrkraft wichtiger sei.<br />
Abbildung: wikimedia gemeinfrei<br />
Es zeigte sich eine stärkere<br />
Tendenz zu ersterem; jedoch<br />
zeigte eine zusätzliche qualitative<br />
Befragung, dass den Schülerinnen<br />
und Schülern durchaus<br />
auch die intellektuellen Merkmale<br />
wichtig waren. Auch die<br />
Art, wie man fragt, hat also einen<br />
Einfluss auf die Ergebnisse.<br />
Müssen Lehrkräfte für<br />
Hochbegabte selbst<br />
hochbegabt sein?<br />
Eine Frage, die in der Debatte<br />
um die Lehrkräfte Hochbegabter<br />
immer wieder auftaucht, ist<br />
die nach der Begabung der Lehrkräfte<br />
selbst. Bereits frühe Befunde<br />
aus den späten 1960er-<br />
Jahren legen nah, dass erfolgreiche<br />
Lehrkräfte für Hochbegabte<br />
mit ihren hochbegabten<br />
Schülern und Schülerinnen viel<br />
gemeinsam haben – hohe Intelligenz<br />
und Kreativität, Ambiguitäts-Toleranz,<br />
kulturelle Interessen<br />
und ein ausgeprägtes<br />
Leistungsbedürfnis –, was auch<br />
in späteren Studien bestätigt<br />
wurde, etwa für die Persönlichkeitsstruktur<br />
(Mills, 2003).<br />
Die Frage, ob Lehrkräfte für<br />
Hochbegabte einen „<strong>Mind</strong>est-<br />
IQ“ haben müssen, greift daher<br />
zu kurz, weil sie das Phänomen<br />
Hochbegabung auf die Intelligenz<br />
reduziert, während die<br />
meisten Förderprogramme den<br />
Begriff weiter fassen, mithin<br />
auch die Passung mehrdimensional<br />
konzipiert werden muss.<br />
Rosemarin (2014) weist darauf<br />
hin, dass eine „hochbegabte<br />
Lehrkraft“ aber nicht nur im<br />
Sinne hohen intellektuellen<br />
Potenzials verstanden werden<br />
kann, sondern auch<br />
• im Sinne von Expertise, also<br />
als jemand, der oder die in einem<br />
bestimmten Bereich Herausragendes<br />
leistet. Dies ergibt<br />
vor allem im Licht der<br />
Expertise-Forschung Sinn,<br />
die gezeigt hat, dass nicht<br />
nur Übung, sondern insbesondere<br />
auch Vorbilder und<br />
herausragende Lehrkräfte<br />
notwendig sind, um ein vielversprechendes<br />
Potenzial zur<br />
Blüte zu bringen.<br />
• im Sinne einer herausragenden<br />
Begabung zum Unterrichten.<br />
Wer es auf einem Gebiet<br />
zur Expertise gebracht<br />
hat, ist deswegen nicht automatisch<br />
in der Lage, dieses<br />
Wissen und diese Fertigkeiten<br />
auch zu vermitteln. Als<br />
herausragende Lehrkräfte<br />
gelten Personen, die als „Katalysatoren“<br />
des Lernens fungieren,<br />
also dazu beitragen,<br />
das Potenzial ihrer Schülerinnen<br />
und Schüler zu herausragenden<br />
und kreativen Leistungen<br />
bestmöglich zu entfalten.<br />
mind magazin <strong>140</strong>/februar 2021 | 21
SCHULE UND HOCHBEGABUNG<br />
Was nun die Merkmale dieser<br />
„Katalysatoren“ angeht, finden<br />
wir einige Merkmale wieder, die<br />
wir oben als charakteristisch für<br />
gute Lehrkräfte insgesamt kennen<br />
gelernt haben: Fähigkeit<br />
zum Aufbau positiver und persönlicher<br />
Beziehungen, Begeisterung<br />
und Leidenschaft, die<br />
sich transportiert, Aufgeschlossenheit,<br />
kommunikative Fähigkeiten<br />
und Flexibilität sind einige<br />
davon.<br />
Für Hochbegabte besonders<br />
relevant sind jedoch die darüber<br />
hinaus gehenden Merkmale,<br />
die dazu beitragen, dass das<br />
Potenzial auch umgesetzt wird.<br />
Das verlangt den Hochbegabten<br />
einiges ab; denn der kreative<br />
Prozess gelingt in der Regel<br />
nicht mehr ohne Wachstumsschmerzen,<br />
sobald das anvisierte<br />
Niveau hinreichend hoch ist<br />
(Baudson, 2019) – wer sich hier<br />
an Wygotskis „Zone der proximalen<br />
Entwicklung“ erinnert<br />
fühlt, liegt damit ganz richtig.<br />
Begleitung zu<br />
einem erfüllten<br />
kreativen Leben<br />
Christoph Weigel der Ältere, Ständebuch:<br />
Der Schulmeister, 1698.<br />
Abbildung: Deutsche Fotothek, Gemeinfrei<br />
Konkret bedeutet das: Hochbegabte,<br />
die ihr Potenzial entfalten<br />
wollen, brauchen mehr als<br />
„nur“ fachliche Unterstützung.<br />
Sie brauchen Menschen, die sie<br />
im Schaffensprozess begleiten –<br />
die ihnen Freiräume und die Lizenz<br />
zum Fehlermachen geben,<br />
gleichzeitig aber keine faulen<br />
Kompromisse zulassen, wenn es<br />
um die Qualität der Arbeit geht<br />
(„commitment to excellence“).<br />
Damit das gelingt, braucht es<br />
Feedback, das sich eines eigenen<br />
Urteils enthält, und so den<br />
Lernenden erlaubt, die Verbindlichkeit<br />
fremder Standards in<br />
Frage zu stellen und stattdessen<br />
ihre eigenen zu entwickeln.<br />
Bedenkt man außerdem, wie<br />
eng Selbstbestimmtheit und intrinsische<br />
Motivation zusammenhängen,<br />
so wird deutlich,<br />
dass so nicht nur ein Grundstein<br />
zum lebenslangen Lernen<br />
und kreativen Schaffen, sondern<br />
möglicherweise sogar zu<br />
einem erfüllten kreativen Leben<br />
gelegt werden kann.<br />
Hohe Intelligenz als allgemeine<br />
Problemlösekompetenz ist,<br />
um das abschließend zusammenzufassen,<br />
definitiv nicht<br />
schädlich, wenn man Hochbegabte<br />
unterrichten will. Hinreichend<br />
ist sie jedoch nicht – und<br />
wie notwendig sie ist, hängt<br />
überdies wohl auch vom zu fördernden<br />
Begabungsbereich ab,<br />
in dem herausragende Leistungen<br />
angestrebt werden.<br />
Das Kapitel „gute Lehrkräfte<br />
für Hochbegabte“ könnte noch<br />
weiter fortgeschrieben werden<br />
(und wird es in Anbetracht der<br />
Forschungsaktivitäten auf diesem<br />
Gebiet wohl auch werden).<br />
Viele Aspekte – etwa, welche<br />
Merkmale die Lehrkräfte Hochbegabter<br />
selbst als relevant erachten<br />
–, habe ich ausgeklammert.<br />
Die Bedeutung, die Lehrkräften<br />
bei der Begabungsförderung<br />
zukommt, ergänzt vor allem das,<br />
was vielen von uns aus eigener<br />
Anschauung bekannt ist:<br />
Fazit<br />
Hohes Potenzial allein ist kein<br />
Garant für Erfolg, und insbesondere<br />
Leistungsexzellenz ist kein<br />
Selbstläufer. Gute Lehrkräfte<br />
für begabte Schülerinnen und<br />
Schüler fungieren in diesem<br />
Prozess eher als „Geburtshelfer“,<br />
als dass sie allzu stark steuernd<br />
eingreifen, und fördern so langfristig<br />
intrinsische Motivation<br />
und Selbstbestimmtheit ihrer<br />
Schüler und Schülerinnen.<br />
Sich selbst derart zurückzunehmen,<br />
ist wiederum wohl weniger<br />
eine Frage der Fähigkeit<br />
als vielmehr der Haltung – und<br />
daran kann man arbeiten, indem<br />
man sich selbst und das eigene<br />
pädagogische Handeln immer<br />
wieder kritisch reflektiert.<br />
Persönlich wünsche ich mir<br />
Lehrkräfte, die sich von der Begabung<br />
ihrer Schülerinnen und<br />
Schüler nicht eingeschüchtert<br />
oder gar provoziert fühlen,<br />
sondern die persönliche Reife<br />
und Gelassenheit mitbringen,<br />
um sich dem Prozess der Begabungsentfaltung<br />
mit Staunen<br />
annähern zu können, um dem<br />
begabten Menschen das zu geben,<br />
was er in dem Moment<br />
für seine Weiterentwicklung<br />
22 | mind magazin <strong>140</strong>/februar 2021
Johann Peter Hasenclever: Jobs als Schulmeister, 1846. Museum Kunstpalast Düsseldorf.<br />
<br />
braucht. Schülerzentriertheit<br />
bedeutet nämlich genau das: die<br />
Schüler in den Mittelpunkt zu<br />
stellen und selbst an den Rand<br />
der Bühne zu treten.<br />
Spezialisierte<br />
Lehrkräfte!<br />
Abbildung: wikimedia gemeinfrei<br />
Wenngleich Grundkenntnisse<br />
zu Hochbegabung und Begabungsförderung<br />
sicherlich für<br />
alle Lehrkräfte relevant sind, so<br />
halte ich es – auch in Anbetracht<br />
der zahlreichen anderen Anforderungen,<br />
die der Lehrberuf<br />
noch so mit sich bringt – doch<br />
für vermessen, dass jede Lehrkraft<br />
sich mit sämtlichen „Diversitätsphänomenen“<br />
auskennen<br />
soll.<br />
Stattdessen erscheint es mir<br />
sinnvoller, Spezialisierungen<br />
zu fördern (und auch zu fordern<br />
– nicht, dass „Team“ sonst wieder<br />
einmal für „Toll, ein anderer<br />
macht’s.“ steht!). Jede Lehrkraft<br />
sollte sich einen Bereich aussuchen,<br />
für den sie sich interessiert,<br />
sich darin kontinuierlich<br />
weiterbilden und für andere als<br />
Ansprechpartner zur Verfügung<br />
stehen, die ihr wiederum bei anderen<br />
Themen helfen.<br />
Auch könnte man Netzwerke<br />
zwischen benachbarten Schulen<br />
zur fachlichen Intervision und<br />
zur Organisation gemeinsamer<br />
Fortbildungen organisieren, um<br />
eine hohe Qualität und Aktualität<br />
des Kenntnisstandes dieser<br />
Spezialisten zu gewährleisten.<br />
Es ist legitim, wenn einen nicht<br />
alle Phänomene gleichermaßen<br />
interessieren. Wahrscheinlich<br />
würde dies das Leben für die<br />
„eierlegenden Wollmilchsäue“<br />
auch etwas leichter machen.<br />
SCHULE UND HOCHBEGABUNG<br />
Literatur:<br />
Baudson, T. G. (2016). The mad<br />
genius stereotype: still alive and<br />
well. Frontiers in Psychology, 7,<br />
368.<br />
Baudson, T. G. (2019). Darf man<br />
heutzutage noch unkreativ sein?<br />
Das Kreativitätsdispositiv und<br />
seine Folgen für Schule und Erziehung.<br />
In J. Haager und T. G.<br />
Baudson (Hrsg.), Kreativität in der<br />
Schule – finden, fördern, leben (S.<br />
167–190). Wiesbaden: Springer.<br />
Heyder, A., Bergold, S. & Steinmayr,<br />
R. (2018). Teachers‘ knowledge<br />
about intellectual giftedness:<br />
A first look at level and<br />
correlates. Psychology Learning<br />
and Teaching, 17, 27–44.<br />
Mills, C. J. (2003). Characteristics<br />
of effective teachers of gifted<br />
students: Teacher background<br />
and personality styles of students.<br />
Gifted Child Quarterly, 47,<br />
272–281.<br />
Rosemarin, S. (2014). Should the<br />
teacher of the gifted be gifted?<br />
Gifted Education International,<br />
30, 263–270.<br />
Tirri, K. (2008). Who should teach<br />
gifted students? Revista Espagnola<br />
de Pedagogía, LXVI/240,<br />
315–324.<br />
Dr. Tanja Gabriele Baudson<br />
leitet bei Mensa das Ressort<br />
Wissenschaft und Forschung.<br />
Sie forscht seit 2007 zu Hochbegabung,<br />
Intelligenz und Kreativität.<br />
2018 wurde sie vom Deutschen<br />
Hochschulverband als<br />
„Hochschullehrerin des Jahres“<br />
ausgezeichnet.<br />
mind magazin <strong>140</strong>/februar 2021 | 23
SCHULE UND HOCHBEGABUNG<br />
EVA KIPPENBERG<br />
Unterricht im Corona-Jahr<br />
Kuscheldecke und Quarantäne.<br />
Schule ist im Umbruch. Die Pandemie zwingt unsere<br />
Bildungseinrichtungen, umzudenken und neue Konzepte<br />
auszuprobieren. Auch für unsere jungen Ms gestaltet sich<br />
die Situation durchwachsen. Einerseits fehlt der Kontakt zu<br />
Freunden und Lehrkräften, andererseits bieten das Lernen<br />
zu Hause und die Kontaktbeschränkungen in der Schule<br />
ganz neue Möglichkeiten. Anmerkung: Die Gespräche<br />
wurden vor dem aktuellen Schul-Lockdown geführt.<br />
W<br />
ir vom Team Bildung sind<br />
sehr gespannt darauf,<br />
welche Konzepte es in den neuen<br />
Schulalltag schaffen und wie<br />
sich die gesamte Situation mittel-<br />
und langfristig an unseren<br />
Schulen für hochbegabte Kinder<br />
und Jugendliche dadurch<br />
verändern wird. Deshalb behalten<br />
wir „das neue Normal“ für<br />
euch im Blick.<br />
Als ersten Schritt haben wir<br />
am Ende des ersten Corona-Jahres<br />
über die KiJus bei den Familien<br />
herumgefragt, wie schulpflichtige<br />
Ms die Zeit erlebt haben.<br />
Antworten bekamen wir<br />
darauf von Aliyah (6), Xenia (8),<br />
Juliane (9), Julia (13), Caroline<br />
(14) und Maela (16).<br />
Was vermisst du besonders, was in<br />
der Corona-Zeit nicht möglich ist?<br />
Aliyah (6): Ich vermisse besonders<br />
Taekwondo, zu verreisen,<br />
meine Verwandten zu besuchen<br />
Aliyah (6).<br />
Foto: privat<br />
und mich mit Freunden zu verabreden.<br />
Ich vermisse es, ohne Maske<br />
in den Einkaufsladen zu gehen,<br />
weil das richtig anstrengend ist.<br />
Xenia (8): In der Zeit des Lockdowns<br />
habe ich meine Lehrerin<br />
besonders vermisst, und meine<br />
Freunde auch. Jetzt freue ich<br />
mich, dass ich wieder zur Schule<br />
gehen kann. Der Pausenhof<br />
ist streng aufgeteilt, ich darf<br />
dort nur mit meinen Klassenkameraden<br />
spielen und nicht alle<br />
Anlagen auf dem Schulgelände<br />
benutzen.<br />
Juliane (9): Ich konnte mich<br />
nicht mit meinen Freunden<br />
treffen, und ich habe sie vermisst.<br />
Julia (13): Mir fehlt auch das<br />
gemütliche Herumsitzen im<br />
Kiosk-Raum. Außerdem vermisse<br />
ich die Akrobatik-AG,<br />
würde gerne wieder auf dem<br />
Gymnastikball laufen und auf<br />
Menschenpyramiden klettern.<br />
Caroline (14): Am meisten vermisse<br />
ich es, meine Hobbys, wie<br />
Bogenschießen oder Tauchen,<br />
nicht mehr ungehindert machen<br />
zu können.<br />
Maela (16): Wir dürfen in den<br />
Pausen nicht im Gebäude bleiben,<br />
auch wenn es sehr kalt<br />
draußen ist.<br />
Was hat dir die Corona-Zeit an<br />
neuen Möglichkeiten gebracht?<br />
Aliyah (6): Dass ich genau<br />
weiß, wann mich Papa von der<br />
Kita abholt. Und dass man viele<br />
Sachen über den Computer<br />
macht, zum Beispiel die digitale<br />
Märchenstunde, oder Albasport<br />
hat mir viel Spaß gemacht.<br />
Xenia (8): Ja. Ausschlafen<br />
– während des Lockdowns.<br />
Juchhu!<br />
Im Advent habe ich für die<br />
ganze Schule ein Gedicht über<br />
24 | mind magazin <strong>140</strong>/februar 2021
SCHULE UND HOCHBEGABUNG<br />
die Lautsprecheranlage aufgesagt.<br />
Ich war ganz allein am Mikrofon.<br />
Dies gefällt mir besser<br />
als auf der Bühne zu stehen. Als<br />
ich zurück in das Klassenzimmer<br />
kam, haben meine Schulkameraden<br />
applaudiert.<br />
Juliane (9): Als ich in Quarantäne<br />
war, konnte ich ungestört<br />
arbeiten, und es war nicht so<br />
laut wie im Klassenzimmer. Außerdem<br />
sind andere noch nicht<br />
so weit beim Arbeiten, ich aber<br />
schon und deswegen komme<br />
ich schneller voran.<br />
Caroline (14): Da die Lehrer<br />
in Videokonferenzen weniger<br />
Kontrolle darüber haben, was<br />
die Schüler tun, kann ich schon<br />
mal die Hausaufgaben für andere<br />
Fächer erledigen, sodass<br />
ich nachmittags mehr Freizeit<br />
habe.<br />
Maela (16): Mutter kann mich<br />
nicht dazu zwingen, an sozialen<br />
Veranstaltungen teilzunehmen.<br />
Ich kann endlich fast den ganzen<br />
Tag im Bett liegen und lesen,<br />
weil nichts stattfindet. Und<br />
wir werden morgens zur Schule<br />
gebracht, müssen nicht so früh<br />
raus und mit dem Bus fahren.<br />
Wie erlebst du Mund-Nase-<br />
Bedeckungen/ Community-<br />
Masken im Unterricht?<br />
Xenia (8): Brauche ich im Unterricht<br />
nicht. Stört aber auch<br />
nicht. Ich muss diese nur aufsetzen,<br />
wenn ich von meinem<br />
Xenia (8).<br />
Foto: privat<br />
Ausschlafen<br />
während des<br />
Lockdowns.<br />
Juchhu!<br />
Platz aufstehe, zum Beispiel<br />
wenn ich zum Mülleimer gehe.<br />
Juliane (9) und Caroline (14):<br />
Ich finde die Masken nervig.<br />
Maela (16): Ich vergesse ständig,<br />
dass wir sie tragen, ist ganz<br />
selbstverständlich geworden.<br />
Gibt es bei euch Aerosol-Filter?<br />
Wie erlebst du das regelmäßige<br />
Lüften im Winter?<br />
Xenia (8, keine Luftfilter):<br />
Manchmal wird mir kalt, dann<br />
nehme ich eine dünne Decke,<br />
die an meinem Platz liegt. Die<br />
Schule hat die Decken für uns<br />
gekauft.<br />
Juliane (9): Wir haben keine<br />
Aerosol-Filter. Das Lüften<br />
macht mir nicht mehr so viel<br />
aus, weil ich an der Wand sitze.<br />
Wenn ich am Fenster sitzen<br />
würde, wäre es auch nicht so<br />
schlimm, weil wir in die Schule<br />
Kuscheldecken mitnehmen<br />
dürfen.<br />
Julia (13): Ich habe mir wie einige<br />
andere aus meiner Klasse<br />
eine kleine Decke in den Tornister<br />
gepackt, in die ich mich<br />
wickle, wenn es zu kalt wird.<br />
Caroline (14): Ja, wir haben Aerosol-Filter.<br />
Das Lüften macht<br />
mir nicht viel aus, ich sitze zwar<br />
am Fenster, aber die Heizung<br />
ist direkt neben mir. Das größere<br />
Problem ist, dass ich entweder<br />
ein Fenster in meinem Gesicht<br />
oder unmittelbar hinter<br />
mir habe.<br />
Maela (16): Filter gibt es noch<br />
nicht, sollen aber für einige<br />
Räume angeschafft werden. Es<br />
ist kalt! Ich ziehe mir extradicke<br />
Pullis an.<br />
Warst du schon in Quarantäne?<br />
Wie ist das bei euch abgelaufen?<br />
Xenia (8): Zum Glück hatten<br />
wir diese Auflage noch nicht,<br />
aber es wäre schon blöd, wenn<br />
wir nicht rausgehen dürften.<br />
Juliane (9): Ja, ich war schon in<br />
Quarantäne. Bei uns haben wir<br />
immer einen Wochenplan ausgedruckt<br />
und den abgearbeitet.<br />
Manchmal haben wir auch Online-Unterricht<br />
gemacht. (Die<br />
Schule hat zeitig Schoolfox eingerichtet.)<br />
Caroline (14): Ja, ich war schon<br />
einmal in Quarantäne. Wir haben<br />
Online-Unterricht gemacht,<br />
was sehr gut geklappt<br />
hat, da wir schon einmal einen<br />
Lockdown hatten, wo wir<br />
Erfahrungen mit technischen<br />
Hilfsmitteln sammeln konnten.<br />
Wir haben Unterricht über<br />
Teams gemacht, die Lehrer haben<br />
Gruppenchats in Kaizala<br />
erstellt, und im Online-Schulmanager<br />
konnten wir unsere<br />
Hausaufgaben und Arbeitsaufträge<br />
nachsehen.<br />
Was ist dein Fazit?<br />
Xenia (8): Corona soll absterben!<br />
Mein 4-jähriger Bruder<br />
sagt: Corona ist sooo doof!<br />
Bleibt gesund!<br />
mind magazin <strong>140</strong>/februar 2021 | 25
SCHULE UND HOCHBEGABUNG<br />
GENEVIÈVE SPIRINELLI-ENGELS<br />
„Ich habe immer auf mein<br />
Bauchgefühl gehört“<br />
Interview: Homeschooling in Luxemburg.<br />
Wer bist du? Bitte stell<br />
dich kurz vor.<br />
Mein Name ist Geneviève Spirinelli-Engels.<br />
Ich habe einen Abschluss<br />
als Grafikdesignerin, bin<br />
aber Vollzeitmutter, und habe<br />
eine Umschulung zur Begabtenpädagogin<br />
gemacht, um meine<br />
Kinder begleiten zu können.<br />
Man muss aber nicht Pädagoge<br />
oder Lehrer sein, um Homeschooling<br />
machen zu dürfen<br />
oder zu können. Jeder darf hier<br />
in Luxemburg einen Antrag<br />
stellen.<br />
Seit wann bist du bei Mensa?<br />
Ich bin nicht bei Mensa, aber<br />
meine beiden Kinder schon.<br />
Die Psychotherapeutin meiner<br />
Tochter, die auf hochbegabte<br />
Kinder spezialisiert ist, meinte<br />
aber, die Wahrscheinlichkeit<br />
liegt ganz nahe, dass wir beide,<br />
mein Mann und ich, auch hochbegabt<br />
seien. Ob ich es bin oder<br />
nicht, ist mir im Moment nicht<br />
so wichtig.<br />
Wie alt ist deine Tochter und<br />
seit wann unterrichtest du<br />
deine Kinder zu Hause?<br />
Meine Tochter ist dreizehn und<br />
mein Sohn zehn.<br />
Bei uns kommen die Kinder,<br />
wenn man möchte, mit drei Jahren<br />
in eine Kita. Das ist zwar fakultativ,<br />
aber es wird schon zur<br />
Vorschule gezählt. Mit vier Jahren<br />
sind sie im ersten Jahr der<br />
Vorschule, mit fünf im zweiten<br />
Jahr. Richtiges Einschulen passiert<br />
mit sechs Jahren (erstes<br />
Schuljahr). Da ist sie ab Weihnachten<br />
zu Hause geblieben.<br />
Die Kinder sind jetzt seit sieben<br />
Jahren zu Hause.<br />
Warum hast du dich entschieden,<br />
die Kinder zu Hause zu<br />
unterrichten und sie nicht in<br />
die Schule zu schicken?<br />
Es war eher aus der Not heraus.<br />
Unsere Vorschule wird bewertet<br />
und ab da sind sie „schulpflichtig”.<br />
„Unsere Tochter wurde<br />
durch die ständige<br />
Unterforderung in der<br />
Schule krank, was in einer<br />
Schulverweigerung endete.“<br />
Überspringen durfte unsere<br />
Tochter nicht, da sie ja in der<br />
Schule nicht auffällig war, und<br />
sie meinten, wir würden sie gerne<br />
zu Höchstleistungen zwingen.<br />
Sie hat sich immer nach<br />
unten angepasst. Im ersten<br />
Schuljahr hat die Lehrerin wohl<br />
festgestellt, dass sie in Deutsch<br />
das Niveau einer Drittklässlerin<br />
hat, aber sie wollte dies nicht<br />
so in die Zensur schreiben, das<br />
wäre ja unfair gegenüber den<br />
Klassenkameraden.<br />
Unsere Tochter wurde durch<br />
die ständige Unterforderung<br />
in der Schule krank, was in einer<br />
Schulverweigerung endete.<br />
Über drei Jahre wurde uns keine<br />
Hilfe seitens der Schule entgegengebracht,<br />
so haben wir uns,<br />
nachdem wir nach einer Lösung<br />
gesucht haben, fürs Homeschooling<br />
entschieden. Ihrem<br />
jüngeren Bruder haben wir damals<br />
die Wahl gelassen, ob er<br />
hingehen möchte oder nicht.<br />
Welche Vor- und Nachteile<br />
hat das Homeschooling für<br />
dich? Welche Chancen und<br />
Gefahren siehst du generell?<br />
26 | mind magazin <strong>140</strong>/februar 2021
SCHULE UND HOCHBEGABUNG<br />
In unserem Fall sehe ich fast nur<br />
Vorteile. Man muss aber dazu<br />
sagen, dass „Unterricht zu Hause”,<br />
so wie er jetzt in vielen Ländern<br />
den Eltern aufgezwungen<br />
wird, nicht das Gleiche ist<br />
wie Homeschooling. Natürlich<br />
hat jeder seine eigene Methode,<br />
aber im Großen und Ganzen<br />
geht es nicht darum, Kinder nur<br />
zu unterrichten.<br />
Wir sehen uns eher als Wegbegleiter.<br />
Dieser Prozess hat<br />
sich aber über die Jahre entwickelt<br />
und verändert sich immer<br />
noch. Ich konnte ganz auf die<br />
Hochbegabung eingehen und<br />
auch viele Situationen vermeiden,<br />
welche von nicht Hochbegabten<br />
nur schwer nachzuvollziehen<br />
sind.<br />
Hochbegabten Kindern kann<br />
man die Chance geben, dass<br />
sie voll und ganz ungestört ihren<br />
Interessen nachgehen können,<br />
die oft weit entfernt von<br />
denen ihrer gleichaltrigen Klassenkameraden<br />
liegen. Die einzige<br />
Gefahr besteht in meinen Augen<br />
darin, dass es nicht funktioniert,<br />
wenn es nicht auf freiwilliger<br />
Basis passiert, so wie es<br />
jetzt aktuell in den meisten Familien<br />
der Fall ist.<br />
Unsere Kinder haben das<br />
Recht, jederzeit zurück zur<br />
Schule zu gehen, wenn sie dies<br />
möchten.<br />
Homeschooling besteht größtenteils<br />
aus Kommunikation<br />
und viel Vertrauen. Vertrauen<br />
in die Fähigkeiten der Kinder<br />
und deren Entscheidungen,<br />
was ihre eigene Person angeht.<br />
Denn Kinder, und vor allem<br />
hochbegabte Kinder, sind von<br />
Natur aus neugierig und wollen<br />
lernen.<br />
Schule<br />
geht auch<br />
zu Hause<br />
(nicht nur<br />
in Corona-<br />
Zeiten).<br />
Wie wählt man den Lernstoff<br />
aus? Wird er von der Schule oder<br />
dem Ministerium vorgegeben?<br />
Wir sollen uns an dem vorgegebenen<br />
Lernstoffplan des Ministeriums<br />
orientieren, welcher der<br />
gleiche ist wie der für die Schulen.<br />
Dort sind Kompetenzsockel<br />
angegeben, auf die man hinarbeiten<br />
sollte. Mittlerweile ist<br />
das freie Lernen jedoch erlaubt,<br />
wenn man ein gutes pädagogisches<br />
Konzept vorlegen kann.<br />
„Unsere Kinder haben das<br />
Recht, jederzeit zurück<br />
zur Schule zu gehen,<br />
wenn sie dies möchten.“<br />
Woher bekommt man die<br />
Materialien dafür? Oder<br />
darf/muss man sich das<br />
selbst zusammenstellen?<br />
Das hängt von der jeweiligen<br />
Bezirksinspektion ab. Aber die<br />
meisten stellen ihr Material<br />
selbst zusammen. Es gibt einige<br />
Übungsbücher, die von unseren<br />
