EINÄUGIG & BLAUSILBIG
Zu guter Letzt, der Klappentext: Eine Frau. Dunkle Dokumente. Ein schaumweinschlürfender Zyklop. Und als ein Anruf die Zündschnur der Ereignisse entflammt, ist eines bereits besiegelt: Dieser Tag wird von Zwölf AutorInnen fortgeschrieben werden. Wie werden sie ihr Schicksal ausmalen? Welche Bilder werden die Kuppel ihres Schädels schmücken? Welche Gefühle werden sie ihr auf den Hals hetzen? Und wird es am Ende Sinn machen, sich so entschieden zu haben? Ein Textperiment von Susanne Altmann, Nina Buschendorf, Peter Frankenbach, Hinnerk Henze, Kira Horžak, Cem Karci, Lana Kesselring, Sabrina Leich, Jonathan Mürmann, Annika Rauscher, Anna-Lina Weiß und Justin Ziemba – unter der Leitung von Stephan Ganser im Fachkurs Texthandwerk, Fakultät Kunst und Gestaltung, Sommersemester 2020 an der Bauhaus-Universität Weimar.
Zu guter Letzt, der Klappentext:
Eine Frau. Dunkle Dokumente. Ein schaumweinschlürfender Zyklop. Und als ein Anruf die Zündschnur der Ereignisse entflammt, ist eines bereits besiegelt: Dieser Tag wird von Zwölf AutorInnen fortgeschrieben werden. Wie werden sie ihr Schicksal ausmalen? Welche Bilder werden die Kuppel ihres Schädels schmücken? Welche Gefühle werden sie ihr auf den Hals hetzen? Und wird es am Ende Sinn machen, sich so entschieden zu haben?
Ein Textperiment von Susanne Altmann, Nina Buschendorf, Peter Frankenbach, Hinnerk Henze, Kira Horžak, Cem Karci, Lana Kesselring, Sabrina Leich, Jonathan Mürmann, Annika Rauscher, Anna-Lina Weiß und Justin Ziemba – unter der Leitung von Stephan Ganser im Fachkurs Texthandwerk, Fakultät Kunst und Gestaltung, Sommersemester 2020
an der Bauhaus-Universität Weimar.
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Ich muss an Illja denken. Daran, was er gesagt hatte, als wir
zusammen am Meer waren. Ich höre ihn immer wieder reden.
„Niemals, verstehst du? Niemals. Ist egal worum’s geht, wofür.
Verstehst du?“
Er konnte seine Familie nicht verraten. Die Loyalität zu Menschen
die er liebt, stand ihm immer ins Gesicht geschrieben. Das Grün in
seinen Augen vermittelte mir das beruhigende Gefühl von Freiheit.
Von jetzt an müssen es nur noch wenige Stunden sein, bis er
erfährt, dass ich ihn bestohlen habe. Um die Unterlagen. Um sein
Vertrauen. In meiner Brust macht sich wieder dieses Gefühl von
Enge breit. Ich atme, aber es fühlt sich so an, als würde mich
jemand zusammendrücken; als würde jemand versuchen, den
letzten Rest aus einer Caprisonne zu quetschen.
Es ist wie Klaustrophobie. Als wäre meine Lunge eingesperrt in
einem Fahrstuhl aus den Sechzigern, umgeben von schweren
Persönlichkeiten, die sich gegen mich lehnen, um genug Platz zu
haben, um ihre Koffer zu öffnen. Die Akten, die sie greifen wollen,
gleiten aus ihren verschwitzten Händen und verteilen sich überall
dort, wo ohnehin schon kein Platz ist.
Meine Brust bleibt viele Sekunden unbewegt, bis sie sich ruckartig
wölbt, um Luft zu atmen. Ich muss kurz weg gewesen sein.
Vermutlich bin ich unterzuckert. Kein Wunder, essen kann ich
schon lange nicht mehr. Meine zittrigen Hände greifen nach dem
Milka Herz. So muss sich meine kranke Großmutter gefühlt
haben, als sie mir die Hand gab wie ein zittriger Lachs. „Dattrich“
hat sie dazu immer gesagt.