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ERSTE HILFE chemistry.de - FIZ CHEMIE Berlin

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+ Geschichte <strong>de</strong>r Giftmor<strong>de</strong><br />

+ Gifte im Pfanzen- und Tierreich<br />

+ Gift und Gegengift<br />

24. Erscheinungsjahr / 61. Ausgabe<br />

Deutsche Version<br />

+report+<br />

Jetzt mit interaktiven Lerneinheiten!<br />

Zur Lerneinheit<br />

<strong>chemistry</strong>.<strong>de</strong>


| 2 >> INHALT + IMPRESSUM + EDITORIAL<br />

2 >> Impressum<br />

2 >> Editorial<br />

3 >> Vorwort <strong>de</strong>r Geschäftsführung<br />

4 >> Was ist Gift?<br />

5 >> Die Geschichte <strong>de</strong>r Giftmor<strong>de</strong><br />

9 >> Giftpflanzen – Pflanzengifte<br />

12 >> Leseempfehlung<br />

13 >> Tiergifte<br />

14 >> Giftmüllverbrennungsanlagen<br />

16 >> Gift und Gegengift<br />

19 >> Achema 2009<br />

19 >> News<br />

20 >> Erste Hilfe/Leseraufruf<br />

Weitere Informationen zu unseren Gift Artikeln in<br />

diesem +report+ fin<strong>de</strong>n Sie aktuell bei uns im<br />

Internet: www.fch.<strong>de</strong>.<br />

Impressum<br />

<strong>FIZ</strong> <strong>CHEMIE</strong> +report+ wird zweimal jährlich von <strong>de</strong>r Fachinformations<br />

zentrum Chemie GmbH (kurz: <strong>FIZ</strong> <strong>CHEMIE</strong>) herausgegeben.<br />

<strong>FIZ</strong> <strong>CHEMIE</strong><br />

Franklinstr. 11, 10587 <strong>Berlin</strong> · Germany<br />

Telefon: +49 30 399 77 0<br />

Telefax: +49 30 399 77 134<br />

E chemie.<strong>de</strong><br />

www.<strong>chemistry</strong>.<strong>de</strong><br />

Geschäftsführer: Prof. Dr. René Deplanque; Aufsichtsratsvorsitzen<strong>de</strong>r:<br />

SenRat Bernd Lietzau, <strong>Berlin</strong> Amtsgericht Charlottenburg – HRB 19047<br />

Herausgeber: <strong>FIZ</strong> <strong>CHEMIE</strong><br />

Chefredaktion: Richard Huber (rh)<br />

Redaktion: Prof. Dr. René Deplanque (rd), Annette Prahl (ap), Dr. Ulrich<br />

Rößler (roe), Dr. Jörg Homann (hm), Michael Laumer (lau), Fotos, wenn<br />

nicht an<strong>de</strong>rs benannt, von R. Huber<br />

Koordination: Annette Prahl (ap)<br />

Anzeigenservice: Vanessa Vogt Herrmann<br />

E chemie.<strong>de</strong><br />

Telefon: +49 30 399 77 114<br />

Telefax: +49 30 399 77 132<br />

Anzeigenpreise: z. Z. gültige Preisliste Nr. 24 ab 01.01.2009<br />

Gestaltung: Bergmann & Partner<br />

Illustrationen: Gabriele Seiß<br />

Goethestraße 42, 10625 <strong>Berlin</strong> · www.bup wa.<strong>de</strong><br />

Redaktionsschluss für diese Ausgabe: 09.10.2009<br />

ISSN: 0930 276X<br />

© 2009 <strong>FIZ</strong> <strong>CHEMIE</strong><br />

Das Zitieren und die Wie<strong>de</strong>rgabe von Beiträgen im <strong>FIZ</strong> <strong>CHEMIE</strong> +report+<br />

sind unter Angabe von <strong>FIZ</strong> <strong>CHEMIE</strong> +report+ als Quelle erwünscht. Bitte<br />

schicken Sie ein Belegexemplar an <strong>FIZ</strong> <strong>CHEMIE</strong>, Marketing & Kommunika<br />

tion, Postfach 12 03 37, 10593 <strong>Berlin</strong>.<br />

<strong>FIZ</strong> <strong>CHEMIE</strong> +report+ wird auf Anfor<strong>de</strong>rung kostenlos verschickt.<br />

Bitte richten Sie Ihre Anfrage o<strong>de</strong>r Anschriftsän<strong>de</strong>rungen schriftlich an<br />

<strong>FIZ</strong> <strong>CHEMIE</strong>, Marketing & Kommunikation, Postfach 12 03 37, 10593 <strong>Berlin</strong>,<br />

E chemie.<strong>de</strong>.<br />

Liebe Leserin und lieber Leser,<br />

„Spieglein, Spieglein an <strong>de</strong>r Wand – wer ist die<br />

Schönste im ganzen Land?” fragte die Stiefmutter<br />

Schneewittchens <strong>de</strong>n Wun<strong>de</strong>rspiegel. Als sie die Ant<br />

wort bekam, dass sie nur die zweitschönste Frau sei,<br />

reiste sie über die Berge zu <strong>de</strong>n sieben Zwergen um<br />

Schneewittchen zu vergiften. Mit einem vergifteten<br />

Haarband, einem vergifteten Kamm und einem vergif<br />

teten Apfel. Während die ersten bei<strong>de</strong>n Giftanschläge<br />

offenbar mittels schlecht gewählter Kontaktgifte verübt<br />

Richard Huber<br />

Leiter Marketing & Kommunikation<br />

wur<strong>de</strong>n, war die<br />

böse Stiefmutter<br />

mit <strong>de</strong>m oral ver<br />

abreichten Gift<br />

auf <strong>de</strong>r rotwan<br />

gigen Seite <strong>de</strong>s<br />

Apfels zunächst<br />

erfolgreich. Aller<br />

dings war die<br />

Dosierung falsch<br />

gewählt. Schnee<br />

schnell ins Koma,<br />

dass sie <strong>de</strong>n Bis<br />

sen nicht ganz<br />

hinunterschlucken<br />

konnte. Der Prinz<br />

im Märchen rettet Schneewittchen mit seinem Kuss,<br />

vermutlich unwissentlich, dass er sich dabei selbst in<br />

Lebensgefahr brachte. Erfolgreicher war da die 13.<br />

Fee bei Dornröschen. Sie erzielte durch subkutane<br />

Giftverabreichung – genau wie einige Jahrhun<strong>de</strong>rte<br />

später <strong>de</strong>r bulgarische Geheimdienst beim Schrift<br />

steller Georgi Markow – immerhin ein 100 jähriges<br />

Wachkoma bei Ihrem Opfer. Gifte haben in uns Men<br />

schen immer zugleich Neugier und Sensationslust<br />

und Recycling sowie ein augenzwinkern<strong>de</strong>r Gang durch<br />

die Giftküchen <strong>de</strong>r Jahrhun<strong>de</strong>rte sind diesmal Thema<br />

unseres aktuellen +report+.<br />

Eine unterhaltsame Lesezeit wünscht Ihnen, liebe<br />

Leserinnen und Leser, …<br />

Richard Huber


Vorwort <strong>de</strong>r Geschäftsführung<br />

Wie verknüpft man Wissensvermittlung und Produkt<br />

werbung auf einer großen Industrie Leitmesse?<br />

Dieser Frage ging das Fachinformationszentrum Che<br />

mie in seinen Vorbereitungen zur ACHEMA 2009 mehr<br />

als eineinhalb Jahre nach. Und, Sie wer<strong>de</strong>n erstaunt<br />

sein, es ist nicht nur möglich, son<strong>de</strong>rn es führt zu<br />

ungeahnten Ergebnissen.<br />

Mit 12.500 Besuchern an unserem Gemeinschafts<br />

stand schlugen wir alle Rekor<strong>de</strong>. Es war dies <strong>de</strong>r<br />

bestbesuchte Messestand – nach offizieller Zählung<br />

<strong>de</strong>s Veranstalters, <strong>de</strong>r DECHEMA. Auf unserem<br />

