Die etwas anderen Ägypter Gestüt Philippe Paraskevas Zucht Im November 2019 hatte ich die Gelegenheit, einen Besuch auf dem Gestüt von Philippe Paraskevas in Dashour zu machen. Er züchtet - weitab vom Mainstream - hauptsächlich Stutenlinien (Strains) und Hengstlinien, die bei vielen anderen Züchtern in Vergessenheit geraten sind. Seine <strong>Pferde</strong> machen Hoffnung, dass der Rein-Ägypter in Zukunft nicht nur als "Kunstwerk" weiterbesteht. (links) Narguis (Agad (EAO) / Oukht El Kamar) *2016 - Stutenlinie El Dahma (Dahman Shahwan) und (rechts) Leilat El Oumr (Zay El Hawa / Farahat El Oumr) *2012 - Stutenlinie El Kahila (Kuheilan Krush) 6 © ARABISCHE PFERDE - <strong>IN</strong> <strong>THE</strong> <strong>FOCUS</strong> 4/<strong>2020</strong>
Schon allein die Fahrt nach Dashour war die Reise wert! Hier trafen wir auf das ländliche Ägypten, das sich auf einem schmalen Streifen rechts und links entlang des Nils abspielt. Palmenhaine und kleine Dörfer wechseln sich ab, und je weiter wir aufs Land kommen, desto häufiger begegnen uns Eselkarren statt Autos. Mit jeder Abzweigung wird die Straße schmaler, bis sie zu einem Feldweg wird, eingezwängt zwischen Grundstücksmauern auf der einen und dem Kanal auf der anderen Seite – hoffentlich kommt uns hier kein Auto entgegen! Andere Selektionskriterien Wir gelangen zu einem großen Tor, das sich vor uns auftut, und fahren auf die Farm von Hammad Rabeii, dem Gestütsmanager von Philippe Paraskevas, unserem Gastgeber. Philippe Paraskevas züchtet seit über 30 Jahren – und seit 5-6 <strong>Pferde</strong>generationen – arabische <strong>Pferde</strong>. Aber anders als bei anderen Züchtern war es nicht nur ihre Schönheit, die ihn gefangen nahm, sondern ihre inneren Qualitäten, ihr Wesen, ihr Charakter und ihre Leistungsfähigkeit. Philippe Paraskevas hat einen etwas anderen Zugang zur Zucht, einen eher analytischen Zugang im Vergleich zu vielen seiner Züchterkollgen. Und so hat er sich intensiv mit den Hengst- und Stutenlinien der RAS / EAO und Inshass-Zucht befasst – den Gründerpferden der „Rein-Ägypter“ – und hat sich dem Erhalt der Linien in ihren ursprünglichen Erscheinungsbildern verschrieben. Außerdem achtet er in seiner Zucht auf Eigenschaften wie Wille, Charakter, Gesundheit und Fruchtbarkeit, aber natürlich auch Reiteignung, denn der Araber war ein Kriegspferd. Für Paraskevas hat die Reiteignung die gleiche Priorität wie die anderen Kriterien, und so werden seine <strong>Pferde</strong>, und hier insbesondere die Hengste, regelmäßig für mehrere Stunden in der Wüste geritten. Interessant für den Besucher ist, dass die <strong>Pferde</strong> hier zwar alle auf die Gründerpferde der RAS/EAO/Inshass zurückgehen, wie dies auch für das ägyptische Staatsgestüt El Zahraa oder anderen private Ägypter-Zuchten gilt, aber aufgrund anderer Selektionsmerkmale sehen sie anders aus: Sie sind in der Regel kalibrig, haben eine starke Hinterhand und entsprechend kraftvolle, energische Bewegungen, die Halsung ist vielleicht nicht immer perfekt, aber meist genügend lang, und sie haben häufig – nicht immer – ein gerades Profil mit einem schönen, wohlplazierten Auge. Wo ein „Dish“ vorhanden ist, ist dieser wohl eher „zufällig“, aber nicht das Produkt gezielter Paarung, um diesen zu erreichen. Wichtig ist es Paraskevas, die individuellen Charakteristika der Stämme (strains) und der dazugehöri- gen Stutenlinen zu erhalten. So beschreibt er die Obeyans beispielsweise als ausbalancierte <strong>Pferde</strong> mit hoher Schweifhaltung, mit großen und ausdrucksstarken Augen, und beseelt vom Geist der Wüste. Die Kohailan Krushs sind eher zurückhaltend, stolz und hochmütig, und sie brauchen Zeit, um eine Beziehung zu ihrem Reiter aufzubauen. Über die Kohailan-Krush-Stute El Kahila hat sich insbesondere in Anpaarung mit El Deree der „Wüstenlook“ – diese besondere Trockenheit der Strukturen – erhalten. Die Saklawi Jedranis, deren Linie über die legendäre Moniet el Nefous führt, zeichnen sich durch Balance und Harmonie aus, durch Eleganz und Feinheit, aber manchmal haben sie auch einen langen Rücken, den man vermeiden sollte. Erhaltung der Hengstlniien Für Paraskevas gilt, dass das arabische Pferd nicht in eine „Schablone“ gepresst werden darf – im Gegenteil, sein Leitsatz lautet „Vielfalt“. Vielfalt in der Gestalt (Phänotyp) und Vielfalt in den Blutlinien (Genotyp), denn schon das arabische Pferd der Wüste war mitnichten einheitlich! Das aber bedeutet, dass auch Wert auf den Erhalt derjenigen Linien gelegt werden muß, die nicht der gängigen Mode – und das bedeutet heute dem von der Saklawi-I-Linie geprägten „Ideal“ – entsprechen. Ein anderer Leitsatz lautet, dass Schönheit und Funktionalität sich nicht ausschließen, wo aber Züchter sich nur auf die Schönheit konzentrieren, geht die Funktionalität verloren – und das ist ein Weg ohne Wiederkehr. Dieses Bewußtsein war auch bei Philippe Paraskevas nicht von Anfang an vorhanden, und auch er startete seine Zucht ohne genaue Vorstellung davon, wohin sie führen würde. Es dauerte seine Zeit, bis er eine züchterische Alternative zum Mainstream entwi- Zucht 4/<strong>2020</strong> - www.in-the-focus.com 7