Lehrergewerkschaften auf<br />
den Markt gebracht wurden, die<br />
sich am gängigen Schulstoff orientieren,<br />
das ist eine kleine Hilfestellung.<br />
Wie viel Zeitaufwand ist es<br />
für dich pro Tag etwa?<br />
Das Material für die Grundschule<br />
suche ich mir für jedes Jahr in<br />
den Sommerferien zusammen,<br />
so brauche ich nicht jeden Tag<br />
etwas Neues vorzubereiten. Das<br />
nimmt dann schon einen Monat<br />
in Anspruch. Meine Tochter bekommt<br />
den Schulstoff, den sie<br />
braucht, von der Fernschule.<br />
Wie planst du den Tag? Gibst du<br />
deinen Kindern klare Vorgaben,<br />
was sie durcharbeiten sollen,<br />
oder können sie wählen, was<br />
sie bearbeiten wollen?<br />
Für meinen Sohn, der in der dritten<br />
Klasse ist, habe ich jeden Tag<br />
eine Aufgabe in den jeweiligen<br />
Hauptfächern (bei uns Deutsch,<br />
Mathe und Französisch) vorbereitet.<br />
Meine Tochter hat ihre<br />
Fächer selbst ausgewählt, die<br />
sie über Fernstudium absolviert.<br />
Für den Rest des Tages können<br />
sie ihren Interessen nachgehen.<br />
Ob sie ihre Aufgaben morgens<br />
oder abends machen, ist ihnen<br />
überlassen. Hauptsache, sie haben<br />
Spaß daran.<br />
Wenn ich richtig verstanden<br />
habe, erklärst du deinen Kindern<br />
nichts wie eine Lehrerin, sondern<br />
lässt sie mit dem Material<br />
allein arbeiten. Wie übst du mit<br />
ihnen, mündliche Antworten zu<br />
geben und ihre Gedankengänge<br />
verbal auszudrücken?<br />
Erklären tue ich das erste Mal<br />
schon, meistens, indem ich sage,<br />
so habe ich es gelernt oder so<br />
wird es einem in der Schule beigebracht<br />
(zum Beispiel Mathe).<br />
Danach frage ich, ob sie es ver-<br />
mind magazin <strong>140</strong>/februar 2021 | 27
SCHULE UND HOCHBEGABUNG<br />
standen haben, und lasse es mir<br />
erklären. Meistens haben sie<br />
schon über dem Erzählen eigene<br />
Ideen oder eigene Lösungswege.<br />
Diesen Ideenreichtum bemerke<br />
ich auch immer, wenn es<br />
darum geht, Geschichten nach<br />
Bildern zu schreiben.<br />
Und wie ist es mit Sprachen?<br />
Da haben wir es ja hier in Luxemburg<br />
viel einfacher. Wir leben<br />
in einer multikulturellen<br />
Gemeinschaft, und da unsere<br />
Kinder in der Grundschule neben<br />
luxemburgisch auch noch<br />
zwei Fremdsprachen (Deutsch<br />
und Französisch) lernen, können<br />
sie diese auch gleich im Alltag<br />
anwenden.<br />
Wie motivierst du die Kinder,<br />
wenn sie keine Lust haben oder<br />
ein Thema sie langweilt?<br />
Natürlich gibt es Tage, wo sie<br />
nicht so viel Lust haben, aber<br />
mit der Zeit wird man flexibel.<br />
Wenn etwas nicht funktioniert,<br />
probiert man halt was Neues.<br />
Die Kinder haben schon Mitbestimmungsrecht,<br />
was das Lernen<br />
angeht, es ist die Basis des<br />
Homeschoolings.<br />
Kannst du mir ein konkretes<br />
Beispiel geben für ein<br />
unerwartetes Problem, das<br />
auftrat, und wie du es gelöst hast?<br />
Es handelt sich wohl hier eher<br />
um ein Problem, das viele Eltern<br />
von hochbegabten Kindern<br />
kennen. Das Auswendiglernen<br />
des Einmaleins. Das hat bei beiden<br />
Kindern nie funktioniert.<br />
Meine Tochter sah den Sinn dafür<br />
nicht ein und meinem Sohn<br />
war das zu langweilig. Ich habe<br />
dann einfach sichergestellt,<br />
dass sie wissen, wie man es ausrechnet.<br />
Es gab keine Diskussionen<br />
mehr: Für die Kinder war es<br />
kniffeliger und ich wusste, dass<br />
sie die Aufgaben erledigen.<br />
Wird der Lernstand der Kinder<br />
regelmäßig kontrolliert?<br />
Müssen sie externe Tests<br />
machen oder passt du auf,<br />
dass sie nichts auslassen?<br />
Wir werden zweimal im Jahr zur<br />
Kontrolle gerufen, bei der die<br />
Kinder je nachdem Tests machen<br />
oder wo nur das ganze Material<br />
durchgesehen wird. Da<br />
aber das ganze System im Wandel<br />
ist, und wir auf dem Weg zu<br />
einer Freilerner-Familie sind,<br />
werden die Tests weniger, und<br />
es wird eher sichergestellt, dass<br />
die Kinder Zugang zum Lernen<br />
haben und nicht sich selbst<br />
überlassen sind. In Luxemburg<br />
gibt es die Lernpflicht, aber keine<br />
Anwesenheitspflicht in der<br />
Schule.<br />
Da hochbegabte Kinder schneller<br />
den Stoff durcharbeiten<br />
können: Ist es möglich, dass<br />
sie in manchen Fächern weiter<br />
arbeiten als vorgegeben? Falls<br />
ja, werden sie in dem Fach auf<br />
dem Niveau geprüft, auf dem sie<br />
sind, oder nur altersabhängig?<br />
Da ich ja auf ihre Stärken eingehen<br />
konnte, konnte ich es in<br />
manchen Fächern akzelerieren.<br />
Doch leider steckt der Bereich<br />
Hochbegabung bei uns noch in<br />
„Wenn einem etwas wirklich<br />
wichtig ist, nimmt man<br />
auch mal unangenehme<br />
Dinge in Kauf. Es geht ja<br />
hier nicht darum, Regeln<br />
zu brechen.“<br />
den Kinderschuhen, sodass die<br />
ganze Arbeit nicht wirklich berücksichtigt<br />
wird. Aber es hängt<br />
auch von der jeweiligen Bezirksinspektion<br />
ab.<br />
Den Kindern fehlt die soziale<br />
Erfahrung, im Klassenverbund zu<br />
lernen und sich mit Mitschülern<br />
auseinanderzusetzen. Wie<br />
gleichst du das aus? Haben sie<br />
Hobbys, wo sie viel mit anderen<br />
Kindern zusammenkommen?<br />
Es ist eines der größten Vorurteile,<br />
dass Homeschooling-Kinder<br />
keine sozialen Erfahrungen<br />
sammeln würden. Da unsere<br />
Kinder zu zweit sind, lernen sie<br />
streiten, sich wieder versöhnen,<br />
teilen und so weiter. Sie spielen<br />
viel mit den Nachbarskindern<br />
und haben auch beste Freunde,<br />
die sie regelmäßig sehen. Außerdem<br />
haben sie Hobbys, wo<br />
sie mit anderen Kindern zusammenkommen.<br />
Glaubst du, deine Kinder kämen<br />
an der Universität klar, wo es<br />
Anwesenheitspflichten und<br />
strengere Strukturen gibt? Auch<br />
in vielen Berufen gibt es recht<br />
starre äußere Anforderungen und<br />
Chefs, die nicht diskutieren wollen.<br />
Ja, davon bin ich überzeugt. Musikschulen<br />
funktionieren ja<br />
auch so in etwa wie Schulen, der<br />
einzige Unterschied ist der, dass<br />
die Kinder von sich aus dort<br />
hingehen. Und wenn einem etwas<br />
wirklich wichtig ist, nimmt<br />
man auch mal unangenehme<br />
Dinge in Kauf. Es geht ja hier<br />
nicht darum, Regeln zu brechen.<br />
Überall auf der Welt gibt es Kinder<br />
oder Erwachsene, ob hochbegabt<br />
oder nicht, die sich trotz<br />
Schule nicht immer eingliedern<br />
wollen. Und seien wir mal ehr-<br />
28 | mind magazin <strong>140</strong>/februar 2021
SCHULE UND HOCHBEGABUNG<br />
lich, mit einem guten Chef lässt<br />
es sich auch mal diskutieren.<br />
Welche Tipps würdest du<br />
Eltern geben, die jetzt wegen<br />
der Coronamaßnahmen eher<br />
unfreiwillig ihre Kinder zu<br />
Hause unterrichten müssen?<br />
Man sollte Vertrauen in die Fähigkeiten<br />
seiner Kinder haben<br />
und vor allem sich und die Kinder<br />
nicht unter Druck setzen.<br />
Aber es ist schwierig, Tipps zu<br />
geben, wenn die Eltern sich an<br />
die Vorschriften der Lehrer halten<br />
und einen Abgabetermin<br />
einhalten müssen.<br />
Wo finden Eltern Informationen<br />
darüber, wie sie ihren Kindern<br />
den Lernstoff vermitteln<br />
können? Etwas zu wissen<br />
bedeutet ja nicht, dass man es<br />
kindgerecht erklären kann.<br />
Kinder müssen das Lernen nicht<br />
erst lernen. Sie tun es von Natur<br />
aus, nur jeder auf seine Art und<br />
Weise. Am besten lässt man sich<br />
von den Kindern leiten. Vor allem<br />
hochbegabte Kinder haben<br />
oft ihre eigenen Lösungswege.<br />
Aber das Internet bietet viele<br />
Hilfestellungen an.<br />
Hier einige Links:<br />
• alliasbl.lu/de/home-de/<br />
(dort findet man viele Infos<br />
übers Homeschooling und<br />
Unschooling)<br />
• skoyo.de (Lernportal)<br />
• vs-material.wegerer.at,<br />
www.cned.fr<br />
(französische Fernschule)<br />
• web-individualschule<br />
(Skype-Schule, sie haben Erfahrung<br />
mit Hochbegabten<br />
und Autisten)<br />
• duolingo oder babbel<br />
(für Sprachen)<br />
In<br />
Luxemburg<br />
gibt es<br />
Lernpflicht<br />
aber keine<br />
Schulpflicht.<br />
Was hättest du gerne gewusst,<br />
bevor du mit dem Homeschooling<br />
angefangen hast?<br />
Nichts, es ist ein laufender Prozess<br />
und mit der Zeit lernt man,<br />
im Hier und Jetzt zu leben.<br />
Keiner weiß, wie die Welt in<br />
ein paar Jahren aussehen wird,<br />
und was die Anforderungen an<br />
uns und unsere Kinder sein werden.<br />
Die Auseinandersetzungen mit<br />
den Lehrern müssen anstrengend<br />
gewesen sein. Haben sie versucht,<br />
euch unter Druck zu setzen, damit<br />
die Kinder in der Schule bleiben?<br />
Am Anfang hofft man noch auf<br />
den guten Willen der Lehrer,<br />
aber wenn man mit der Zeit bemerkt,<br />
dass sie dir nicht glauben,<br />
dann fängt man an, sauer<br />
zu werden und manchmal ist<br />
man schon erschöpft.<br />
„Kinder müssen das Lernen<br />
nicht erst lernen. Sie tun<br />
es von Natur aus, nur jeder<br />
auf seine Art und Weise.<br />
Am besten lässt man sich<br />
von den Kindern leiten.“<br />
Es waren ja nicht nur die Lehrer.<br />
Die erste Psychologin meinte,<br />
ich würde meine Tochter als<br />
emotionalen Abfalleimer benutzen,<br />
da ihr Wortschatz so weit<br />
fortgeschritten war und mein<br />
Mann zu der Zeit arbeitsbedingt<br />
oft im Ausland war. Dazu kam<br />
das Getuschel der anderen Eltern<br />
und im Dorf. Meine Tochter<br />
ist anders als die anderen Mädchen,<br />
liebt Kleider und mag keine<br />
Hosen und Socken. Natürlich<br />
hat jeder versucht, uns zu überzeugen,<br />
wir seien nicht fähig<br />
und sie würde nur unsere Grenzen<br />
testen. Meine Eltern übrigens<br />
auch. Aber ich habe immer<br />
auf mein Bauchgefühl gehört.<br />
Als ich dem Schulpsychologen<br />
mitteilte, solange man meine<br />
Tochter nicht in der Schule<br />
unterstützt, bleibt sie zu Hause,<br />
bis sie selbst wieder hinmöchte,<br />
meinte er, das sei eine super<br />
Idee, wenn man dem Patienten<br />
die Wahl lässt. Im Moment könne<br />
keiner genau sagen, ob es ein<br />
Fehler ist oder nicht, das würde<br />
man erst in 20 Jahren wissen.<br />
Er hat sich nicht sonderlich angestrengt,<br />
sie wieder zur Schule<br />
zu bewegen, da er nie mit ihr gesprochen<br />
hat.<br />
Tut es dir nicht manchmal<br />
leid, dass du in deinem Beruf<br />
nicht arbeiten kannst, sondern<br />
dich um die Kinder kümmerst?<br />
Oder ist dafür auch Zeit?<br />
Es tut mir nicht leid, dass ich<br />
bei den Kindern geblieben bin.<br />
Es war eine bewusste Entscheidung.<br />
Es wäre chaotischer geworden,<br />
wenn ich zu der Zeit gearbeitet<br />
hätte. Und im Moment<br />
arbeite ich wieder ein bisschen<br />
von zu Hause aus. Wie du siehst,<br />
habe ich ja Zeit.<br />
mind magazin <strong>140</strong>/februar 2021 | 29
EIN M VON NEBENAN<br />
ABDELLAH LASRI<br />
Ein Opernstar auf dem Weg<br />
zum wahren Glück<br />
Von der Schwierigkeit, einen Lebenstraum<br />
mit der Realität zu versöhnen.<br />
Abdellah Lasri hat sich einen Kindheitstraum erfüllt und als Tenor-Opernsänger Erfolge<br />
gefeiert. Er hat an zahlreichen renommierten Häusern gespielt, war Finalist bei der Operalia,<br />
dem größten Opern-Wettbewerb der Welt und wurde in der Opernszene als „Rising Star“<br />
gehandelt. Eine Bilderbuch-Karriere. Warum er trotzdem unzufrieden war und sich auf die<br />
Suche nach dem wahren Glück begeben hat, erzählte er uns im Interview.<br />
Du bist in Marokko geboren und<br />
aufgewachsen. Wie bist du zur<br />
klassischen Musik und speziell<br />
zum Operngesang gekommen?<br />
Da war schon sehr früh eine innere<br />
Stimme, die mir gesagt hat:<br />
„Abdellah, du endest als Musiker!“<br />
Meine Eltern, insbesondere<br />
mein Vater, wollten, dass<br />
ich studiere, am Besten als Beamter<br />
arbeite. Das war für mich<br />
schwierig, denn in der Schule<br />
lief es nicht gut. Vermutlich lag<br />
das größtenteils an der Hochbegabung,<br />
aber davon habe ich erst<br />
als Erwachsener erfahren. Die<br />
Lehrer hatten, wie mein Vater,<br />
kein Verständnis für mich.<br />
Ich habe mich jedoch nicht beirren<br />
lassen, für mich war klar:<br />
Meine Zukunft lag in den Bereichen<br />
Musik und/oder Informatik.<br />
Der klassische Weg, also Abitur<br />
und Studium, war dafür aber<br />
nicht geeignet, zumal ein Hochschulstudium<br />
in Marokko sehr<br />
teuer ist. Ich habe mich daher<br />
entschieden, die Schule abzubrechen.<br />
Das war eine sehr harte<br />
Entscheidung, aber ich wollte<br />
meine Zeit nicht weiter verplempern,<br />
sondern meine Energie in<br />
meinen Lebenstraum stecken.<br />
Wie haben Deine Eltern<br />
reagiert, als du die Schule<br />
geschmissen hast?<br />
Das war heftig! Mein Vater ist<br />
narzisstisch veranlagt, und das<br />
Verhältnis zu ihm war ohnehin<br />
sehr schwierig. In dieser Situation<br />
hat sich alles zugespitzt. Seine<br />
größte Sorge war es, dass die<br />
Leute sagen, er habe einen arbeitslosen,<br />
faulen Sohn zu Hause.<br />
Er wollte, dass ich studiere<br />
und einer „normalen“ Arbeit<br />
nachgehe.<br />
Das war eine schwere Zeit für<br />
mich. Auf der einen Seite hatte<br />
ich meine Vision von der Zukunft<br />
und wollte losmarschieren.<br />
Auf der anderen Seite war<br />
da mein Vater, der mir meine Vision<br />
kaputt machen wollte, statt<br />
mich zu unterstützen. Ich habe<br />
mich dann eben auf eigene Faust<br />
fortgebildet, insbesondere in<br />
Musiktheorie und nebenbei in<br />
einem Internetcafé gearbeitet.<br />
Du hast dir also viel<br />
autodidaktisch erarbeitet?<br />
Ja, genau. Vor ungefähr einem<br />
Jahr habe ich realisiert, dass ich<br />
Synästhetiker bin. Für mich be-<br />
30 | mind magazin <strong>140</strong>/februar 2021
Charles Gounod's „Faust“-Oper<br />
kannte man hierzulande lange nur unter<br />
dem Titel „Margarethe“. Abdellah<br />
spielte die Titelrolle des „Faust“ am<br />
Aalto-Theater in Essen (eine Ko-Produktion<br />
mit der Staatsoper in Berlin).<br />
Copyright: Karl Forster
EIN M VON NEBENAN<br />
deutet das, ich sehe die Musik<br />
und fühle Konsistenzen. Bis dahin<br />
dachte ich, das sei nichts Besonderes,<br />
für mich war das einfach<br />
Normalität.<br />
Natürlich musste ich mir teilweise<br />
auch die Nächte um die<br />
Ohren hauen, aber im Großen<br />
und Ganzen fiel es mir leichter<br />
als den anderen.<br />
Opernsänger ist aber nicht<br />
unbedingt die am nächsten<br />
liegende Karriere …<br />
Ich habe es geliebt, auf meiner<br />
Gitarre zu spielen, aber mit fast<br />
20 Jahren war es schon zu spät<br />
für eine professionelle Karriere<br />
auf einem Instrument. Beim Gesang<br />
ist das anders, weil sich die<br />
Stimme ohnehin ständig entwickelt<br />
und verändert; da standen<br />
mir noch alle Wege offen.<br />
Ich habe in verschiedenen<br />
Chören in meiner Heimatstadt<br />
Rabat gesungen. Dort bin ich<br />
schließlich auf einen wunderbaren<br />
Lehrer und Mentor gestoßen,<br />
Louis Péraudin, den damaligen<br />
Leiter des Chorale de<br />
Rabat. Er verstand es, die Leidenschaft<br />
an der Musik weiterzugeben,<br />
nicht nur die Technik.<br />
Über sein Netzwerk hatte ich<br />
dann auch die Möglichkeit, an<br />
Meisterklassen teilzunehmen.<br />
Die französische Kulturszene ist<br />
öfters vor Ort, um marokkanische<br />
Musiktalente abzuwerben.<br />
Letztendlich habe ich so ein Stipendium<br />
bekommen. Das hat<br />
mir die Türen in die europäische<br />
Opernszene geöffnet.<br />
Denkst du gerne an die<br />
Studienzeit in Frankreich zurück?<br />
Das sind gemischte Gefühle.<br />
Das Studium war sehr schwer<br />
und arbeitsintensiv. Hinzu<br />
kommt, dass mir das französische<br />
System nicht sehr entgegenkam.<br />
Dort wirst du in der<br />
Theorie perfekt vorbereitet, aber<br />
es fehlt die praktische Seite. Das<br />
fühlte sich für mich wie ein zu<br />
eng geschnürtes Korsett an.<br />
Heute ist mir klar, warum ich<br />
damit so gehadert habe: Vor einem<br />
Jahr habe ich die Diagnose<br />
ADHS bekommen. Ich lerne<br />
nicht beim Stillsitzen, sondern<br />
„on the road“, beim praktischen<br />
Anwenden.<br />
„Stell dir vor, du hast nur<br />
einen Satz: Wenn du den<br />
nicht ordentlich ablieferst,<br />
war es das! Eine zweite<br />
Chance bekommst du nicht,<br />
mit diesem Eindruck gehst<br />
du dann von der Bühne.“<br />
Auch meine finanzielle Situation<br />
war teilweise schwierig. Ab<br />
dem zweiten Studienjahr wohnte<br />
ich in Paris mit hohen Lebenshaltungskosten.<br />
An der Hochschule<br />
gab es die Regelung, dass<br />
man in den ersten zwei Studienjahren<br />
nicht arbeiten darf, das<br />
kann ich bis heute nicht nachvollziehen.<br />
Klar hatte ich mein<br />
Stipendium, aber da gab es in<br />
der vorlesungsfreien Zeit keine<br />
Zahlungen. In den Sommermonaten<br />
war das Geld daher sehr<br />
knapp.<br />
Du hast deinen Abschluss aber<br />
trotz dieser Umstände mit<br />
Auszeichnung bestanden!<br />
Ja, das stimmt. Das war für mein<br />
Selbstwertgefühl sehr wichtig.<br />
Unterbewusst hat mich das fehlende<br />
Abitur doch mehr belastet,<br />
als ich mir eingestehen wollte.<br />
Jetzt hatte ich mir selbst bewiesen,<br />
dass ich die richtige Entscheidung<br />
getroffen habe und<br />
dass ich etwas bis zum Ende<br />
durchziehen kann, wenn ich es<br />
mir in den Kopf gesetzt habe.<br />
Der ganze Druck fiel danach von<br />
mir ab.<br />
Wie kamst du an deine ersten<br />
Rollen? Du bist dann relativ<br />
schnell nach Berlin gegangen.<br />
Das klappte glücklicherweise<br />
sehr gut. Ich hatte schon einen<br />
Tag nach meiner Abschlussprüfung<br />
Proben für ein Festival in<br />
Monte-Carlo und hatte auch in<br />
Frankreich verschiedene Engagements.<br />
Dort konnte ich allerdings<br />
nicht dauerhaft bleiben,<br />
weil mein Visum nicht verlängert<br />
wurde.<br />
Glücklicherweise bekam ich<br />
in dieser Zeit einen Anruf aus<br />
Berlin. Dort suchten sie einen<br />
Tenor für das Jugend-Ensemble<br />
und so wurde ich Mitglied im internationalen<br />
Opernstudio der<br />
Deutschen Staatsoper. Das war<br />
ein wahrer Segen für mich.<br />
Inwiefern?<br />
Weil ich den Beruf dort richtig<br />
gelernt habe. Man spielt<br />
zwar nur kleine Rollen, aber auf<br />
der großen Bühne mit sehr berühmten<br />
Leuten. Was man vielleicht<br />
nicht unbedingt vermutet:<br />
Manchmal sind die kleinen<br />
Rollen komplizierter als die langen<br />
Passagen.<br />
Stell dir vor, du hast nur einen<br />
Satz: Wenn du den nicht ordentlich<br />
ablieferst, war es das!<br />
Eine zweite Chance bekommst<br />
du nicht, mit diesem Eindruck<br />
gehst du dann von der Bühne.<br />
32 | mind magazin <strong>140</strong>/februar 2021
ABDELLAH LASRI<br />
Abdellah Lasri als „Des Grieux“ in<br />
Jules Massenet's „Manon“ am<br />
Salzburger Landestheater.<br />
Copyright: Anna-Maria Löffelberger<br />
Seine musikalische Ausbildung<br />
absolvierte Lasri am Conservatoire<br />
National Supérieur in Paris.<br />
Copyright: Saad Hamza<br />
Abdellah Lasri spielt<br />
neben Peter Felix Bauer<br />
den Adorno in Guiseppe<br />
Verdi's Oper „Simon<br />
Boccanegra“ am<br />
Staatstheater in Mainz.<br />
Copyright: Andreas Etter<br />
Hast du eine Lieblingsrolle?<br />
Meine erste große Rolle war der<br />
Rodolfo in La Bohème. Den mag<br />
ich sehr, da könnten wir gut<br />
und gerne zwei Stunden drüber<br />
sprechen. Und auf jeden Fall der<br />
Werther, ach, der ist einfach so<br />
schön geschrieben!<br />
Das sind beides ja eher<br />
dramatische Figuren!<br />
Ja, in der Tat. Dramatische Passagen<br />
passen einfach gut zu mir<br />
und meiner Stimme. Ich mag<br />
komplexe Geschichten, in denen<br />
ich ein reiches Gefühlsspektrum<br />
zeigen kann. Das entspricht<br />
auch eher meiner eigenen<br />
Persönlichkeit.<br />
Den „Werther“ finde ich besonders<br />
faszinierend, ich sehe<br />
da Tendenzen einer bipolaren<br />
Persönlichkeit. Er geht von einem<br />
Extrem zum nächsten, von<br />
super weich und sinnlich zu<br />
mind magazin <strong>140</strong>/februar 2021 | 33
EIN M VON NEBENAN<br />
hoch emotional und dramatisch<br />
mit dem ganzen Orchester. Für<br />
die Inszenierung in Essen haben<br />
wir das sogar noch gesteigert.<br />
Das ist es, was mich am<br />
Singen fasziniert.<br />
Das hat man wohl auch gespürt:<br />
Für den „Werther“ wurde<br />
ich von der Bastille-Oper in Paris<br />
eingeladen, das war eine große<br />
Sache. Ab da ging es mit meiner<br />
Karriere steil bergauf.<br />
Das war also der Wendepunkt<br />
in deiner Karriere?<br />
Ja, das kann man sagen. Davor<br />
war ich ein vielversprechendes<br />
Nachwuchs-Talent und nun war<br />
ich auf einmal der „Rising Star“.<br />
Das war eine verrückte Zeit, das<br />
Interesse an meiner Person war<br />
groß. In der Pariser Oper wurde<br />
angerufen: „Wer ist dieser Abdellah<br />
Lasri?“ Es lief richtig gut,<br />
ich hatte tolle Angebote und<br />
Verträge.<br />
Gibt es einen Bühnen-<br />
Moment, an den du dich<br />
besonders gerne erinnerst?<br />
Oh ja, das war diese eine Werther-Inszenierung<br />
in Paris. Wir<br />
waren alle so verbunden, die<br />
Künstler untereinander, Sänger<br />
und Orchester, aber auch<br />
wir auf der Bühne mit dem Publikum.<br />
Es waren an diesem<br />
Abend ungefähr 3.000 Menschen<br />
im Saal und trotzdem war<br />
da eine so starke Verbindung!<br />
Ich glaube nicht an Übersinnliches,<br />
aber diese Energie zwischen<br />
uns, das war magisch. Wir<br />
haben uns alle gefühlt, so kann<br />
man es vielleicht am Besten beschreiben.<br />
Wir waren so ergriffen,<br />
dass wir auf der Bühne geweint<br />
haben. Das war schon ein<br />
sehr besonderer Moment.<br />
Deine Karriere lief also richtig<br />
gut. Es ist dann aber in letzter<br />
Zeit etwas ruhiger um dich<br />
geworden. Was war der Grund?<br />
Ich bekam plötzlich Probleme<br />
mit meiner Stimme. Vermutlich<br />
wollte mein Körper mir damit<br />
etwas sagen.<br />
Mein Lebenstraum war es,<br />
mich mit meiner Kunst auszudrücken,<br />
zu reisen, mit vielen<br />
verschiedenen Orchestern zu<br />
arbeiten. Die Realität sieht aber<br />
leider etwas anders aus: Wenn<br />
du in der Opernwelt bestehen<br />
und deinen Lebensunterhalt<br />
damit verdienen willst, musst<br />
du schon ein bisschen „fake“<br />
sein. Man muss sehr diplomatisch<br />
agieren und teilweise wird<br />
viel Politik im Verborgenen gemacht.<br />
„Es ist nicht immer objektiv<br />
nachvollziehbar, warum<br />
der eine Sänger die Rolle<br />
bekommt und der andere<br />
nicht. Letztendlich zählt<br />
eben nicht nur die Technik,<br />
sondern das Potential, das<br />
die Leute in einem sehen.“<br />
Das mag ich überhaupt nicht.<br />
Im Endeffekt ging es eben nicht<br />
vorrangig um die Musik, wie ich<br />
es mir mit viel Idealismus ausgemalt<br />
hatte. Das habe ich sehr<br />
lange nicht sehen wollen, und<br />
dann kamen eben die ersten<br />
körperlichen Probleme.<br />
Wie bist du damit umgegangen?<br />
Ich habe mir eine Auszeit genommen<br />
und hatte das erste<br />
Mal seit langer Zeit die Gelegenheit<br />
zu reflektieren. Ja, ich war<br />
ganz oben angekommen, habe<br />
in vielen der großen Opernhäuser<br />