180 m² – Mitmachstand zeigten wir „Wege aus <strong>de</strong>m<br />

Bildungsdschungel, Wege aus <strong>de</strong>m Informations<br />

dschungel”. Zusammen mit unserem Marketingpart<br />

ner, <strong>de</strong>r TFH Wildau entwickelten wir das innovative<br />

Messekonzept <strong>de</strong>r Medieninseln. Das sind reale An<br />

lagen, Maschinen und Versuchsaufbauten aus <strong>de</strong>m<br />

Forschungs und Lehrbereich <strong>de</strong>r Fachhochschule,<br />

die in elektronischen Ausbildungsmodulen erklärt<br />

und erforschbar gemacht wer<strong>de</strong>n. Ergänzt wer<strong>de</strong>n<br />

Anlagen und Lerneinheiten durch fachlich kompetente<br />

Tutoren, die die Standbesucher am Exponat betreuen<br />

und Fachfragen beantworten.<br />

Wir haben in <strong>de</strong>n fünf Messetagen eine Menge Er<br />

fahrungen gesammelt und gelernt. Wir haben die<br />

heranwachsen<strong>de</strong> Generation von Ingenieurinnen und<br />

Ingenieuren, Naturwissenschaftlerinnen und Natur<br />

wissenschaftlern kennen und schätzen gelernt. Wir<br />

haben gesehen, dass die vom Fernsehen so ger<br />

ne präsentierten Jugendlichen, <strong>de</strong>ren Lebensinhalt<br />

das sogenannte „Komasau<br />

fen” darstellt, nur eine kleine<br />

Randgruppe sind. Unser na<br />

turwissenschaftlich technischer<br />

Nachwuchs lernt gerne und<br />

freiwillig. Er ist interessiert,<br />

offen und aufnahmefähig.<br />

Verbin<strong>de</strong>n<strong>de</strong>s Element aller<br />

Exponate und Medieninseln auf<br />

unserem Messestand war ein<br />

Lernquiz. Besucher unseres<br />

Stan<strong>de</strong>s, die min<strong>de</strong>stens 5 von<br />

10 Medieninseln besuchten, die<br />

zugehörigen ChemgaPedia –<br />

Lerneinheiten und Quizfragen<br />

bearbeiteten und uns ihre Lösung überreichten, be<br />

kamen ein CHEMGAROO T Shirt. Obwohl nur fünf von<br />

zehn Aufgaben gelöst wer<strong>de</strong>n mussten, erkun<strong>de</strong>ten<br />

über 60 % <strong>de</strong>r Quizteilnehmer alle 10 Medieninseln<br />

und beantworteten die Übungsaufgaben.<br />

Viele unserer Besucherinnen und Besucher blieben 30<br />

bis 60 Minuten an unserem Stand und informierten<br />

sich über die beteiligten Institute, Bildungsinhalte,<br />

Exponate und Fachangebote im Detail. Das sind schö<br />

ne und optimistische Signale für die Zukunft unseres<br />

Lan<strong>de</strong>s. <strong>FIZ</strong> <strong>CHEMIE</strong> wird mit seinen Partnern diesen<br />

Weg weiter beschreiten. Technologietransfer und die<br />

Motivation nachwachsen<strong>de</strong>r Generationen stan<strong>de</strong>n<br />

und stehen im Fokus unseres Marketings.<br />

Prof. Dr. René Deplanque<br />

VORWORT


| 4 >> WAS IST GIFT?<br />

Was ist Gift?<br />

Als ich meine 7 jährige Tochter vor einigen Tagen<br />

fragte: „Was <strong>de</strong>nkst Du, was Gift ist?” antwortete<br />

sie mit einer sehr bildhaften Erklärung: „Gift ist<br />

eine schleimige, grüne Flüssigkeit, die ganz doll ge<br />

fährlich ist und stinkt.” Eigentlich scha<strong>de</strong>, dass Gift<br />

nicht immer so gut sichtbar und geruchsintensiv ist.<br />

Gera<strong>de</strong> darin besteht die Tücke. Der Definition zu<br />

folge wer<strong>de</strong>n Gifte (Toxine vom griech. toxikón) als<br />

Gefahrstoffe erklärt, „(…) die beim Verschlucken, Ein<br />

atmen o<strong>de</strong>r bei <strong>de</strong>r Berührung mit <strong>de</strong>r Haut schwere<br />

Gesundheitsschä<strong>de</strong>n hervorrufen o<strong>de</strong>r sogar <strong>de</strong>n Tod<br />

bewirken können.” 1 Bereits Paracelsus (1493–1541)<br />

erkannte, dass es auf die Dosis ankommt: „Alle<br />

Dinge sind Gift und nichts ist ohne Gift.” Auch kön<br />

nen, je nach Dosierung, ein und dieselben Stoffe im<br />

Gefahrensymbol und<br />

Kennbuchstabe<br />

sehr giftig<br />

T+<br />

giftig<br />

T<br />

gesundheitsschädlich<br />

Xn<br />

menschlichen Organismus unterschiedliche Wirkung<br />

entfalten; z. B. ist Zucker für uns Menschen ein le<br />

benswichtiges Kohlenhydrat und spen<strong>de</strong>t Energie, an<br />

<strong>de</strong>rerseits kann die Einnahme von zu großen Mengen<br />

Zucker lebensbedrohliche Folgen haben – überhöhter<br />

Zuckergehalt im Blut kann zu einem Insulinschock<br />

führen.<br />

In <strong>de</strong>r mo<strong>de</strong>rnen Toxikologie, <strong>de</strong>r Wissenschaft zur<br />

Erforschung von Giften, wird von <strong>de</strong>r kritischen<br />

Schwellenkonzentration eines Stoffes gesprochen,<br />

also <strong>de</strong>r Giftkonzentration, die bei einem Organismus<br />

eine erkennbare Schädigung verursacht.<br />

Gefahrstoffe, die Vergiftungen beim Menschen her<br />

vorrufen, wer<strong>de</strong>n grundsätzlich in folgen<strong>de</strong> Gruppen<br />

unterteilt:<br />

Einstufung <strong>de</strong>s Stoffes bzw.<br />

Stoffgemisches<br />

Aufnahme sehr geringer Mengen ruft<br />

schwere akute o<strong>de</strong>r chronische Gesund<br />

heitsschä<strong>de</strong>n hervor o<strong>de</strong>r führt zum Tod<br />

Aufnahme geringer Mengen ruft schwere<br />

akute o<strong>de</strong>r chronische Gesundheitsschä<strong>de</strong>n<br />

hervor o<strong>de</strong>r führt zum Tod, auch alle CMR<br />

Stoffe (= EU Einstufung in krebserzeugend,<br />

erbgutverän<strong>de</strong>rnd o<strong>de</strong>r fortpflanzungsge<br />

fähr<strong>de</strong>nd)<br />

Aufnahme größerer Mengen ruft schwere<br />

akute o<strong>de</strong>r chronische Gesundheitsschä<strong>de</strong>n<br />

hervor<br />

1 Quelle: „In Übersichten Chemie”, 1998, Sommer/Wünsch,<br />

S. 131<br />

Zur Lerneinheit<br />

Beispiel<br />

Atropin, Brom, Sarin,<br />

Thallium<br />

Benzol, Bromwasser,<br />

Chlor, Formal<strong>de</strong>hyd<br />

lösung, Methanol,<br />

Tetrachlormethan<br />

Bariumchlorid, Kalium<br />

chlorat, Trichlormethan<br />

Die in <strong>de</strong>r Tabelle aufgeführte Einteilung giftiger Stoffe<br />

ist innerhalb <strong>de</strong>r EU standardisiert. Zu<strong>de</strong>m wer<strong>de</strong>n<br />

