Recht & Geld Frühling/Sommer 2019

MagazinverlagBremen
von MagazinverlagBremen Mehr von diesem Publisher
11.01.2021 Aufrufe

ARBEITSRECHT Fragwürdige Arbeitsverträge Nicht jede Klausel im Dokument ist rechtlich wirksam Expertenrat Arbeitsverträge gibt es in den verschiedensten Gestalten: vom Handschlag bis zum seitenlangen Dokument. Je länger der Vertrag, desto fragwürdiger ist oft der Inhalt. Fachanwalt Gottbehüt deckt anhand geläufiger Beispiele unzulässige Klauseln auf und verweist auf geltendes Arbeitsrecht. Christoph Gottbehüt Rechtsanwalt Fachanwalt für Arbeitsrecht 8 Die Kontrolle der Arbeitsverträge nach den Maßstäben von „Allgemeinen Geschäftsbedingungen“ ist ein wichtiges Korrektiv, um die typischerweise ungleiche Verhandlungsmacht zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer auszugleichen. www.anwaelte-fuer-arbeitsrecht.de Auch wenn der Arbeitsmarkt sich inzwischen in vielen Branchen zugunsten der Arbeitnehmer verändert, gilt weiterhin: Wer einen neuen Arbeitsvertrag unterschreibt, befindet sich meistens nicht in der Position, über einzelne Formulierungen mit dem Arbeitgeber verhandeln zu können. Umso mehr ist das der Fall, wenn der Arbeitgeber gleichlautende Standardverträge für alle seine Mitarbeiter verwendet. Eine verbreitete Fehlannahme ist allerdings, dass alles, was durch den Arbeitnehmer unterschrieben wurde, auch gültig ist, getreu dem noch auf das römische Recht zurückgehenden Grundsatz „Verträge sind einzuhalten“ (lateinisch pacta sunt servanda). Das ist jedoch laut geltendem Arbeitsgesetz keineswegs uneingeschränkt der Fall. Gebote von Treu und Glauben Tatsächlich gibt es ein wichtiges Korrektiv, um die typischerweise ungleiche Verhandlungsmacht zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer auszugleichen: Die Kontrolle der Arbeitsverträge nach den Maßstäben von „Allgemeinen Geschäftsbedingungen“. Unwirksam sind danach gemäß § 307 des Bürgerlichen Gesetzbuchs alle Vertragsklauseln, die den Arbeitnehmer „entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen“. Wann das der Fall ist, hat die Rechtsprechung durch eine Vielzahl von Entscheidungen herausgearbeitet. Überstundenregelungen Die Klassiker: „Mit dem Gehalt sind alle Überstunden abgegolten.“ Diese Klausel ist eine unzulässige Benachteiligung, weil Leistung und Gegenleistung nicht mehr im Verhältnis stehen. Nur wenn klar und deutlich ist, wie viele Stunden maximal mit dem Gehalt abgegolten werden können, ist eine rechtmäßige Klausel denkbar. Andernfalls weiß der Arbeitnehmer schließlich nicht, was seine Arbeit wert ist. Eine Ausnahme macht die Rechtsprechung in bestimmten Fallkonstellationen allerdings bei Gehältern deutlich oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze und Diensten „höherer Art“ (zum Beispiel Rechtsanwälte), die nicht ohne weiteres eine Bezahlung von Überstunden verlangen könnten. Dreimonatsfrist „Alle Ansprüche sind innerhalb von drei Monaten schriftlich geltend zu machen. Danach gelten sie als verfallen.“ Generell werden auch kurze Ausschlussfristen zur Geltendmachung von Foto: Fotolia