gespielt. Finanziell war das<br />
natürlich genial, aber wenn ich<br />
ehrlich zu mir war, war ich im<br />
tiefsten Innersten nicht zufrieden.<br />
Es gab immer seltener besondere<br />
Momente und immer mehr<br />
Routine. Es war sehr schwer,<br />
sich das einzugestehen, und ich<br />
habe lange versucht, mich damit<br />
abzufinden, dass es nicht<br />
jedesmal ein großes emotionales<br />
Feuerwerk gibt, wenn ich auf<br />
der Bühne stehe. Aber unterbewusst<br />
habe ich mich nach dieser<br />
Intensität gesehnt.<br />
Da ich auch privat eine schwierige<br />
Zeit durchlebt habe, bin ich<br />
letztendlich in eine depressive<br />
Phase gerutscht. Das war sehr<br />
heftig, vor ungefähr einem Jahr<br />
hatte ich den Tiefpunkt erreicht.<br />
Glücklicherweise habe ich das<br />
nun hinter mir gelassen, seit<br />
September geht es bergauf, und<br />
mittlerweile geht es mir wieder<br />
richtig gut, auch stimmlich.<br />
Das Singen ist nach wie vor<br />
meine Passion, aber heute weiß<br />
ich: Ich muss nicht singen, um<br />
zufrieden zu sein! Meine Einstellung<br />
zum Glück und zum<br />
Glücklich-Sein hat sich total<br />
verändert. Glück bedeutet für<br />
mich, schöne und wahrhaftige<br />
Momente zu schaffen und mit<br />
meinen echten Freunden zu teilen.<br />
Was meinst du: Welche Rolle<br />
hat deine Hochbegabung in<br />
deinem Lebenslauf und vielleicht<br />
auch besonders in dieser<br />
schwierigen Phase gespielt?<br />
Ich kann mir gut vorstellen, dass<br />
die Depression durch die Hoch-<br />
34 | mind magazin <strong>140</strong>/februar 2021
egabung verstärkt oder jedenfalls<br />
gefärbt war. Damit im Zusammenhang<br />
steht mein Trauma,<br />
abgelehnt zu werden. Im<br />
Grunde war ich mein ganzes Leben<br />
lang ein Außenseiter, jedenfalls<br />
die ersten 27 Jahre.<br />
Als Kind habe ich mich viel in<br />
meine Bücher geflüchtet, weil<br />
ich mit meinen Altersgenossen<br />
nicht so viel anfangen konnte.<br />
Zudem war ich oft mit dem<br />
Neid der anderen konfrontiert,<br />
weil mir manche Dinge sehr<br />
leicht gefallen sind. Gleichzeitig<br />
musste ich im Umfeld der Musik<br />
lernen, mit der ständigen Bewertung<br />
und drohenden Ablehnung<br />
umzugehen.<br />
Es ist nicht immer objektiv<br />
nachvollziehbar, warum der<br />
eine Sänger die Rolle bekommt<br />
und der andere nicht. Letztendlich<br />
zählt eben nicht nur die<br />
Technik, sondern das Potential,<br />
das die Leute in einem sehen.<br />
„Mein Plan war es, ein<br />
schönes Bohème-Leben<br />
zu führen, Freunde in<br />
Italien zu besuchen,<br />
zwischendurch ein paar<br />
Proben und Produktionen<br />
zu machen. Aber Corona<br />
hat mir einen Strich durch<br />
die Rechnung gemacht.“<br />
Wie hast du das Jahr 2020<br />
erlebt? Als Künstler bist du<br />
von der Pandemie vermutlich<br />
besonders betroffen.<br />
2020 war für mich super seltsam.<br />
Eigentlich wollte ich Anfang<br />
des Jahres ein paar Monate<br />
Backpacking machen, habe meine<br />
Wohnung gekündigt, meine<br />
Sachen bei Freunden untergebracht<br />
und bin los.<br />
Mein Plan war es, ein schönes<br />
Bohème-Leben zu führen,<br />
Freunde in Italien zu besuchen,<br />
zwischendurch ein paar Proben<br />
und Produktionen zu machen.<br />
Aber Corona hat mir einen<br />
Strich durch die Rechnung<br />
gemacht.<br />
Ich saß zwar nicht auf der Straße,<br />
aber ich musste von meinen<br />
Ersparnissen leben, hatte keinen<br />
festen Wohnsitz und keinen<br />
Zugang zu meinen persönlichen<br />
Dingen. Das war ingesamt eine<br />
grenzwertige Erfahrung.<br />
Für Künstler war es definitiv<br />
kein gutes Jahr. Das Hilfspaket<br />
war ziemlich schnell aufgebraucht,<br />
viele sind auf Arbeitslosengeld<br />
II angewiesen, das ist<br />
bitter. Im Endeffekt läuft es auf<br />
die essenzielle Frage hinaus:<br />
Braucht eine Gesellschaft die<br />
Kunst oder nicht?<br />
Wie ist deine Antwort darauf?<br />
Ich glaube nicht, dass Kunst verzichtbar<br />
ist. Die Menschheit hat<br />
sich von Anbeginn ums Feuer<br />
versammelt, getanzt und erzählt.<br />
Kunst ist Teil des Menschseins,<br />
sie schafft es, Emotionen<br />
zu generieren.<br />
Ich finde das faszinierend:<br />
Man liest ein Gedicht, schaut<br />
sich ein Bild an oder hört ein<br />
Musikstück, und es gibt eine direkte<br />
körperliche Reaktion darauf,<br />
Gänsehaut zum Beispiel.<br />
Das liebe ich so an der Kunst.<br />
Als Künstler kann ich Menschen<br />
bewegen und berühren.<br />
Sprachlich mag ich mich nicht<br />
immer perfekt ausdrücken, weil<br />
meine Gedanken teilweise so<br />
verworren sind. Aber die Musik,<br />
das ist meine Sprache, meine<br />
Art der Kommunikation, die<br />
bei den Leuten ankommt.<br />
Lass uns hoffen, dass es bald<br />
wieder mehr Normalität gibt. Wie<br />
geht es für dich jetzt weiter?<br />
Ich bin gerade wieder nach Essen<br />
gezogen in meine eigenen<br />
vier Wände. Derzeit arbeite<br />
ich an einem vielversprechenden<br />
IT-Projekt, das mich gut beschäftigt,<br />
habe aber auch noch<br />
Zeit, Musik zu machen.<br />
Diese neue Art von Freiheit<br />
genieße ich sehr. Ich habe auch<br />
wieder meine Leidenschaft entdeckt,<br />
selbst Musik zu komponieren.<br />
Ich hoffe aber auch, dass<br />
ich bald wieder reisen kann, um<br />
für weitere Rollen vorzusingen,<br />
ich bin mit einigen Operndirektoren<br />
in Kontakt. Es wäre toll,<br />
wenn ich bald mal wieder auf einer<br />
Bühne stehen könnte.<br />
Lieber Abdellah, vielen Dank für<br />
dieses spannende und offene<br />
Gespräch und viel Erfolg bei<br />
deinen künftigen Projekten!<br />
Die Fragen stellte<br />
Natalie Lehmann<br />
ABDELLAH LASRI<br />
mind magazin <strong>140</strong>/februar 2021 | 35
PRISMENFERNGLAS<br />
HARTMUT BLESSING<br />
Gelungene und weniger<br />
gelungene Eindeutschungen<br />
Martin Luther, Aufklärer und falsche Freunde.<br />
D<br />
er „Meuchelpuffer“ konnte<br />
sich nicht durchsetzen.<br />
Noch heute sagen wir „Pistole“<br />
dazu. Gelehrte der Aufklärung,<br />
wie hier Philipp von Zesen, versuchten<br />
durch solche Neubildungen<br />
die Sprache für die einfachen<br />
Leute zugänglicher zu<br />
machen, denn zu dieser Zeit trugen<br />
die französischen und lateinischen<br />
Ausdrücke, die die<br />
Oberschicht verwendete, zu einer<br />
sozialen Distanz bei.<br />
Einige Vorschläge von Zesens<br />
gingen in die deutsche Sprache<br />
ein und blieben neben dem<br />
Fremdwort bestehen, falls sie<br />
es nicht ganz ersetzen konnten.<br />
Hier Wörter, die ihm zugeschrieben<br />
werden: Anschrift,<br />
Bücherei, Briefwechsel, Leidenschaft,<br />
Rechtschreibung, Verfasser<br />
und Augenblick. Seine Urheberschaft<br />
ist allerdings umstritten.<br />
„Urteilsmeister“ für „Kritiker“<br />
dagegen wurde wohl zu<br />
kritisch gesehen.<br />
Auch Joachim Heinrich Campe,<br />
ein Zeitgenosse Goethes,<br />
entwickelte zahlreiche Verdeutschungen,<br />
wie altertümlich,<br />
Erdgeschoss, fortschrittlich,<br />
Hochschule und Streitgespräch.<br />
Nicht durchsetzen konnten sich<br />
„Zwischenstille“ für „Pause“ und<br />
„Schalksernst“ für „Ironie“.<br />
Kaum jemand dürfte so<br />
sprachbildend gewirkt haben<br />
wie Martin Luther. Heinrich<br />
Heine schrieb gar: „Er schuf die<br />
deutsche Sprache“ (Heinrich<br />
Heine, Zur Geschichte der Religion).<br />
Von Luther sind solche<br />
Schöpfungen wie: Fleisch und<br />
Blut, der wahre Jakob, auf einen<br />
grünen Zweig kommen, im<br />
Lande bleiben und sich redlich<br />
nähren, dem Mammon frönen,<br />
Lästermaul, auf Herz und Nieren<br />
prüfen, seine Hände in Unschuld<br />
waschen, Gewissensbisse,<br />
sein Herz ausschütten, Zeichen<br />
und Wunder, Hiobspost,<br />
die Leviten lesen, angst und<br />
bange werden, mit Blindheit<br />
geschlagen, die Augen öffnen,<br />
Jammertal, ein Menschenkind,<br />
Buße tun, Schlaf des Gerechten,<br />
PRISMENFERNGLAS<br />
Warum Prismenfernglas?<br />
Prismenfernglas steht für die<br />
Buntheit des Lebens, vor allem der<br />
Sprache — das Fernglas steht für den<br />
Blick über den Tellerrand.<br />
Unter dieser Rubrik erscheinen<br />
regelmäßig Beiträge zu Sprachspielen<br />
und Etymologie.<br />
Feigenblatt, Landesvater, Nächstenliebe,<br />
Dorn im Auge, Schandfleck,<br />
Traubenblut, Lückenbüßer,<br />
Heidenlärm, Krämervolk,<br />
Denkzettel, Herzenslust, Feuereifer,<br />
friedfertig, gastfrei, Glaubenskampf<br />
und viele mehr.<br />
Manche deutsche Wörter ähneln<br />
Wörtern in anderen Sprachen,<br />
haben aber dort eine ganz<br />
andere Bedeutung. Solche Wortpaare<br />
werden als „falsche Freunde“<br />
bezeichnet.<br />
Ein Beispiel ist das deutsche<br />
Wort „Frisör“, das dem „coiffeur“<br />
im Französischen entspricht.<br />
Der „friseur“ war einst nur ein<br />
Spezialist für Locken. Der deutsche<br />
„Regisseur“ ist im Französischen<br />
ein „Verwalter“, während<br />
der Filmemacher ein „metteur<br />
en scène“ ist.<br />
Der „Smoking“ genannte Herrenanzug<br />
heißt in der Originalsprache<br />
„dinner jacket“ (britisch)<br />
oder „tuxedo“ (amerikanisch).<br />
Hier sind wir im Bereich<br />
der „Scheinanglizismen“, zu denen<br />
auch der „Showmaster“ gehört<br />
(englisch wäre „compère“<br />
oder „master of ceremony“). Der<br />
„Showmaster“ wird laut Ulrich<br />
Busse erstmals schriftlich im<br />
SPIEGEL vom 4. April 1962, Seite<br />
85, erwähnt.<br />
36 | mind magazin <strong>140</strong>/februar 2021
Anzeige<br />
Einzel-Coaching und Seminare für Hochbegabte<br />
Irgendwann ist auch<br />
die Corona-Krise<br />
vorbei, trotzdem:<br />
Coaching funktioniert natürlich auch virtuell!<br />
Wir klären das von Fall zu Fall. Die Mischung aus<br />
Präsenz- und virtuellen Treffen hat sich bewährt!<br />
Wir finden einen Weg!<br />
Das Seminar für hochbegabte Finder im hat Oktober 2020 online<br />
stattgefunden. Und siehe da: Alle waren zufrieden. Nächste Termine<br />
demnächst auf www.coaching-fuer-hochbegabte.de<br />
Endlich ist sie raus! Die komplette Überarbeitung von „Wie ich<br />
werde, was ich bin. Hochbegabung: Navigation für Erwachsene“<br />
(Titel der ersten Ausgabe: „Wie ich werde, was ich bin. (Selbst-)<br />
Coaching für hochbegabte Erwachsene“). 452 Seiten, € 26,90<br />
Das Buch klärt auf über das Phänomen Hochbegabung, gibt Einblick<br />
in das Seelenleben, Erfolge und als Misserfolge erlebte Ereignisse<br />
im Leben vieler Hochbegabter. Es enthält Interviews mit Hochbegabten<br />
von 2010, ergänzt um erneute Befragungen nach fast zehn<br />
Jahren und einige neue Interviewpartner. Das offenbar zu große<br />
Hoffnungen generierende kurze Kapitel Selbstcoaching ist in dieser<br />
Auflage entfallen. Dafür wurden viele Aspekte um neu hinzugekommene<br />
Erkenntnisse und Erfahrungen der letzten Jahre ergänzt.<br />
Natürlich auch zu beziehen über unsere Buchhandlung:<br />
www.buchhandlungsattler.de<br />
Der Pessimist klagt über den Wind, der Optimist hofft, dass er dreht und der Realist<br />
richtet die Segel aus!<br />
Sir William Ward
FILMKUNST<br />
KARIN POLZ<br />
Süße Tiere, heile Welt<br />
Die Kino-Kolumne mit Extra-Fakten für Besserwisser.<br />
2021 sind einige<br />
vielversprechende Kinofilme<br />
für Kinder am Start. Doch<br />
welche davon versprechen<br />
wirklich gute Unterhaltung?<br />
Und welche machen nicht<br />
nur Kindern, sondern auch<br />
den Eltern Spaß? Eine gute<br />
Wahl sind fast immer Filme<br />
mit Tieren – vor allem, wenn<br />
die nicht nur schlau, sondern<br />
auch unglaublich süß sind.<br />
I<br />
ch kann mich an meinen ersten<br />
Kinofilm nicht mehr erinnern<br />
– wohl aber an die Aufregung,<br />
die in meiner Kindheit<br />
jeden der wenigen Kinobesuche<br />
begleitet hat. Der dunkle<br />
Saal, die große Leinwand, die<br />
gespannte Stimmung: Kino war<br />
ein besonderes Erlebnis, das<br />
sich meine Familie auch nur selten<br />
gegönnt hat. Und meine Eltern<br />
hatten auch keine große<br />
Lust auf Kinderfilme, glaube ich.<br />
Heute dagegen wird gerade um<br />
die aufwendig animierten Filme<br />
oftmals ein wahrer Kult veranstaltet,<br />
der auch Erwachsene<br />
in die Kinos lockt. Vielleicht ist<br />
bei diesen drei aktuellen Filmen<br />
auch was für euch dabei?<br />
Cats & Dogs 3:<br />
Pfoten vereint!<br />
(ab 24. Juni)<br />
Katzenmensch oder Hundemensch?<br />
Wer diesen Film anschauen<br />
möchte, ist am besten<br />
beides – und sechs Jahre oder älter.<br />
Denn auch wenn es süß anzuschauen<br />
ist, wie die Hunde<br />
und Katzen mit Brillen auf der<br />
Nase ihrer Arbeit nachgehen<br />
und mit ihren putzigen Pfoten<br />
auf Computertastaturen tippen:<br />
Die Geschichte ist schon etwas<br />
anspruchsvoller als zum Beispiel<br />
„Biene Maja 3 – Das geheime<br />
Königreich“ (läuft voraussichtlich<br />
demnächst an).<br />
Wie in den beiden vorherigen<br />
Filmen von „Cats & Dogs“<br />
sind die Katzen und Hunde Geheimagenten,<br />
die nur vor den<br />
Menschen die dummen, braven<br />
Haustiere spielen. Tatsächlich<br />
lösen sie gemeinsam brisante<br />
Probleme. In Teil drei steht das<br />
mühsam erreichte harmonische<br />
Zusammenleben von Katzen<br />
und Hunden auf dem Spiel,<br />
als ein gerissener Papagei versucht,<br />
Unfrieden zu stiften.<br />
„Cats & Dogs“ parodiert gewissermaßen<br />
auf tierische Art die<br />
gängigen Agenten- und Actionfilme,<br />
was die Geschichte für<br />
Kinder fast etwas zu komplex<br />
macht. Für Jung und Alt gleichermaßen<br />
witzig ist allerdings,<br />
wie in dem Realfilm die Tiere<br />
mit einer Mischung aus Tierdressur,<br />
Puppenspiel und Computertrick<br />
extrem menschenähnlich<br />
dargestellt werden.<br />
Peter Hase 2 –<br />
Ein Hase macht sich<br />
vom Acker<br />
(ab 11.März)<br />
Das Bezauberndste an „Peter<br />
Hase“ sind für mich die Namen<br />
der Protagonisten: Mopsi, Flopsi,<br />
Wuschelpuschel und wie die<br />
Häschen alle heißen. Hauptfigur<br />
ist – titelgebend – Peter, ein<br />
liebenswerter Frechdachs. Der<br />
lebt mit seinen Hasenfreunden<br />
bei den Menschen Bea und Tho-<br />
38 | mind magazin <strong>140</strong>/februar 2021
FILMKUNST<br />
„Der große Orkan“ ist das Finale<br />
der Filmreihe. Im Mittelpunkt<br />
steht ein Wanderzirkus,<br />
der auf Gestüt Kaltenbach, der<br />
Heimat von Ostwind, Schutz vor<br />
einem Sturm sucht. Hauptfigur<br />
Ari verliebt sich in die Welt der<br />
Kunstreiter und Artisten. Doch<br />
auch dort gibt es Konflikte und<br />
böse Menschen. Aber am Ende<br />
wird alles gut.<br />
Fotos: LEONINE Distribution GmbH, capelight pictures OHG<br />
mas. Doch weil er nicht immer<br />
brav ist, gibt es Ärger. Daher<br />
überlegt Peter, ob er nicht ohne<br />
die Menschen besser dran wäre.<br />
Also zieht er in die Großstadt<br />
und erlebt so manches Abenteuer.<br />
Für sensible Kinder kann<br />
das manchmal zu viel sein: Der<br />
Zwist mit den Menschen, bedrohliche<br />
Situationen und rasante<br />
Actionszenen machen den<br />
Film ereignisreich. Freigegeben<br />
ist er ab null Jahren.<br />
Ein bisschen Aufregung kann<br />
es rausnehmen, wenn Kinder<br />
die Peter-Hase-Bücher von Beatrix<br />
Potter bereits kennen. Oder<br />
den ersten Teil, der 2018 immerhin<br />
1,5 Millionen Besucher in<br />
die deutschen Kinos gelockt hat.<br />
Teil eins zu Hause auf DVD und,<br />
falls das gut ankommt, Teil 2 im<br />
Kino, das könnte eine gute Kombination<br />
auch für die ganz Kleinen<br />
sein.<br />
Ostwind 5 –<br />
Der große Orkan<br />
(ab 25. März)<br />
Mädchen und Pferde – das ist in<br />
jedem Alter eine Erfolgskombination.<br />
Beste Voraussetzungen<br />
also, um gleich mehrere Geschwisterkinder<br />
mit einem Film<br />
glücklich zu machen. Ein weiterer<br />
Vorteil: Da es schon vier<br />
Folgen aus der „Ostwind“-Reihe<br />
gibt, kann man anhand dieser<br />
gut einschätzen, wie kompliziert,<br />
emotional oder spannend<br />
die Handlung ist. Der Film ist<br />
ohne Altersbeschränkung freigegeben<br />
und hat das Prädikat<br />
„Besonders wertvoll“* erhalten.<br />
Wer die „Ostwind“-Filme oder<br />
die zugrundeliegenden Bücher<br />
noch nicht kennt, sollte wissen:<br />
Ostwind ist ein schwarzer<br />
Hengst, den niemand reiten<br />
kann. Nur das Mädchen Mika<br />
schafft es, eine Beziehung zu<br />
Ostwind aufzubauen. Die beiden<br />
– und später auch die zweite<br />
Hauptfigur Ari – sind auf einer<br />
fast schon magischen Ebene<br />
miteinander verbunden.<br />
Extra-Fakten:<br />
Der erste Kinobesuch<br />
S<br />
tatt<br />
Angeber-Wissen gibt<br />
es diesmal praktische<br />
Tipps für den ersten Kinobesuch<br />
mit Kindern. Der sollte gut<br />
geplant sein, denn die Kinoatmosphäre<br />
kann auch beängstigend<br />
wirken. Manche Kinos bieten<br />
daher spezielle Vorstellungen<br />
für Kinder unter dem Motto<br />
„Mein erster Kinobesuch“ – mit<br />
geringerer Lautstärke, gedimmtem<br />
Licht statt vollständiger<br />
Dunkelheit und ohne Werbung<br />
vor dem Film. Doch auch dafür<br />
sollte das Kind Experten zufolge<br />
mindestens Kindergartenalter<br />
haben. Kinder unter fünf Jahren<br />
können oft nicht lange genug<br />
stillsitzen – das testen Eltern<br />
vorher zu Hause mit einem Film<br />
auf DVD. Richtige Wahl ist ein<br />
Film mit FSK ab 0, also ohne Altersbeschränkung,<br />
der explizit<br />
für Kinder gedacht ist. Die Freiwillige<br />
Selbstkontrolle verlangt<br />
von solchen Filmen, dass sie<br />
ohne dunkle Szenarien, schnelle<br />
Schnittfolgen oder eine laute<br />
und bedrohliche Geräuschkulisse<br />
auskommen und problematische<br />
Situationen in der Handlung<br />
schnell und positiv aufgelöst<br />
werden.<br />
mind magazin <strong>140</strong>/februar 2021 | 39
UNPROMINENTE PROMINENTE<br />
LARS-HENDRIK SCHILLING<br />
Sein Name war Hase,<br />
und er wusste von nichts<br />
Karl Victor Hase: Sein<br />
legendärer Satz wurde<br />
Allgemeingut.<br />
Name: Karl Victor<br />
Hase (später:<br />
von Hase)<br />
Lebensdaten:<br />
3. November 1834 in<br />
Jena bis 30. April 1860<br />
in Eisenach<br />
In aller Kürze: Als Student verteidigte<br />
sich Victor Hase bei einer<br />
Befragung mit seinem legendären<br />
Satz: „Mein Name ist<br />
Hase, ich verneine die Generalfragen,<br />
ich weiß von nichts.“<br />
Im Detail: Victor Hase war der<br />
Sohn des Kirchenhistorikers<br />
Karl August Hase. Diese sehr<br />
gesittete Herkunft machte sich<br />
auch bei der Wahl seines Studienfachs<br />
bemerkbar. Victor Hase<br />
studierte Rechtswissenschaft –<br />
zunächst in Jena, später in Leipzig,<br />
ab 1854 dann in Heidelberg.<br />
Trotz des Studienfachs kam er<br />
öfter mit der Obrigkeit in Konflikt.<br />
Denn der junge Victor war<br />
ein kleiner Systemkritiker und<br />
Rebell, was einen in Zeiten der<br />
Monarchie in Schwierigkeiten<br />
bringen konnte. Nachdem er in<br />
Leipzig einen Geistlichen kritisiert<br />
hatte, musste er eine sechstägige<br />
Haftstrafe<br />
absitzen. Das<br />
blieb nicht der<br />
letzte Zwischenfall.<br />
In Heidelberg half<br />
er dann einem Bekannten<br />
auf fragwürdige Weise<br />
aus. Dieser hatte einen anderen<br />
Studenten in einem Duell erschossen.<br />
Deshalb setze er sich<br />
nach Straßburg ab, um der französischen<br />
Fremdenlegion beizutreten.<br />
Nur brauchte er dafür<br />
Ausweispapiere, die man auf<br />
der Flucht vor dem Gesetz eher<br />
schlecht bekommen kann.<br />
So verlor Victor Hase ganz<br />
„zufällig“ seine Studentenkarte,<br />
mit der der Flüchtige es über<br />
die Grenze schaffte. Dort warf er<br />
sie ungeschickterweise weg, wo<br />
sie gefunden und nach Heidelberg<br />
geschickt wurde. So kam<br />
es zu einer Untersuchung, wie<br />
denn dieser Zwischenfall passieren<br />
konnte.<br />
Nun war Herr Hase ja nicht<br />
umsonst auf dem Weg zum Jura-Abschluss<br />
und wusste, dass<br />
die Beweislast viel zu dünn war,<br />
um ihn zu belangen. So verteidigte<br />
er sich souverän mit den<br />
Worten: „Mein Name ist Hase,<br />
ich verneine die Generalfragen,<br />
ich weiß von nichts.“<br />
Und so kamen wir zu der Redewendung:<br />
„Mein Name ist<br />
Hase, ich weiß von nichts.“ Die<br />
hat es übrigens auch ins Niederländische<br />
geschafft: „Mijn naam<br />
is haas.“ (Wobei die Niederländer<br />
offenbar nicht bemerkt hatten,<br />
dass Hase hier ein Eigenname<br />
ist, und ihn gnadenlos übersetzten.)<br />
Victor Hase schaffte es übrigens<br />
noch bis zum Doktortitel in<br />
Rechtswissenschaft. Er starb bereits<br />
im Alter von 25 Jahren an<br />
Krankheit. Nach seinem Tode<br />
wurde sein Vater 1883 geadelt<br />
und hieß dann „von Hase“. Deshalb<br />
wird Victor gelegentlich<br />
auch als Karl Victor von Hase<br />
aufgeführt, trug diesen Titel jedoch<br />
nie zu Lebzeiten, sondern<br />
wurde sozusagen posthum mitgeadelt.<br />
Heute ist Victor Hase weiterhin<br />
in aller Munde, obwohl den<br />
meisten nicht klar ist, warum.<br />
Foto: wikimedia commons<br />
40 | mind magazin <strong>140</strong>/februar 2021
SENIOREN<br />
NOKS NAUTA<br />
Alt und hochbegabt<br />
Ein Gespräch über eine besondere und<br />
bisher kaum beachtete Lebenssituation.<br />
Hochbegabung bei Kindern ist als Thema in der Gesellschaft<br />
längst angekommen, und es wurde inzwischen viel zu<br />
hochbegabten Kindern geforscht und geschrieben. Während<br />
es in den letzten zehn Jahren sogar zur Hochbegabung bei<br />
Erwachsenen einen Ratgeber–Boom gibt, dachte bislang<br />
kaum jemand an die hochbegabten Senioren.<br />
N<br />
oks Nauta und Ine Schouwstra<br />
sind die Herausgeberinnen<br />
des ersten Buchs über<br />
hochbegabte Senioren. Sieben<br />
Autoren mit unterschiedlichen<br />
und sich ergänzenden Fachkenntnissen<br />
kommen zu Wort.<br />
Die Besonderheiten<br />
hochbegabter<br />
Senioren<br />
Noks Nauta. Foto: Nauta<br />
Die Forschung zu hochbegabten<br />
Senioren steckt in den Kinderschuhen,<br />
in diesem Buch jedoch<br />
vermitteln praktische Geschichten<br />
ein Bild davon, was hochbegabte<br />
Senioren erleben können.<br />
Oft werden hochbegabte Senioren<br />
als solche nicht erkannt.<br />
Infolge dessen können sie Einsamkeit<br />
und Langeweile erleben<br />
und psychische Erkrankungen<br />
entwickeln.<br />
Für das Wohlbefinden älterer<br />
Menschen und auch ihrer Angehörigen<br />
und des Pflegepersonals<br />
ist das Wissen über die<br />
Eigenschaften und Bedürfnisse<br />
hochbegabter Senioren sehr<br />
wichtig.<br />
Über die Autorinnen<br />
Über die Bedeutung der Hochbegabung<br />
bei Senioren sprechen<br />
wir mit Noks Nauta. Sie<br />
ist Mensa-Mitglied und Mitglied<br />
der Triple Nine Society, erforscht<br />
als Ärztin und Psychologin<br />
seit vielen Jahren das Phänomen<br />
Hochbegabung bei Erwachsenen<br />
und Senioren. Sie hat<br />
dazu im Laufe der Jahre zahlreiche<br />
Bücher und Artikel veröffentlicht.<br />
Im In- und Ausland<br />
hält sie Vorträge hierzu und gibt<br />
Workshops.<br />
Noks Nauta ist zudem Ehrenvorstand<br />
und Mitgründerin des<br />
Instituts Hochbegabung bei Erwachsenen<br />
in den Niederlanden<br />
(www.ihbv.nl). Die Stiftung<br />
möchte die Lebensumstände<br />
von hochbegabten Erwachsenen<br />
durch Sammlung, Dokumentation<br />
und Verbreitung von Wissen<br />