Gefahrstoffe, welche Gesundheits und Umweltschä<br />

<strong>de</strong>n auslösen, zusätzlich in einzelne Spezifikationen<br />

unterglie<strong>de</strong>rt, worauf in unserem Artikel über Giftmüll<br />

ab Seite 14 näher eingegangen wird. +ap<br />

Inhaltsverzeichnis


Die Geschichte <strong>de</strong>r Giftmor<strong>de</strong><br />

Warum gera<strong>de</strong> Gift?<br />

„... nur einer <strong>de</strong>r Herren hatte noch Zeit zu bemer<br />

ken: ‚oh, wie köstlich‘.”<br />

„Arsen und Spitzenhäubchen”, USA 1944<br />

Der Reiz <strong>de</strong>s Giftmor<strong>de</strong>s liegt seit jeher in einem<br />

vermin<strong>de</strong>rten Risiko für <strong>de</strong>n Täter in Bezug auf Be<br />

schaffung und Strafverfolgung. Ferner kann er, zu<br />

meist unabhängig von Körperkraft o<strong>de</strong>r technischer<br />

Begabung, wie sie beispielsweise <strong>de</strong>r Umgang mit<br />

Handfeuerwaffen erfor<strong>de</strong>rt, ausgeübt wer<strong>de</strong>n. Abge<br />

sehen von einer überdurchschnittlichen Kaltblütigkeit<br />

(über Giftmor<strong>de</strong> im Affekt ist nur wenig bekannt) ist<br />

ein gewisses naturwissenschaftliches Verständnis für<br />

die Dosierung und die Tatverschleierung hilfreich: Je<br />

nach Dosierung kann <strong>de</strong>r Täter Heftigkeit, Zeitpunkt<br />

und Ort <strong>de</strong>s To<strong>de</strong>s recht präzise steuern. Ja er kann<br />

sich während <strong>de</strong>r Tat, sollte sich etwa das Verhältnis<br />

von Opfer zu Täter unerwartet harmonisieren, noch<br />

umentschei<strong>de</strong>n. Hierin liegt ein klarer Vorteil gegen<br />

über einem Pistolenschuss.<br />

Damit wollen wir uns begnügen; wir wollen nicht er<br />

muntern, son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>n chemischen und historischen<br />

Aspekt beleuchten, zumal die genannten Vorteile mit<br />

fortschreiten<strong>de</strong>r Empfindlichkeit <strong>de</strong>r Analysemetho<br />

<strong>de</strong>n seit Mitte <strong>de</strong>s 19. Jahrhun<strong>de</strong>rts erheblich unter<br />

laufen wur<strong>de</strong>n.<br />

Religion und Mythologie<br />

„Derselbe soll dir <strong>de</strong>n Kopf zertreten, und du wirst<br />

ihn in die Ferse stechen.”<br />

1. Mose, 3, 15<br />

Bei chronologischer Vorgehensweise fin<strong>de</strong>t man<br />

<strong>de</strong>n ersten Giftmord bereits in <strong>de</strong>r Bibel. Im streng<br />

säkular juristischen Sinne erfolgte <strong>de</strong>r erste Giftmord<br />

vor ca. 6000 Jahren quasi als Auftragsmord von Gott<br />

an die Schlange. 2 Diese Exegese ist vielleicht kühn,<br />

und im religiösen Sinne hat <strong>de</strong>r biblische Gott im<br />

Umgang mit Leben und Tod eine gewisse Monopol<br />

stellung. Doch die Schlange nimmt erst im Zuge <strong>de</strong>s<br />

2 Genesis, 1. Buch Mose, s. Lutherbibel 1912<br />

Zur Lerneinheit<br />

DIE GESCHICHTE DER GIFTMORDE


H<br />

| 6 >> DIE GESCHICHTE DER GIFTMORDE<br />

+<br />

H 3C<br />

H 3C<br />

Die<br />

O<br />

C<br />

O<br />

C<br />

Wirksto<br />

ffe<br />

<strong>de</strong>s<br />

Schlang<br />

engifts<br />

sind<br />

Neuroto<br />

xine,<br />

aus Aminosäuren aufgebaute Polypepti<strong>de</strong> mit komple<br />

xer dreidimensionaler Struktur. Die Blockierung <strong>de</strong>r<br />

Neurotransmitter Rezeptoren führt zur Lähmung, die<br />

Verschiebung <strong>de</strong>s Gleichgewichts zur Acetylcholin<br />

Bildung bzw. die Inhibition <strong>de</strong>r Esterase zum Krampf:<br />

• Lähmung<br />

β Neurotoxine, Blockierung <strong>de</strong>r Bildung an <strong>de</strong>r<br />

Nervenzelle (z. B. Ammodytoxin, Sandotter)<br />

Neurotoxine, Blockierung <strong>de</strong>s Rezeptors an <strong>de</strong>r<br />

Muskelzelle (z. B. Cobratoxin, Kobra)<br />

• Krampf<br />

O<br />

O<br />

H<br />

C<br />

H<br />

H<br />

Struktur <strong>de</strong>r Acetylcholin Spaltung<br />

Dendrotoxine, vermehrte Ausschüttung von<br />

Acetyl cholin an <strong>de</strong>r Membran <strong>de</strong>r Nervenzelle<br />

(z. B. Dendrotoxin, verschie<strong>de</strong>ne Mambas)<br />

Die Wahl zwischen Krampf o<strong>de</strong>r Lähmung trifft je<strong>de</strong><br />

Schlange für sich. Einige beson<strong>de</strong>rs bösartige Exem<br />

plare besitzen zusätzlich hämolytische o<strong>de</strong>r muskel<br />

zersetzen<strong>de</strong> aktive Substanzen.<br />

+<br />

C<br />

H<br />

CH3 CH3 N<br />

CH 3<br />

H 2O<br />

AChE Acetylcholin Esterase<br />

HO<br />

H<br />

C<br />

C<br />

+<br />

CH3 CH3 N<br />

CH 3<br />

Weitere Informationen zu unseren Gift Artikeln in<br />

diesem +report+ fin<strong>de</strong>n Sie aktuell bei uns im<br />

Internet: www.fch.<strong>de</strong>.<br />

H<br />

H<br />

H<br />

Die Pharaonen<br />

„Der Mundschenk <strong>de</strong>s Königs von Ägypten und <strong>de</strong>r<br />

Bäcker versündigten sich an ihrem Herrn.”<br />

1. Mose 40, 1<br />

Während die ersten Aufzeichnungen <strong>de</strong>r Bibel etwa<br />

auf das Jahr 1.500 v. Chr. und die <strong>de</strong>r griechischen<br />

Mythologie auf das Jahr 800 v. Chr. (Ilias) zu datie<br />

ren sind, beginnt die reale Geschichte <strong>de</strong>r Giftmor<strong>de</strong><br />

bereits mit <strong>de</strong>n ersten Pharaonen um 3.200 v. Chr.<br />

Aus Furcht vor <strong>de</strong>r Tradition, Konkurrenten (zumeist<br />

Familienmitglie<strong>de</strong>r) mit Gift aus <strong>de</strong>m Weg zu räumen,<br />

entstand die Zunft <strong>de</strong>r Mundschenke o<strong>de</strong>r auch Vor<br />

koster. Diese hatten einen relativ guten Stand bei<br />

Hofe, waren dafür mehr o<strong>de</strong>r weniger täglich vom<br />

To<strong>de</strong> bedroht. Die Gifte aus dieser Zeit basierten<br />

häufig auf gezielt verdorbenen Speisen, die z. B.<br />

„Leichengift” (toxischer Bestandteil ist das Alkaloid<br />

Neurin [(H 3C) 3N CH=CH 2]+OH , letale Dosis etwa<br />

50 mg pro kg Körpergewicht) enthielten. In dieser<br />

Ära wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r schleichen<strong>de</strong> Giftmord, die regelmä<br />

ßige Verabreichung geringer Dosen, erfun<strong>de</strong>n. Auf<br />

diese Weise zeigte <strong>de</strong>r Vorkoster zumin<strong>de</strong>st zeitnah<br />

keinerlei Symptome und starb allenfalls zeitgleich mit<br />

seinem Dienstherren.<br />

Sokrates, die Antike<br />

„Leben – das heisst lange krank sein: ich bin <strong>de</strong>m<br />

Heilan<strong>de</strong> Asklepios einen Hahn schuldig.”<br />

Sokrates, 399 v.Chr.<br />

Auch wenn Sokrates letzte Worte nicht einem Gift<br />

mord im eigentlichen Sinne vorausgingen, zumal <strong>de</strong>r<br />

Lehrer Platons auch noch die Wahl seiner Hinrich<br />

tungsart hatte und diese selbst ausübte, so lässt doch<br />

die Härte und Zweifelhaftigkeit <strong>de</strong>s Urteils wegen<br />

Gottlosigkeit und ver<strong>de</strong>rblichen Einflusses auf die<br />

Jugend (nach <strong>de</strong>n Maßstäben <strong>de</strong>r Rechtsprechung im<br />

