EINÄUGIG & BLAUSILBIG

Zu guter Letzt, der Klappentext: Eine Frau. Dunkle Dokumente. Ein schaumweinschlürfender Zyklop. Und als ein Anruf die Zündschnur der Ereignisse entflammt, ist eines bereits besiegelt: Dieser Tag wird von Zwölf AutorInnen fortgeschrieben werden. Wie werden sie ihr Schicksal ausmalen? Welche Bilder werden die Kuppel ihres Schädels schmücken? Welche Gefühle werden sie ihr auf den Hals hetzen? Und wird es am Ende Sinn machen, sich so entschieden zu haben? Ein Textperiment von Susanne Altmann, Nina Buschendorf, Peter Frankenbach, Hinnerk Henze, Kira Horžak, Cem Karci, Lana Kesselring, Sabrina Leich, Jonathan Mürmann, Annika Rauscher, Anna-Lina Weiß und Justin Ziemba – unter der Leitung von Stephan Ganser im Fachkurs Texthandwerk, Fakultät Kunst und Gestaltung, Sommersemester 2020 an der Bauhaus-Universität Weimar. Zu guter Letzt, der Klappentext:
Eine Frau. Dunkle Dokumente. Ein schaumweinschlürfender Zyklop. Und als ein Anruf die Zündschnur der Ereignisse entflammt, ist eines bereits besiegelt: Dieser Tag wird von Zwölf AutorInnen fortgeschrieben werden. Wie werden sie ihr Schicksal ausmalen? Welche Bilder werden die Kuppel ihres Schädels schmücken? Welche Gefühle werden sie ihr auf den Hals hetzen? Und wird es am Ende Sinn machen, sich so entschieden zu haben?
Ein Textperiment von Susanne Altmann, Nina Buschendorf, Peter Frankenbach, Hinnerk Henze, Kira Horžak, Cem Karci, Lana Kesselring, Sabrina Leich, Jonathan Mürmann, Annika Rauscher, Anna-Lina Weiß und Justin Ziemba – unter der Leitung von Stephan Ganser im Fachkurs Texthandwerk, Fakultät Kunst und Gestaltung, Sommersemester 2020
an der Bauhaus-Universität Weimar.

05.01.2021 Aufrufe

„Das ist doch ein verdammter schlechter Scherz,“ stößt er wütendhervor und ich werfe ihm einen ungläubigen Blick zu. „Jetzt ist der Punkt, an dem du auch mal nervös wirst, ja?“Polyphem geht nicht auf mich ein. Über den Seitenspiegelbeobachtet er den Renault, der scharf hinter uns parkt. Murmeltetwas Unverständliches und dreht sich mir zu. „Erkennst du auchnur einen der Wagen?“ Ich schüttle mit dem Kopf. Mein Körper fühlt sich mittlerweileruhig an, fast taub. Die Panik bleibt aus. Vielleicht, weil das hiertrotz allem keine Überraschung ist. Ich wusste ja von Anfang an,worauf ich mich einlasse. Nicht unbedingt emotional; und mit derSache zwischen Ilja und mir hat ja auch niemand gerechnet - ichzuallerletzt. Aber grundlegend. Den Auftrag anzunehmen und heilaus der Sache wieder herauszukommen, wäre damals schon einelachhafte Vorstellung gewesen. Jetzt also unausweichlich – was immer kommt, kommt.Das Fahrzeug vor uns hält in gut zehn Metern Entfernung. Kurzscheint alles still. Niemand anderes in Sicht und die Autotürenbewegen sich nicht. Es ist, als würden alle drei Parteien auf etwaswarten. Mein Mund wird jetzt doch trocken.„Der Renault war keine Überraschung. Das Teil da,“ zischtPolyphem und weist mit dem Kinn auf das beige Auto, „das gehörtFrank.“„Frank?“„Frank.“Pause.

Ich fühle mich, als würden mir mehrere Puzzleteile fehlen. MitBlick auf Polyphems Pistole schnalle ich mich ab. „Du kannst mir nicht erzählen, dass Frank sich mit so einerSchrottkarre sehen lässt.“„Na, ich sag mal, sein offizielles Auto ist es nicht.“„Und was macht Frank hier?“„Die Frage ist vielmehr, wer in Franks Auto sitzt.“ Er schaut michan und hebt die Mundwinkel, die unangenehme Nachahmungeines Lächelns. „Soweit ich weiß, haben nur zwei Menschen denSchlüssel zu diesem Wagen. Und Frank überreicht in derRedaktion gerade deine Arbeit. Persönlich.“ 11Ich spüre, wie sich ein Fragezeichen langsam über meinem Kopfaufbläht, während ich Polyphem anstarre. „Dieser Dreckskerl“,zischt es zwischen seinen zusammengebissenen Zähnen hervor.„Dieses verdammte Schwein. Wie hat er uns gefunden?“, fährt ermit beunruhigend ruhiger Stimme fort. Ein Geräusch hinter unserregt meine Aufmerksamkeit und als ich über meine linkeSchulter schaue, stelle ich fest, dass der Verfolger uns nuneingeholt hat und hinter uns stehen bleibt. Geblendet vom Licht wende ich mich mit zusammengekniffenenAugen wieder zu Polyphem, der immer noch das Auto anstarrtund tue es ihm gleich. Das Fragezeichen über meinem Kopf istinzwischen so groß, dass es für Polyphem und mich ziemlich engim Auto und schwer zu atmen wird. Ich fühle mich so hilflos wieein Vogelbaby, das von seinen Eltern aus dem Nest geschmissenwird. 11Anna-Lina Weiß

„Das ist doch ein verdammter schlechter Scherz,“ stößt er wütend

hervor und ich werfe ihm einen ungläubigen Blick zu.

„Jetzt ist der Punkt, an dem du auch mal nervös wirst, ja?“

Polyphem geht nicht auf mich ein. Über den Seitenspiegel

beobachtet er den Renault, der scharf hinter uns parkt. Murmelt

etwas Unverständliches und dreht sich mir zu. „Erkennst du auch

nur einen der Wagen?“

Ich schüttle mit dem Kopf. Mein Körper fühlt sich mittlerweile

ruhig an, fast taub. Die Panik bleibt aus. Vielleicht, weil das hier

trotz allem keine Überraschung ist. Ich wusste ja von Anfang an,

worauf ich mich einlasse. Nicht unbedingt emotional; und mit der

Sache zwischen Ilja und mir hat ja auch niemand gerechnet - ich

zuallerletzt. Aber grundlegend. Den Auftrag anzunehmen und heil

aus der Sache wieder herauszukommen, wäre damals schon eine

lachhafte Vorstellung gewesen.

Jetzt also unausweichlich – was immer kommt, kommt.

Das Fahrzeug vor uns hält in gut zehn Metern Entfernung. Kurz

scheint alles still. Niemand anderes in Sicht und die Autotüren

bewegen sich nicht. Es ist, als würden alle drei Parteien auf etwas

warten. Mein Mund wird jetzt doch trocken.

„Der Renault war keine Überraschung. Das Teil da,“ zischt

Polyphem und weist mit dem Kinn auf das beige Auto, „das gehört

Frank.“

„Frank?“

„Frank.“

Pause.

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