ARBEITSRECHT Ansprüchen als erlaubt angesehen. Sie dürfen jedoch arbeitsvertraglich nicht kürzer als drei Monate sein. Nach einer neuen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 18. September 2018 muss in Arbeitsverträgen, die nach dem 1. Januar 2015 geschlossen wurden, in der Klausel aber ausdrücklich der Mindestlohn ausgenommen werden. Ist der Mindestlohn nicht ausgenommen, ist die Klausel, frei nach dem Motto „was einmal unwirksam ist, bleibt unwirksam“, insgesamt unwirksam und gilt auch nicht für alle anderen Ansprüche jenseits des Mindestlohns. Rückzahlungspflicht „Fortbildungskosten sind bei Vertragsbeendigung zurückzuzahlen.“ Viele Arbeitgeber bezuschussen Fortbildungen, verlangen aber im Gegenzug eine Verpflichtung, dass die Arbeitnehmer nach der Fortbildung eine bestimmte Zeit in ihrem Unternehmen bleiben, und behalten sich bei vorzeitiger Kündigung die Rückzahlung des Zuschusses vor. Auch das ist nicht so einfach regelbar. Denn der Arbeitnehmer darf nicht zu stark in seinem Recht, sich selber einen neuen Job zu suchen, beschränkt werden. Hierzu hat die Rechtsprechung eine Staffelregelung entwickelt, nach der maximal eine Bindungsdauer von fünf Jahren zulässig ist. Die höchstzulässige Bindung ist dabei jeweils gestaffelt nach der Dauer der Fortbildung, kann bei einer kürzeren Fortbildung also auch deutlich geringer sein. Und bleibt der Arbeitnehmer wenigstens einen Anteil der Zeit, muss sich auch die Rückzahlung entsprechend ermäßigen. Aber auch, wenn diese Anforderungen eingehalten werden, sind die Klauseln häufig unwirksam. Zu denken ist daran, dass eine Verpflichtung zur Rückzahlung nur dann besteht, wenn der Arbeitnehmer der Verpflichtung durch sein eigenes Zutun einhalten kann. Das heißt im Ergebnis: Kündigt der Arbeitgeber zum Beispiel aus betriebsbedingten Gründen, also aus seiner Sphäre heraus, kann auch keine Rückzahlungsverpflichtung bestehen. Und ist das nicht ausdrücklich in der Klausel ausgenommen, ist diese intransparent und damit auch insgesamt unwirksam und der Arbeitnehmer kann das Arbeitsverhältnis selber kündigen, ohne dass er Angst vor der Rückzahlung haben muss. Weitere Klauseln in Arbeitsverträgen, die häufig einer AGB-Kontrolle nicht standhalten, betreffen zum Beispiel Widerrufs- und Freiwilligkeitsvorbehalte für Sonderleistungen der Arbeitgeber, Vertragsstrafenregelungen oder Rückgabeverpflichtungen von Dienstwagen. Hier kann sich ein genauer Blick lohnen. Verträge sind nicht bedingungslos einzuhalten, sondern nur dann, wenn sie einer AGB-Kontrolle standhalten. Klauseln, die den Arbeitnehmer „entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen“, sind auch dann unwirksam, wenn der Mitarbeiter das Dokument unterschrieben hat. Anwälte für Arbeitsrecht Dieter Dette Fachanwalt für Arbeitsrecht Michael Nacken Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Pelin Öğüt Fachanwältin für Arbeitsrecht Markus Barton Fachanwalt für Arbeitsrecht Simon Wionski Fachanwalt für Arbeitsrecht Christoph Gottbehüt Fachanwalt für Arbeitsrecht Sven Bleck-Vogdt Rechtsanwalt LL.M. (Köln/Paris I) Bredenstraße 11 28195 Bremen Telefon 0421 - 699 015-0 kanzlei@dnoe.de www.anwaelte-fuer-arbeitsrecht.de Mitglied in der Kooperation Arbeitnehmeranwälte Arbeitnehmer- Anwälte www.arbeitnehmeranwaelte.de Ihre Anwälte und Fachanwälte für Arbeitsrecht Stark für Arbeitnehmer und Betriebsräte Dette · Nacken · Öğüt & Kollegen Anwälte für Arbeitsrecht 9