Athen <strong>de</strong>s Jahres 399 v. Chr.) diese Kategorisierung<br />

zu. Und es han<strong>de</strong>lt sich um die wohl bekannteste Ver<br />

giftung <strong>de</strong>r Geschichte, die Einnahme <strong>de</strong>s gefleckten<br />

Schierlings aus <strong>de</strong>m sogenannten Schierlingsbecher.<br />

Inhaltsverzeichnis


Der Wirkstoff <strong>de</strong>s gefleckten Schierlings ist das Pipe<br />

ridinalkaloid Coniin o<strong>de</strong>r auch (s) 2 Propylpiperidin:<br />

Struktur <strong>de</strong>s Coniin<br />

Die Stereoisomerie <strong>de</strong>s Moleküls ist für <strong>de</strong>ssen Toxizi<br />

tät unerheblich. Die letale Dosis (LD50, Tod von 50 %<br />

<strong>de</strong>r Versuchstiere) liegt für <strong>de</strong>n Menschen bei etwa<br />

6 mg pro kg Körpergewicht. Wahrscheinlich wur<strong>de</strong><br />

Sokrates die sonst übliche Beimengung von einschlä<br />

fern<strong>de</strong>m Mohnextrakt verwehrt. Coniin bewirkt eine<br />

sukzessive Lähmung <strong>de</strong>s Rückenmarks mit abschlie<br />

ßen<strong>de</strong>m Atemstillstand ohne vorherige Bewusstseins<br />

trübung. Die erste Synthese erfolgte 1886 über die<br />

Knoevenagel Kon<strong>de</strong>nsation durch Albert La<strong>de</strong>nburg.<br />

Der Blaue Eisenhut<br />

„Aconita trinkt man nicht aus ir<strong>de</strong>nen Krügen. Der<br />

nur fürchte sie, wer einen e<strong>de</strong>lsteinbesetzten Becher<br />

zum Mun<strong>de</strong> führt.”<br />

Juvenal ca. 60–130 n.Chr.<br />

Der römische Satiriker Juvenal spielt hier auf die Un<br />

sitte <strong>de</strong>s römischen Hocha<strong>de</strong>ls an, politische Wi<strong>de</strong>r<br />

sacher mit blauem Eisenhut (aconitum napellus, auch<br />

Mönchskappe genannt) auszuschalten. Der blaue<br />

Eisenhut ist eine <strong>de</strong>r giftigsten Pflanzen Europas.<br />

Sie wur<strong>de</strong> von Papst Clemens VII. für Hinrichtungen<br />

verwen<strong>de</strong>t, war Bestandteil <strong>de</strong>r sogenannten Hexen<br />

o<strong>de</strong>r Flugsalbe, galt als tantrisches Rauschmittel<br />

und wur<strong>de</strong> für einen Anschlag auf <strong>de</strong>n Propheten<br />

Mohammed missbraucht. Auch in <strong>de</strong>r griechischen<br />

Oberschicht erfreute sich Aconita zur Zeit Juvenals<br />

einiger Beliebtheit bei <strong>de</strong>r Beseitigung von Mitbe<br />

werbern. In <strong>de</strong>r griechischen Mythologie erwuchs <strong>de</strong>r<br />

erste Eisenhut aus <strong>de</strong>m auf die Er<strong>de</strong> tropfen<strong>de</strong>n Spei<br />

chel <strong>de</strong>s Höllenhun<strong>de</strong>s Kerberos, als dieser erstmalig<br />

in die Sonne blickte (am Hügel Akonitos im heutigen<br />

Nordwesten <strong>de</strong>r Türkei).<br />

DIE GESCHICHTE DER GIFTMORDE


| 8 >> DIE GESCHICHTE DER GIFTMORDE<br />

<strong>de</strong>s „Erbschaftspulvers”. Und wenn auch zahlreiche<br />

Mor<strong>de</strong> an an<strong>de</strong>ren Fürstenhöfen verübt wur<strong>de</strong>n,<br />

assoziiert man noch heute beson<strong>de</strong>rs zwei Dynastien<br />

mit diesem Gift – die Medici und die Borgia. Dies<br />

ist allerdings eher <strong>de</strong>m Mythos geschul<strong>de</strong>t, dass die<br />

bei<strong>de</strong>n Dynastien ihre Machtinteressen rücksichtslos<br />

und zugleich erfolgreich durchsetzten, als konkreten<br />

Analyseergebnissen.<br />

Zweifellos sprechen die Umstän<strong>de</strong>, unter <strong>de</strong>nen viele<br />

Kontrahenten <strong>de</strong>n Weg frei gaben, für Mord und wohl<br />

auch Giftmord, aber <strong>de</strong>r entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Hinweis auf<br />

die Verwendung von Arsentrioxid wur<strong>de</strong> erst kürzlich<br />

im Zellgewebe <strong>de</strong>r Leber <strong>de</strong>s 1587 verstorbenen<br />

Großherzogs Francesco <strong>de</strong> Medici ent<strong>de</strong>ckt. Allerdings<br />

könnte er sich als Hobbyalchemist auch von eigener<br />

Hand kontaminiert haben. Selbst <strong>de</strong>r berüchtigten<br />

Lucrezia Borgia (1480–1519) ist ein Mord mit Arse<br />

nik (noch) nicht nachzuweisen. Zu<strong>de</strong>m ist eine für<br />

heutige Verhältnisse hohe Konzentration an Arsen in<br />

Gewebeproben aus dieser Zeit nicht ungewöhnlich,<br />

da es beispielsweise bei <strong>de</strong>r Kupferaufbereitung mit<br />

anfiel, in Perückenpulver enthalten war, und es da<br />

mals Analysemetho<strong>de</strong>n für geringe Verunreinigungen<br />

nicht gab.<br />

Rätselhaft bleibt weiterhin <strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rspruch zwischen<br />

<strong>de</strong>r steten Betonung, Arsenik sei bis zur Einführung<br />

<strong>de</strong>r „Marsh`schen Probe” im Jahre 1836 in <strong>de</strong>r Fo<br />

rensik nahezu unnachweisbar gewesen, und <strong>de</strong>r<br />

gleichzeitigen sicheren Behauptung, es sei verwen<strong>de</strong>t<br />

wor<strong>de</strong>n.<br />

Marsh’sche Probe<br />

As 2O 3 + 12 H nasc.* 2 AsH 3 + 3 H 2O<br />

2 AsH 3 2 As + 3 H 2<br />

Arsentrioxid inhibiert wichtige Enzymfunktionen durch<br />

Blocka<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Rezeptoren, senkt <strong>de</strong>n Glutathion<br />

Spiegel in <strong>de</strong>r Leber, was <strong>de</strong>n Schadstoffabbau re<br />

duziert, und führt zu akuten Gewebeentzündungen.<br />

Der genaue Chemismus <strong>de</strong>r Organschädigungen ist<br />

überraschen<strong>de</strong>rweise bis heute Gegenstand intensiver<br />

Untersuchungen. Die letale Dosis für <strong>de</strong>n Menschen<br />

* In status nascendi, aus saurer Zinklösung, atomarer,<br />

angeregter Zustand<br />

liegt bei etwa 1,4 mg pro kg Körpergewicht. Der<br />

Nachweis besteht in einem schwarzen Nie<strong>de</strong>rschlag<br />

von Arsen.<br />

Mozart o<strong>de</strong>r die Faszination <strong>de</strong>s Giftmor<strong>de</strong>s<br />

