OM_02_2021_1
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Dr. Schirmer, kann man, jetzt im Januar,<br />
noch Folgen des trockenen Herbstes sehen?<br />
Dr. Michael Schirmer: Auf den ersten<br />
Blick sieht man hier die Trockenheit jetzt<br />
nicht mehr. Das ist in Stadtteilen wie<br />
Arbergen und in Bremen-Nord etwas<br />
anders, diese liegen auf der sandigen Geest.<br />
Hier vor Ort sorgen Wümme und die<br />
ehemaligen Moore noch für Grundwassernachschub.<br />
Dennoch ist die Trockenheit<br />
schlimm, denn sie hat uns sozusagen überrascht.<br />
Jahrhundertelang waren wir hier im<br />
Norden bestens versorgt mit Niederschlägen.<br />
Unser Problem war eher zu viel Wasser.<br />
Wir hatten, klimatisch gesehen, paradiesische<br />
Verhältnisse. Im Sommer erreichten<br />
die Niederschlagswerte 70 bis 80 Liter pro<br />
Quadratmeter, im Winter lagen die Werte<br />
meist darunter. Das war perfekt, weil im<br />
Frühjahr und Sommer die Natur für das<br />
Wachstum wesentlich mehr Wasser als im<br />
Winter benötigt.<br />
Dann sind diese Niederschlagswerte jetzt<br />
gesunken?<br />
Dr. Michael Schirmer: Im Gegenteil. Wenn<br />
man die reinen Zahlen vergleicht, gibt es<br />
mehr Niederschläge im Jahr. Aber: Im<br />
Sommer fallen nur noch rund 50 bis 60 Liter<br />
pro Quadratmeter und im Winter sind es<br />
zwischen 80 und 100 Litern. Es ist ein<br />
einfaches physikalisches Phänomen, das<br />
Klimaforschern schon lange bewusst ist:<br />
Durch die höheren Temperaturen kann<br />
die Luft mehr Wasser transportieren. Auch<br />
in den hohen Alpen fällt deshalb mehr<br />
Schnee als früher. Auf lange Sicht wird<br />
unser Klima immer mediterraner: die<br />
Sommer heiß und trocken, die Winter lau<br />
und feucht.<br />
Paradox – mehr Wasser und gleichzeitig<br />
Trockenheit?<br />
Dr. Michael Schirmer: In den vergangenen<br />
drei Jahren konnte man das gut beobachten.<br />
Der Boden verliert durch die höheren<br />
Temperaturen an Feuchtigkeit, besonders<br />
durch Verdunstung in der Vegetationszeit.<br />
Die Phasen, in denen das für die Pflanzen<br />
erreichbare Grundwasser knapp wird, kann<br />
man immer öfter beobachten. Liegt die<br />
Temperatur tiefer, kann der Boden den<br />
Bedarf der Pflanzen besser decken. Die<br />
winterlichen Niederschläge lassen den<br />
Grundwasserspiegel zwar wieder steigen,<br />
allerdings bleibt – je nach Bodenart – ein<br />
Defizit, das im Sommer nicht mehr ausgeglichen<br />
wird.<br />
Schon seit dem Mittelalter ist Wasser ein<br />
Thema in der Stadt. Aber ging es damals<br />
darum, mit Deichen und einem Netz aus<br />
Gräben das Land zu entwässern, kehrt sich<br />
jetzt das Blatt, und das System wird regelmäßig<br />
auch zur Zuwässerung im Grünland<br />
genutzt.<br />
Sie müssen also das System drehen?<br />
Dr. Michael Schirmer: Für das Grünland<br />
ja, immer öfter. Aber für die Parks der<br />
Umgebung reicht in trockenen Sommern<br />
die Grundwasserzufuhr von Wümme und<br />
Wiesen schon lange nicht mehr aus. Schon<br />
seit Jahrzehnten befördert beispielsweise<br />
das Schöpfwerk Hodenberg, in der Nähe<br />
der Milchtankstelle, Wasser aus dem<br />
Deichschlot in den gegenüberliegenden<br />
Graben. Dieser führt durch das Gut<br />
Hodenberg und mündet im zehn Kilometer<br />
langen Holler Fleet. Etwas weiter nördlich,<br />
an der Abzweigung des Ebbensieker Wegs<br />
nach Fischerhude und Hexenberg, sorgt ein<br />
Siel beim Pumpenhaus für die Versorgung<br />
von Muhles Park und Höpkens Ruh. In der<br />
Fläche aber dient dieses ausgeklügelte Netz<br />
der Gräben in erster Linie den Landwirten.<br />
Im Blockland reguliert die Nachbarschaft<br />
„Darin sehe ich eine der Zukunftsaufgaben:<br />
Wie wässert man optimal, werden mehr Staustufen<br />
benötigt? Dazu müssen wir das Wasserverteilsystem<br />
langfristig an den Klimawandel anpassen.”<br />
selbst die Wasserstände, was aber durch das<br />
pottebene Land nicht gerade einfach ist.<br />
Darin sehe ich eine der Zukunftsaufgaben:<br />
Wie wässert man optimal, werden mehr<br />
Staustufen benötigt? Dazu müssen wir<br />
das Wasserverteilsystem langfristig an den<br />
Klimawandel anpassen.<br />
Worin sehen Sie die Schwierigkeiten?<br />
Dr. Michael Schirmer<br />
Dr. Michael Schirmer: Die Gräben sind<br />
dank unserer ökologisch geprägten Pflege<br />
ein sehr gut funktionierendes Ökosystem<br />
mit vielen geschützten Arten. Jeder unbedachte<br />
Eingriff kann es zerstören. Da<br />
muss man bei zukünftigen Anpassungen<br />
des Wassermanagements behutsam und<br />
differenziert vorgehen.<br />
Ökosystem ist ein gutes Stichwort: Seit ein<br />
paar Jahren versucht man auf der einen<br />
Seite die Biodiversität zu stützen, auf der<br />
anderen Seite werden durch Besiedelung<br />
Flächen versiegelt.<br />
Dr. Michael Schirmer: Die stetige Flächenversiegelung<br />
ist tatsächlich ein großes Problem<br />
für den Wasserhaushalt. Im Blockland<br />
ist das noch nicht so offensichtlich,<br />
aber in Schwachhausen und der Innenstadt<br />
landet das Regenwasser nicht mehr in der<br />
Erde, sondern im Kanal, wird in Seehausen<br />
aufbereitet und in die Weser geleitet. Aber<br />
in Oberneuland sind die wunderbaren<br />
großen Bäume die Hauptnutzer des Regenund<br />
des Grundwassers. Über Blätter und<br />
Geäst holen sich die Bäume nur einen<br />
Bruchteil, das meiste Wasser ziehen sie<br />
über die Wurzeln. Was entscheidenden<br />
Einfluss auf den Grundwasserstand hat.<br />
Und wenn die Grundwasserbildung durch<br />
Versiegelung weiter abnimmt, dann ist das<br />
schlecht für unsere Bäume. Ich selbst liebe<br />
große Bäume, aber deren Wasserverbrauch<br />
ist enorm, schafft richtige Beulen in der<br />
Grundwasserebene. Und entsprechend<br />
nimmt der Bewässerungsbedarf der Parks<br />
im Klimawandel dramatisch zu.<br />
OBERNEULAND 61