über hochbegabte Erwachsene<br />
verbessern.<br />
Noks Nauta lebt in den Niederlanden.<br />
(Weitere Informationen<br />
unter: www.noksnauta.nl.)<br />
Da sie das 70. Lebensjahr überschritten<br />
hat, hat sie das Bedürfnis,<br />
das Wissen über hochbegabte<br />
Senioren stärker zu verbreiten.<br />
So hat sie zusammen mit<br />
den Autoren Ine Schouwstra,<br />
Emmy Boudeling, Gemma Geertshuis,<br />
Berit Hooghoudt-van<br />
der Veen, Marieke Schuurmanvan<br />
der Heyden und Ido van<br />
mind magazin <strong>140</strong>/februar 2021 | 41
SENIOREN<br />
der Waal ein Buch über<br />
hochbegabte Senioren<br />
veröffentlicht. Dies haben<br />
wir zum Anlass genommen,<br />
Noks zu diesem<br />
bislang kaum erforschten<br />
Thema zu interviewen.<br />
Weshalb muss man<br />
hochbegabten Senioren<br />
Aufmerksamkeit schenken?<br />
Hochbegabte Kinder und hochbegabte<br />
Erwachsene profitieren<br />
davon, wenn sie mehr über sich,<br />
ihre Eigenschaften und den Umgang<br />
mit ihnen erfahren. Senioren<br />
geht es genauso, aber dazu<br />
haben wir uns bislang keine Gedanken<br />
gemacht. Hochbegabung<br />
lässt einen oftmals sich<br />
anders fühlen als andere Menschen.<br />
Sich anders zu fühlen<br />
kann dazu führen, sich sonderbar<br />
zu fühlen und ein negatives<br />
Selbstbild zu entwickeln.<br />
Im Grunde denken wir, dass<br />
Hochbegabung eine Reihe von<br />
positiven Merkmalen mit sich<br />
bringt. Jedoch ist ein Teil der<br />
Hochbegabten nicht so glücklich.<br />
(Und wir wissen nicht, welcher<br />
Teil dies ist).<br />
Und so haben wir viele Geschichten<br />
von hochbegabten<br />
Senioren und den Menschen<br />
um sie herum, die zeigen, dass,<br />
wenn sie nichts von ihren Charakteristika<br />
wissen, es dazu führen<br />
kann, sich nicht gut zu fühlen,<br />
zu glauben, dass sie dumm<br />
sind, niedergeschlagen sind und<br />
keinen positiven Blick mehr auf<br />
das Leben haben.<br />
Sie sind nicht in der Lage, ihre<br />
speziellen Bedürfnisse auszudrücken,<br />
und wissen nicht, wie<br />
sie sich eigentlich besser fühlen<br />
könnten. Also ist es gesund,<br />
sie über ihre Hochbegabung<br />
aufzuklären.<br />
Wie drückt sich<br />
Hochbegabung bei<br />
älteren Menschen<br />
aus? Gibt es<br />
Unterschiede zu<br />
jüngeren Erwachsenen?<br />
Bei hochbegabten Erwachsenen<br />
wissen wir, dass ihre Begabung<br />
für einige von ihnen eine<br />
Herausforderung sein kann,<br />
und zwar in allen Lebensbereichen:<br />
privat (Beziehungen und<br />
Freundschaften), persönlich<br />
(mentale Gesundheit und Wohlergehen),<br />
beruflich (Kontakte,<br />
Verbindungen, einen besonderen<br />
Beitrag für die Welt leisten<br />
wollen), et cetera.<br />
Zu späteren Lebensphasen stehen<br />
andere Dinge auf dem Spiel.<br />
Das gilt für jeden von uns. Das<br />
sehen wir sogar mehr bei älteren<br />
Hochbegabten, insbesondere,<br />
wenn sie von ihren Fähigkeiten<br />
nichts wissen.<br />
Hochbegabung ist eine Kombination<br />
von Charakteristika,<br />
wovon hohe Intelligenz eine ist.<br />
Hochbegabte Menschen sind<br />
„In fortgeschrittenem<br />
Alter, wenn sich<br />
Hochbegabte nicht selbst<br />
kennen, können sich<br />
diese Eigenschaften auf<br />
unharmonische Weise<br />
zeigen. Einige hochbegabte<br />
Senioren zeigen ein<br />
schwieriges Verhalten,<br />
einige von ihnen sind<br />
einsam und ohne Kontakte.“<br />
in ihrer Wahrnehmung höchst<br />
empfindsam, sie fühlen verschiedene<br />
Facetten (intensiv<br />
und tief), sind autonomer, sind<br />
entschlossen auf eine offene<br />
und passionierte Art, handeln<br />
schöpfend (Delphimodel der<br />
Hochbegabung, Kooijman-van<br />
Thiel, 2008).<br />
In fortgeschrittenem Alter,<br />
wenn sich Hochbegabte nicht<br />
selbst kennen, können sich diese<br />
Eigenschaften auf unharmonische<br />
Weise zeigen. Einige Eigenschaften<br />
werden übertrieben,<br />
andere verschwinden. Einige<br />
hochbegabte Senioren zeigen<br />
ein schwieriges Verhalten, einige<br />
von ihnen sind einsam und<br />
ohne Kontakte.<br />
Die Herausforderungen scheinen<br />
größer, wenn sie Hilfe für<br />
ihre körperlichen Beschwerden<br />
brauchen und auch dann, wenn<br />
sie kognitive Einschränkungen<br />
wie Demenz haben. Dies<br />
wird in der Altenpflege oft nicht<br />
erkannt, und es können unbrauchbare<br />
Diagnosen gestellt<br />
werden, die eher schaden.<br />
Wir erleben, dass sie Diagnosen<br />
wie Persönlichkeitsstörung<br />
bekommen, eine Diagnose im<br />
Autismus-Spektrum, et cetera.<br />
Dies ist nicht hilfreich, um die<br />
richtige Behandlung zu finden.<br />
Ab wann gilt jemand als Senior?<br />
Wir betrachten die Seniorität als<br />
ein Lebensalter, das für jede einzelne<br />
Person zu ihrer eigenen<br />
Zeit startet. So würden wir sagen,<br />
dass sie frühestens mit dem<br />
55. Lebensjahr und oft später beginnt.<br />
Einige Hochbegabte über<br />
70 fühlen sich nicht wie Senioren.<br />
Dies hängt oft von der Gesundheit<br />
ab.<br />
42 | mind magazin <strong>140</strong>/februar 2021
Wenn sie Hilfe brauchen und<br />
von anderen Menschen abhängig<br />
sind, dann stellen sie fest, dass sie<br />
jetzt zu den Senioren gehören. In<br />
unserem Buch beschreiben wir<br />
die Lebensphasen eines hochbegabten<br />
Lebens, über die Ellen<br />
Fiedler geschrieben hat, und die<br />
auf den Phasen von Erik Erikson<br />
basieren.<br />
SENIOREN<br />
Was sind die spezifischen<br />
Herausforderungen für diese<br />
Gruppe von Menschen?<br />
Senioren im Allgemeinen müssen<br />
sich an ein Leben gewöhnen<br />
• ohne bezahlte Arbeit (die für<br />
Struktur sorgt, für finanzielle<br />
Sicherheit, gebraucht zu werden),<br />
• bei dem körperliche Beschwerden<br />
und Einschränkungen auftreten<br />
können,<br />
• in dem sie Menschen um sich<br />
herum verlieren,<br />
• in dem sie von anderen abhängig<br />
werden.<br />
Was geschieht nun mit<br />
hochbegabten Senioren, die nicht<br />
von ihrer Hochbegabung wissen?<br />
Hochbegabung bei Senioren: Merkmale und Fallstricke<br />
Merkmale der<br />
Hochbegabung<br />
Hohe Intelligenz<br />
(Denken)<br />
Autonomie (Sein)<br />
Vielschichtigkeit<br />
(Fühlen)<br />
Hochsensitivität<br />
(Wahrnehmung)<br />
Leidenschaft, Neugierde<br />
(Wollen)<br />
Kreativität (Handeln)<br />
Beschreibung der<br />
Merkmale<br />
Schnelles Auffassungsvermögen;<br />
schnelle Mustererkennung;<br />
hohes Assoziationsvermögen;<br />
gutes Gedächtnis;<br />
Metakognition: Fähigkeit zur<br />
Divergenz und Konvergenz.<br />
Unabhängig; will eigene Entscheidungen<br />
treffen; will alles<br />
selbst herausfinden.<br />
Kann viele Emotionen gleichzeitig<br />
und Nuancen wahrnehmen;<br />
Beobachtet viel und detailliert<br />
mit allen Sinnen.<br />
Großes und breites Interesse;<br />
besondere Hobbys; sammelt<br />
viele Fakten und Dinge; wissbegierig;<br />
will aktiv bleiben.<br />
Produziert (kreativ, wissenschaftlich<br />
oder anderweitig);<br />
will sich verbessern.<br />
Übertreibung der<br />
Merkmale<br />
Überspringt Schritte; ist von anderen<br />
gelangweilt, die ihn oder<br />
sie nicht verstehen; ist kritisch<br />
und ,besserwisserisch‘; gibt ungefragt<br />
Ratschläge.<br />
Hat Schwierigkeiten, um Hilfe<br />
zu bitten; Tendenz zu Sturheit;<br />
wird als schwierig erlebt; gerät<br />
schnell in Konflikte.<br />
Zu emotional; leicht zu verärgern;<br />
schnell traurig; schnell euphorisch.<br />
Leidet unter vielen Reizen (Ton,<br />
Licht, Berührung, Geruch, Geschmack);<br />
schnell gereizt; erträgt<br />
keine Menschenmassen<br />
(Einkaufszentren, Konzerte);<br />
will bestimmte Kleidung nicht<br />
mehr tragen; fühlt körperliche<br />
Reize (Schmerz, Juckreiz) extrem<br />
stark.<br />
Nicht zu stoppen; will an allem<br />
teilnehmen, auch wenn dies<br />
nicht mehr möglich ist. Hat keine<br />
eigenen Grenzen.<br />
Startet, aber beendet Dinge<br />
nicht; stört andere (oder die<br />
Pflege anderer); wird andere auf<br />
überzeugende Weise einbeziehen.<br />
Unterdrückung der<br />
Merkmale<br />
Fühlt sich dumm:<br />
,Das ist nichts für<br />
mich‘<br />
Lehnt Kontakte ab;<br />
nimmt definitiv keine<br />
Hilfe an; sozialer<br />
Rückzug; Einzelgängertum.<br />
Unterkühltheit<br />
Vermeidet Situationen<br />
mit vielen Reizen;<br />
schließt die Augen;<br />
schläft oft ein;<br />
setzt kein Hörgerät<br />
ein. Geht nicht ans<br />
Telefon.<br />
Lehnt vorgeschlagene<br />
Aktivitäten ab;<br />
empfindet Sinnlosigkeit;<br />
apathisch;<br />
schläft viel.<br />
Keine sichtbaren<br />
Hobbys; zeigt keine<br />
Aktivitäten.<br />
mind magazin <strong>140</strong>/februar 2021 | 43
SENIOREN<br />
Wir beobachten Frustration darüber,<br />
sich selbst nicht zu kennen.<br />
Negative Effekte können Niedergeschlagenheit,<br />
Gefühle der<br />
Wertlosigkeit, Isolation oder<br />
kein Interesse, andere Personen<br />
zu sehen, sein. Oft sitzen sie beispielweise<br />
alleine in Alten- oder<br />
Pflegeheimen.<br />
Manchmal sehen wir extreme<br />
Verhaltensweisen, die zu Konflikten<br />
führen können. Zuweilen<br />
versuchen sie, ihre Autonomie<br />
zu wahren. Wenn ihnen<br />
dies nicht so gelingt, wie sie es<br />
sich vorstellen, kann dies auch<br />
zu Unsicherheit führen kann.<br />
Zudem benötigen hochbegabte<br />
Senioren manchmal psychiatrische<br />
Behandlungen wie Antidepressiva<br />
oder Medikamente,<br />
um sie ruhig zu halten. Hier<br />
ist die Frage, ob dies gut oder<br />
schädlich für sie ist.<br />
„Für eine lange Zeit kann<br />
es vorkommen, dass eine<br />
hochbegabte Person<br />
mit Demenz noch viele<br />
zusammenhängende<br />
Dinge erzählen kann. In<br />
späteren Stadien wird<br />
auch die Persönlichkeit<br />
betroffen sein.“<br />
Wie zeigt sich Demenz bei<br />
hochbegabten Personen?<br />
Dies ist eine komplexe Kombination.<br />
Demenz wird oft in einem<br />
frühen Stadium nicht erkannt,<br />
weil eine intelligente Person<br />
Defizite kompensieren und<br />
einige Tests manipulieren kann.<br />
Die Diagnose zu kennen, ist<br />
sehr wichtig, um die betreffende<br />
Person und die Menschen<br />
um sie herum besser zu begleiten<br />
und zu beraten. Insbesondere<br />
auch bei rechtlichen Angelegenheiten<br />
oder Gerichtsverfahren,<br />
wenn ein Anwalt davon<br />
ausgeht, dass sie oder er immer<br />
noch wichtige Entscheidungen<br />
treffen kann, obwohl dies nicht<br />
der Fall ist.<br />
Der Fachmann, der die Diagnose<br />
stellt, sollte sich dessen bewusst<br />
sein. Das Begleiten und<br />
Beraten von Hochbegabten mit<br />
Demenz ist eine Herausforderung.<br />
Obwohl Demenz die kognitiven<br />
Fähigkeiten beeinflusst<br />
(jedoch bei jeder Person auf unterschiedliche<br />
Weise), ist die<br />
Person immer noch eine hochbegabte<br />
Person, und dies ist für<br />
die Art und Weise der Kommunikation<br />
wichtig.<br />
Für eine lange Zeit kann es<br />
vorkommen, dass eine hochbegabte<br />
Person mit Demenz noch<br />
viele zusammenhängende Dinge<br />
erzählen kann. In späteren<br />
Stadien wird auch die Persönlichkeit<br />
betroffen sein.<br />
Partner von Hochbegabten<br />
mit Demenz benötigen möglicherweise<br />
zusätzliche Beratung,<br />
die die Begabung berücksichtigt.<br />
Was müssen Pflegekräfte für<br />
ältere Menschen wissen?<br />
In unserem Buch („Hoogbegaafde<br />
senioren“/ „Hochbegabte Senioren“)<br />
haben wir die hier abgedruckte<br />
Tabelle von Merkmalen<br />
erstellt, die Betreuern<br />
hilft, Hochbegabung zu erkennen.<br />
Wir zeigen auch, was mit<br />
diesen Eigenschaften passieren<br />
kann, wenn sie nicht im Gleichgewicht<br />
sind.<br />
Das Wissen über die Hochbegabung<br />
kann helfen, die Bedürfnisse<br />
der Person herauszufinden<br />
und besser zu kommunizieren.<br />
So werden Pflegekräfte<br />
hochbegabte Personen hoffentlich<br />
auch dann verstehen, wenn<br />
sie sich schwierig verhalten.<br />
Es ist wichtig herauszufinden,<br />
wie hochbegabte Senioren ein<br />
angenehmeres Leben führen<br />
können. Einige Beispiele: Freiwillige<br />
finden, die Bücher, Geschichten<br />
und Gedichte lesen<br />
(in verschiedenen Sprachen);<br />
Diskussionsgruppen zu Themen,<br />
die sie interessieren; Museen<br />
besuchen; Vorträge über<br />
Wissenschaft und Kunst; Dokumentarfilme<br />
zeigen. Aber es ist<br />
wichtig, nicht nur diese Dinge<br />
anzubieten, sondern auch ihre<br />
Bedürfnisse herausfinden.<br />
Was sind Vorteile von<br />
mehr Aufmerksamkeit für<br />
hochbegabte Senioren?<br />
Positive Auswirkungen von<br />
mehr Aufmerksamkeit für<br />
hochbegabte Senioren wird<br />
Folgendes sein: ein positiveres<br />
Selbstbild, ein verbessertes<br />
Wohlbefinden und hoffentlich<br />
eine verbesserte Gesundheit<br />
(weniger Medikamente, weniger<br />
medizinische Versorgung). Einige<br />
hochbegabte Senioren könnten<br />
noch Beiträge zur Gesellschaft<br />
leisten.<br />
Die Fragen stellten<br />
Alma Drekovic (www.alma-coaching.com)<br />
und Julia Rau (www.<br />
julia-rau.de)<br />
44 | mind magazin <strong>140</strong>/februar 2021
SPIELPLATZ<br />
F<br />
ür gewöhnlich erzählt<br />
eine Netflix-Serie<br />
eine abgeschlossene<br />
Geschichte<br />
in mehreren Episoden.<br />
Bei der Miniserie „Das<br />
Damengambit“ sind es<br />
sieben Episoden zu je<br />
einer Stunde.<br />
Niemand hätte gedacht,<br />
dass diese Serie<br />
– zum Großteil in<br />
Berlin-Friedrichshain gedreht<br />
– solch einen Hype auslösen<br />
könnte: In 63 Ländern der Welt<br />
ist sie zum Jahresende 2020 auf<br />
Platz eins der abgerufenen Serien<br />
gelandet, laut FAZ wurde<br />
der Begriff Schach nie zuvor so<br />
häufig gegoogelt, auf dem Server<br />
von chess.com ist die Quote<br />
der Neuzugänge um 400 Prozent<br />
gestiegen und gemäß der<br />
ZEIT war der Absatz von Figuren<br />
und Brettern bei Schach Niggemann<br />
im November unglaubliche<br />
zehnmal so hoch wie im selben<br />
Monat des Vorjahres. Direkt<br />
vor Weihnachten gab es praktisch<br />
nirgendwo mehr Schachspiele<br />
zu kaufen.<br />
Grundlage für die Serie ist<br />
der Roman „The Queens Gambit“<br />
von Walter Tevis aus dem<br />
Jahr 1983, der bislang nur in<br />
englischer Sprache vorliegt. Im<br />
Kentucky/USA der 50er Jahre<br />
wächst die achtjährige Beth in<br />
MATTHIAS KRIBBEN<br />
Schachmärchen<br />
„Das Damengambit“ bei Netflix.<br />
einem Waisenhaus auf. Dort beobachtet<br />
sie im Keller den Hausmeister<br />
dabei, wie er heimlich<br />
gegen sich selbst Schach spielt.<br />
Es entwickelt sich eine spezielle<br />
Beziehung zwischen den beiden,<br />
der Hausmeister wird ihr<br />
Schachlehrer und sie kann dadurch<br />
dem grauen Alltag entfliehen.<br />
Sie besitzt großes Talent,<br />
und nach einem raschen<br />
Aufstieg mit mehreren Stationen<br />
sitzt sie – mittlerweile jugendlich<br />
– dem Weltmeister am<br />
Brett gegenüber.<br />
Worin liegt nun der besondere<br />
Charme dieser Serie? Zum einen<br />
ist es die Ausstattung. Die ZEIT<br />
spricht völlig zurecht von einem<br />
„wahren Ausstattungsrausch“.<br />
Zum anderen ist es das Ambiente,<br />
das der Szenenbildner Ulrich<br />
Hanisch gekonnt in Szene setzt –<br />
wie zuvor auch schon bei „Babylon<br />
Berlin“. Neben Hanisch trägt<br />
noch eine weitere Deutsche zum<br />
Erfolg der Serie bei: Gabriele<br />
Binder, die Kostümbildnerin<br />
von Beth.<br />
Es ist sensationell, wie<br />
sie geometrische Motive<br />
in Beths 60er-Jahre-<br />
Kostüme einwebt, ohne<br />
plump Schachbrettmuster<br />
zu verwenden.<br />
Es gibt viele Filme,<br />
die Schach thematisieren,<br />
aber wohl noch<br />
Foto: PHIL BRAY/NETFLIX<br />
nie ist es gelungen, so realitätsnahe<br />
Schachszenen zu schaffen.<br />
Kein geringerer als der ehemalige<br />
Weltmeister Kasparow wurde<br />
als Berater hinzugezogen.<br />
Die deutsche Nationalspielerin<br />
Filiz Osmanodja agierte als Finger-Double,<br />
viele Schachspieler<br />
aus Berlin waren als Komparsen<br />
tätig.<br />
Wer schon einmal eine<br />
Schachpartie beobachtet hat,<br />
weiß, was es zu sehen gibt, wenn<br />
sich die Kontrahenten grübelnd<br />
gegenübersitzen: Nichts. Zumindest<br />
nichts Sichtbares. Es<br />
passiert nämlich nichts Sichtbares.<br />
Unsichtbares sichtbar zu<br />
machen, schafft die Serie meisterhaft.<br />
Da in der deutschen<br />
Synchronisation der Begriff<br />
Game mit Spiel und nicht mit<br />
dem Schach-Terminus Partie<br />
übersetzt wird, ist zu empfehlen,<br />
die Serie im Original zu sehen.<br />
Viel Spaß dabei!<br />
mind magazin <strong>140</strong>/februar 2021 | 45
ALL YOU NEED IS LO V E<br />
MARTIN HAHN<br />
Alles andere ist<br />
höchstens Sex …<br />
Über die Tantra-Massage.<br />
Du hast dieses Wort, also „Tantra“, schon einmal gelesen<br />
oder davon gehört? Du würdest es in Verbindung mit<br />
„Massage“ instinktiv und fast ohne Zögern dem „ältesten<br />
Gewerbe“ zuordnen?<br />
W<br />
ohl kaum ein Begriff wird<br />
im Umfeld der erotischen<br />
Erfahrungen so oft missverstanden<br />
und auch missbraucht wie<br />
der Begriff „Tantra-Massage“.<br />
Der Grund ist so einfach wie verhängnisvoll:<br />
Der Begriff ist nicht<br />
geschützt.<br />
Daraus folgt, dass sich den Begriff<br />
„Tantra-Masseur/-in“ praktisch<br />
jeder Mensch neben die<br />
Türklingel heften darf, ohne<br />
hier schwerwiegende Folgen befürchten<br />
zu müssen. So entwickelte<br />
sich im Rotlicht-Bereich<br />
freilich eine große Beliebtheit<br />
für den Begriff „Tantra-Massage“<br />
– ist ja auch recht werbewirksam.<br />
Nur wird dadurch die eigentliche<br />
Tantra-Massage sehr oft als<br />
schlichte erotische Dienstleistung<br />
missverstanden.<br />
Darum möchte ich nun helfen,<br />
alles ins rechte Licht zu rücken<br />
und lade dich herzlich dazu ein,<br />
einen „Aha-Effekt“ zu erleben.<br />
Was hat es also wirklich mit der<br />
Tantra-Massage auf sich, was ist<br />
der Hintergrund?<br />
Die Grund- und<br />
Leitsätze<br />
Wenn ich im Folgenden von<br />
Tantra-Massage spreche, meine<br />
ich ausschließlich die Massage<br />
nach den Regeln und Maßgaben<br />
des Tantra-Massage-Verbands<br />
(TMV), hierzu später mehr.<br />
Es geht im Kern – entgegen einer<br />
häufig vorkommenden Auffassung<br />
– nicht um etwas Kneten<br />
mit „Happy End“, das im<br />
Zweifel in recht wenigen Minuten<br />
erledigt sein kann und mit<br />
Sinnlichkeit und einem ganzheitlichen<br />
Erleben wenig zu tun<br />
hat. Vielmehr steht der Mensch<br />
mit all seinen Facetten im Vordergrund,<br />
wird als wundervolles,<br />
energetisches und sexuelles<br />
Wesen begriffen. Die Grundsätze<br />
für eine Tantra-Massage sind:<br />
• Achtsamkeit<br />
• Langsamkeit<br />
• Ziel- und Absichtslosigkeit<br />
• Liebe und Hingabe<br />
Was hier geneigten Lesenden<br />
direkt ins Auge fällt (oder eben<br />
gerade nicht!): Da steht nichts<br />
von einem Höhepunkt oder einer<br />
Erektion oder gar von „Happy<br />
End“. Im Gegenteil, einer der<br />
Haupt-Punkte hier ist die Langsamkeit<br />
und das Massieren<br />
ohne eine Absicht, ohne ein Ziel,<br />
ohne etwas zu „wollen“.<br />
Die Tantra-Massage (nach<br />
TMV) stellt dem oder der Empfangenden<br />
der Massage einen<br />
geschützten Raum und ist stark<br />
rituell geprägt. Von der Begrüßung<br />
bis zu einer (optionalen)<br />
Intim-Massage sind die Abschnitte<br />
und die Art der sinnlichen<br />
Berührung fließend aufgebaut,<br />
eine komplette Tantra-Massage<br />
kann auch mal vier<br />
Stunden dauern.<br />
Dabei hat die Massierende mit<br />
höchster Achtsamkeit dafür zu<br />
sorgen, dass es der Empfangenden<br />
gut geht (selbstverständlich<br />
auch gut für sich selber zu sorgen,<br />
mit eingeschlafenen Beinen<br />
ist das weitere Massieren<br />
schwerlich möglich). Natürlich<br />
kann auch mal ein schnelleres<br />
46 | mind magazin <strong>140</strong>/februar 2021
ALL YOU NEED IS LO V E<br />
Man spricht im Rahmen der<br />
Tantra-Massage üblicherweise<br />
nicht von „Massierer/-in“ und<br />
„Massierter/Massiertem“, sondern<br />
von „Geber/Geberin“ und<br />
„Empfänger/Empfängerin“ oder<br />
in der Verlaufsform von „Gebenden“<br />
und „Empfangenden“. Tantra-Massagen<br />
werden üblicherweise<br />
auf einer Matte oder Matratze<br />
von etwa zwei mal zwei<br />
Metern gegeben, welche mit Decken<br />
und einem großen Handtuch<br />
so abgedeckt wird, dass<br />
kein Öl oder dergleichen auf die<br />
Unterlage kommt. Insgesamt<br />
bereitet man sich damit ein „Lager“.<br />
Eine Temperatur von etwa<br />
28 Grad Celsius fühlt sich in der<br />
Regel für beide Beteiligten gut<br />
an, doch am Ende ist immer das<br />
Wohlbefinden des Empfangenden<br />
hier die Maßgabe.<br />
Foto: mcu1st0 auf pixabay<br />
Ausstreichen des Körpers und<br />
ein Variieren der Geschwindigkeit<br />
reizvoll sein, aber gerade in<br />
den empfindlichen Bereichen<br />
(Yin-Seite – also Front- und Innenseiten<br />
von Körper und Gliedmaßen)<br />
und insbesondere im<br />
Intimbereich ist Langsamkeit<br />
die oberste Regel, um dem Empfangenden<br />
überhaupt das vertrauensvolle<br />
Spüren zu ermöglichen.<br />
Wenn du dir vorstellst,<br />
du schubberst achtlos mit einer<br />
Hand über eine Katze, dann<br />
wird sie bestenfalls schleunigst<br />
weglaufen, im schlechteren Fall<br />
hinterlässt sie noch tiefe Furchen<br />
in deiner Haut – und womit?<br />
Mit Recht!<br />
Die beiden letzten Punkte<br />
(Achtsamkeit, Fließen/Langsamkeit)<br />
stellen mithin wohl<br />
den stärksten Unterschied zu<br />
dem dar, was unter missbräuchlicher<br />
Verwendung als Tantra-Massage<br />
zugemutet wird: Es<br />
geht bei dieser Art um die Liebe,<br />
Fürsorge und um die Hingabe,<br />
man „verschenkt“ sich als<br />
Gebender dem Empfangenden,<br />
legt alle eigene Liebe in die Berührungen,<br />
die man gibt.<br />
Unter dem Strich hat nur die<br />
Person etwas zu „melden“, welche<br />
die Massage empfängt, um<br />
deren Wohlergehen dreht sich<br />
die Tantra-Massage. Und schon<br />
gar nicht hat eine solche Massage<br />
etwas mit Sex zu tun, auch<br />
wenn der oder die Massierende<br />
(allein) Hände und Körper einsetzt.<br />
Es geht hier ausnahmslos<br />
um ein liebevolles, selbstloses<br />
(Hin-)Geben und um nichts<br />
Wechselseitiges.<br />
Gebende/<br />
Empfangende<br />
und das „Lager“<br />
Grenzen wahren<br />
– Kommunikation<br />
in der Massage<br />
In dem obligatorischen Vorgespräch<br />
zur Tantra-Massage, in<br />
dem es auch darum geht, eventuelle<br />
körperliche Vorschädigungen<br />
abzuklären, wird der<br />
letzte Punkt aus den Grundsätzen<br />
sicherlich immer erwähnt:<br />
Es geht nicht um ein Liebesspiel,<br />
die Grenzen zwischen Geber<br />
und Empfänger sind klar definiert.<br />
Sinnlich und erotisierend<br />
kann und darf eine solche<br />
Massage sein, aber es geht alleine<br />
um das eigene Erleben der<br />
Empfangenden und niemals um<br />
ein „wir machen hier etwas zusammen“.<br />
Natürlich kann die<br />
Massage auch für die Gebende<br />
erotisierend wirken und gerade<br />
bei männlichen Wesen ist eine<br />
Erregung dann klar erkennbar.<br />
Aber: Das vergeht auch wieder.<br />
Der Massierende hält in dem<br />
Fall den passenden Abstand und<br />
sorgt gewissenhaft dafür, dass<br />