„Der Geschmack <strong>de</strong>s To<strong>de</strong>s ist auf meiner Zunge, ich<br />

fühle etwas, das nicht von dieser Welt ist.”<br />

Letzte Worte am 5. Dezember 1791<br />

Mozart war Freimaurer. In <strong>de</strong>r Zauberflöte offenbart<br />

er in verschlüsselter Form geheime Riten seiner Loge.<br />

Die Freimaurer veranlassen daraufhin seinen Mäzen<br />

Gottfried van Swieten – vermutlich durch Bestechung<br />

o<strong>de</strong>r Erpressung – seinem Schützling mehrfach Arsen<br />

ins Essen zu mischen, woran Mozart am fünften De<br />

zember 1791 in Wien verstirbt. O<strong>de</strong>r: Mozart starb an<br />

einer Rachenentzündung. Welche Erklärung übt mehr<br />

Faszination aus?<br />

Das Zusammenspiel von Genie, Größe, Konspiration<br />

und schließlich Giftmord befriedigt die menschliche<br />

Sensationslust in einem Maße, welche die nüchterne<br />

Klärung einer To<strong>de</strong>sursache stark behin<strong>de</strong>rt und wohl<br />

charakteristisch für viele historische Giftmor<strong>de</strong> ist:<br />

Während offensichtliche Hinweise auf einen natür<br />

lichen Tod gern ignoriert wer<strong>de</strong>n, lässt je<strong>de</strong>r noch so<br />

kleine Hinweis auf einen Giftmord o<strong>de</strong>r Mord im Allge<br />

meinen die Spekulationen eskalieren. Psychologisch<br />

liegt wohl das Prinzip <strong>de</strong>r Selbstentlastung zugrun<strong>de</strong>:<br />

„Seht her, er war genial und groß und wur<strong>de</strong> feige<br />

umgebracht.”<br />

An dieser Stelle sollen nicht die vielen Indizien für<br />

o<strong>de</strong>r gegen einen Giftmord an Mozart bewertet wer<br />

<strong>de</strong>n wie z. B. aufzehren<strong>de</strong>r Lebenswan<strong>de</strong>l, Pharyngi<br />

tis Epi<strong>de</strong>mie (Rachenentzündung), Tagebucheintra<br />

gungen, Siechtum, Beerdigung dritter Klasse (trotz<br />

Mäzen und geschätzter Freimaurermitgliedschaft)<br />

o<strong>de</strong>r Neid (Antonio Salieri).<br />

Auch unter chemischen Gesichtspunkten ist Mozart<br />

wohl einzigartig. Mit keinem Komponisten wer<strong>de</strong>n<br />

mehr Schwermetalle in Verbindung gebracht:<br />

Inhaltsverzeichnis


• Quecksilber: Mord (unspezifisch) bzw. Selbstmedi<br />

kation gegen Syphilis<br />

• Arsen und Arsenik: Mord durch van Swieten bzw.<br />

Antonio Salieri (Aqua Tofana * )<br />

• Antimon: Aqua Tofana *<br />

• Bleioxid: Aqua Tofana *<br />

* Mozart selbst glaubte, man habe ihn mit <strong>de</strong>m „Was<br />

ser <strong>de</strong>r Teofania” (Aqua Tofana) vergiftet. Es han<strong>de</strong>lt<br />

sich um ein wohl auch von <strong>de</strong>n Medicis häufig ver<br />

wen<strong>de</strong>tes geruchs und geschmackloses Gift, <strong>de</strong>ssen<br />

Bestandteile neben Arsenik, Bleioxid und Antimon<br />

auch das aus einem Käfer, <strong>de</strong>r „Spanischen Fliege”<br />

(Lytta vesicatoria), gewonnene Cantharidin enthält:<br />

O<br />

O<br />

O<br />

O<br />

Struktur <strong>de</strong>s Cantharidin<br />

Das Monoterpen greift das zentrale Nervensystem an<br />

und kann zu Lebervergiftung (die Mozart sich auch<br />

selbst und wissentlich beigebracht hat) und Nieren<br />

versagen führen.<br />

Schlussbemerkung<br />

Sicher fallen Ihnen noch zahlreiche an<strong>de</strong>re berühmte<br />

Namen im Zusammenhang mit Giftmord ein, wie et<br />

wa Agrippina, Kaiser Claudius, die Zähringer ... Ist<br />

die Anzahl <strong>de</strong>r kriminologisch erfassten Giftmor<strong>de</strong><br />

mit Einführung <strong>de</strong>r Marsh’schen Probe und an<strong>de</strong>rer<br />

Analysenmetho<strong>de</strong>n stark angestiegen, so ist au<br />

genfällig, dass sich seither unter <strong>de</strong>n Tätern kaum<br />

mehr Personen hohen Ranges befin<strong>de</strong>n. Verläuft <strong>de</strong>r<br />

Fortschritt von Demokratie und Rechtstaatlichkeit<br />

umgekehrt proportional zur Anzahl von Giftmor<strong>de</strong>n<br />

in höheren Kreisen? Auf je<strong>de</strong>n Fall wären mo<strong>de</strong>rne<br />

Medicis und Borgias wohl kaum mehr <strong>de</strong>nkbar, wie<br />

auch <strong>de</strong>r fehlgeschlagene, grausame Dioxin Anschlag<br />

auf <strong>de</strong>n ukrainischen Reformpolitiker Viktor Juscht<br />

schenko im Jahr 2004 zeigt.<br />

O<strong>de</strong>r gab es all die berühmten Giftmor<strong>de</strong> gar nicht?<br />

Zur Lerneinheit<br />

GIFTPFLANZEN - PFLANZENGIFTE


| 10 >> GIFTPFLANZEN - PFLANZENGIFT<br />

Brennnessel (Urtica)<br />

Die größte Gruppe an Pflanzen<br />

giften nehmen Alkaloi<strong>de</strong> ein. Hierzu<br />

gehören bekannte Namen wie das<br />

äußerst bitter schmecken<strong>de</strong>, früher als<br />

Rattengift genutzte Strychnin, LD50 2,4 mg pro kg<br />

(Ratte, oral), das in <strong>de</strong>n Samen <strong>de</strong>r gewöhnlichen<br />

Brechnuss (Strychnos nux vomica) gebil<strong>de</strong>t wird. Ein<br />

an<strong>de</strong>rer Vertreter ist das Nikotin, das in <strong>de</strong>r Tabak<br />

pflanze und in geringer Menge in Nachtschattenge<br />

wächsen wie <strong>de</strong>r Aubergine und <strong>de</strong>r Engelstrompete<br />

vorkommt. Nikotin för<strong>de</strong>rt in <strong>de</strong>r menschlichen Blut<br />

bahn die Ausschüttung von Adrenalin sowie <strong>de</strong>r Neu<br />

rotransmitter Dopamin und Serotonin. Es blockiert die<br />

Nervenknoten <strong>de</strong>s vegetativen Nervensystemes. Folgen<br />

sind ein Anstieg <strong>de</strong>s Blutdrucks und eine Steigerung <strong>de</strong>r<br />

Herzfrequenz. Nikotin, LD50 0,88 mg pro kg (Mensch,<br />

oral), ist ein stärkeres Gift als Kaliumcyanid. Auch<br />

das äußerst giftige Toxin <strong>de</strong>r Tollkirsche<br />

(Atropa belladonna), das Atropin,<br />

© Julietta Hoffmann/pixelio<br />

Tollkirsche (Atropa belladonna)<br />

gehört in die Gruppe <strong>de</strong>r Alkaloi<strong>de</strong>. Atropin wirkt<br />

blockierend auf <strong>de</strong>n Ruhenerv (Parasympathikus)<br />

<strong>de</strong>s vegetativen Nervensystems, <strong>de</strong>r für Erholung<br />

und Schonung <strong>de</strong>s menschlichen Organismus sorgt.<br />

Dementsprechend sind die Symptome einer Atropin<br />

vergiftung Herzrasen, Verwirrtheit, Halluzinationen,<br />

Bewusstlosigkeit und Gefahr <strong>de</strong>r Atemlähmung. In<br />

seiner<br />

blockie<br />

ren<strong>de</strong>n<br />

Wirkung<br />

<strong>de</strong>s<br />

Parasymp<br />

athikus<br />

wird Atropin als Gegenmittel für Opfer bestimmter<br />

Nervengifte (organische Phosphorsäureester, Tabun,<br />

Sarin) eingesetzt, die auf einer Hemmung <strong>de</strong>r Acetyl<br />

cholinesterase basieren (siehe auch Artikel „Gift und<br />

Gegengift”, S. 16).<br />

An<strong>de</strong>re starke Pflanzengifte fin<strong>de</strong>n sich in Form von<br />

