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Dr. Schirmer, kann man, jetzt im Januar,<br />

noch Folgen des trockenen Herbstes sehen?<br />

Dr. Michael Schirmer: Auf den ersten<br />

Blick sieht man hier die Trockenheit jetzt<br />

nicht mehr. Das ist in Stadtteilen wie<br />

Arbergen und in Bremen-Nord etwas<br />

anders, diese liegen auf der sandigen Geest.<br />

Hier vor Ort sorgen Wümme und die<br />

ehemaligen Moore noch für Grundwassernachschub.<br />

Dennoch ist die Trockenheit<br />

schlimm, denn sie hat uns sozusagen überrascht.<br />

Jahrhundertelang waren wir hier im<br />

Norden bestens versorgt mit Niederschlägen.<br />

Unser Problem war eher zu viel Wasser.<br />

Wir hatten, klimatisch gesehen, paradiesische<br />

Verhältnisse. Im Sommer erreichten<br />

die Niederschlagswerte 70 bis 80 Liter pro<br />

Quadratmeter, im Winter lagen die Werte<br />

meist darunter. Das war perfekt, weil im<br />

Frühjahr und Sommer die Natur für das<br />

Wachstum wesentlich mehr Wasser als im<br />

Winter benötigt.<br />

Dann sind diese Niederschlagswerte jetzt<br />

gesunken?<br />

Dr. Michael Schirmer: Im Gegenteil. Wenn<br />

man die reinen Zahlen vergleicht, gibt es<br />

mehr Niederschläge im Jahr. Aber: Im<br />

Sommer fallen nur noch rund 50 bis 60 Liter<br />

pro Quadratmeter und im Winter sind es<br />

zwischen 80 und 100 Litern. Es ist ein<br />

einfaches physikalisches Phänomen, das<br />

Klimaforschern schon lange bewusst ist:<br />

Durch die höheren Temperaturen kann<br />

die Luft mehr Wasser transportieren. Auch<br />

in den hohen Alpen fällt deshalb mehr<br />

Schnee als früher. Auf lange Sicht wird<br />

unser Klima immer mediterraner: die<br />

Sommer heiß und trocken, die Winter lau<br />

und feucht.<br />

Paradox – mehr Wasser und gleichzeitig<br />

Trockenheit?<br />

Dr. Michael Schirmer: In den vergangenen<br />

drei Jahren konnte man das gut beobachten.<br />

Der Boden verliert durch die höheren<br />

Temperaturen an Feuchtigkeit, besonders<br />

durch Verdunstung in der Vegetationszeit.<br />

Die Phasen, in denen das für die Pflanzen<br />

erreichbare Grundwasser knapp wird, kann<br />

man immer öfter beobachten. Liegt die<br />

Temperatur tiefer, kann der Boden den<br />

Bedarf der Pflanzen besser decken. Die<br />

winterlichen Niederschläge lassen den<br />

Grundwasserspiegel zwar wieder steigen,<br />

allerdings bleibt – je nach Bodenart – ein<br />

Defizit, das im Sommer nicht mehr ausgeglichen<br />

wird.<br />

Schon seit dem Mittelalter ist Wasser ein<br />

Thema in der Stadt. Aber ging es damals<br />

darum, mit Deichen und einem Netz aus<br />

Gräben das Land zu entwässern, kehrt sich<br />

jetzt das Blatt, und das System wird regelmäßig<br />

auch zur Zuwässerung im Grünland<br />

genutzt.<br />

Sie müssen also das System drehen?<br />

Dr. Michael Schirmer: Für das Grünland<br />

ja, immer öfter. Aber für die Parks der<br />

Umgebung reicht in trockenen Sommern<br />

die Grundwasserzufuhr von Wümme und<br />

Wiesen schon lange nicht mehr aus. Schon<br />

seit Jahrzehnten befördert beispielsweise<br />

das Schöpfwerk Hodenberg, in der Nähe<br />

der Milchtankstelle, Wasser aus dem<br />

Deichschlot in den gegenüberliegenden<br />

Graben. Dieser führt durch das Gut<br />

Hodenberg und mündet im zehn Kilometer<br />

langen Holler Fleet. Etwas weiter nördlich,<br />

an der Abzweigung des Ebbensieker Wegs<br />

nach Fischerhude und Hexenberg, sorgt ein<br />

Siel beim Pumpenhaus für die Versorgung<br />

von Muhles Park und Höpkens Ruh. In der<br />

Fläche aber dient dieses ausgeklügelte Netz<br />

der Gräben in erster Linie den Landwirten.<br />

Im Blockland reguliert die Nachbarschaft<br />

„Darin sehe ich eine der Zukunftsaufgaben:<br />

Wie wässert man optimal, werden mehr Staustufen<br />

benötigt? Dazu müssen wir das Wasserverteilsystem<br />

langfristig an den Klimawandel anpassen.”<br />

selbst die Wasserstände, was aber durch das<br />

pottebene Land nicht gerade einfach ist.<br />

Darin sehe ich eine der Zukunftsaufgaben:<br />

Wie wässert man optimal, werden mehr<br />

Staustufen benötigt? Dazu müssen wir<br />

das Wasserverteilsystem langfristig an den<br />

Klimawandel anpassen.<br />

Worin sehen Sie die Schwierigkeiten?<br />

Dr. Michael Schirmer<br />

Dr. Michael Schirmer: Die Gräben sind<br />

dank unserer ökologisch geprägten Pflege<br />

ein sehr gut funktionierendes Ökosystem<br />

mit vielen geschützten Arten. Jeder unbedachte<br />

Eingriff kann es zerstören. Da<br />

muss man bei zukünftigen Anpassungen<br />

des Wassermanagements behutsam und<br />

differenziert vorgehen.<br />

Ökosystem ist ein gutes Stichwort: Seit ein<br />

paar Jahren versucht man auf der einen<br />

Seite die Biodiversität zu stützen, auf der<br />

anderen Seite werden durch Besiedelung<br />

Flächen versiegelt.<br />

Dr. Michael Schirmer: Die stetige Flächenversiegelung<br />

ist tatsächlich ein großes Problem<br />

für den Wasserhaushalt. Im Blockland<br />

ist das noch nicht so offensichtlich,<br />

aber in Schwachhausen und der Innenstadt<br />

landet das Regenwasser nicht mehr in der<br />

Erde, sondern im Kanal, wird in Seehausen<br />

aufbereitet und in die Weser geleitet. Aber<br />

in Oberneuland sind die wunderbaren<br />

großen Bäume die Hauptnutzer des Regenund<br />

des Grundwassers. Über Blätter und<br />

Geäst holen sich die Bäume nur einen<br />

Bruchteil, das meiste Wasser ziehen sie<br />

über die Wurzeln. Was entscheidenden<br />

Einfluss auf den Grundwasserstand hat.<br />

Und wenn die Grundwasserbildung durch<br />

Versiegelung weiter abnimmt, dann ist das<br />

schlecht für unsere Bäume. Ich selbst liebe<br />

große Bäume, aber deren Wasserverbrauch<br />

ist enorm, schafft richtige Beulen in der<br />

Grundwasserebene. Und entsprechend<br />

nimmt der Bewässerungsbedarf der Parks<br />

im Klimawandel dramatisch zu.<br />

OBERNEULAND 61

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