mind magazin <strong>140</strong>/februar 2021 | 47
ALL YOU NEED IS LO V E<br />
dieser auch gewahrt bleibt. Umgekehrt<br />
wird der oder die Massierende<br />
auch einschreiten, falls<br />
die Empfangende auf einmal etwas<br />
„will“, und im Zweifel die<br />
Massage abbrechen.<br />
Wenn sich für den Empfangenden<br />
etwas nicht stimmig anfühlt,<br />
so ist er gehalten, dieses<br />
zu äußern, die Kommunikation<br />
ist enorm wichtig. Diese offene<br />
Art, dass hier gerne etwas mehr<br />
oder weniger Druck eingesetzt<br />
werden soll, die Geschwindigkeit<br />
zu reduzieren oder die Bewegung<br />
zwei Millimeter weiter<br />
links zu machen … fällt am Anfang<br />
nicht leicht. Doch umso<br />
stimmiger und auch intensiver<br />
kann das Erleben werden.<br />
Das neue Erleben der<br />
sexuellen Energie<br />
Da hier in der Tantra-Massage<br />
kein Bereich des Körpers ausgelassen<br />
wird (es sei denn, der<br />
Empfangende setzt eine entsprechende<br />
Grenze), kann das<br />
Erleben einer solchen achtsamen<br />
und absichtslosen Berührung<br />
tiefe und tiefste Gefühle<br />
– oft aus der Vergangenheit<br />
– auslösen. Das kann mitunter<br />
sehr heftig verlaufen, wenn alte<br />
Traumata hochkommen. In einem<br />
solchen Fall ist es hochgradig<br />
wichtig, dass der oder<br />
die Massierende nicht zurückschreckt,<br />
sondern sehr achtsam<br />
dabeibleibt, einfach nur haltend.<br />
In Seminaren kann es sinnvoll<br />
sein, dass andere behutsam<br />
dazukommen und ebenfalls<br />
Halt bieten. Von höchst<br />
ekstatischem Vergnügen bis zu<br />
tiefer Trauer können wirklich<br />
alle Gefühle auftreten, in allen<br />
Fällen aber ist es wichtig, sich<br />
nicht angstvoll zurückzuziehen,<br />
sondern in höchster Achtsamkeit<br />
dabei zu bleiben (als Gebende).<br />
Wenn solche Gefühle in<br />
dem Moment akzeptiert werden,<br />
kann man sie auch einfach wieder<br />
gehen lassen (als Empfangende).<br />
Mit freundlicher Erlaubnis<br />
darf ich aus dem Manuskript<br />
von AnandaWave® zitieren: „Sexualität<br />
als Lebenskraft – und<br />
als nichts anderes: In unserer<br />
westlichen Kultur ist die Sexualität<br />
fast immer verknüpft mit<br />
anderen Themen: Beziehung,<br />
Liebe, Schuld, Scham, Bedürftigkeit,<br />
Opfer-Täter, Verachtung,<br />
Ehe, Politik usw. In der tantrischen<br />
Massage geht es aber um<br />
die sexuelle Kraft an sich. Es<br />
ist die Bewegung der sexuellen<br />
Energie, die an nichts gebunden<br />
ist. Dies ist die Kraft, ohne die es<br />
kein Leben gäbe.“<br />
Kein Heilungsauftrag<br />
Der Absatz über die Verarbeitung<br />
alter Probleme klingt beinahe,<br />
als ob Tantra-Massagen<br />
als Heilmittel eingesetzt werden<br />
könnten. Das ist so allerdings<br />
nicht der Fall, auch wenn man<br />
sie vielleicht begleitend oder ergänzend<br />
zu einer Therapie machen<br />
kann.<br />
Die Tantra-Massage an sich<br />
hat keinen Heilungsauftrag,<br />
auch wenn – ich zitiere einen<br />
Mitschüler – man bei richtiger<br />
Anwendung fast gar nicht um<br />
die Heilung herumkommt. Aus<br />
eigenen Beobachtungen weiß<br />
ich, dass durch das intensive Erleben<br />
so mancher alte Knoten<br />
aufgelöst werden kann.<br />
Atmung und<br />
Ruhepunkte<br />
Um sowohl sich selber beim Geben<br />
als auch dem Empfangenden<br />
während der Massage die<br />
Zeit zum Spüren zu geben, bieten<br />
sich Ruhepunkte an. Mit<br />
weichen, warmen Händen und<br />
praktisch ohne jeden Druck<br />
werden ein oder zwei Punkte<br />
am Körper der Empfangenden<br />
schlicht nur gehalten. Hat man<br />
die Empfangende gerade in der<br />
Lage verändert, beispielsweise<br />
auf die Seite gelegt, kann auch<br />
der eigene Körper dazu dienen,<br />
Ruhe, Nähe, Wärme und Geborgenheit<br />
zu schenken.<br />
Natürlich ist es für Gebende in<br />
aller Regel anstrengender während<br />
einer Massage, doch gerade<br />
das gemeinsame, synchrone<br />
Atmen mit dem Empfangenden<br />
schafft eine wohltuende Verbindung<br />
und sollte häufig – gerade<br />
bei den Ruhepunkten – Anwendung<br />
finden.<br />
Hygiene in der<br />
Tantra-Massage<br />
Die professionelle Tantra-Massage<br />
nach TMV findet stets unter<br />
höchsten hygienischen Maßnahmen<br />
statt (und in den aktuellen<br />
Zeiten auch mit Mund-/<br />
Nasenmasken). Gebende für<br />
Tantra-Massagen achten darauf,<br />
dass Finger- und Fußnägel ge-<br />
48 | mind magazin <strong>140</strong>/februar 2021
kürzt und glatt sind, dass die eigene<br />
Körper-Hygiene passt, dass<br />
die Hände desinfiziert sind und<br />
dass gerade unmittelbar vor der<br />
Massage von Innenräumen (im<br />
Körper) Handschuhe angelegt<br />
werden. Übertragbare Krankheiten<br />
kann es überall geben,<br />
und natürlich ist das oberste<br />
Gebot hier, dass man durch die<br />
Massage nichts eintragen darf.<br />
Schulungen für<br />
Tantra-Massagen<br />
Um Tantra-Massagen nach TMV<br />
zu lernen, beginnt im Prinzip<br />
alles mit einem Grundseminar<br />
(Dauer in der Regel: eine Woche),<br />
in dem Grundkenntnisse<br />
und auch schon ein Einblick<br />
in die Intim-Massage vermittelt<br />
werden. Man lernt den rituellen<br />
Aufbau, schult die eigene<br />
Achtsamkeit, verschiedene Elemente/Sequenzen<br />
einer Massage<br />
und wie man diese verknüpft.<br />
Schließlich ist man fähig, einer<br />
Empfängerin oder einem Empfänger<br />
eine gut ausgewogene<br />
und lange Tantra-Massage zu<br />
geben.<br />
Auf dieses Grundseminar satteln<br />
weitere Module auf, welche<br />
noch mehr in die Tiefe gehen<br />
und für die professionelle Ausbildung<br />
unabdingbar sind. Aber<br />
auch rein privat Interessierte<br />
ohne die Absicht, die professionelle<br />
Ausbildung für sich als<br />
Weg einzuschlagen, sind in den<br />
meisten Ausbildungs-Modulen<br />
und natürlich insbesondere im<br />
Grundseminar willkommen.<br />
Im Tantra-Massage-Verband<br />
(TMV) sind mehrere offizielle<br />
und anerkannte Ausbildungsinstitute,<br />
von denen ich auch zwei<br />
bereits durch Seminare kennenlernen<br />
durfte. Werbung für ein<br />
spezielles Institut aber werde<br />
ich hier nicht machen, ich vertraue<br />
darauf, dass TMV-zertifizierte<br />
oder anerkannte Institute<br />
kaum Unterschiede in der Ausbildungsqualität<br />
aufzeigen dürften.<br />
Mein persönliches<br />
Fazit<br />
ALL YOU NEED IS LO V E<br />
Ich bin ja nun schon etwas herumgekommen<br />
und habe verschiedene<br />
Erfahrungen gemacht,<br />
doch etwas dermaßen<br />
Wertvolles wie die achtsame,<br />
sinnliche Tantra-Massage nach<br />
TMV habe ich noch nie vorher<br />
erlebt. Es hat mir die Augen geöffnet,<br />
wie sehr missverstanden<br />
Sexualität und sexuelle Energien,<br />
die in uns wohnen, oftmals<br />
doch sind.<br />
Die Seminare haben mir auch<br />
gezeigt, wie gleich wir eigentlich<br />
sind, dass wir – wenn es um<br />
die Suche nach tiefer Geborgenheit<br />
und das Angenommen-<br />
Werden geht – doch alle schlicht<br />
Menschen sind. Und mir wurde<br />
schlagartig klar, wie viel Gesellschaft<br />
und auch Religionen<br />
an unserem eigenen Selbstverständnis<br />
– sagen wir mal – „geschraubt“<br />
haben.<br />
Es war eine wundervolle Befreiung,<br />
wieder zu dem zurückzukommen,<br />
was mich ausmacht<br />
und zu mir gehört. Und es ist<br />
wunderbar, einer Person etwas<br />
völlig absichtslos zu geben, sodass<br />
ich dieser wiederum helfen<br />
kann, ebenfalls ein Stück weit<br />
mehr zu sich zu finden.<br />
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GLÜCKAUF, DER STEIGER KOMMT — DIE FUSSBALL-KOLUMNE<br />
ELISABETH RAHE<br />
Verdammt lang her …<br />
Schalke, das Leiden und absurde Hoffnungen.<br />
E<br />
in Jahr mit vielen Herausforderungen<br />
ist<br />
vergangen. Besonders für<br />
Schalke-Fans. Meine letzte<br />
Kolumne ist auch fast ein<br />
Jahr her und erschien vor<br />
dem Jahr des Grauens für<br />
den FC Schalke 04. Dabei<br />
lesen sich die Schilderungen<br />
in meinem und Erwins<br />
Beitrag fast wie aus einem Stadion. <br />
anderen Leben: Die Aussicht<br />
auf internationale Pflichtspiele scheint<br />
in Pandemiezeiten in ein Paralleluniversum<br />
entrückt.<br />
Nicht umsonst habe ich mich für das aus<br />
meiner Sicht mutmaßlich nächste internationale<br />
Schalke-Pflichtspiel in der Saison<br />
2028/29 verabredet. Und zwar für ein Spiel<br />
eines der nach 33 Jahren in diesem Jahr wiedergegründeten<br />
Frauenteams, das zu diesem<br />
Zeitpunkt mutmaßlich in der Champions<br />
League spielen könnte, wenn ihnen der<br />
Durchmarsch mit einem Extra-Jahr Puffer<br />
gelänge.<br />
Das ginge für FC Schalke 04 Blau oder FC<br />
Schalke 04 Weiß über die Bezirksliga, dann<br />
die Landesliga, als vierthöchste die Westfalenliga,<br />
danach die Regionalliga West.<br />
Die Regionalliga könnte direkt in die 2.<br />
Bundesliga führen und von dort aus ginge<br />
es in die 1. Bundesliga. Nach erfolgreichem<br />
Abschluss der ersten Saison wären die Frauen<br />
dann im internationalen Wettbewerb.<br />
Ein Jahr aufgeschlagen, man will ja nicht zu<br />
Ein Bild aus besseren Zeiten: Die Autorin<br />
mit Begleiter im vollbesetzten Schalker<br />
sehr Druck machen, theoretisch,<br />
sofern sich das<br />
Ligasystem nicht ändert,<br />
könnte das Team schon in<br />
der Saison 2027/28 soweit<br />
sein.<br />
Schier unglaublich ist,<br />
dass Schalke in der Saison<br />
2018/2019 noch international<br />
spielte nach einem eigentlich<br />
unfassbaren Ab-<br />
Foto: Klein<br />
schluss auf dem zweiten<br />
Platz. In der vergangenen Spielzeit rettete<br />
man sich auf Platz 14, weil Nürnberg und<br />
Hannover anscheinend noch weniger wollten.<br />
Das für sich genommen wäre schon<br />
ausreichend schrecklich gewesen, nur folgte<br />
das, was die Schalker Seele besonders<br />
bluten lässt: Rassistische Äußerungen des<br />
Strippenziehers und damaligen Aufsichtsratsvorsitzenden<br />
Clemens Tönnies. In allem<br />
Fußball-Elend konnte man sich bis dahin<br />
immer noch damit trösten, dass der<br />
Verein immerhin weitgehend sauber war –<br />
zwar nicht, was die Compliance angeht, aber<br />
doch zumindest politisch.<br />
Der Umgang der Führungsebene des Vereins<br />
und des DFB mit dem Tönnies-Ausfall<br />
und Beifall von teils fragwürdiger Seite war<br />
auch eher zum Verdrängen.<br />
Leider nahm auch die Folgezeit mir zumindest<br />
die Unschuld, wobei die Basis das<br />
Verhalten von Tönnies kritischer sah und<br />
Widerstand übte: Im Pokalspiel gegen Hertha<br />
BSC Berlin wurde deren Abwehrspie-<br />
50 | mind magazin <strong>140</strong>/februar 2021
ler Jordan Torunarigha wohl aus dem Schalke-<br />
Fanblock rassistisch beleidigt.<br />
Hier immerhin wurden rasch Nägel mit Köpfen<br />
gemacht und Spielabbrüche bei weiteren<br />
Vorkommnissen dieser Art vereinbart. Soweit<br />
mir bekannt, kam es daraufhin zu keinen medienwirksamen<br />
Vorfällen dieser Art mehr auf<br />
Schalke. Erfreulicherweise scheint die aktuelle<br />
Anti-Rassismus-Kampagne weniger ein Lippenbekenntnis<br />
zu sein als vorher, zumindest<br />
wenn man nach den rassismusbedingten Spielabbrüchen<br />
in der letzten Zeit gehen mag.<br />
Was folgte mit den Geisterspielen, als es unter<br />
umstrittenen Bedingungen im Mai wieder<br />
losging? Dass es einfach nur schlecht war<br />
und Schalke allein wegen der erstaunlich guten<br />
Hinrunde nicht abstieg. Die Karteninhaber<br />
und -inhaberinnen mussten kämpfen und Härtefallanträge<br />
stellen, um Geld statt Gutscheine<br />
zu erhalten.<br />
Im Juni dann einer der Corona-Ausbrüche in<br />
den Tönniesschen Schlachthöfen. Fragwürdige<br />
Personalentscheidungen in der Führungsriege<br />
und bei den Geringverdienern folgten. Finanziell<br />
ist man nicht über den Berg, hat sich aber<br />
bemüht zu sparen und Geld geliehen.<br />
Daraufhin hat man Vedad Ibišević, einen<br />
Mann, der fast so alt ist wie ich und der für wenig<br />
Geld (unter Drittliganiveau) für Schalke<br />
spielen wollte, engagiert. Dieser kam jedoch<br />
nicht so recht zum Zuge und wurde daraufhin<br />
im Streit wieder gegangen.<br />
Das fußballerische Elend im Bundesligabereich<br />
hält an, die Sieglos-Serie umfasste 30<br />
Spiele. Der Negativ-Rekord von Tasmania Berlin<br />
aus der Saison 1965/66 mit 31 sieglosen<br />
Spielen in Folge war gefährdet, doch nun gelang<br />
den Königsblauen ein absurd eindeutiger<br />
4:0-Sieg gegen Hoffenheim. Und augenblicklich<br />
ist die Hoffnung auf eine Wende zum Besseren<br />
wieder da. Absurd, aber ...<br />
Immerhin, Schalke hat es ins Achtelfinale<br />
des DFB-Pokals geschafft. Ich hoffe realistischer<br />
Weise auf ein gnädiges Ende dort. In<br />
schwachen Momenten erwische ich mich dabei,<br />
von einer anderen Absurdität zu träumen:<br />
Abstieg (nicht absurd) bei gleichzeitigem Gewinn<br />
des DFB-Pokals.<br />
mind magazin <strong>140</strong>/februar 2021 | 51<br />
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kann ganz einfach sein.<br />
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Intelligent ist gleich:<br />
Frau, Buch, Brille<br />
Was beim Stöbern in Fotodatenbanken auffällt.<br />
Bei der Produktion einer neuen<br />
<strong>Mag</strong>-Ausgabe gehört die Bildersuche<br />
in Fotodatenbanken<br />
zur Redaktions-Routine. Und<br />
wie bei Mensa nicht anders zu<br />
erwarten, werden dabei öfter<br />
Suchbegriffe wie „Intelligent“<br />
abgefragt.<br />
Top-Ergebnis ist (neben diversen<br />
Albert-Einstein-Fotos) eine<br />
scheinbar unschlagbare Dreier-<br />
Kombi: Frau, Buch, Brille – statt<br />
Buch zunehmend auch Laptop.<br />
Mal ernst, mal fröhlich, mal<br />
ganz versunken.<br />
Hier eine kleine, schnelle Auswahl,<br />
und die Frage: Realistisch<br />
oder Wunschvorstellung? ek<br />
Foto: Andrea Piacquadio<br />
Foto: Koshevaya_k<br />
Foto: Anna Shvets<br />
Foto: PublicDomainPictures<br />
Foto: PourquoiPas<br />
52 | mind magazin <strong>140</strong>/februar 2021
GALERIE<br />
Foto: Andrea Piacquadio<br />
Alle Fotos von: pixabay, pexels<br />
Foto: Karolina Grabowska<br />
Foto: Vlada Karpovich<br />
Foto: PublicDomainPictures<br />
Foto: Rene Asmussen<br />
mind magazin <strong>140</strong>/februar 2021 | 53
LESERBRIEFE<br />
Leserbrief zu „Anmerkungen<br />
zur Heilpraktiker-<br />
Prüfung“, MinD-<strong>Mag</strong> 139<br />
Diese Polemik greift ins Leere<br />
Lieber Bernd Springer,<br />
dein Leserbrief hat recht gemischte<br />
Gefühle hervorgerufen.<br />
Deine Motivation war die<br />
Sorge um den Patienten? Das alles<br />
hat einerseits sicherlich eine<br />
Berechtigung, andererseits ist<br />
es sehr oberflächlich und undifferenziert.<br />
Zu deinen einzelnen<br />
Punkten:<br />
1. Ja, Heilpraktiker ist kein Ausbildungsberuf.<br />
Es wird geprüft,<br />
ob der Antragsteller eine Gefahr<br />
für die Volksgesundheit<br />
(die Formulierung hat sich inzwischen<br />
etwas geändert) darstellt.<br />
Das heißt: Der Antragsteller<br />
muss die Gesetze des Infektionsschutzgesetzes<br />
und so weiter<br />
kennen. Und er muss danach<br />
handeln können. Von „keinerlei<br />
Kompetenzen“ zu sprechen<br />
ist grotesk.<br />
2. Die Heilpraktikerschulen, die<br />
das in der Tat oft irreführenderweise<br />
„Ausbildung“ nennen,<br />
sind Paukkurse, in denen Pathologie,<br />
Anatomie, Psychiatrie et<br />
cetera relativ detailliert vermittelt<br />
werden. Das Wissen geht in<br />
den meisten Disziplinen weit<br />
über das Vorklinikum des Medizinstudiums<br />
hinaus. (Die wissenschaftlichen<br />
Fächer wie Biologie,<br />
Chemie fehlen indes.)<br />
3. Die schriftliche Prüfung ist<br />
ein Multiple-Choice-Test. Es<br />
gibt allerdings unterschiedliche<br />
Multiple-Choice-Tests. Hier<br />
wird die schwierigste Form eingesetzt,<br />
mit mehreren möglichen<br />
Antworten und/oder Antwortkombinationen.<br />
75 Prozent<br />
richtige Antworten heißt bestanden.<br />
Die Antworten differieren<br />
vom Schwierigkeitsgrad<br />
sehr; das mittelt sich bei 60 Fragen<br />
aus. Von vier Ärzten, denen<br />
ich eine Prüfung vorgelegt habe<br />
(unter anderem meinem Bruder,<br />
einem Chefarzt), hätte keiner<br />
die Prüfung bestanden.<br />
4. Es gibt keinen festgelegten<br />
Fragenkatalog: in der Tat! Und<br />
das ist auch eines der wenigen<br />
Dinge, die bei der Heilpraktiker-Prüfung<br />
wirklich gut und<br />
sinnvoll sind. Eine Fragenkatalog,<br />
den es nur auswendig zu<br />
lernen gälte, wäre ja eine Farce.<br />
Die mündliche Prüfung ist aufgrund<br />
ihrer Subjektivität problematisch;<br />
nein, eigentlich nicht<br />
„Subjektivität“, sondern oft einfach<br />
Willkür.<br />
5. Ja. Und was sagt das über das<br />
Heilpraktikerwesen?<br />
6. Das Bestehen der Heilpraktiker-Prüfung<br />
gibt einem die Erlaubnis<br />
zu behandeln, nicht<br />
aber die Qualifikation. Ohne<br />
Qualifikation zu behandeln ist<br />
nach wie vor strafbar.<br />
7. Bist du Arzt oder in einem<br />
ähnlichen Beruf tätig oder hast<br />
dich aus Interesse näher mit Medizin<br />
beschäftigt? Wenn nicht,<br />
biete ich dir eine Wette an, dass<br />
du es nie und nimmer in „wenigen<br />
Wochen“ (vier, sechs, acht?)<br />
schaffst, auch nur die schriftliche<br />
Prüfung zu bestehen.<br />
8. Der Vergleich Facharzt/Heilpraktiker<br />
(gerade Prüfung bestanden)<br />
ist polemisch und natürlich<br />
völlig absurd. Wenn,<br />
dann wär es mit dem AiP zu vergleichen.<br />
9. Darüber weiß ich nichts.<br />
10. „Schulmedizin“ wird ganz<br />
unterschiedlich gebraucht; ja,<br />
freilich, es gibt diese Esos, die<br />
es ganz schlimm finden, wenn<br />
etwas tatsächlich empirisch erforscht<br />
wurde. Die meisten dürften<br />
das nicht sein. Da scheint<br />
mir eher eine Dualität gesehen<br />
zu werden: Schulmedizin – Alternative<br />
(Placebo?) Medizin.<br />
„Evidenzbasierte Medizin“ mit<br />
„Schulmedizin“ gleichzusetzen<br />
… uiuiui, da würd ich doch noch<br />
mal nachlesen.<br />
Kurzum: Diese Heilpraktikerpolemik<br />
greift ins Leere. Banalitäten,<br />
alte (und zutreffende)<br />
Argumente aus der Mottenkiste;<br />
die wirkliche Problematik<br />
nicht einmal angesprochen und<br />
eine ausgedachte Umfrage mit<br />
Quatschergebnissen.<br />
Nun ist es keineswegs so, dass<br />
ich dem Heilpraktikerwesen<br />
nicht eher kritisch gegenüberstünde.<br />
Den Großteil der oft angewandten<br />
Methoden halte ich<br />
für teils unsinnig, teils für gefährlich<br />
und Heilerfolge im Wesentlichen<br />
dem Placeboeffekt zu<br />
verdanken.<br />
Placebo ist aber eines der effektivsten<br />
Heilmittel.<br />
Was ich am Heilpraktikerwesen<br />
und vor allem an der Prüfung<br />
problematisch finde: Das<br />
Verständnis der wissenschaftlichen<br />
Methode und rationales<br />
Denken, Verantwortungsgefühl<br />
und Bewusstsein der eigenen<br />
Grenzen werden nicht oder völlig<br />
unzureichend geprüft.<br />
Herzliche Grüße,<br />
Aljoscha Long<br />
54 | mind magazin <strong>140</strong>/februar 2021
Ohne Kenntnis in die übliche Kerbe<br />
LESERBRIEFE<br />
Leserbrief zu „Astrologie und<br />
Intelligenz“, MinD-<strong>Mag</strong> 139<br />
Ein Artikel über Astrologie und<br />
Intelligenz im MinD-<strong>Mag</strong>azin –<br />
welch Freude. Eine intelligente<br />
oder wissenschaftlich basierte<br />
Auseinandersetzung mit Astrologie<br />
– das wünsche ich mir<br />
schon lange.<br />
Leider wurden meine Erwartungen<br />
bitter enttäuscht. Nein,<br />
es wurden offensichtlich keine<br />
Astrologinnen oder Astrologen<br />
zu Rate gezogen. So viel ist richtig,<br />
Astrologie und Astronomie<br />
waren eine Einheit um Christi<br />
Geburt – und so blieb es bis zum<br />
Mittelalter.<br />
Dann geht es im Artikel weiter<br />
mit einem Hinweis auf Horoskope<br />
in Frauenzeitschriften.<br />
Autsch. Was hat das mit Astrologie<br />
zu tun? Das ist schon sehr<br />
laienhaft.<br />
Nun, was hat das Sternzeichen<br />
mit Intelligenz zu tun? Zunächst,<br />
eine Fokussierung rein auf das<br />
Sternzeichen ist, da gebe ich der<br />
Autorin hundertprozentig recht,<br />
unsinnig. Allerdings sehen wir<br />
das scheinbar aus unterschiedlichen<br />
Gründen so, sie, weil sie<br />
nichts von Astrologie hält, ich,<br />
weil das Thema viel komplexer<br />
ist und nicht so simpel abgehandelt<br />
werden kann.<br />
Ein Geburtshoroskop gibt<br />
Auskunft über Veranlagungen<br />
und Möglichkeiten auf Basis<br />
des Gesamthoroskops. Es können<br />
nicht einzelne Faktoren isoliert<br />
betrachtet werden. Es funktioniert<br />
nicht, sich rein auf das<br />
Sonnenzeichen oder die Position<br />
des Mondes zu stürzen und<br />
alles andere zu ignorieren. Das<br />
ist, als würde man von den Zutaten<br />
eines Kuchens nur Mehl und<br />
Eier probieren und dann darauf<br />
schließen, dass der Kuchen<br />
nicht schmecken kann.<br />
Somit gibt es natürlich keinen<br />
Zusammenhang zwischen Geburtsmonat<br />
und Intelligenz. Die<br />
Astrologie ist ein sehr komplexes<br />
System. Um Zusammenhänge<br />
zwischen Geburtshoroskop<br />
und Persönlichkeitsfaktoren<br />
nachweisen zu können, muss<br />
das Ganze mit allen Konstellationen<br />
und Wechselbeziehungen<br />
betrachtet werden.<br />
Es bereitet mir persönlich<br />
Schmerzen, einen solch oberflächlichen<br />
Artikel zu lesen. Er<br />
schlägt einfach in die übliche<br />
Kerbe ohne genaue Kenntnis der<br />
Materie. Nur zum Verständnis:<br />
Es gibt keine geheimnisvollen<br />
Mächte. Das Schicksal bestimmen<br />
die Sterne in gleicher Weise,<br />
wie eine Uhr die Zeit anzeigt.<br />
Somit lässt sich mit dem Horoskop<br />
auch keine fehlende Eigeninitiative<br />
entschuldigen.<br />
Als Astrologin mit dem<br />
Schwerpunkt der Stundenastrologie<br />
und eigener Praxis würde<br />
ich mir eine fundierte Auseinandersetzung<br />
mit dem Thema<br />
wünschen.<br />
Birgit Kiemes-Windmill<br />
Einen Gang<br />
runterschalten<br />
Leserbrief zum MinD-<strong>Mag</strong> 137<br />
Als Neumitglied habe ich das<br />
erste Mal das MinD-<strong>Mag</strong>azin erhalten<br />
und bin begeistert.<br />
Ich habe mich insbesondere<br />
durch den Beitrag über unser<br />
energetisches Mitglied direkt<br />
auf den ersten Seiten enorm gefreut,<br />
da es mir sehr stark ähnelt.<br />
Mir wird von meinem Umfeld<br />
häufig gesagt, ich solle „einen<br />
Gang runterschalten“, sonst bekäme<br />
ich noch einen Burnout.<br />
Das ist eine Bürde, gegen die ich<br />
stets ankämpfen muss, da ich<br />
nun mal Power und Hirnkapazitäten<br />
besitze, um mich in neue<br />
Abenteuer zu stürzen.<br />
Danke also, dass ich mich bei<br />
euch endlich verstanden fühle.<br />
Insbesondere geht auch ein<br />
Dank an eure Rätsel-Abteilung,<br />
denn BACA war mir bisher<br />
nicht bekannt und es hat meine<br />
grauen Zellen zunächst wirklich<br />
zum Umdenken gezwungen.<br />
Schlussendlich habe ich die Rätsel<br />
dann doch in ein paar Minuten<br />
gelöst und bin überaus zufrieden<br />
und glücklich.<br />
Anna-Katharina Langerenken<br />
Die Redaktion behält sich vor, Leserbriefe<br />
nicht abzudrucken oder zu kürzen.<br />
Die Zuschriften zu den Themen<br />
„Heilpraktiker“ und „Astrologie“ werden<br />
auch auf den MinD-<strong>Mag</strong>-Confluence-Seiten<br />