Eiweißstoffen wie <strong>de</strong>m sehr giftigen Ricin (aus <strong>de</strong>r<br />

Gruppe <strong>de</strong>r Lektine), das in <strong>de</strong>r Pflanze und vor allem<br />

<strong>de</strong>n Samen <strong>de</strong>s Wun<strong>de</strong>rbaumes (Ricinus communis)<br />

gebil<strong>de</strong>t wird. Bereits 0,25 mg reines Ricin, das ent<br />

spricht 2–3 Samenkapseln, können einen erwachse<br />

nen Menschen töten. Ricin bewirkt beim Menschen<br />

Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Schwäche, Krämpfe<br />

an Hän<strong>de</strong>n und Beinen, Fieber und akutes Nierenver<br />

sagen. Aufgrund seiner extremen Giftigkeit wird Ricin<br />

in <strong>de</strong>r Liste <strong>de</strong>r Chemiewaffenkonvention als starkes<br />

Nervengift aufgeführt.<br />

Wun<strong>de</strong>rbaum (Ricinus communis)<br />

Ein an<strong>de</strong>res Lektin ist das komplexe P rot e i n<br />

Phasin, welches die roten Blutkör perchen<br />

miteinan<strong>de</strong>r verklebt. Phasin macht ausgerechnet<br />

die Gartenbohne (Phaseolus vulgaris) zu einer <strong>de</strong>r<br />

giftigsten Pflanzen unserer Hausgärten. Bohnen sind<br />

neben <strong>de</strong>n Kürbissen die ältesten angebauten Nutz<br />

Inhaltsverzeichnis


pflanzen und stellen noch heute die Grundversorgung<br />

an Lebensmitteln in vielen Län<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Welt dar.<br />

Lektine sind hitzeinstabil und wer<strong>de</strong>n beim Kochen<br />

zerstört, in rohem Zustand führt <strong>de</strong>r Verzehr <strong>de</strong>r<br />

Gartenbohne zu Erbrechen, Durchfall sowie zu Ma<br />

gen und Darmbeschwer<strong>de</strong>n. Auch tödliche Unfälle<br />

sind bekannt.<br />

Gartenbohnen (Phaseolus vulgaris)<br />

Cicutoxin, das Gift <strong>de</strong>s Wasserschierlings (Cicuta<br />

virosa), gehört zur Gruppe <strong>de</strong>r Alkinole. Das Gift bin<br />

<strong>de</strong>t an Rezeptoren für hemmen<strong>de</strong> Neurotransmitter<br />

im Zentralnervensystem und blockiert diese. Cicuto<br />

xin (C 17H 22O 2) kommt in allen Pflanzenteilen <strong>de</strong>s Was<br />

serschierlings vor. Symptome einer Vergiftung sind<br />

Schwin<strong>de</strong>l, Leibschmerzen, Übelkeit und Erbrechen.<br />

Sie treten bereits 15–30 Minuten nach <strong>de</strong>r Einnahme<br />

entsprechen<strong>de</strong>r Pflanzenteile auf.<br />

Die tödliche Dosis, LD50<br />

(Maus, oral) von Cicutoxin<br />

liegt bei 9,2 mg pro kg.<br />

©Renate Franke/pixelio<br />

Schierling<br />

(Cicuta virosa)<br />

GIFTPFLANZEN - PFLANZENGIFT


| 12 >> GIFTPFLANZEN - PFLANZENGIFTE<br />

©Dieter Schütz/pixelio<br />

Christrose (Helleborus foetidus)<br />

Der in vielen Zier und Hausgärten anzutreffen<strong>de</strong><br />

stinken<strong>de</strong> Nieswurz (Helleborus foetidus), auch<br />

Christ rose genannt, enthält ein Gemisch verschie<br />

<strong>de</strong>ner Steroidsaponine. Diese wirken im Körper <strong>de</strong>s<br />

Menschen bereits in geringer Menge hämolytisch<br />

(blutauflösend) – sie zerstören die roten Blutkör<br />

perchen. Die Verwechslung <strong>de</strong>s Würzkrauts Petersilie<br />

mit <strong>de</strong>r Hundspetersilie (Aethusa cyna pium) kann zu<br />

schweren Vergiftungen beim Menschen führen. Das<br />

verantwortliche Toxin Aethusin gehört zur Klasse <strong>de</strong>r<br />

Polyine (Polyacetylen Verbindungen). Symptome sind<br />

u. a. Durchfall, Leibschmerzen, Krämpfe und, bei ho<br />

her Dosierung, Atemlähmung.<br />

Als letzte toxische Gruppe an Wirkstoffen seien die<br />

Herzglykosi<strong>de</strong> genannt, die in <strong>de</strong>r heimischen Flora<br />

etwa im Fingerhut (Digitalis) und im Maiglöckchen<br />

(Convallaria majalis) anzutreffen sind. Die To<br />

xine (Digitalisglykosi<strong>de</strong>) bewirken Herzrhythmusstö<br />

rungen, die gegebenenfalls zum Tod führen können.<br />

Sehr schön lässt sich hierbei in<strong>de</strong>s <strong>de</strong>r Effekt einer<br />

exakten Dosierung zeigen. Die Digitalisglykosi<strong>de</strong> zäh<br />

len nämlich heute zu <strong>de</strong>n wichtigsten Medikamenten<br />

grundstoffen gegen Herzschwäche (Herzinsuffizienz).<br />

Die Wirkstoffe verringern zugleich die Schlagfrequenz<br />

und steigern die Kontraktionskraft <strong>de</strong>s Herzmuskels.<br />

©Sabine Geißler/pixelio<br />

Zur Lerneinheit<br />

Die Wirkstoffe wer<strong>de</strong>n übri<br />

gens auch von Hautdrüsen<br />

einiger Krötenarten gebil<strong>de</strong>t<br />

und wur<strong>de</strong>n früher als<br />

Pfeilgifte verwen<strong>de</strong>t.<br />

(siehe auch Artikel<br />

„Tiergifte”, ab S. 13)<br />

Fingerhut (Digitalis)<br />

Haben Sie die eine o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Pflanze wie<strong>de</strong>rer<br />

kannt, die sich in einer Ecke Ihres Gartens versteckt<br />

o<strong>de</strong>r die Sie bei einem Herbstspaziergang am We<br />

gesrand mit einem kurzen Blick streiften? In unserer<br />

hochtechnisierten Welt scheinen Gefahren für Leib<br />

und Gesundheit vorwiegend von Umweltgiften, Kran<br />

kenhauskeimen und Feinstaub auszugehen. Wie nahe<br />

und selbstverständlich wir dabei mit hochtoxischen<br />

Pflanzengiften oft in Berührung kommen ist unserer<br />

Wahrnehmung kaum bewusst.<br />

©Kurt F. Domnik/pixelio<br />

Maiglöckchen (Convallaria majalis)<br />

Gera<strong>de</strong> Kin<strong>de</strong>r wer<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>n optischen Reizen gif<br />

tiger Pflanzen und <strong>de</strong>rer Beeren und Früchte magisch<br />

angezogen. Kenntnisse über Gifte und Gefahren <strong>de</strong>r<br />

Pflanzenwelt sollten wir unseren Kin<strong>de</strong>rn daher früh<br />

zeitig vermitteln, um Unfälle und ernsthafte Kompli<br />

kationen im Vorfeld zu vermei<strong>de</strong>n. +rh<br />

<strong>FIZ</strong> Lese-Empfehlung<br />

„Die Gifte in <strong>de</strong>r Weltgeschichte”<br />

von Louis Lewin, (TOSA Verlag 2007, 480 Seiten,<br />

aktualisierte und bearbeitetet Neuausgabe)<br />

Prof. Dr. Louis Lewin (1850–1929)<br />

war Arzt, Pharmakologe und<br />

Toxikologe. Er gilt als Begrün<strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>r Industrietoxikologie und<br />

