OM_02_2021_1
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K<strong>OM</strong>PAKT<br />
Diedrich Kothe<br />
Als Dirk &<br />
Hermann<br />
im Fleet<br />
lagen<br />
RüCKSPIEGEL<br />
Nur wer einmal im Fleet gelegen<br />
hat, sei ein echter Oberneulander.<br />
Bis vor etwa zehn<br />
Jahren war das so, vielleicht<br />
hat der Satz auch heute noch<br />
Das Hollerfleet<br />
seine Gültigkeit. Vor allem das<br />
Hollerfleet neben der Oberneulander Landstraße spielte<br />
dabei eine große Rolle. Nun war es freilich nicht damit getan,<br />
dass jemand seiner Kleider ablegte und sich womöglich in<br />
Badesachen hineinlegte. So eine Art Äquatortaufe oder<br />
wie das Gautschen früher bei den Buchdruckern. Nein,<br />
man musste schon unbeabsichtigt und in voller Montur<br />
ins Fleet fallen. Und es gab deren viele, denen das geschah.<br />
Zumindest früher in Oberneuland. Auffällig ist, dass vor<br />
allem Männer davon betroffen waren. Oft passierte es auf<br />
dem Heimweg von einer der zahlreichen Gastwirtschaften<br />
im Ort. Schließlich geht der Fußweg neben der Landstraße<br />
ganz dicht am Fleet entlang…<br />
Diedrich Kothe (alle nennen ihn Dirk) weiß darüber<br />
eine tolle Geschichte zu erzählen. Er und sein Bruder<br />
Hermann wohnten in den dreißiger Jahren hinter Höpkens<br />
Ruh An der alten Weide in einem Bauernhaus. Der Weg<br />
war nur mit fünf Häusern besiedelt. Sie hatten die üblichen<br />
Haustiere und ein paar Pferde. Bis 1939 gab es da noch<br />
keinen Strom. „Es war ein Wintertag Anfang der vierziger<br />
Jahre“, beginnt Dirk seine Geschichte. „Eine dicke Schneedecke<br />
und starker Frost überzogen das Land. An einem<br />
dieser Wintertage hatten meine Eltern und ein Ehepaar<br />
von nebenan die Idee, eine Fahrt mit einem Pferdeschlitten<br />
zu unternehmen.“<br />
Den Schlitten liehen sie sich von Ellermann-Behrens,<br />
einem Bauern aus der Nachbarschaft, aus. Davor wurde<br />
eines von Kothes Pferden gespannt. Die vier Erwachsenen<br />
mit Dirk und Hermann in Wolldecken verpackt, nahmen<br />
Platz und los ging die Fahrt an Höpkens Ruh vorbei, auf<br />
der Landstraße nach rechts bis hinein nach Lilienthal zu<br />
Murkens Gasthof. „Der Gasthof hatte einen Pferdestall,<br />
sodass man ausspannen und in Ruhe die Kaffeetafel<br />
genießen konnte“, erzählt Dirk weiter.<br />
„Doch es blieb bei den Männern nicht beim Kaffee, einige<br />
Grogs kamen hinterher. Auf der Rückfahrt wurde noch bei<br />
Bekannten eingekehrt, was nicht ohne Wirkung blieb. Bei<br />
dieser letzten Einkehr brach beim scharfen Drehen des<br />
Schlittens die Deichsel. Jetzt war der Schlitten nicht mehr<br />
zu lenken. Er schleuderte hin und her. In Höhe des Hofes<br />
Lür Meier landeten wir mit dem Schlitten im Fleet. Das<br />
Pferd stand am Ufer. Wir mussten dann zu Fuß mit dem<br />
Pferd durch Höpkens Ruh nach Hause. Der Schlitten<br />
wurde am anderen Tag geborgen.“<br />
Sowohl Diedrich als auch Hermann Kothe hatten später in<br />
Borgfeld ihre Häuser. Dirk ist heute 87 Jahre alt. Obwohl<br />
seine Sehkraft nachgelassen hat, beteiligt er sich mit<br />
Leserbriefen für die Wümme-Zeitung und mit Bürgeranträgen<br />
beim Borgfelder Beirat noch lebhaft am ortspolitischen<br />
Geschehen.<br />
Hermann war 14 Jahre lang, von 1993 bis 2007, Ortsamtsleiter<br />
von Oberneuland. Weil er in Borgfeld wohnte, sagten<br />
ihm ein paar Neider nach, er sei kein richtiger Oberneulander.<br />
Diese Geschichte beweist das Gegenteil: Er lag im Fleet.<br />
Auch wenn er damals noch sehr jung, und obwohl das<br />
Wasser gefroren war: Im Fleet ist nun mal im Fleet. EM<br />
GUTE GEISTER UNTERWEGS<br />
In Bremen gibt es rund 150 landwirtschaftliche Betriebe. Im Oktober 2019 fand sich<br />
eine Facebook-Gruppe zusammen, aus der – unabhängig vom Bauernverband – das Bündnis<br />
„Land schafft Verbindung“ (LsV) mit bundesweit rund 40.000 Landwirten entstand. Rund<br />
70 von den Bremern schlossen sich dem Agrarbündnis an. „Redet mit statt über uns“ ist<br />
ihr Motto. Mit Trecker-Blockaden zum Beispiel vor Auslieferungslagern der Discounter<br />
konnten sie bereits einiges bewegen.<br />
Aber: „Wir wollen nicht immer nur demonstrieren und blockieren“, meinten Bremer<br />
Landwirte und ihre Kollegen aus der Umgebung. Die Menschen sollten sich auch einmal<br />
über die Bauern freuen. Gerade im Winter und in diesen besonderen Zeiten: „Ein Funken<br />
Hoffnung, wir bringen Licht ins Dunkel“, meinten sie und waren kurz vor Weihnachten<br />
mit einem langen Konvoi festlich und weihnachtlich beleuchteter Ackerschlepper unterwegs.<br />
Von Blumenthal über Vegesack, durch Blockland, an Borgfeld vorbei, durch Oberneuland,<br />
Schwachhausen, Walle, bis nach Grohn waren sie unterwegs. Wie Geisterfahrer tauchten<br />
sie auf und so schnell sie kamen, so schnell waren sie wieder weg. Mit Blaulicht und auf<br />
Motorrädern begleitete die Bremer Polizei über drei Stunden den angemeldeten Konvoi. EM<br />
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