eingestellt. Dort kann die<br />
Diskussion weitergeführt werden:<br />
confluence.mensa.de/display/<br />
MAG/Diskussion<br />
mind magazin <strong>140</strong>/februar 2021 | 55
ORTSBLÄTTER<br />
ERWIN KLEIN<br />
Sie halten den ganzen<br />
Laden zusammen<br />
Komische Namen und wahre Heldinnen und<br />
Helden: Ein Loblied auf die Blätter vor Ort.<br />
E<br />
ine Anmerkung gleich vorneweg:<br />
Als Schreiber dieses<br />
Textes bin ich befangen, weil<br />
nicht unparteiisch. Denn ich<br />
bin selbst Eddi, seit einem guten<br />
halben Jahr. Insofern werde<br />
ich nichts als Lob über die<br />
Ortsblätter ausgießen, und das<br />
natürlich völlig zu Recht.<br />
Es gibt bei Mensa viele Wege<br />
der Kommunikation untereinander<br />
und nach außen hin:<br />
das <strong>Mag</strong>, die Diskussionslisten,<br />
die Mensa-News, verschiedene<br />
Social-Media-Kanäle, das Hotel<br />
Mensa im Cyberspace. Und<br />
eben die Ortsblätter (OBs), 19<br />
verschiedene sind es zurzeit. Sie<br />
gab es gefühlt schon immer, jedenfalls<br />
seit weit vor der digitalen<br />
Zeit. Sie tragen zum Teil seltsame<br />
Namen, und sie fliegen<br />
meist unter dem Radar der vereinsinternen<br />
Aufmerksamkeit.<br />
Dabei erreichen sie nach dem<br />
<strong>Mag</strong> und den Mensa-News, die<br />
zwangsweise jedem M zugestellt<br />
werden, die meisten Mitglieder:<br />
8.523 Abos wurden Ende Dezember<br />
2020 bedient. Fairerweise<br />
muss gesagt werden, dass<br />
eine Reihe Ms Mehrfach-Abonnenten<br />
sind, zur ganzen Wahrheit<br />
gehört allerdings auch, dass<br />
wegen der neuen Nutzungsbedingungen<br />
die Zahl der Bezieher<br />
zurzeit stark geschrumpft ist.<br />
Meine These: Die Ortsblätter<br />
halten den Laden ganz wesentlich<br />
zusammen. Hier erfährt<br />
das gemeine M, wer beim<br />
letzten Stammtisch dabei war<br />
und worüber gesprochen wurde,<br />
hier werden der Intarsien-<br />
Workshop („MiO“ – Bayerischer<br />
Wald) und die Brocken-Wanderung<br />
(„MuH-Q“ – Niedersachsen)<br />
beschrieben, hier liest man,<br />
was vor Ort stattfindet und wo<br />
man ganz praktisch mitmachen<br />
kann. Und so ganz nebenbei finden<br />
sich in den OBs immer wie-<br />
56 | mind magazin <strong>140</strong>/februar 2021
ORTSBLÄTTER<br />
der journalistische Perlen, die<br />
ein größeres Publikum verdient<br />
hätten.<br />
Sie heißen MuH-Q, MinSH,<br />
TheOWL, Heinrich & Mathilde,<br />
Unterm Fernsehturm oder eher<br />
schlicht Mensana oder Rheingeist.<br />
Namenssuche und -findung<br />
sind oft rätselhaft, auf<br />
Nachfrage erhält man doppeldeutige<br />
Abkürzungs-Erklärungen<br />
oder ausschweifende Bedeutungs-Erläuterungen.<br />
Aber<br />
egal. Namen sind Schall und<br />
Rauch.<br />
Viel wichtiger sind die Eddis.<br />
Sprich: die Verantwortlichen<br />
für das regelmäßige Erscheinen.<br />
Die meisten sind seit Jahren und<br />
Jahrzehnten dabei – siehe anschließendes<br />
Interview mit Udo<br />
Schultz – und sie sind die wahren<br />
Mensa-Heldinnen und -Helden.<br />
Denn was es heißt, Monat<br />
für Monat das Material zusammenzutragen,<br />
oft genug auch<br />
selbst zu schreiben, zu sortieren,<br />
Fotos zu besorgen, alles in ein<br />
Layout zu gießen, den LocSec zu<br />
einem Vorwort zu nötigen – das<br />
kann eigentlich nur einschätzen,<br />
wer diese Arbeit eine Zeit lang<br />
selbst gemacht hat.<br />
Natürlich ist das nicht nur<br />
Mühsal und Plage – dann würde<br />
es ja niemand freiwillig machen<br />
– natürlich ist es cool, Bescheid<br />
zu wissen, was vor Ort passiert<br />
und das weiterzugeben, natürlich<br />
macht es Freude, sich Themen<br />
und Geschichten auszudenken<br />
und umzusetzen. Aber<br />
unterm Strich bleibt vor allem:<br />
viel ehrenamtliche Arbeit.<br />
Eddinen und Eddis sind zum<br />
Teil vom Fach – gelernte Redakteurinnen<br />
und Redakteure –<br />
oder, in der Mehrzahl, Quereinsteiger.<br />
Learning by Doing, sehr<br />
Name Verbreitungsgebiet Eddi<br />
Augusta LocSec-Gebiet Schwaben Brigitte Aurelia<br />
Spatz<br />
Bremensie LocSec-Gebiet Nordwest Sabine Mundt,<br />
Lothar Becks<br />
Fragment LocSec-Gebiete Marburg-Gießen, Michael Rogall<br />
Frankfurt, Fulda, Aschaffenburg,<br />
Darmstadt, Mainz/Wiesbaden,<br />
Pfalz, Saarland und Rhein-Neckar<br />
HamLet LocSec-Gebiete Hamburg und Marisa Haufe<br />
Mecklenburg-Vorpommern<br />
Heinrich und LocSec-Gebiet Braunschweig Erwin Klein<br />
Mathilde<br />
IntellecDUS LocSec-Gebiet Düsseldorf zur Zeit nicht<br />
besetzt<br />
Mensana LocSec-Gebiet München Babette Mairoth-<br />
Voigtmann,<br />
(Anwärterin)<br />
MenSax LocSec-Gebiete Leipzig (Chemnitz)<br />
Elisabeth Müller<br />
und Sachsen<br />
MeNue LocSec-Gebiete Nürnberg und Andreas Spies<br />
Würzburg<br />
Milljoeh LocSec-Gebiete Berlin und Uwe Doetzkies<br />
Brandenburg<br />
MinSH LocSec-Gebiet Kiel Udo Schultz<br />
MIO<br />
LocSec-Gebiete Regensburg und Martin Scharrer<br />
Passau<br />
MiR<br />
LocSec-Gebiete Ruhrgebiet,<br />
Niederrhein, Hagen<br />
Sabine Bremer<br />
MOMent<br />
MuH-Q<br />
Rheingeist<br />
TheOWL<br />
ThuerMe<br />
Unterm Fernsehturm<br />
LocSec-Gebiete Münster/Osnabrück,<br />
Hamm/Arnsberg<br />
LocSec-Gebiete Hannover und<br />
Göttingen/Kassel<br />
LocSec-Gebiete Aachen, Köln<br />
und Rhein-Mosel<br />
LocSec-Gebiet Ostwestfalen-<br />
Lippe<br />
LocSec-Gebiete Sachsen-Anhalt<br />
(Halle, <strong>Mag</strong>deburg) und<br />
Thüringen (Jena)<br />
LocSec-Gebiete Stuttgart, Freiburg,<br />
Karlsruhe und Bodensee<br />
Mensa-typisch, in Reinform. Es<br />
gibt keine einheitlichen Schreibund<br />
Layoutprogramme, alle<br />
werkeln mit dem, was sie so auf<br />
dem privaten Rechner zur Verfügung<br />
haben und was sie sich<br />
selbst beigebracht haben.<br />
Stefanie Heidbrink,<br />
Cornelius Rosenfeld<br />
Peter Hein,<br />
Hermann Baesecke<br />
zur Zeit nicht<br />
besetzt<br />
zur Zeit nicht<br />
besetzt<br />
zur Zeit nicht<br />
besetzt<br />
Dieter E. Gellermann<br />
So sieht das Ergebnis dann<br />
auch aus: mehr oder weniger<br />
professionell. Der Charme des<br />
Selbstgestrickten kommt voll<br />
zur Geltung. Das soll auch so<br />
sein, aber ehrgeizlos sind die<br />
Ortsblatt-Macher und -Mache-<br />
mind magazin <strong>140</strong>/februar 2021 | 57
ORTSBLÄTTER<br />
rinnen deswegen nicht. Es gibt<br />
Medientreffen, bei denen heftig<br />
und detailliert diskutiert<br />
wird, es gibt Blattkritiken untereinander,<br />
es gibt einen (bescheidenen)<br />
Austausch von Artikeln<br />
und gegenseitige Unterstützung.<br />
Einzigartig und nur in den<br />
Ortsblättern denkbar sind lokale<br />
Themen und Besonderheiten,<br />
die liebevoll und kenntnisreich<br />
beschrieben werden. „Mein<br />
Lieblingsplatz“ heißt eine Serie<br />
im Stuttgarter „Unterm Fernsehturm“.<br />
In der Januar-Ausgabe<br />
schildert Katja Richter den Südschwarzwald<br />
zwischen Stohren<br />
und Notschrei so schön, dass<br />
man auf der Stelle hinfahren<br />
möchte. In „Heinrich & Mathilde“,<br />
dem Braunschweiger Ortsblatt,<br />
macht Timo Weil regelmäßig<br />
den „Gang ums Haus“ und<br />
beschreibt dabei die örtlichen<br />
Besonderheiten und deren Historie.<br />
In „Fragment“, dem OB<br />
für das Rhein-Main-Gebiet, gibt<br />
Geologe Michael Rogall lokale<br />
Insider-Ausflugstipps, ergänzt<br />
durch spektakuläre Fotos.<br />
In (fast) allen Ortsblättern gibt<br />
es Fotoseiten, Rätsel und höheren<br />
Blödsinn. Weil Ms gern fotografieren,<br />
knobeln und Unsinn<br />
machen. Und es gibt ganz<br />
unvorhersehbar Reiseberichte,<br />
Buchbesprechungen, Kommentare<br />
zur Weltlage und, und,<br />
und. Die Wundertüte, manchmal<br />
überraschend, manchmal<br />
na ja. Eben das ganze Mensa-Leben<br />
vor Ort.<br />
Über all dem wacht – streng<br />
aber gerecht – Eddi-Koordinatorin<br />
Elisabeth Rahe, unterstützt<br />
von Ansgar Lindhauer. Sie kümmert<br />
sich, wenn eine Nachfolge<br />
geregelt werden muss, sie motiviert,<br />
gibt Ratschläge, treibt<br />
manchmal auch an, und findet<br />
klare Worte, wenn etwas schiefläuft<br />
(denn auch das kommt<br />
vor).<br />
Trotzdem ist die Resonanz<br />
meist bescheiden. Mal eine anerkennende<br />
Mail, mal eine<br />
Nachfrage, ansonsten überwiegt<br />
freundliches Desinteresse.<br />
Schade eigentlich, und leicht<br />
zu beheben: Mit ein paar Klicks<br />
kann man im eMVz die Ortsblätter<br />
abonnieren – nicht nur das<br />
der eigenen Region. Lohnt sich<br />
und kostet nix.<br />
Deswegen: Support your local<br />
Ortsblatt! Es hat es verdient.<br />
An Tiefpunkte kann ich mich nicht erinnern<br />
Interview mit Udo Schultz, Eddi des Kieler MinSH.<br />
Seit wann bist du für MinSH<br />
aktuell verantwortlich?<br />
Laut Ortsblatt-Archiv ab 04/2001,<br />
aber sicher noch länger (mit einer<br />
Unterbrechung).<br />
Ihr erscheint monatlich.<br />
Wie umfangreich ist das<br />
Blatt normalerweise und wie viel Zeit<br />
investierst du durchschnittlich dafür?<br />
In „grauer Vorzeit“ betrug der Umfang acht<br />
DIN-A5-Seiten (noch auf ATARI geschrieben!).<br />
Normalerweise hat das Blatt jetzt 15 bis 20 Seiten.<br />
Die aufgewendete Zeit richtet sich nach der Menge<br />
und Form der eingesandten Beiträge. Durchschnittlich<br />
rechne ich mit drei bis vier Stunden.<br />
Machst du das meiste selbst? Wie<br />
viel wird zugeliefert?<br />
Udo Schultz. Foto: privat<br />
Es kommt darauf an, wie viele Aktivitäten<br />
in dem jeweiligen Monat<br />
anfielen. Da ich ja auch LocSec<br />
bin (zusammen mit Sigi), berichte<br />
ich meist von den Stammtischen,<br />
an denen wir teilgenommen haben,<br />
ergänzt durch Beiträge weiterer<br />
Teilnehmender. Normalerweise<br />
bekomme ich 50 bis 60 Prozent Zulieferungen.<br />
Gab es Highlights oder Tiefpunkte<br />
in deiner Eddi-Tätigkeit?<br />
Als ein Highlight sehe ich die „Taufe“ unseres<br />
Ortsblattes durch die bekannte Plattdeutsch-<br />
Buchautorin und seinerzeitige Leiterin der niederdeutschen<br />
Redaktion des NDR-Funkhauses<br />
Kiel, Irmgard Harder.<br />
Sie war dem Kieler Stammtisch bis zu ihrem<br />
Tod im September 2012 freundschaftlich verbun-<br />
58 | mind magazin <strong>140</strong>/februar 2021
Anzeige<br />
den. Von ihr kam der Namensvorschlag<br />
MinSH (Mensa<br />
in Schleswig-Holstein,<br />
gleichzeitig plattdeutsch für<br />
„Mensch“).<br />
An Tiefpunkte kann ich<br />
mich nicht erinnern (sie können<br />
also nicht dramatisch gewesen sein).<br />
Wie ist die Resonanz? Gibt es überhaupt<br />
nennenswerte Reaktionen?<br />
Es gibt immer wieder Mails von eher inaktiven<br />
Ms der Region, die sich bedanken, dass<br />
sie durch die Berichterstattung in der MinSH<br />
auch am Vereinsleben teilnehmen können.<br />
Außerdem initiieren Berichte neue Berichte<br />
von Ms, die sich angeregt oder ermutigt fühlen.<br />
Gibt es eine Zusammenarbeit mit<br />
anderen Ortsblättern?<br />
Selten. Gegebenenfalls von Fall zu Fall mit<br />
dem Hamburger Ortsblatt.<br />
Du veröffentlichst viele eigene Natur-Fotos,<br />
schreibst regelmäßig Briefe an deine<br />
walisische Zweit-Heimat, und bringst auch<br />
schon mal ein seitenlanges englisches<br />
Gedicht. Ist die MinSH aktuell in<br />
Wirklichkeit eine große Udo-Spielwiese?<br />
Das würde ich nicht so sehen. Wenn zu den<br />
Berichten nicht genügend Fotos zur Auflockerung<br />
zur Verfügung stehen, greife ich auf<br />
„neutrale“ Fotos zurück. Aber ich bekomme<br />
auch von Ms Fotos zugeschickt, die ich gern<br />
verarbeite.<br />
Die Wales-Seite geht zurück auf den Besuch<br />
von vier Ms aus Cardiff (Wales), die die Kieler<br />
Ms im März 2010 für ein langes Wochenende<br />
besuchten, nachdem unsere Tochter Megan<br />
zwei Jahre lang bei der walisischen Ortsgruppe<br />
zu Gast war. Es gibt eine Gegeneinladung,<br />
aber noch keine konkreten Planungen. Die<br />
Seite ist also quasi der Link zu unserer Partnerschaftsgruppe<br />
dort.<br />
Das Gedicht war die Fortsetzung eines Gesprächs<br />
beim letzten „richtigen“ Stammtisch<br />
vor dem Lockdown, also auch nicht ohne besonderen<br />
Grund.<br />
mind magazin <strong>140</strong>/februar 2021 | 59<br />
Meine Kernkompetenz und Antwort auf den Null-Zins: Der gut gemanagte<br />
Investmentfonds zum langfristigen Vermögensaufbau, zur Altersvorsorge<br />
und als Entnahmemodell als Alternative zur Rentenversicherung. Als<br />
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Lindenstr. 14 · 50674 Köln
CHAOS COMPUTER CLUB<br />
Unter Hackern und<br />
ähnlichen Kreaturen<br />
Als flügelloser Übersetzungs-Engel auf dem rc3.<br />
B<br />
ei Rilke heißt es: „Ein jeder<br />
Engel ist schrecklich.“<br />
Das Schreckliche zeigt sich gerade<br />
in der Schönheit des Engels.<br />
Und ebenso paradox waren<br />
auch meine Gefühle, als<br />
ich Ende 2020 zum ersten Mal<br />
als Dolmetscher – respektive<br />
„Translation Angel“ – auf dem<br />
alljährlichen Kongress des CCC<br />
anheuerte. Der CCC 1 , für all diejenigen,<br />
die die letzten Jahre<br />
nicht aufgepasst haben, ist der<br />
Chaos Computer Club. Seit über<br />
30 Jahren begleitet er die technische<br />
Entwicklung und deren<br />
gesellschaftliche und politische<br />
Auswirkungen – mal kritisch,<br />
mal humorvoll, stets aber<br />
auf technisch höchstem Niveau.<br />
Der Chaos Communication<br />
Congress findet seit 1984 alljährlich<br />
„zwischen den Jahren“ statt,<br />
von 27.12. bis 30.12., und ist eines<br />
der größten Treffen von Hackern<br />
und ähnlichen Kreaturen<br />
in Europa, wahrscheinlich sogar<br />
weltweit. 2020 fand dieses Treffen<br />
Corona-bedingt als „remote<br />
chaos experience – rc3“ erstmals<br />
vollständig online statt. So<br />
kam es, dass mein erster Einsatz<br />
als freiwilliger Simultan-Dolmetscher<br />
aus meinem Homeoffice<br />
heraus erfolgte.<br />
Die Nervosität legte<br />
sich schon bald<br />
Erfahrung hatte ich bisher nur<br />
als professioneller Übersetzer<br />
von Texten gesammelt. Entsprechend<br />
nervös war ich, als ich am<br />
ersten Treffen des Dolmetsch-<br />
Teams namens „c3lingo“ 2 teilnahm.<br />
Doch die Nervosität legte<br />
sich schon bald. Die Gruppe<br />
stellte sich als bunte Ansammlung<br />
von Menschen heraus, die<br />
den Dolmetsch-Noobs viel Geduld<br />
entgegenbrachten und viel<br />
Unterstützung boten, von technisch<br />
bis psychologisch.<br />
Die Gruppe bestand aus 36<br />
Dolmetscherinnen und Dolmetschern,<br />
die vorwiegend von<br />
Englisch nach Deutsch und umgekehrt<br />
übersetzten – so wie ich<br />
selbst auch. Weitere Sprachen,<br />
die abgedeckt wurden, waren<br />
Französisch und brasilianisches<br />
Portugiesisch. Die technische<br />
Infrastruktur setzte auf Mumble,<br />
einer Voice-Chat-Anwendung<br />
(natürlich Open-Source),<br />
und Livestreams via VLC Media<br />
Player auf. Die Dolmetschergruppe<br />
lauschte den Vorträgen<br />
im Livestream und übersetzte<br />
1 https://www.ccc.de/de/club<br />
2 https://c3lingo.org/
CHAOS COMPUTER CLUB<br />
Foto: Jae Rue auf Pixabay<br />
simultan in speziellen Channels<br />
des Chat-Clients, wobei immer<br />
zwei Freiwillige zusammenarbeiteten<br />
und sich etwa alle zehn<br />
Minuten abwechselten. Im gleichen<br />
Mumble-Channel lauschte<br />
ein Bot, der den Audio-Stream<br />
mit der Übersetzung dann live<br />
zur Weiterverarbeitung übertrug.<br />
Insgesamt wurden so 106<br />
Stunden simultan gedolmetscht.<br />
Zum Nachhören findet man die<br />
Videos hier 3 . Wer Näheres zur<br />
Infrastruktur erfahren möchte,<br />
sei hiermit auf die Session mit<br />
dem Titel „Infrastructure Review“<br />
4 hingewiesen.<br />
Ein großer Teil der Faszination<br />
des Kongresses geht von der<br />
Bandbreite der Themen aus. Die<br />
Vorträge beschränken sich keineswegs<br />
auf technische Themen,<br />
ganz im Gegenteil. Es gibt<br />
diverse netzpolitische Vorträge,<br />
beispielsweise aktuell zum<br />
Auslieferungsverfahren von Julian<br />
Assange, kritische Auseinandersetzungen<br />
mit neurechten<br />
Bewegungen, Erfahrungsberichte<br />
zu Corona-Homeschooling,<br />
verschiedene Vorträge<br />
zu Klimawandel et cetera. Entsprechend<br />
weitgefächert waren<br />
auch die Vorträge, die ich selbst<br />
mit dolmetschte: „Measuring<br />
radioactivity using low-cost silicon<br />
sensors“, „Climate Tipping<br />
Points“, „Scientific Literacy 101“,<br />
„CO 2<br />
messen – in Räumen und in<br />
der Atmosphäre“, „Globalisierung,<br />
Digitalisierung und die<br />
Wachstumsfrage“, „Organizational<br />
Psychology and Software<br />
Teams“ und „Building Blocks of<br />
Decentralization“.<br />
Tipps für<br />
Interessierte<br />
Zum Abschluss noch ein paar<br />
Tipps für diejenigen, die ebenfalls<br />
an einer solchen freiwilligen<br />
Mitarbeit auf dem Congress<br />
interessiert sind:<br />
1) Habe keine Angst. Auch wenn<br />
das Umfeld – ähnlich wie Mensa!<br />
– stark abweicht vom Mainstream,<br />
auf den man konditioniert<br />
wurde, machen es einem<br />
die anderen sehr leicht, Anschluss<br />
zu finden.<br />
2) Mache dich auf technische<br />
Schwierigkeiten gefasst, auch<br />
wenn du gut vorbereitet bist.<br />
3) Suche dir zunächst lieber Vorträge,<br />
deren Inhalte weniger<br />
technisch sind oder bei denen<br />
du dich thematisch auf sicherem<br />
Terrain wähnst.<br />
4) Kabelgebundene Kopfhörer<br />
und ein externes, gutes Mikro<br />
sind wichtig; allerdings gilt dies<br />
nur für das Remote-Setting. Üblicherweise<br />
gibt es physische<br />
Dolmetschkabinen vor Ort.<br />
5) Als Anfänger sollte man sich<br />
nicht übernehmen. Zwei Vorträge<br />
pro Tag reichen erst einmal<br />
gut aus.<br />
Der erste kleine Blick hinter<br />
die Kulissen des Kongresses war<br />
zwar eine anstrengende, aber<br />
auch eine sehr bereichernde<br />
Erfahrung. Neben Dolmetsch-<br />
Engeln gibt es noch viele weitere<br />
Möglichkeiten, wie man<br />
das Event als freiwilliges Wesen<br />
unterstützen kann (siehe 5 ).<br />
Am Ende war die Tätigkeit als<br />
„Translation Angel“ dann doch<br />
schrecklich schön.<br />
Katzenzunge<br />
(auf dem Kongress und<br />
generell unter Hackern sind<br />
anonymisierende<br />
Spaßnamen üblich)<br />
3 https://media.ccc.de/c/rc3<br />
4 https://media.ccc.de/v/rc3-11585-infrastructure_review<br />
5 https://engelsystem.de/
MIND-AKADEMIE<br />
TINA ZEJEWSKI<br />
Illustration: Pablo Elices, pixabay<br />
„Wandel“ beim<br />
<strong>Mind</strong>-Hochschul-Netzwerk<br />
Im Lockdown baut das MHN seine<br />
Strukturen weiter aus.<br />
„Wandel“ – viel passender<br />
hätte das Tagungsthema für<br />
die 19. <strong>Mind</strong>-Akademie nicht<br />
gewählt werden können. Wie<br />
bei der großen Schwester<br />
Mensa hat sich auch in der<br />
Veranstaltungskultur des<br />
<strong>Mind</strong>-Hochschul-Netzwerks<br />
in diesem Jahr viel getan.<br />
G<br />
erade noch so analog stattfinden<br />
durfte die dritte<br />
MHN-Unconference an dem<br />
letzten Wochenende im März<br />
2020, an dem die Ausbreitung<br />
des Coronavirus noch nicht<br />
als Pandemie eingestuft wurde.<br />
Unter dem Thema „Lebenswege“<br />
entstanden auf der ausgebuchten<br />
Veranstaltung in der<br />
Jugendherberge in Fulda viele<br />
mehr oder weniger spontane<br />
Vorträge, Diskussionen und<br />
Ideen für vertiefende Seminare,<br />
von denen einige bereits digital<br />
umgesetzt wurden.<br />
Denn wie Mensa hat auch<br />
das MHN einen Discord-Server<br />
mit verschiedenen thematischen<br />
Räumen eingerichtet,<br />
auf den sich nun die Vereinsaktivität<br />
verlagert hat. So haben<br />
bisher unter anderem die Mitgliederversammlung<br />
2020, das<br />
Aktivenseminar und mehrere<br />
Stammtische und themenspezifische<br />
Diskussionsrunden erfolgreich<br />
online stattgefunden.<br />
Dabei hat sich gezeigt, dass<br />
die neue Infrastruktur auch zu<br />
neuen Formaten inspiriert und<br />
die Beteiligungsmöglichkeiten<br />
noch transparenter macht:<br />
Potenziell Engagierte aus dem<br />
ländlichen Raum freuen sich<br />
darüber, endlich mal nicht stundenlang<br />
Zug fahren zu müssen,<br />
um dabei zu sein, und bringen<br />
sich verstärkt ein, Ask-me-anything-Themenabende<br />
und kleine<br />
Barcamps, deren überregionale<br />
Organisation zuvor zu aufwendig<br />
gewesen wäre, haben<br />
ihre Plattform gefunden, und<br />
beim Stammtisch oder philosophischen<br />
Abend ausgetauschte<br />
Buch- und Podcastempfehlungen<br />
können im gleichen Programm<br />
archiviert werden.<br />
Aber auch außerhalb von Discord<br />
kommt man im MHN-Rahmen<br />
weiterhin digital zusammen,<br />
zum Beispiel zum Seminar<br />
„Programmieren ohne Vorkenntnisse“,<br />
zu regelmäßigen<br />
gemeinsamen Kreativtreffen,<br />
Spielerunden oder Filmabenden.<br />
Entsprechend ist der stetige<br />
Mitgliederzuwachs des MHN<br />
trotz Ausfalls der <strong>Mind</strong>-Akademie<br />
2020 konstant geblieben.<br />
Ja, denn leider konnten die<br />
großen Veranstaltungen wie<br />
das MHN-Camp und die <strong>Mind</strong>-<br />
Akademie, bei denen traditionell<br />
der Geselligkeit und dem<br />
persönlichen Gespräch mindestens<br />
genauso viel Wert beigemessen<br />
wird wie dem Wissensaustausch,<br />
nicht digital stattfinden.<br />
Camp und Akademie wurden<br />
daher für 2020 abgesagt<br />
beziehungsweise in das nächste<br />
Jahr verschoben.<br />
Glücklicherweise konnten<br />
alle für 2020 vorgesehenen Vorträge<br />
in Beiträge für die Akademie<br />
2021 umgewandelt werden:<br />
Professorin Dr. Kathrin Altwegg<br />
62 | mind magazin <strong>140</strong>/februar 2021
MIND-AKADEMIE<br />
Der MHN-Referentenbetreuungsdino (hinten)<br />
und der Orgabär (vorne). Foto: Zejewski<br />
Was ist das MHN?<br />
wird wieder Hintergrundberichte<br />
und Bilder zur Kometen<br />
erforschenden Weltraumsonde<br />
Rosetta liefern, Professor<br />
Dr. Johannes Krause vom Max-<br />
Planck-Institut für Menschheitsgeschichte<br />
informiert über<br />
die Reise unserer Gene und ihre<br />
Migration und Anpassung in<br />
der Frühgeschichte, der Publizist<br />
und Aktivist Klaus Farin<br />
skizziert den Wandel der deutschen<br />
Jugendkultur.<br />
Viele weitere Koryphäen ihres<br />
jeweiligen Forschungsgebiets<br />
wie Professor Dr. Gerhard<br />
Lauer (Digital Humanities), Dr.<br />
Michael Blume (Antisemitismus-Bekämpfung)<br />
und Dr. Malte<br />
Fiebing-Petersen (Deutscher<br />
Titanic-Verein) werden vom 23.<br />
bis 26. September 2021 ein abwechslungsreiches<br />
interdisziplinäres<br />
Vortrags- und Workshop-Programm<br />
unter dem Thema<br />
„Wandel“ bieten: Ob Elektromobilität,<br />
künstliche Intelligenz,<br />
Schokoladenpapier oder Schafzucht<br />
– für jeden ist etwas dabei.<br />
Das findet auch die badenwürttembergische<br />
Bildungsministerin<br />
Dr. Susanne Eisenmann,<br />
unter deren Schirmherrschaft<br />
die <strong>Mind</strong>-Akademie stattfindet.<br />
In bewährter Manier gibt es<br />
natürlich in der Mannheimer<br />
Jugendherberge für diejenigen,<br />
denen der gut ausgestattete<br />
Spielplatz nicht reicht, auch ein<br />
sportliches Rahmenprogramm<br />
und ein Spielezimmer. Wegen<br />
des erfolgreichen Testlaufs 2019<br />
wird es wieder eine selbst organisierte<br />
Kinderbetreuung mit<br />