Drogenforschung.<br />

In diesem Buch schreibt Lewin<br />

anhand geschichtlicher Überliefe<br />

rungen, Lebensläufen und historischer Gerichtsur<br />

teile eine spannen<strong>de</strong> Abhandlung über die Spur von<br />

Giften in <strong>de</strong>r Weltgeschichte. (siehe auch S. 20)<br />

Inhaltsverzeichnis


Tiergifte<br />

Die Verwen<br />

dung von Gift<br />

als Abschreckungs , Verteidigungs und<br />

Jagdwaffe ist bei einer Vielzahl unterschiedlicher<br />

Klassen im Tierreich weit verbreitet. Gifte können<br />

Fein<strong>de</strong> abwehren und Beutetiere lähmen und tö<br />

ten. Das „Prinzip Gift” fin<strong>de</strong>t sich bei Weichtieren<br />

(Muscheln und Schnecken), Fischen, Stachelhäutern<br />

(Seeigel, Seegurke), Insekten (Wespen), Spinnen,<br />

Amphibien (Frösche) und Reptilien (Schlangen). Auch<br />

einige wenige Arten von Säugetieren und bisher eine<br />

einzige Vogelart sind bekannt, die das Gift als Beute<br />

o<strong>de</strong>r Abschreckungsmaßnahme nutzen.<br />

Die Übertragung <strong>de</strong>r Gifte auf Angreifer o<strong>de</strong>r Beute<br />

tiere erfolgt aktiv über Stacheln (Skorpion, Fische),<br />

Giftsporne an Beinen (Schnabeltier), Nesselzellen<br />

(Quallen) und Giftzähne (Giftschlangen, Spinnen).<br />

Auch das Pfeilprinzip (Kegelschnecken), bei <strong>de</strong>m ein<br />

mit Gift gefüllter Hohlpfeil auf einen Gegner abge<br />

schossen wird, stellt eine aktive Angriffs und Ver<br />

teidigungstechnik dar.<br />

Demgegenüber stehen passive Vorgehensweisen, bei<br />

<strong>de</strong>nen Gifte mittels Hautdrüsen (Frösche) freigesetzt<br />

wer<strong>de</strong>n. Weiterhin gibt es Fischarten (Kugelfisch,<br />

Kofferfisch), bei <strong>de</strong>nen auf <strong>de</strong>r Oberfläche <strong>de</strong>r Tiere<br />

leben<strong>de</strong> Bakterienarten (Pseudomonas) das Gift<br />

Tetrodotoxin produzieren, das <strong>de</strong>n Fisch vor Fress<br />

fein<strong>de</strong>n schützt.<br />

Gifte wer<strong>de</strong>n bei einzelnen Klassen und Gattungen im<br />

Tierreich in speziellen Drüsen im und am Körper produ<br />

ziert. An<strong>de</strong>re Tiere nutzen mit <strong>de</strong>r Nahrung aufgenom<br />

mene giftige Beutetiere, <strong>de</strong>ren Gifte sie einlagern und<br />

gegebenenfalls im Organismus umbauen und im Hin<br />

blick auf ihre Toxizität optimieren. Ein Beispiel hierzu<br />

sind die das Nervengift Batrachotoxin produzieren<strong>de</strong>n<br />

Käfer <strong>de</strong>r Familie <strong>de</strong>r Melyri<strong>de</strong>n, die von Pfeilgiftfrö<br />

schen gefressen wer<strong>de</strong>n. Die Toxine <strong>de</strong>r Käfer wer<strong>de</strong>n<br />

dann im Organismus <strong>de</strong>s Frosches angesammelt.<br />

TIERGIFTE


| 14 >> TIERGIFTE / GIFTM�LLVERBRENNUNGSANLAGEN<br />

seit einigen Jahren intensiv untersuchtes Forschungs<br />

gebiet zur Herstellung neuer Medikamente und<br />

die Ausgangsbasis für das „Drug Design” dar. So<br />

arbeiten Forscher seit Jahren an <strong>de</strong>r Herstellung<br />

immer neuer blutgerinnungssteigern<strong>de</strong>r wie auch<br />

hemmen<strong>de</strong>r Medikamente. Schlangengifte haben<br />

sich hier als ausgezeichnete Grundstoffe erwiesen.<br />

In hoher Verdünnung lassen sich einige dieser Gifte<br />

als Blutverdünner nach Schlaganfällen o<strong>de</strong>r auch zum<br />

Verdicken von Blut z. B. bei Operationen einsetzen.<br />

Tierische Toxine, die auf einer Art die Überwältigung<br />

von Beutetieren ermöglichen, wirken oft sehr spe<br />

zifisch gegen Proteine bestimmter Beutetierarten.<br />

Daher gibt es im Bereich <strong>de</strong>r Insektizi<strong>de</strong> vielfältige<br />

Forschungen zu sehr spezifisch wirken<strong>de</strong>n Pflanzen<br />

schutzmitteln, die auf tierischen Giften basieren und<br />

unspezifisch wirken<strong>de</strong>, bestehen<strong>de</strong> Pflanzenschutz<br />

mittel ersetzen.<br />

Die Evolution <strong>de</strong>s „Prinzips Gift” im Tierreich<br />

Die geringe Zahl an Säugetier und Vogelarten lässt<br />

mich eine gewagte Theorie aufstellen, und ich hoffe,<br />

dass einige unter Ihnen, liebe Leserinnen und lie<br />

be Leser, mir vielleicht ein kleines Feedback hierzu<br />

geben möchten: Die Entwicklung <strong>de</strong>s „Prinzips Gift”<br />

benötigt offenbar lange Zeiträume, um einzelnen<br />

Arten Überlebensvorteile in bestimmten ökologischen<br />

Nischen beim Beutefang o<strong>de</strong>r bei <strong>de</strong>r Abwehr von<br />

Fressfein<strong>de</strong>n zu sichern. Die Optimierung artspezi<br />

fischer Toxine in <strong>de</strong>n Körpern <strong>de</strong>r Lebewesen benötigt<br />

lange Entwicklungsphasen, um beute und abwehr<br />

technisch perfektioniert zu wer<strong>de</strong>n. Gera<strong>de</strong> bei <strong>de</strong>n<br />

erdgeschichtlich jüngeren Klassen <strong>de</strong>r Vögel und <strong>de</strong>r<br />

Säugetiere nutzt die Evolution das Prinzip Gift als<br />

Angriffs und Verteidigungswaffe bisher nur in we<br />

nigen Einzelfällen. Lässt sich hier eine evolutionäre<br />

Regel erkennen? Ist die Nutzung <strong>de</strong>s Wirkprinzips<br />

Gift so komplex in <strong>de</strong>r Entwicklung, dass die erdge<br />

schichtlich jungen Klassen <strong>de</strong>r Säugetiere und <strong>de</strong>r<br />

Vögel noch einige Millionen Jahre brauchen wer<strong>de</strong>n,<br />

um – ähnlich wie im Amphibien , Schlangen und im<br />

Insektenreich – eine breite Population giftiger Arten<br />

und Gift Techniken hervorzubringen? +rh<br />

Zur Lerneinheit<br />

Giftmüllverbrennungsanlagen und -<strong>de</strong>po-<br />

nien · Sind die <strong>de</strong>nn noch ganz dicht?<br />

Bei <strong>de</strong>r Müllentsorgung ist die Auswahl an verschie<br />

<strong>de</strong>nen Tonnen an einer Hand nicht mehr abzuzäh<br />

len. Neben blauen Tonnen für Papier, gelben für<br />

Kunststoffverpackungen mit <strong>de</strong>m grünen Punkt und<br />

braunen Biomülltonnen stehen Behälter für die ver<br />

schie<strong>de</strong>n gefärbten Gläser und daneben letztendlich<br />

die meist schwarzen Restmülltonnen.<br />

Fangfrage: In welche Tonne gehören Nagellack-<br />

fläschchen, alte Farb- o<strong>de</strong>r Lackdosen und Klebstoff-<br />

tuben?<br />

Befin<strong>de</strong>n sich in <strong>de</strong>n Verpackungen <strong>de</strong>r Produkte noch<br />

