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Download als pdf - Landesbeauftragte für Mecklenburg-Vorpommern

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Das SWAPO-Kinderheim Bellin <strong>als</strong> Objekt<br />

staatlich organisierter Solidarität<br />

Die SED beschloß im September 1979 ein Heim <strong>für</strong> namibische Vorschulkinder<br />

einzurichten. Wie in der zentralistisch regierten DDR üblich, wurden<br />

daraufhin die verschiedensten Ministerien: Volksbildung, Bauwesen,<br />

Verkehrswesen, Gesundheit, Finanzen, Handel und Versorgung damit<br />

beauftragt, entsprechende Programme auszuarbeiten. Die Abteilung <strong>für</strong><br />

Internationale Verbindungen des Zentralkomitee der SED sollte in allen<br />

relevanten Fragen mit der SWAPO zusammenarbeiten.<br />

Im Oktober 1979 reiste eine Delegation des Ministeriums <strong>für</strong> Volksbildung<br />

nach Angola, um dort mit Sam Nujoma und anderen führenden<br />

SWAPO-Vertretern die notwendigen Vorbereitungen zu treffen und abzustimmen.<br />

Unter anderem wurde beschlossen, bis auf weiteres auf Publikationen<br />

über den Aufenthalt der namibischen Kinder in der DDR zu verzichten. 27<br />

Über die Beweggründe <strong>für</strong> diese Entscheidung auf beiden Seiten läßt sich<br />

nur spekulieren. In einem Gespräch 1981 mit dem damaligen Landesbischof,<br />

Dr. Heinrich Rathke, sprach ein Vertreter des Rates des Bezirkes<br />

Schwerin, Abteilung Kirchenfragen recht nebulös von »bestimmten Bedingungen<br />

… wegen eines anderen Objekts am Orte« <strong>als</strong> es um den geplanten<br />

Ausbau des Pfarrhauses in Bellin zu einem »Haus <strong>für</strong> Studium und Stille«<br />

ging. Er wies auf »bestimmte Komplikationen« hin, die sich später in Bellin<br />

einstellen könnten und darauf, daß »staatlicherseits mögliche Aufenthaltsbeschränkungen,<br />

Kontrollen und dergleichen veranlaßt werden müssen, die<br />

sicher <strong>für</strong> beide Seiten unangenehm wären«. 28<br />

Offensichtlich be<strong>für</strong>chtete man, daß es zu Angriffen durch Feinde der<br />

SWAPO kommen könnte. Sicherlich ging es dabei vor allem um bestimmte<br />

Gruppen in Südafrika und deren mögliche Unterstützer und weniger um<br />

die Belliner Bevölkerung.<br />

Ein kirchlicher Mitarbeiter erinnerte sich an folgende staatlicherseits<br />

ausgesprochene Begründung <strong>für</strong> ein Verbot, das Pfarrhaus um- und auszubauen:<br />

»Die Kirche ist liiert mit der UNITA und das sind die Verbrecher. Die<br />

UNITA sind die westlich ausgerichteten Widerstandskämpfer gewesen. Und<br />

26<br />

wenn die UNITA rauskriegt, daß da so was existiert, dann werden die<br />

nachts mal – allen Ernstes ist das so gesagt worden – einen Fallschirmspringer<br />

mit einer Bombe unterm Arm absetzen. Die Kirche würde ihn natürlich<br />

schützen und verstecken. Wenn sich alles wieder beruhigt hat, wird er<br />

durchs Dorf schleichen und wird das namibische Kinderheim in die Luft<br />

sprengen.« 29<br />

Eine absurde Idee! Und aus heutiger Sicht mag sie manch einem höchst<br />

neurotisch erscheinen oder <strong>als</strong> schlechte Ausrede. Es ist jedoch zu bedenken,<br />

daß die namibischen Kinder alle aus dem Flüchtlingslager Kwanza Sul<br />

kamen, dem Hauptstützpunkt der SWAPO in Angola. Angesichts der Tatsache,<br />

daß sowohl mehrere Kinder führender SWAPO-Vertreter <strong>als</strong> auch<br />

die Ehefrau von Sam Nujoma und einer seiner Enkel mehrere Jahre in<br />

Bellin lebten, ist eine gewisse Vorsicht durchaus nachvollziehbar. Inwieweit<br />

darüberhinaus andere Gründe eine Rolle spielten, ließ sich weder aus den<br />

Gesprächen noch aus den Akten entnehmen.<br />

Bellin – Ort der Zuflucht<br />

»Es waren sowohl Kassinga-Opfer <strong>als</strong> auch Kinder von SWAPO-Funktionären,<br />

die ihre Kinder in Sicherheit wissen wollten«, antwortete ein<br />

ehemaliger »solidarity worker« aus dem Namibian Education Centre in<br />

Kwanza Sul auf die Frage, welche Kinder nach Bellin geschickt wurden.<br />

Auf die Frage warum ausgerechnet Bellin, ein kleines Dorf im <strong>Mecklenburg</strong>ischen<br />

in der Nähe von Güstrow <strong>für</strong> ein namibisches Kinderheim gewählt<br />

wurde, gibt es keine nachlesbare Antwort. Am ehesten läßt es sich<br />

aus der Geschichte des alten Gutshauses, in dem das Kinderheim untergebracht<br />

wurde, selbst erklären. 1911 von der Hamburger Handelsfamilie<br />

Sloman erbaut, diente das geräumige Gutshaus nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

erst <strong>als</strong> Waisenhaus, dann <strong>als</strong> Verwaltungsschule und später <strong>als</strong> Parteischule<br />

<strong>für</strong> SED-Funktionäre. Aus dieser Zeit haben manche Belliner Erinnerungen<br />

an Feste, auf denen sie in einem riesigen Saal mit Marmor an<br />

den Wänden und buntem Mosaik auf dem Fußboden tanzen konnten.<br />

Nachdem die Parteischule verlegt worden war, stand das Gebäude leer<br />

und wurde so umgebaut, daß es <strong>als</strong> Kinderheim genutzt werden konnte.<br />

Für die Belliner Bevölkerung ist es seitdem beinahe unmöglich geworden,<br />

das alte Gutshaus zu betreten oder gar darin zu feiern. Heute ist es wieder<br />

27

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