eigenem Raum geben. Weitere<br />
tolle Tipps wie das vergünstigte<br />
Zugticket zur <strong>Mind</strong>-Akademie<br />
findet ihr unter mind-akademie.<br />
de/faq.php. Die Anmeldung zur<br />
<strong>Mind</strong>-Akademie 2021 ist ab Juni<br />
möglich.<br />
Weitere bisher als Live-Veranstaltungen<br />
geplante Termine<br />
des MHN sind das Kreativseminar<br />
vom 14. bis 16. Mai in Essen,<br />
die vierte Unconference vom 16.<br />
bis 18. Juli 2021 in Tettenborn<br />
und das MHN-Camp, das vom<br />
20. bis 29. August in Langenneufenach<br />
stattfinden wird.<br />
Genaue Daten auch zu allen<br />
digitalen und kleineren Veranstaltungen<br />
findet ihr auf mindhochschul-netzwerk.de<br />
unter<br />
„Veranstaltungen“.<br />
Das MHN ist eine Initiative begabter Schüler, Studierender, Doktoranden,<br />
Wissenschaftlerinnen und Menschen mit Interesse an interdisziplinärer<br />
Weiterbildung und Wissensaustausch, die vor 20 Jahren von drei<br />
jungen Mensanern gegründet wurde.<br />
Wie bei Mensa sind auch die Veranstaltungen des MHN prinzipiell für<br />
alle Interessierten und nicht nur für Mitglieder offen. Wer als Nicht-MHN-<br />
Mitglied an einer digitalen Veranstaltung auf dem Discord-Server teilnehmen<br />
möchte, wende sich für den Zugangslink bitte an seminare@<br />
mind-hochschul-netzwerk.de. Wer vor lauter Begeisterung direkt Mitglied<br />
werden möchte, füllt den Mitgliedsantrag auf mind-hochschulnetzwerk.de<br />
aus.<br />
mind magazin <strong>140</strong>/februar 2021 | 63
WISSENSCHAFT UND FORSCHUNG<br />
Mensa qualifiziert!<br />
Professionell auf externe Anfragen reagieren.<br />
B<br />
esorgte Eltern hochbegabter Kinder,<br />
die Rat suchen; potenzielle Neumitglieder<br />
beim lokalen Stammtisch, die gern wissen<br />
wollen, was Hochbegabung denn nun ist<br />
und was nicht – Ms, die Veranstaltungen organisieren<br />
und deshalb oft die erste Anlaufstelle<br />
für Hilfesuchende sind, kennen solche<br />
und ähnliche Situationen vermutlich<br />
aus dem täglichen Aktivenleben.<br />
Die eigene Erfahrung hilft bei der Beantwortung<br />
solcher Fragen; und diejenigen,<br />
die Hilfe suchen, profitieren allein schon<br />
dadurch, dass ihnen klar wird: „Wir sind<br />
mit unseren Fragen nicht allein!“ (An solche<br />
Mensa-Momente der Offenbarung erinnern<br />
sich wahrscheinlich viele von uns gern<br />
zurück!) Gerade, wenn man beruflich etwas<br />
ganz anderes macht, als sich hauptamtlich<br />
mit Hochbegabung zu befassen, können solche<br />
Fragen aber auch verunsichern: Ist das,<br />
was einem selbst geholfen hat, für jemand<br />
anders auch das Richtige? Was sagt die Forschung?<br />
Um den Aktiven Handlungssicherheit zu<br />
geben, ihnen dabei zu helfen, ihr Ehrenamt<br />
sachverständig auszufüllen und ihnen<br />
das Leben hoffentlich ein bisschen leichter<br />
zu machen, entwickelt das Ressort Wissenschaft<br />
und Forschung für interessierte Aktive<br />
(etwa KiJu-Beauftragte, LocSecs/LoCos et<br />
cetera) eine Qualifizierung zum Thema Intelligenz,<br />
IQ und Hochbegabung. In anderen<br />
Mensas (etwa Schweden) gehören solche internen<br />
Weiterbildungen schon heute zum<br />
Standard, und uns erscheint das auch für<br />
Deutschland sinnvoll. Gespräche mit den<br />
Koordinatorinnen und Koordinatoren zeigen,<br />
dass der Bedarf besteht (und dass selbst<br />
diejenigen, bei denen es nicht akut „brennt“,<br />
neugierig sind und Lust hätten, mehr über<br />
Hochbegabung und Co. zu lernen).<br />
Bei der Entwicklung könnt ihr mithelfen,<br />
und zwar<br />
• mit Situationen, Fragen et cetera, bei denen<br />
ihr fachlich unsicher wart,<br />
• euren unmittelbaren Reaktionen darauf<br />
• und gegebenenfalls alternativen Reaktionen,<br />
die euch im Nachhinein noch eingefallen<br />
sind.<br />
Wir wollen die Materialien und diagnostischen<br />
Tools idealerweise anhand lebensnaher<br />
Fragestellungen entwickeln, sodass sie<br />
dem tatsächlichen Bedarf bestmöglich gerecht<br />
werden. Und auch, wer sich für psychologische<br />
Diagnostik interessiert, idealerweise<br />
schon einschlägige Vorkenntnisse<br />
mitbringt und im Entwicklungsteam mitarbeiten<br />
will: Meldet euch beim Ressort Wissenschaft<br />
und Forschung unter forschung@<br />
mensa.de!<br />
TGB<br />
M<br />
ensa wird dieses Jahr 75 –<br />
und William Stern, Pionier<br />
der Begabungsforschung,<br />
Erfinder des IQ und Begründer<br />
der Differentiellen Psychologie,<br />
sogar 150! 1933 musste er aus<br />
Deutschland fliehen; sein innovatives<br />
Werk war lange vergessen.<br />
Ihm zu Ehren organisierten<br />
Mensa beim 3. Schweizer Begabungskongress<br />
Tanja Gabriele Baudson (MinD-<br />
Stiftung), Rebecca Heinemann<br />
(Uni Augsburg) sowie Nadja<br />
Olyai und Ingmar Ahl (Karg-<br />
Stiftung) beim 3. Schweizer Begabungskongress<br />
ein Symposium.<br />
In einem zweiten Beitrag<br />
berichtete Tanja über „Faire<br />
Chancen“, eine Kooperation von<br />
Mensa und der Ferry-Porsche-<br />
Stiftung zur Förderung hochbegabter<br />
Nichtakademikerkinder.<br />
Das Ressort Wissenschaft und<br />
Forschung will Mensa mit solchen<br />
Fachbeiträgen in der scientific<br />
community bekannter machen<br />
– als Institution, wo spannende<br />
Forschung stattfindet.<br />
64 | mind magazin <strong>140</strong>/februar 2021
Persönlichkeit und<br />
Hochbegabung<br />
Manche Vorurteile kann man getrost<br />
und fundiert ablegen.<br />
MENSA FORSCH(T)<br />
Mensa unterstützt Forschung zu Intelligenz und<br />
Hochbegabung. Über die „Externe-Studien“-Mailingliste,<br />
die ihr im eMVZ abonnieren könnt, laufen regelmäßig<br />
Befragungen. In der Reihe „Mensa forsch(t)“ stellen die<br />
Autorinnen und Autoren ihre Ergebnisse vor.<br />
Autor: Jonas Kosak<br />
Titel der Arbeit: Zusammenhänge<br />
zwischen Persönlichkeit<br />
und Hochbegabung<br />
Jahr der Abgabe: 2020<br />
Worum ging es? Es ging um<br />
die Überprüfung des Zusammenhangs<br />
zwischen ausgewählten<br />
Persönlichkeitseigenschaften<br />
und einer Hochbegabung.<br />
Die hierbei betrachteten Eigenschaften<br />
waren Neurotizismus,<br />
Gewissenhaftigkeit, Verträglichkeit,<br />
Offenheit und Extraversion.<br />
Wen hast du untersucht? Untersucht<br />
wurden 122 Mensamitglieder.<br />
Zwar hätten theoretisch<br />
auch hochbegabte Nichtmitglieder<br />
teilnehmen können, aber da<br />
die Umfrage über das Mensa-<br />
Netzwerk verteilt wurde, nahmen<br />
sehr wahrscheinlich nur<br />
Ms teil.<br />
Wie hast du das gemacht?<br />
Über meine Passauer LocSec-Koordinatorin<br />
wurde der Link der<br />
Umfrage per E-Mail verschickt,<br />
woraufhin die jeweiligen Personen<br />
die Onlinebefragung absolvieren<br />
konnten. Der Fragebogen<br />
beinhaltete neben ein paar<br />
demographischen Fragen einen<br />
fundierten Persönlichkeitstest<br />
aus der Psychologie, den „NEO-<br />
FFI“. Dieser fragt die unter „Worum<br />
ging es?“ erwähnten Persönlichkeitseigenschaft<br />
valide und<br />
reliabel ab.<br />
Am Ende meiner Befragung<br />
habe ich die Ergebnisse unter<br />
anderem mit einer weiteren großen<br />
Studie zu dem Thema verglichen.<br />
Diese Vergleichsstudie<br />
wurde an 1908 Personen in ganz<br />
Deutschland durchgeführt und<br />
beinhaltete ebenfalls die Bearbeitung<br />
des „NEO-FFI“.<br />
Bei der „Deutschlandstichprobe“<br />
wurden nicht explizit Hochbegabte<br />
befragt, sondern zufällig<br />
ausgewählte Menschen im<br />
Alter von 18 bis 96 Jahren, was<br />
auch das Altersspektrum meiner<br />
Studie recht gut abdeckte<br />
(14 bis über 65 Jahre).<br />
Was kam heraus? Das Ergebnis<br />
meiner Studie bestätigte den<br />
allgemeinen Konsens professioneller<br />
Untersuchungen: Hochbegabte<br />
sind pauschal weder besonders<br />
ausgeprägt in bestimmten<br />
Persönlichkeitseigenschaften<br />
noch sind sie in manchen<br />
als unterdurchschnittlich zu betrachten.<br />
Einzig in der Offenheit (für<br />
neue Erfahrungen) zeigten sich<br />
durchgehend Werte, welche<br />
mehr als eine Standardabweichung<br />
über denen der deutschlandweiten<br />
Befragung lagen. Ob<br />
Hochbegabte nun generell offener<br />
als andere Menschen sind<br />
oder ob das nur für uns Ms gilt,<br />
bleibt offen.<br />
Was lief schief ? Es war schwierig,<br />
ausreichend viele Teilnehmer<br />
zu gewinnen. Für die 122<br />
Teilnehmer war die Verteilung<br />
des Links in drei LocSec-Gebieten<br />
notwendig.<br />
Was bedeuten die Ergebnisse<br />
praktisch? Manche Vorurteile,<br />
die man Hochbegabten gegenüber<br />
eventuell hat, kann man<br />
getrost und fundiert ablegen.<br />
Kontakt: jonas_kosak@web.de<br />
mind magazin 139/dezember 2020 | 65
MIND-SPIELEPREIS 2021<br />
TINA ZEJEWSKI<br />
Analog spielen trotz Corona<br />
Die besten Neuheiten für zwei spielbegeisterte Ms.<br />
Im Doppeljahrgang 2021/2022 wartet der MinD-Spielepreis mit einer<br />
extragroßen Auswahl an herausfordernden Brett- und Kartenspielen auf, die<br />
darauf warten, probegespielt und bewertet zu werden. Neben den Spielen in<br />
den seit 2015 bewährten Kategorien „komplexe Spiele“ und „kurze Dauer“<br />
hat die Jury um Jochen Tierbach diesmal wieder sechs strategisch herausfordernde Spiele für<br />
zwei Personen herausgesucht, mit denen man sich hervorragend die Zeit vertreiben kann.<br />
Imhotep: Das Duell<br />
V<br />
or einigen Jahren hatte Phil<br />
Walker-Harding das Spiel<br />
„Imhotep“ kreiert, in dem mit<br />
ungewöhnlich großen Würfeln<br />
an antiken Stätten gebaut wird,<br />
an Tempeln, Pyramiden, Obelisken<br />
und Grabkammern. Optisch<br />
und haptisch sehr schön! Jetzt<br />
hat er sein Erfolgsspiel variiert<br />
und eine reine Zwei-Spieler-Variante<br />
daraus entwickelt. Die<br />
Bauplätze sind gleich geblieben,<br />
die Würfel jedoch durch Plättchen<br />
ersetzt worden. Aber immer<br />
noch beschafft ihr euch diese<br />
Plättchen über Boote, die ihr<br />
nun in eure jetzt eigene Auslage<br />
fahrt. Dort werden sie angebaut<br />
und bringen dafür Siegpunkte.<br />
Maji<br />
Z<br />
iel bei „Maji“ (Kiswahili für<br />
„Wasser“) ist es, einen Brunnen<br />
zu bauen. Außerdem wäre<br />
es sinnvoll, wenn dieser Wasser<br />
enthielte. Und man sollte<br />
vermeiden, dass die Büffel den<br />
fast fertigen Brunnen wie die<br />
Hornochsen wieder zerstören.<br />
All dies geschieht mit Serengeti-Karten,<br />
die man aus einem<br />
5x5-Raster herausnimmt. Ziegel<br />
bauen die Brunneneinfassung,<br />
Wasser füllt ihn, und … Büffelkarten<br />
gibt es halt auch. Nichts<br />
ist ärgerlicher als ein zerstörter<br />
Brunnen. Höchstens ein fertiger<br />
Brunnen ohne Wasser, denn<br />
dann geht der Rundensieg (und<br />
damit ein Rubin!) trotzdem an<br />
die Gegnerin. Wer nach zwanzig<br />
bis dreißig Minuten als erstes<br />
vier Rubine sein Eigen nennt,<br />
gewinnt das Spiel.<br />
Kaito<br />
W<br />
enn sich zwei Samurai eines<br />
Meisterdiebs bedienen<br />
und sich an einen Tisch setzen,<br />
dann spielen sie „Kaito“. Jeder<br />
besitzt seine eigene Farbe<br />
und in der Mitte liegt ein Raster<br />
aus sechs mal sechs Spielsteinen,<br />
die rote oder schwarze<br />
Helme, Schwerter und Wappen<br />
zeigen. Meisterdieb Kaito wird<br />
dabei abwechselnd orthogonal<br />
gezogen und bleibt dadurch<br />
immer in der gleichen vertikalen<br />
oder horizontalen Richtung,<br />
bevor er am Zielort den<br />
Stein schlägt. Gewonnen hat,<br />
wer zuerst alle Helme oder alle<br />
Schwerter des Gegners geschlagen<br />
hat.<br />
Mandala<br />
D<br />
urch haptisch und optisch<br />
äußerst ansprechendes<br />
Material fällt „Mandala“ auf<br />
den ersten Blick auf, aber auch<br />
die Mischung aus Strategie<br />
66 | mind magazin <strong>140</strong>/februar 2021
Fotos: Zejewski, Steffen Spiele, Pressefoto<br />
und leichtem Glücksfaktor besticht:<br />
In circa dreißig Minuten<br />
Spielzeit erschafft ihr gemeinsam<br />
Mandalas aus sechs verschiedenen<br />
Farben, die ihr, sobald<br />
sie vollendet sind, wieder<br />
zerstört. Eure Mandalas werden<br />
dabei aus euren Handkarten<br />
zusammengesetzt. In jedem<br />
Zug entscheidet ihr, ob ihr Karten<br />
in euren privaten oder in<br />
den gemeinsamen, „Zentrum“<br />
genannten Bereich des Mandalas<br />
legt. Wer dabei zu gierig ist<br />
und nur sein eigenes Feld mit<br />
Karten füttert, bekommt bei der<br />
Zerstörung des Mandalas zwar<br />
als erstes Karten aus dem Zentrum<br />
zugeteilt, ein gut gefüttertes<br />
Zentrum bedeutet jedoch<br />
mehr Karten, die in die Endwertung<br />
übernommen werden können.<br />
„Mandala“ bietet also mehr<br />
taktisches Agieren, als der erste<br />
Blick erwarten lässt.<br />
Watergate<br />
V<br />
or Donald Trump gab es<br />
schon andere US-Präsidenten,<br />
die sich Ärger während<br />
ihrer Amtszeit einhandelten.<br />
Durch gravierende Missbräuche<br />
von Regierungsvollmachten war<br />
Richard Nixon 1974 gezwungen,<br />
sein Amt niederzulegen. Auslöser<br />
war ein Einbruch in das<br />
Hauptquartier der Demokratischen<br />
Partei im Washingtoner<br />
Watergate-Gebäude. Viele der<br />
unrechtmäßigen Machenschaften<br />
seiner Administration wurden<br />
von den Journalisten Bob<br />
Woodward und Carl Bernstein<br />
aufgedeckt. In dem asymmetrischen<br />
Zwei-Personen-Spiel von<br />
Matthias Cramer (beim MinD-<br />
Spielepreis 2014 mit „Lancaster“<br />
in den Top 5 gelandet) wird<br />
diese Konstellation aufgegriffen.<br />
Einer von euch übernimmt die<br />
Rolle der Journalisten, der andere<br />
verkörpert Nixon. Mit den<br />
völlig verschiedenen euch zur<br />
Verfügung stehenden Mitteln<br />
versucht ihr, mittels Karten entweder<br />
den Präsidenten zu stürzen<br />
und Verbindungen von ihm<br />
zu den Missbräuchen herzustellen,<br />
oder mittels der Regierungsvollmachten<br />
alle Angriffe<br />
abzuwehren und die Skandale<br />
unter den Teppich zu kehren.<br />
Nah dran an der historischen<br />
Begebenheit, viele Infos in der<br />
Schachtel. Aber im Gegensatz<br />
zur Realität hat Nixon hier in<br />
den dreißig bis sechzig Minuten<br />
dauernden Partien die Chance,<br />
zu gewinnen und Präsident zu<br />
bleiben.<br />
Santorini<br />
D<br />
ie griechische Kykladeninsel<br />
Santorin ist bekannt<br />
für ihre schneeweißen Gebäude<br />
mit den blauen Kuppeldächern.<br />
Und genau diese Gebäude baut<br />
ihr bei „Santorini“ abwechselnd<br />
auf einem fünf mal fünf Felder<br />
großen Gebiet, das als 3D-<br />
Spielplan das Inselgefühl unterstreicht.<br />
Ziel ist es dabei, seinen<br />
MIND-SPIELEPREIS 2021<br />
Baumeister auf der dritten Etage<br />
eines der Gebäude zu platzieren.<br />
Dank der dreißig Götterkarten,<br />
die euch jeweils eine andere<br />
Spezialfähigkeit verleihen, verläuft<br />
keine der etwa fünfzig Minuten<br />
langen Partien gleich.<br />
Das klingt alles<br />
gut! – Und jetzt?<br />
Mehr Informationen und Erklärvideos<br />
zu fast allen vorgestellten<br />
Spielen findet ihr auf<br />
den Seiten des MinD-Spielepreises<br />
unter spielepreis.mensa.de/<br />
nominierte-zweier. Dort findet<br />
ihr auch schon die nominierten<br />
Spiele in den Kategorien „komplexe<br />
Spiele“ und „kurze Dauer“,<br />
die wir euch in der nächsten<br />
Ausgabe im <strong>Mag</strong> vorstellen werden,<br />
wenn ihr hoffentlich auch<br />
wieder in größeren Spielerunden<br />
zusammenkommen dürft.<br />
Außerdem könnt ihr die hier<br />
vorgestellten Zwei-Personen-<br />
Spiele zu euch nach Hause bestellen,<br />
um sie mit eurem Lieblingsmenschen<br />
probezuspielen,<br />
ohne sie kaufen zu müssen.<br />
Wendet euch dazu per E-Mail an<br />
Robert unter spielepreis@mensa.de.<br />
Die nominierten Spiele aller<br />
Kategorien könnt ihr euch außerdem<br />
im Laufe des Jahres wie<br />
gewohnt bei MinD-Spieleseminaren<br />
vorstellen lassen. Sobald<br />
es erlaubt ist, finden natürlich<br />
auch wieder Präsentationsrunden<br />
in euren LocSec-Gebieten<br />
statt, bei denen der Schwerpunkt<br />
auf den komplexen Spielen<br />
liegt, während ihr auf der<br />
<strong>Mind</strong>-Akademie im Spielezimmer<br />
die kurzen und Zwei-Personen-Spiele<br />
ausprobieren könnt.<br />
mind magazin <strong>140</strong>/februar 2021 | 67
HANDARBEITEN<br />
❶<br />
❶❹<br />
BIRGIT KRÜGER<br />
❺<br />
❶❼<br />
Schmetterlinge, Viren und<br />
sogar ein Lesezimmer<br />
Stricken, Häkeln, Nähen: Corona hat auch Vorteile!<br />
Die SIG Handwerken umfasst derzeit 281 Mitglieder – und hatte vergangenes Jahr<br />
richtig viel Zeit, kreativ zu werden. Einige Ergebnisse und die Geschichten ihrer<br />
Schöpferinnen seht ihr auf den kommenden Seiten. Und für die Nicht-Experten gibt es<br />
ein kleines Glossar am Ende.<br />
❶ Claudia Will<br />
Zu Beginn der Pandemie spalteten<br />
sich Claudias Freunde in<br />
zwei Lager: Maskenbefürworter<br />
und -gegner. Schnell waren<br />
Masken mit „lustigen“ Texten<br />
im Umlauf („Schützt nur<br />
gegen Bußgeld“ und anderes).<br />
Claudia hat fleißig Masken genäht<br />
und verteilt. Um den Gegnern<br />
einen Gefallen zu tun, hat<br />
sie dann diese Maske gehäkelt,<br />
durch die man wunderbar leicht<br />
atmen kann und die garantiert<br />
offensichtlich nichts nutzt. Wie<br />
erwartet hat sie damit lebhafte<br />
Diskussionen ausgelöst. Später<br />
hat sie sie mit Stoff hinterlegt,<br />
in der Hoffnung, dass doch eine<br />
gewisse Schutzwirkung vorhanden<br />
ist.<br />
Claudia handarbeitet gerne<br />
querbeet, Stricken, Häkeln, Nähen,<br />
Weben, sie probiert aber<br />
auch gerne Neues aus. Sie handarbeitet<br />
schon seit ihrer Kindheit<br />
und hat schon im Vorschulalter<br />
Kleider für ihre Puppen genäht.<br />
❷ Katharina Komarnicki<br />
Katharina arbeitete als langjährige<br />
Strickerin an einem Adventskalender<br />
mit. Man konnte<br />
das Strickset bestellen und<br />
bekam für jeden Tag eine An-<br />
68 | mind magazin <strong>140</strong>/februar 2021
❶❻<br />
HANDARBEITEN<br />
❽<br />
leitung für beispielsweise Elfe,<br />
Tannenbaum, Schneemann,<br />
Rentier, Jodel-Wichtel, Teddy<br />
und normaler Wichtel.<br />
Im Prinzip war es so gedacht,<br />
dass man an einem Abend ein<br />
Teil schafft, wobei einige Teile<br />
recht aufwändig sind und nicht<br />
an einem Abend zu schaffen waren.<br />
Alles in Allem eine schöne<br />
Beschäftigung für den Dezember,<br />
es ist ja sonst alles (Feiern,<br />
Märkte, …) ausgefallen. Für die<br />
Weihnachtssocke hat sie sich<br />
das Muster selbst ausgedacht.<br />
Im Sommer hat sie das Spinnen<br />
für sich entdeckt. Das Foto<br />
zeigt zwei Stränge Wolle, der<br />
gröbere ist ihr erstes Werk, daneben<br />
eine spätere Produktion<br />
zum Vergleich.<br />
❹ Silke Jörgens-Coburger<br />
Silkes hat in der Corona-Zeit Babydecken<br />
gestrickt. Dabei sind<br />
diese riesig geworden, eigentlich<br />
fast doppelt so groß wie für<br />
Babys benötigt.<br />
Das ist Patchwork, also jedes<br />
Viereck separat gestrickt und<br />
dann manchmal angestrickt,<br />
manchmal angenäht. Es sind<br />
etwa 600 Vierecke. Pro Viereck<br />
hat sie etwa eine Viertelstunde<br />
gebraucht und dann noch<br />
die Zeit zum Zusammennähen.<br />
❶⓿<br />
Insgesamt konnten die Babys<br />
schon fast krabbeln, als die Decken<br />
fertig waren.<br />
Silke ist auch bei Ravelry unterwegs,<br />
dem Social-Media Tool<br />
für Handarbeitende. Ihr findet<br />
sie dort unter dem Namen Sirkkastrickt.<br />
❺ Birgit Krüger<br />
Birgit liebt geometrische Formen,<br />
wie man an den gestrickten<br />
und gefilzten Untersetzern<br />
und dem Kissenbezug für ihre<br />
Tochter sieht. Sie strickt und häkelt<br />
seit 50 Jahren und hat immer<br />
Ufos, aber maximal 10.<br />
❶❸<br />
❸ Heike Harnack<br />
Zwei Knäuel Mohair-Wolle haben<br />
Heike sofort „angesprungen“,<br />
als sie im Handarbeitsladen<br />
war. Die Wolle war zwar<br />
mit 17 Euro pro 50 Gramm nicht<br />
ganz günstig, aber Heike hat nur<br />
zwei gebraucht.<br />
Im Outlet nebenan hat sie<br />
dann noch ein Halstuch für 36<br />
Euro gekauft, sodass sie den<br />
Preis doch nicht so hoch fand.<br />
mind magazin <strong>140</strong>/februar 2021 | 69
HANDARBEITEN<br />
Wie viele andere Strickerinnen<br />
„sammelt“ Birgit Wolle. Sie<br />
verwaltet diese (aktuell etwa 42<br />
Kilo) sowie die Ufos und fertigen<br />
Projekte – wie soll es auch<br />
anders sein – in Excel.<br />
Außerdem liebt sie Street Art.<br />
Aktuell nimmt sie an einem<br />
Weltrekordversuch in Stuttgart<br />
teil. Schaut euch dazu ab 10. Januar<br />
2021 bis Ende Februar den<br />
großen Baum am Eugensplatz<br />
in Stuttgart an. Auf diesem<br />
„Hotspot“ wird die Yarn-Gang<br />
über 1.000 gehäkelte Schmetterlinge<br />
und 100 Hotspot-Worte<br />
versammeln.<br />
❻ Aileen Fletcher<br />
Als kleines Dankeschön hat Aileen<br />
dem Pflegepersonal im<br />
Krankenhaus viele kleine Tiere<br />
gehäkelt. Das Regenbogenkleidchen<br />
ist für ihre Nichte entstanden.<br />
Aileen häkelt seit 2012<br />
und hat sich inzwischen auch<br />
das Stricken beigebracht. Wolle<br />
und Füllwatte muss sie immer<br />
im Haus haben. Weitere Werke<br />
findet ihr auf Aileens Webseite<br />
web.crochi.de.<br />
❼ Christine Schickinger<br />
Christine hat 2020 mehr oder<br />
weniger im Akkord gestrickt,<br />
vielleicht auch, um die Unsicherheit<br />
dadurch etwas zu verdrängen.<br />
Am stolzesten ist sie<br />
auf den Dinopulli für ihren<br />
Großneffen – es war eine norwegische<br />
Anleitung von Sandnes-<br />
Garn, aber nach fast 50 Jahren<br />
Strickerfahrung brauchte sie<br />
keine entsprechenden Sprachkenntnisse.<br />
Gehäkelt hat sie auch, eine<br />
farbenfrohe Decke aus einem<br />
CAL.<br />
❶❷<br />
❹<br />
❶❺<br />
❽Marina Wesner<br />
Marina strickt hauptsächlich,<br />
sie häkelt ab und zu. Und das<br />
schon lange. Sie hat vor langer<br />
Zeit „den Fehler gemacht“, für<br />
Freundes-Nachwuchs Babydecken<br />
zu machen. Und da wollten<br />
ihre eigenen Kinder auch<br />
Decken, nur leider sind sie keine<br />
Babys mehr. Marina liebt<br />
aufwendige Muster. Das hält<br />
die Hände in Bewegung und<br />
beschäftigt den Kopf gerade so,<br />
dass er nur denkt und nicht grübelt.<br />
❾ Almut Nießen<br />
Hier das „Masterpiece“ von Almut<br />
Nießen. Sie hat in den<br />
Herbstferien einen Mantel als<br />
Upcycling-Projekt genäht. Das<br />
Material besteht aus 1,5 aussortierten<br />
Kohtenbahnen, aus denen<br />
die schwarzen Zelte der<br />
Pfadfinder bestehen. Als Futter<br />
hat sie günstigen, schwarzen<br />
Baumwollstoff von Ikea verwendet<br />
(das einzige Material am<br />
Mantel, das nicht vorher schon<br />
anderweitig in Gebrauch war).<br />
Die Teile, die die Knebel abdecken<br />
sollen, sind aus altem Fahrradschlauch<br />
zugeschnitten. Der<br />
Mantel ist wunderbar wasserdicht,<br />
auch auf dem Motorroller.<br />
Das nächstes Projekt wird wieder<br />
aus Kohtenstoff-Resten sein:<br />
Eine Juja (Jungenschaftsjacke)<br />
nach eigenem Schnitt.<br />
Ihre erste Nähmaschine bekam<br />
Almut zur Konfirmation,<br />
den ersten Nähkurs wenig später.<br />
Seit einigen Jahren hat sie<br />
zusätzlich eine Overlock-Nähmaschine.<br />
Neben der Konstante<br />
Nähen handarbeitet und bastelt<br />
sie alles Mögliche andere – einige<br />