ARBEITSRECHT<br />

Ansprüchen als erlaubt angesehen. Sie dürfen<br />

jedoch arbeitsvertraglich nicht kürzer als drei<br />

Monate sein. Nach einer neuen Entscheidung<br />

des Bundesarbeitsgerichts vom 18. September<br />

2018 muss in Arbeitsverträgen, die nach dem<br />

1. Januar 2015 geschlossen wurden, in der Klausel<br />

aber ausdrücklich der Mindestlohn ausgenommen<br />

werden. Ist der Mindestlohn nicht<br />

ausgenommen, ist die Klausel, frei nach dem<br />

Motto „was einmal unwirksam ist, bleibt unwirksam“,<br />

insgesamt unwirksam und gilt auch<br />

nicht für alle anderen Ansprüche jenseits des<br />

Mindestlohns.<br />

Rückzahlungspflicht<br />

„Fortbildungskosten sind bei Vertragsbeendigung<br />

zurückzuzahlen.“ Viele Arbeitgeber bezuschussen<br />

Fortbildungen, verlangen aber im<br />

Gegenzug eine Verpflichtung, dass die Arbeitnehmer<br />

nach der Fortbildung eine bestimmte<br />

Zeit in ihrem Unternehmen bleiben, und behalten<br />

sich bei vorzeitiger Kündigung die Rückzahlung<br />

des Zuschusses vor. Auch das ist nicht so<br />

einfach regelbar. Denn der Arbeitnehmer darf<br />

nicht zu stark in seinem <strong>Recht</strong>, sich selber einen<br />

neuen Job zu suchen, beschränkt werden. Hierzu<br />

hat die <strong>Recht</strong>sprechung eine Staffelregelung<br />

entwickelt, nach der maximal eine Bindungsdauer<br />

von fünf Jahren zulässig ist. Die höchstzulässige<br />

Bindung ist dabei jeweils gestaffelt nach<br />

der Dauer der Fortbildung, kann bei einer kürzeren<br />

Fortbildung also auch deutlich geringer<br />

sein. Und bleibt der Arbeitnehmer wenigstens<br />

einen Anteil der Zeit, muss sich auch die Rückzahlung<br />

entsprechend ermäßigen.<br />

Aber auch, wenn diese Anforderungen eingehalten<br />

werden, sind die Klauseln häufig unwirksam.<br />

Zu denken ist daran, dass eine Verpflichtung<br />

zur Rückzahlung nur dann besteht, wenn<br />

der Arbeitnehmer der Verpflichtung durch sein<br />

eigenes Zutun einhalten kann. Das heißt im Ergebnis:<br />

Kündigt der Arbeitgeber zum Beispiel<br />

aus betriebsbedingten Gründen, also aus seiner<br />

Sphäre heraus, kann auch keine Rückzahlungsverpflichtung<br />

bestehen. Und ist das nicht<br />

ausdrücklich in der Klausel ausgenommen, ist<br />

diese intransparent und damit auch insgesamt<br />

unwirksam und der Arbeitnehmer kann das<br />

Arbeitsverhältnis selber kündigen, ohne dass er<br />

Angst vor der Rückzahlung haben muss.<br />

Weitere Klauseln in Arbeitsverträgen, die häufig<br />

einer AGB-Kontrolle nicht standhalten,<br />

betreffen zum Beispiel Widerrufs- und Freiwilligkeitsvorbehalte<br />

für Sonderleistungen der<br />

Arbeitgeber, Vertragsstrafenregelungen oder<br />

Rückgabeverpflichtungen von Dienstwagen.<br />

Hier kann sich ein genauer Blick lohnen.<br />

Verträge sind nicht<br />

bedingungslos einzuhalten,<br />

sondern nur<br />

dann, wenn sie einer<br />

AGB-Kontrolle standhalten.<br />

Klauseln, die<br />

den Arbeitnehmer<br />

„entgegen den Geboten<br />

von Treu und Glauben<br />

unangemessen<br />

benachteiligen“, sind<br />

auch dann unwirksam,<br />

wenn der Mitarbeiter<br />

das Dokument unterschrieben<br />

hat.<br />

Anwälte für<br />

Arbeitsrecht<br />

Dieter Dette<br />

Fachanwalt für Arbeitsrecht<br />

Michael Nacken<br />

Fachanwalt für Arbeitsrecht<br />

Dr. Pelin Öğüt<br />

Fachanwältin für Arbeitsrecht<br />

Markus Barton<br />

Fachanwalt für Arbeitsrecht<br />

Simon Wionski<br />

Fachanwalt für Arbeitsrecht<br />

Christoph Gottbehüt<br />

Fachanwalt für Arbeitsrecht<br />

Sven Bleck-Vogdt<br />

<strong>Recht</strong>sanwalt LL.M. (Köln/Paris I)<br />

Bredenstraße 11<br />

28195 Bremen<br />

Telefon 0421 - 699 015-0<br />

kanzlei@dnoe.de<br />

www.anwaelte-fuer-arbeitsrecht.de<br />

Mitglied in der Kooperation<br />

Arbeitnehmeranwälte<br />

Arbeitnehmer-<br />

Anwälte<br />

www.arbeitnehmeranwaelte.de<br />

Ihre Anwälte und Fachanwälte für Arbeitsrecht<br />

Stark für Arbeitnehmer und Betriebsräte<br />

Dette · Nacken · Öğüt & Kollegen<br />

Anwälte für Arbeitsrecht<br />

9

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!