Mensaner haben das Perlendrehen<br />
mit ihrem Brenner bei<br />
70 | mind magazin <strong>140</strong>/februar 2021
den Family Camps in Meschede<br />
auch schon ausprobiert. Unterwegs<br />
häkelt sie gerne Amigurimi.<br />
❻<br />
HANDARBEITEN<br />
❶⓿ Alexandra Krauß<br />
Alexandra hat in 4,5 Monaten<br />
eine Jacke gehäkelt. Die Wolle<br />
nennt sich „Woolly Hugs Bobbel<br />
Cotton Mirror“.<br />
Die Bobbel-Reste, die es reichlich<br />
gab, damit die Jacke einen<br />
symmetrischen Farbverlauf bekommt,<br />
hat sie zu zwei Mützen<br />
und einem Tuch verarbeitet.<br />
❶❶Tjardis Mirjam Jacobi<br />
Die Pastorin aus Tjardis Mirjams<br />
Heimatgemeinde hatte für den<br />
diesjährigen Ostersonntagsgottesdienst<br />
ohne Gemeindemitglieder<br />
dazu eingeladen, etwas<br />
Kreatives herzustellen, um es<br />
als „Ersatz“ für die Menschen in<br />
die Kirchenbänke zu legen. Entstanden<br />
ist eine etwa 60 mal 80<br />
Zentimeter große Collage aus<br />
unifarbenen und handbemalten<br />
Seidenstoffen.<br />
❶❷ Renate Koppenstein<br />
Renate hat Wollreste der letzten<br />
Jahrzehnte aus der Familie<br />
zu einer bunten Streifendecke<br />
verarbeitet. Dabei hat sie mit<br />
dem grünen Zopfstreifen in der<br />
Mitte begonnen und von da aus<br />
nach rechts und links weiter gestrickt.<br />
Die Anordnung der Farben<br />
ist nach Gefühl erfolgt, genauso<br />
wie die verschiedenen<br />
Muster.<br />
Rundherum kommt noch<br />
eine grüne Zackenkante, die sie<br />
erst begonnen hat. Die Decke<br />
ist ohne die Kante etwa 1,1 Meter<br />
mal 1,2 Meter groß und passt<br />
farblich wunderbar zu ihrem<br />
weinroten Sofa.<br />
❷<br />
❶❸ Verena Spenner<br />
Verena Spenner hat ein Lesezimmer<br />
aus Glasperlen designed<br />
und erstellt. Dazu hat sie<br />
tschechische und japanische<br />
Glas-Rocailles (1,5–2,6 Millimeter)<br />
verwendet. Die Möbel hat<br />
sie im Peyote-Stich mit Perlen<br />
umnäht; Boden und Wände sind<br />
mit Perlen beklebt. Die kleine<br />
Stehlampe ist mit einer LED beleuchtet.<br />
Verena nutzt viele verschiedene<br />
Handarbeitstechniken; ihre<br />
Favoriten sind im Moment Glasperlen-Arbeiten<br />
und Papier-Modellbau.<br />
❶❹ Johanna Lauterbach<br />
Johanna hat ein Coronavirus gehäkelt.<br />
Sie strickt schon mehr<br />
als die Hälfte ihres Lebens (ok,<br />
sie ist 23, das heißt also nicht<br />
viel), hauptsächlich Socken, ab<br />
und an auch mal Schals. Häkeln<br />
fand sie immer nervig und hat<br />
es deswegen nie gelernt.<br />
Als sich der erste Lockdown<br />
abgezeichnet hat, ist ihr Sozialleben<br />
dank des Hotels Mensa<br />
aufgeblüht, sie hat also ständig<br />
im Sessel gesessen, gestrickt<br />
mind magazin <strong>140</strong>/februar 2021 | 71
HANDARBEITEN<br />
und dabei mit Ms geredet. Und<br />
aus dieser Gelegenheit entstand<br />
dann doch der Drang, Häkeln zu<br />
lernen. Das Ergebnis war dann<br />
dieses kleine Coronavirus, das<br />
seitdem an ihrem Schreibtisch<br />
wohnt und sie beim Bachelorarbeit-Schreiben<br />
(mit Coronathema,<br />
versteht sich) unterstützt<br />
hat.<br />
❶❺ Uta Greifzu<br />
Uta Greifzu strickt und näht<br />
sehr gerne, manchmal klöppelt<br />
sie auch (wie schon im MinD-<br />
<strong>Mag</strong> geschrieben). Diesen Schal<br />
konnte sie in Ruhe stricken, um<br />
ihn dann ihrer Freundin im Dezember<br />
zum Geburtstag schenken<br />
zu können.<br />
❶❻ Babette Mairoth<br />
Babette Mairoth hat als Erstes<br />
im Lockdown Mundnasenschutz-Masken<br />
genäht.<br />
Jede anders. Für Max, für sich,<br />
für Freundinnen. War etwas<br />
schwierig zu nähen, weil die<br />
Nähmaschine Probleme mit der<br />
Fadenspannung hatte und im<br />
Märzlockdown nicht zur Reparatur<br />
konnte. Die Masken auf<br />
dem Foto sind eine Auswahl;<br />
leger aus Jeansstoff, elegant<br />
aus grauen Nadelstreifen und<br />
buntgemusterte. Die begonnenen<br />
Stricksachen liegen immer<br />
noch unfertig im Korb! Sie freut<br />
sich, dass auf ihre Frage („Wart<br />
ihr fleißig in Corona-Zeiten?“)<br />
auf der SIG-Mailingliste im Juli<br />
so schöne Handarbeiten vorgestellt<br />
worden sind.<br />
❶❼ Hedwig Fischer<br />
Hedwig hat dieses Jahr beim<br />
Maskennähen ihre Nähmaschinenliebe<br />
wiederentdeckt. Ihre<br />
Masken entstanden vorwiegend<br />
❶❶<br />
❼<br />
❾<br />
aus nicht mehr benötigten Herrenhemden.<br />
Auf dem Bild seht<br />
ihr ihr Lieblingsstück dieser Saison<br />
und die Resteverwertung als<br />
Lavendelkissen in Schleifchenform<br />
für ihre Mutter im Pflegeheim.<br />
Das brachte ihr die Sonne<br />
ins Gemäuer.<br />
Ein paar Handarbeits-<br />
Grundbegriffe<br />
Amigurimi: kleine Häkelfiguren.<br />
Bobbel: Ein Bobbel ist ein<br />
Garn, das gefacht ist. Gefacht<br />
bedeutet, dass sie nicht miteinander<br />
verzwirnt worden sind.<br />
Die Fäden laufen nebeneinander<br />
her. Meist haben sie einen<br />
Farbverlauf.<br />
CAL bedeutet „Crochet<br />
Along”: Dabei geht es darum,<br />
dass innerhalb eines bestimmten<br />
Zeitraums alle Teilnehmer<br />
zusammen etwas zu einem bestimmten<br />
Thema häkeln.<br />
Springwolle: Wolle im Laden,<br />
die den Käufer anspringt und<br />
entsprechend gleich gekauft<br />
werden muss.<br />
Ravelry: Soziales Netzwerk<br />
für Handarbeiten wie Stricken,<br />
Häkeln, Spinnen und Weben<br />
(www.ravelry.com)<br />
Ufos: Ufos nennt man im<br />
Handarbeitsumfeld die unfertigen<br />
Objekte<br />
Alle Fotos: jeweilige Handarbeiterin<br />
72 | mind magazin <strong>140</strong>/februar 2021
RÄTSEL<br />
Hier kommt die Rätselart<br />
„Numbered Rooms“,<br />
die meiner Meinung<br />
nach noch viel zu wenig<br />
Beachtung erfahren hat.<br />
Spannend an ihr finde<br />
ich ihre Selbstbezüglichkeit.<br />
Desweiteren<br />
ist es aus Autorensicht<br />
immer wieder ein tolles<br />
Gefühl, wie erstaunlich<br />
viel Information<br />
man mit einem einzelnen<br />
Hinweis in das Rät-<br />
Numbered Rooms<br />
sel hineinbringen kann.<br />
Ich hoffe, Numbered<br />
Rooms findet hier noch<br />
weitere Fans. :)<br />
Anleitung:<br />
Trage die Zahlen von 1<br />
bis n in das Diagramm<br />
ein, wobei n der Anzahl<br />
an Zeilen und Spalten<br />
entspricht. Jede Zeile<br />
und Spalte enthält<br />
jede Zahl genau einmal.<br />
Die Hinweise außen<br />
am Diagramm geben<br />
an, welche Zahl an<br />
x-ter Stelle aus dieser<br />
Richtung im Diagramm<br />
steht. x entspricht der<br />
Zahl, die aus dieser<br />
Richtung an erster Stelle<br />
steht.<br />
<br />
Silke Berendes<br />
Auflösungen<br />
Ausgabe 139<br />
Auflösungen im nächsten Heft<br />
mind magazin <strong>140</strong>/februar 2021 | 73
ORGANISATION<br />
Wer weiß mehr?<br />
Organisatoren lokaler Treffen.<br />
PLZ Wohnort / Name / Telefonnummer<br />
01… Dresden / SAMIR KÖCKRITZ / 01520 – 7 070 090<br />
04… Leipzig / MARIO STOLL / 0341 – 3 038 020<br />
06… Halle / MARCUS HILLMANN / 0162 – 4 968 254<br />
07… Jena / WOLFGANG KLINGHAMMER / 0176 - 39 649 614<br />
Chemnitz / STEFANIE WEBER / 01525 – 3 442 810<br />
09…<br />
Annaberg / ALMUT NITZSCHE / 03733 – 289 418<br />
10…<br />
Berlin / MATTHIAS KRIBBEN / 0172 – 5 656 004<br />
Brandenburg / PETER OEHLKE / 030 – 41 999 861<br />
19… Schwerin/Mecklenburg-Vorpommern /<br />
KARSTA LINKE / 03883 – 723 338<br />
20… Hamburg / HENNING SCHRAMM / 0171 – 3 411 543<br />
Hamburg-Harburg / MILENA ROBBERS /<br />
21… 0176 – 57 188 122<br />
Lüneburg / JÜRGEN REIMERS / 04131 – 37 887<br />
Ahrensburg / BORIS GEORGIEV / 04102 – 888 868<br />
22…<br />
Norderstedt / JULIA BORRMANN / 0151 – 25 204 119<br />
23… Lübeck / MARISA HAUFE / 0173 – 6 019 490<br />
Kiel / SIGRID UND UDO SCHULTZ / 0431 – 521 269<br />
Flensburg / GERD BORCHERS / 0461 – 79 501 322<br />
24…<br />
Bad Bramstedt / ULRIKE SANDER-HOYER /<br />
0170 – 6 053 874<br />
Pinneberg / ANDREA BAHRENFUSS / 04123 – 929 934<br />
25…<br />
Heide/Husum / LARS MEYER / 0162 – 5 273 363<br />
26… Oldenburg / DIRK BOSHOVEN / 0151 – 15 311 785<br />
27… Bremerhaven / KLAUS GEBHARDT / 0172 – 4 524 773<br />
28… Bremen / NICOLE RETAT / 0176 – 56 799 944<br />
30… Hannover / RAINER NEUSÜSS / 05108 – 9 217 686<br />
32… <strong>Mind</strong>en / CHRISTOPHER KRAUS / 0571 – 3 851 868<br />
Paderborn / DANIEL KEYHANI / 0173 – 6 955 510<br />
33… Ostwestfalen/Lippe / ANNETTE FRANZ /<br />
0521 – 42 826 586<br />
34… Kassel / NORBERT FAULSTICH / 0160 – 4 281 179<br />
Marburg / BETTINA BAGUNK / 06421 – 51 403<br />
35… Gießen / FRANK BRANDT / 0 64 03 – 926 543<br />
Wetzlar / MARKUS MATTZICK / 06441 – 446 970<br />
36… Fulda / KARSTEN ASSMANN / 0661 – 9 600 083<br />
37… Göttingen / NORBERT FAULSTICH / 0160 – 4 281 179<br />
Braunschweig / TIMO WEIL / 0177 – 4 131 826<br />
38… Clausthal-Zellerfeld / GUNNAR KAESTLE /<br />
05323 – 997 724<br />
PLZ Wohnort / Name / Telefonnummer<br />
39… <strong>Mag</strong>deburg / GUNNAR HENDRICH / 01 76 – 42 095 828<br />
40… Düsseldorf / MARC-ANDRÉ KAISER / 0211 – 2 393 676<br />
41… Mönchengladbach / BODO SCHNELL / 02433 – 525505<br />
42… Wuppertal / ACHIM WAGENKNECHT / 0179 – 4 517 387<br />
44…<br />
45…<br />
Dortmund / ANNA ASLANIDOU / 0163 – 5 604 546<br />
Dortmund / PIA PHILIE LEHMANN / 0151 – 56 041 525<br />
Bochum / SOPHIA FALKE / 0176 – 24 293 954<br />
Essen / SANDRA BAUMANN-TRAMPE / 0201 – 782 983<br />
Mülheim/Ruhr / JENS HELLBING / 01575 – 5 786 932<br />
Marl / ROBERT KLOSE / 0173 – 7 144 636<br />
46… Wesel / BURKHARD HOCHSTRASS / 0163 - 90 69 570<br />
47…<br />
48…<br />
Duisburg / INA PAULS / 0203 – 593 214<br />
Kevelaer / ROLF EGGING / 02832 – 4 557<br />
Kleve / HANS-GERD THEUNISSEN / 0 28 21 – 29 404<br />
Münster / MELANIE JÄGER / 0171 – 2 190 967<br />
Münster / SIMON SIEBERS / 0151 – 22 602 621<br />
49… Osnabrück / BIRGIT WIPPERMANN / 01 77 – 2 608 004<br />
Köln / KLAUS BAUMHAUER / 0157 – 73 808 128<br />
50…<br />
Köln / FRAUKE RIEKEN / 0221 – 8 231 808<br />
52… Aachen / LUKAS FISCHER-WULF / 0241 – 18 991 357<br />
53… Bonn / SVETLA KNÖSCHKE / 0160-7082153<br />
55… Mainz / KAI GEHRETH / 01577 – 3 969 315<br />
56… Koblenz / MARTIN SCHULZE / 0261 – 309 382<br />
57… Siegen / SABINE SCHIRM-SPRINGOB / 02761 – 7 039 911<br />
58… Hagen / ANDREA SCHÖNEBERG / 0172 – 9 367 921<br />
59… Soest / DIETER PIPER / 02381 – 948 666<br />
60… Frankfurt / ANDREAS THURM / 0151 – 41 467 503<br />
61… Bad Homburg / JESSICA JOHN<br />
63… Aschaffenburg / JAN ZBIKOWSKI / 06021 – 5 822 646<br />
64… Darmstadt / BEHROUZ CHAGHERI / 0173 – 3 103 633<br />
65… Wiesbaden / SILKE HANSEN / 069 – 1 553 676<br />
66… Saarbrücken / PETER MOOG / 0171 – 3 787 722<br />
67…<br />
68…<br />
69…<br />
Kaiserslautern und Pfalz / CRISTINA KRAUSS UND<br />
MARC HILLER / 0176 – 81 687 948<br />
Mannheim / KATJA WALDORF UND MARTIN VITEK /<br />
06221 – 3016 66<br />
Heidelberg / KATJA WALDORF UND MARTIN VITEK /<br />
06221 – 3016 66<br />
70… Stuttgart / MARTIN JÄKLE / 0176 – 32 509 161<br />
74 | mind magazin <strong>140</strong>/februar 2021
ORGANISATION<br />
PLZ Wohnort / Name / Telefonnummer<br />
72… Tübingen / JÜRGEN SCHAICH / 0176 – 96 358 274<br />
76…<br />
Karlsruhe / SVEN MANIAS / 0721 – 699 556<br />
Karlsruhe / JULIANE SCHNEIDER / 07243 – 728 774<br />
Landau / STEFAN JAMIN / 06321 – 899 045<br />
75… Pforzheim / GABRIELE WALTER / 0176 – 61 048 332<br />
77…<br />
Lahr/Schwarzwald / MARTIN KATZNER /<br />
07821 – 37 679<br />
78… Bodensee / MARTIN ROSCHER / 07541 – 836 739<br />
79…<br />
80…<br />
81…<br />
Freiburg im Breisgau / HENDRIK FREYTAG /<br />
0177 – 7 607 919<br />
München / BRIGITTE BRECHT / 089 – 8 644 939<br />
München / THOMAS DOUBRAWA / 089 – 95 422 002<br />
München-Pasing / MAX VOIGTMANN /<br />
089 – 30 004 913<br />
83… Holzkirchen / HEIKE WEBER / 08024 – 476 626<br />
84…<br />
85…<br />
Altötting (Südost/Oberbayern) / BIRGIT SCHOLZ /<br />
08671 – 85 591<br />
Landshut-Freising / WERNER KELNHOFER /<br />
08762 – 2 189<br />
Ingolstadt / BRIGITTE MAIER / 0841 – 97 052 179<br />
Alpenland/Region / HANS GEORG MICHNA /<br />
0179 – 3 217 777<br />
86… Augsburg / THOMAS KRAUSS / 08232 – 77 782<br />
87… Memmingen / TINA ACHAM / 08331 – 8 339 744<br />
88… Wangen im Allgäu / BRIGITTE GÖSER / 07561 – 7 715<br />
89… Ulm/Neu Ulm / INGRID RENZ / 0174 – 3 337 549<br />
89… Heidenheim / HEIKE VOGLER / 01577 – 3 237 078<br />
90… Nürnberg / CHRISTOPH RUGE / 09131 – 9 752 945<br />
91… Erlangen / CHRISTOPH RUGE / 09131 – 9 752 945<br />
93… Regensburg / LUDWIG KOLB / 0941 – 5 987 095<br />
94…<br />
Passau / KARIN POLZ / 08502 – 915 840<br />
Philippsreut / CHRISTIAN KOCH / 08557 – 729<br />
95… Bayreuth / STEFAN WLADARSCH / 0921 – 5 167 420<br />
96… Bamberg / CHRISTOPH RUGE / 09131 – 9 752 945<br />
96… Coburg / FRANK EISENWIENER / 09561 – 6 209 400<br />
97… Würzburg / ANNETTE KUNZ / 0931 – 980 880<br />
99… Erfurt / LINDA SOLCHER / 0162 - 4162631<br />
Termine<br />
& Treffen<br />
Eine Übersicht mit aktuellen<br />
Treffen und Terminen gibt<br />
es im Internet unter:<br />
ř db.mensa.de/events<br />
Die E-Mailadressen der<br />
lokalen Ansprechpersonen<br />
findet ihr unter:<br />
ř db.mensa.de/kontakt.htm<br />
Adressänderungen<br />
Da Postvertriebsstücke von der<br />
Post nicht nachgesandt werden,<br />
kommen MinD-<strong>Mag</strong>azine<br />
trotz Nachsendeauftrag als unzustellbar<br />
an die Geschäftsstelle<br />
zurück. Änderungen von Adressen<br />
oder Daten bitte an die<br />
Geschäftsstelle oder selbst im<br />
eMVZ unter „Meine Daten“ eingeben!<br />
ř office@mensa.de<br />
Änderungswünsche an<br />
der Tabelle bitte an:<br />
ř mindmag@mensa.de<br />
mind magazin <strong>140</strong>/februar 2021 | 75
INFORMATION<br />
Internet<br />
Ì www.mensa.de<br />
Ì www.mensa.de/social-media<br />
eMVZ<br />
Ì https://db.mensa.de<br />
Boggs<br />
Ì snews://news.mensa.de<br />
Ì https://newsportal.mensa.de<br />
Schlichter<br />
Christiane Schmetzer<br />
¼ 07822 / 780 027<br />
ì schmetzer@kabelbw.de<br />
Michael Robert Biber<br />
¼ 0175 / 1 649 242<br />
ì biber@newdirection.de<br />
Monika Maria Sommer<br />
ì monika@msommer.de<br />
Kinder- und Jugendbereich<br />
Susanne Severin<br />
Annette Schlüter<br />
¼ 0179 / 6 758 335<br />
ì kiju-koordinator@mensa.de<br />
Spenden an Mensa<br />
MinD-Stiftung gGmbH<br />
IBAN<br />
DE29 5109 1700 0042 4200 42<br />
BIC VRBUDE51<br />
SIGHT<br />
Couchsurfen und mehr im smarten<br />
Umfeld. Deutsche SIGHT-Co:<br />
Andrea Schwelm<br />
ì sight@mensa.de<br />
Präventionsbeauftragte<br />
Harro Eder<br />
¼ 0178 / 8 121 595<br />
Janina Enning<br />
¼ 0151 / 28 763 161<br />
ì praevention@mensa.de<br />
Sozialfonds<br />
Birgit Scholz<br />
Georgenstraße 6, 84503 Altötting<br />
¼ 08671 / 85 591<br />
(nur abends und Wochenende)<br />
ì mind_sozialfonds@web.de<br />
IBAN:<br />
DE49 4306 0967 1074 9648 00<br />
BIC: GENODEM1GLS<br />
Sozialprojekt zum JT<br />
Jörg Büttner<br />
Sebastianstraße 21 a<br />
10179 Berlin<br />
¼ 030 / 33 878 731<br />
ì mann-le@web.de<br />
IBAN:<br />
DE74 1007 7777 0480 4738 00<br />
BIC: NORSDE51XXX<br />
Vereinskonto<br />
ì kasse@mensa.de<br />
IBAN:<br />
DE22 5109 1700 0042 4242 42<br />
BIC: VRBUDE51<br />
Mitgliedsbeitrag: 55 Euro im Jahr<br />
Leitender Psychologe (NSP)<br />
Kai Bestmann Dipl.-Psychologe<br />
Dahl 28a, 25497 Prisdorf<br />
¼ 04101 / 842 107<br />
ì testbetrieb@mensa.de<br />
Intelligenztest<br />
Termine und Anmeldemöglichkeit<br />
gibt es auf unseren Webseiten.<br />
Ì www.mensa.de<br />
Verwaltung<br />
Geschäftsführung<br />
Martin Jäkle<br />
gf@mensa.de<br />
Geschäftsstelle<br />
Cirsten Novellino<br />
Wandlhamerstraße 2<br />
82166 Gräfelfing<br />
¼ 089 / 86 466 251<br />
Fax: 089 / 86 466 252<br />
ì office@mensa.de<br />
Geschäftszeiten<br />
Dienstag und Donnerstag<br />
8:30 bis 16:30 Uhr<br />
International/<br />
Deutschsprachige<br />
Nachbarn<br />
International Office<br />
Michael Freenan<br />
Executive Director Mensa<br />
International Ltd.<br />
Slate Barn, Church Lane,<br />
Caythorpe<br />
Lincolshire NG 32 3EL<br />
United Kingdom<br />
¼ 0044 / 1 400 272 675<br />
Fax: 0044 / 1 400 272 675<br />
ì mensainternational@<br />
mensa.org<br />
Ì www.mensa.org<br />
Chairman<br />
Björn Liljeqvist<br />
ì chairman-mil@mensa.org<br />
NatReps<br />
Peter Fröhler<br />
Proxy für die Vorsitzende<br />
Tina Acham<br />
Jens Wiechers<br />
Koodinator für Internationales<br />
Mensa Österreich<br />
Gerald Schmidt<br />
Paulasgasse 17/3/26<br />
A-1110 Wien<br />
ì vorsitz@mensa.at<br />
Ì www.mensa.at<br />
Mensa Schweiz<br />
Mark Dettinger<br />
Wiesenstraße 12<br />
CH-4600 Olten<br />
ì office@mensa.ch<br />
Ì www.mensa.ch<br />
76 | mind magazin <strong>140</strong>/februar 2021
IMPRESSUM<br />
Vorstand<br />
Hermann Meier<br />
Organisation,<br />
Finanzen,<br />
Recht&Compliance<br />
Horstmannsmühle 1a<br />
42781 Haan<br />
¼ 02129 / 3 792 871<br />
ì hermann.meier@mensa.de<br />
Jens Wiechers<br />
Internationales,<br />
Wissenschaft&Forschung,<br />
Kooperationen, Presse<br />
Kölner Strasse 28<br />
51491 Overath<br />
¼ 0151 / 54 745 621<br />
ì jens.wiechers@mensa.de<br />
Martin Weiß<br />
Regionale Struktur,<br />
Testbetrieb,<br />
IT, Ortsblätter<br />
Am Mooskissen 26<br />
14532 Kleinmachnow<br />
¼ 033203 / 884 551<br />
ì martin.weiss@mensa.de<br />
Tina Acham<br />
Vorsitz, Kids&Juniors,<br />
Großveranstaltungen,<br />
Übrige Vereinsmedien<br />
Strigelstraße 20<br />
87700 Memmingen<br />
¼ 08331 / 8 339 744<br />
ì tina.acham@mensa.de<br />
Yu Jin Son<br />
Mitgliederbetreuung,<br />
Bildung,<br />
Marketing<br />
Vogelsangstraße 50<br />
70197 Stuttgart<br />
¼ 0173 / 6 138 452<br />
ì yu-jin.son@mensa.de<br />
Impressum<br />
MinD <strong>Mag</strong>azin<br />
Die offizielle Zeitschrift<br />
von Mensa in Deutschland e.V.<br />
ISSN 1866-9867<br />
Redaktionsanschrift<br />
ì mindmag@mensa.de<br />
Herausgeber<br />
Mensa in Deutschland e.V.<br />
Rodinger Straße 19<br />
93413 Cham<br />
Registergericht: Köln, VR 8190<br />
Kontakt<br />
Wandlhamerstraße 2<br />
82166 Gräfelfing<br />
Zuständig im Vorstand<br />
und V.i.S.d.P.:<br />
Tina Acham<br />
Chefredakteur<br />
Erwin Klein<br />
Bäckerklint 12<br />
38100 Braunschweig<br />
Redaktion<br />
Andreas Klik<br />
Babette Mairoth-Voigtmann<br />
Cornelia Capito<br />
Jan Zbikowski<br />
Julian Lemburg<br />
Kathrin Viergutz<br />
Katrin Sluka<br />
Martin Sluka<br />
Monika Besselmann<br />
Natalie Lehmann<br />
Ralf Müller<br />
Sören Köser<br />
Swen Neumann<br />
Ulrike Dürnfeld<br />
Layout<br />
BT Media<br />
Celler Straße 1<br />
38518 Gifhorn<br />
Anzeigen<br />
BT Media<br />
Celler Straße 1<br />
38518 Gifhorn<br />
ì mindmag-anzeigen@mensa.de<br />
¼ 0 53 71 / 9 414 150<br />
Druck<br />
Passavia GmbH & Co. KG<br />
Medienstraße 5b<br />
94036 Passau<br />
Ì www.passavia.de<br />
Auflage<br />
15.300<br />
Abo für Nichtmitglieder<br />
Jährlich einschließlich Zustellung<br />
und 7 Prozent USt im Inland 18,50<br />
Euro, im Ausland 21,50 Euro<br />
Die mit dem Namen des Verfassers<br />
oder seinen Initialen gekennzeichneten<br />
Beiträge geben die Meinung<br />
des Autors wieder. Nachdruck nur<br />
mit schriftlicher Zustimmung und<br />
mit Quellenangabe. Die Redaktion<br />
behält sich vor, Leserbriefe und<br />
eingeschickte Artikel gekürzt zu<br />
veröffentlichen.<br />
Redaktionsschluss<br />
Ausgabe 141: 15. Februar 2021<br />
Ausgabe 142: 15. April 2021<br />
Ausgabe 143: 15. Juni 2021<br />
mind magazin <strong>140</strong>/februar 2021 | 77
SCHEER WARE<br />
HEINZ-DETLEF SCHEER<br />
Eine Birke hat die Nase voll<br />
In memoriam Hildegard Knef.<br />
F<br />
rüher hatte sie Ärger mit<br />
Kindern, die mit Stiften auf<br />
ihr herumschmierten, und ein<br />
ebenso wie sie selbst pubertierender<br />
Mensch hatte mit dem<br />
Taschenmesser ein Herz in ihre<br />
Rinde geschnitten und noch<br />
dazu „K + S“ hineingeritzt. Das<br />
tat weh, aber das hatte sie ausgehalten.<br />
Schlimmer war der Streit zwischen<br />
ihrem Besitzer und dessen<br />
Nachbarn. Der hatte ihr<br />
schon Äste mit einer viel zu<br />
stumpfen Säge abgesägt, weil<br />
sie „unrechtmäßig“ über sein<br />
Grundstück hingen.<br />
Einmal kam sogar die Polizei,<br />
weil die beiden sich über den<br />
Gartenzaun mit Rechtsanwälten<br />
und blanker Gewalt bedrohten.<br />
Dabei fuchtelten sie wild<br />
mit Gartenscheren und Harken<br />
herum. Der Nachbar drohte, sie<br />
zu fällen und ihre klein gesägten<br />
Reste in seinem Garten zu<br />
verbrennen.<br />
Einmal schlug er ihr Nägel in<br />
den Stamm, um sie zu vergiften!<br />
Aber da hatte er nicht mit<br />
ihrer Zähigkeit gerechnet. Sie<br />
stammte aus einer Familie von<br />
Straßenbäumen.<br />
Heute war mal wieder so ein<br />
Tag, wo sie an alles Schlechte<br />
dachte, das sie in den letzten<br />
zwanzig Jahren erleben musste.<br />
ÜBER DEN AUTOR<br />
Diplom-Psychologe Heinz-Detlef<br />
Scheer arbeitet als Trainer, Coach,<br />
Autor und Konzeptentwickler<br />
Nachdem sie als kleines Bäumchen<br />
angeschafft und ordentlich<br />
an diesem an sich schönen<br />
Platz gepflanzt worden war.<br />
Auch ihr Besitzer war gewalttätig<br />
geworden, hatte Rattengift<br />
im Garten des Nachbarn<br />
verstreut, um dessen Hund zu<br />
vergiften. Der Köter hatte immer<br />
wieder geradezu demonstrativ<br />
durch den Jägerzaun, an<br />
dem sie ja direkt stand, an ihren<br />
Stamm gepinkelt, und der Nachbar<br />
dann schadenfroh gelächelt.<br />
Frauchen nahm eigentlich keine<br />
Post für Nachbarn an, hatte<br />
dann aber doch ein Weihnachtspaket<br />
angenommen. Allerdings<br />
hatte sie es „aus Versehen“ im<br />
Regen stehen lassen, bis es völlig<br />
durchnässt war, und dann<br />
dem eigentlichen Adressaten<br />
überreicht mit den Worten: „Da<br />
hätten Sie mal besser aufpassen<br />
müssen, das hat ja die ganze Zeit<br />
im Regen gestanden!“<br />
Die Birke hatte Erfahrung mit<br />
Menschen, denen es an sich gut<br />
ging, die sich aber gegenseitig<br />
bekämpften. Dies war ein ruhiges<br />
gutbürgerliches Wohnviertel.<br />
Es herrschte keine Hungersnot,<br />
kein Krieg und keine<br />
irgendwie gearteten Naturkatastrophen.<br />
Was machten die<br />
Menschen da bloß?<br />
Anstatt zu genießen, was sie<br />
hatten, brachten sie sich gegenseitig<br />
in Rage und in Gefahr!<br />
Sie dachte frustriert an den<br />
Tag, als ihr Besitzer „aus Versehen“<br />
mit seinem Auto beim Einparken<br />
langsam, aber umso heftiger<br />
den Zaum samt Rosen dahinter<br />
malträtiert hatte.<br />
Bis jetzt hatten sie sogar Corona<br />
ganz gut überstanden, aber<br />
anstatt sich zu freuen, suchten<br />
sie immer neue Themen zum<br />
Streiten! Am 1. Februar – es war<br />
ein lauer Winterabend – hatte<br />
sie die Nase voll. Sie machte<br />
sich auf den Weg zu ihren Verwandten<br />
an einer Allee in der<br />
Umgebung, außerhalb der Stadt.<br />
Die Nachbaren stritten sich<br />
noch jahrelang darum, wer die<br />
Birke gefällt hatte, und verlangten<br />
gegenseitig Schadenersatz<br />
beziehungsweise Entschädigung<br />
für die Verleumdung.<br />
Die Birke wurde an einer Feldweggabelung<br />
zufrieden mit sich<br />
und ihrer Familie sehr alt, und<br />
diesmal genoss sie es, als ein<br />
junges Pärchen an einem Sommerabend<br />
in ihre Rinde ein großes<br />
Herz schnitzte.<br />
78 | mind magazin <strong>140</strong>/februar 2021
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