Reste, gehören alle in <strong>de</strong>n Son<strong>de</strong>rmüll, also in keine<br />

<strong>de</strong>r verfügbaren Tonnen. Die gesundheits und umwelt<br />

belasten<strong>de</strong>n Produktreste können in normalen Müllver<br />

brennungsanlagen nicht unschädlich gemacht wer<strong>de</strong>n<br />

und gehören <strong>de</strong>shalb in die sicheren Hän<strong>de</strong> Ihres<br />

regionalen Entsorgungsunternehmens, <strong>de</strong>ssen Sam<br />

melstellen per Internet schnell ausfindig gemacht sind.<br />

Bildquelle: K+S AG<br />

Einlagerung von Big Bags in Einlagerungskammern<br />

Als Grundlage für <strong>de</strong>n einheitlichen Vollzug <strong>de</strong>r Ab<br />

fallgesetzgebung in <strong>de</strong>n EU Mitgliedstaaten wur<strong>de</strong><br />

das Europäische Abfallverzeichnis verfasst. In 20<br />

Hauptgruppen sind 839 Abfallarten nach Herkunft<br />

und Entstehungsprozess geordnet. 405 Abfallarten<br />

sind als gefährlich markiert. Unter <strong>de</strong>r Bezeichnung<br />

gefährlicher Abfall wer<strong>de</strong>n die allgemeinen Begriffe<br />

Giftmüll, Son<strong>de</strong>rmüll und Son<strong>de</strong>rabfall zusammenge<br />

fasst. Die Palette reicht von Altbenzin über Pestizi<strong>de</strong><br />

bis hin zu Hydraulikflüssigkeiten. Die in <strong>de</strong>r Einleitung<br />

Inhaltsverzeichnis


angesprochenen Abfälle fallen in die Kate gorie 8 –<br />

Abfälle aus Herstellung, Zubereitung, Vertrieb<br />

und Anwendung von Beschichtungen, Klebstoffen,<br />

Dichtmassen und Druckfarben. Zur Einordnung <strong>de</strong>r<br />

Gefährlichkeit <strong>de</strong>r Stoffe existiert eine 14 stufige<br />

Skala. Eigenschaften wie <strong>de</strong>r Flammpunkt und die<br />

Konzentration ordnen die Stoffe in die Bereiche<br />

entzündlich, reizend, gesundheitsschädlich, giftig,<br />

krebserzeugend, ätzend, fortpflanzungsgefähr<strong>de</strong>nd<br />

bis erbgutverän<strong>de</strong>rnd ein.<br />

Abmauern eines Einlagerungsbereiches<br />

In Deutschland wer<strong>de</strong>n jährlich rund 1,2 Millionen<br />

Tonnen gefährliche Abfälle in 29 Son<strong>de</strong>rmüllver<br />

brennungsanlagen unschädlich gemacht. Insgesamt<br />

lan<strong>de</strong>n 18 Millionen Tonnen Abfall in <strong>de</strong>utschen Ver<br />

brennungsanlagen. Die mo<strong>de</strong>rnen Anlagen können die<br />

Umweltbelastung nicht aufheben, son<strong>de</strong>rn nur ver<br />

ringern. Gefährliche Nebenprodukte <strong>de</strong>r Verbrennung<br />

können nicht weiter verarbeitet wer<strong>de</strong>n und müssen<br />

geson<strong>de</strong>rt behan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n. Die in Deutschland und<br />

<strong>de</strong>r EU gelten<strong>de</strong>n Gesetze zur Abgasreinigung sorgen<br />

dafür, dass die bei <strong>de</strong>n Verbrennungen freigesetzten<br />

Stoffe gar nicht o<strong>de</strong>r nur in geringen Konzentrationen<br />

in die Atmosphäre gelangen. Ausnahme bil<strong>de</strong>t Koh<br />

lendioxid, so dass die Verbrennungsanlagen ihren Teil<br />

zu <strong>de</strong>n Treibhausgas Emissionen beitragen. Es exi<br />

stiert kein wirksames und wirtschaftliches Verfahren<br />

zur Kohlendioxidabtrennung, und so wer<strong>de</strong>n weltweit<br />

pro Jahr Millionen Tonnen CO 2 in die Atmosphäre<br />

geblasen.<br />

Bildquelle: K+S AG<br />

Unter hohen Sicherheitsvorkehrungen wird von je<strong>de</strong>r<br />

Lieferung eine Probe entnommen, die im Labor <strong>de</strong>r<br />

Son<strong>de</strong>rmüllverbrennungsanlage untersucht wird. Ist<br />

GIFTM�LLVERBRENNUNGSANLAGEN


| 16 >> GIFTM�LLVERBRENNUNGSANLAGEN / GIFT UND GEGENGIFT<br />

Im hessischen Herfa Neuro<strong>de</strong> wer<strong>de</strong>n auf einer Flä<br />

che von 400 km 2 über zwei Millionen Tonnen Son<strong>de</strong>r<br />

müll <strong>de</strong>poniert. In <strong>de</strong>r weltgrößten Deponie untertage<br />

wer<strong>de</strong>n z. B. Quecksilber haltiger sowie Cyanid und<br />

Arsen belasteter Abfall und Müll, <strong>de</strong>r mit PCDF und<br />

PCDD verseucht ist, gelagert. In 500 bis 800 Meter<br />

Tiefe befin<strong>de</strong>n sich die Abfälle unterhalb <strong>de</strong>r wass<br />

erführen<strong>de</strong>n Schichten und wer<strong>de</strong>n langzeitsicher<br />

verwahrt. Die Abfälle dürfen we<strong>de</strong>r flüssig sein noch<br />

ihr Volumen vergrößern, da dies ein Risiko für <strong>de</strong>n<br />

Salzstock darstellt. Auch explosive, selbstentzünd<br />

liche und radioaktive Stoffe sind nicht für die Son<br />

<strong>de</strong>rmüll<strong>de</strong>ponie Herfa Neuro<strong>de</strong> bestimmt.<br />

Das Salzgestein <strong>de</strong>r ehemaligen Kaligrube wur<strong>de</strong> vor<br />

allem durch Bohr und Sprengarbeiten gewonnen. Die<br />

entstan<strong>de</strong>nen Hohlräume wer<strong>de</strong>n nun in <strong>de</strong>r neuen<br />

Funktion als Endlagerstätte mit Müll wie<strong>de</strong>r aufgefüllt<br />

und versiegelt. Die Abfälle wer<strong>de</strong>n dabei so verteilt,<br />

dass sie gleichzeitig die Grubenbereiche stützen. Dies<br />

wird durch eine einheitliche Lagerung in Big Bags,<br />

Fässern o<strong>de</strong>r Stahlblech Containern erreicht. Staub<br />

förmige Abfälle wer<strong>de</strong>n zu einer dickflüssigen Masse<br />

verarbeitet, die in <strong>de</strong>n Hohlräumen aushärtet und<br />

diese luftleer verschließt. Ein Grundriss <strong>de</strong>r Deponie<br />

zeigt auf, welcher Müll in welchem Teil <strong>de</strong>r Anlage<br />

lagert. Denn auch die Auslagerung von Son<strong>de</strong>rmüll<br />

ist üblich, wenn neue Recyclingverfahren die Nut<br />

zung enthaltener Wertstoffe ermöglichen. So sorgte<br />

beispielsweise in <strong>de</strong>n letzten Jahren ein steigen<strong>de</strong>r<br />

Kupferpreis dafür, dass sich die Wie<strong>de</strong>rverwertung<br />

<strong>de</strong>r eingelagerten Transformatoren als Kupferquelle<br />

anbot.<br />

Eine für ein Menschenleben unvorstellbare Zeitspan<br />

ne beträgt das Min<strong>de</strong>sthaltbarkeitsdatum <strong>de</strong>r Son<br />

<strong>de</strong>rmüll<strong>de</strong>ponie. 10.000 Jahre muss sichergestellt<br />

sein, dass nichts von <strong>de</strong>m giftigen Müll unkontrolliert<br />

in die Umwelt gelangt. Computersimulationen und<br />

Langzeitrechnungen lassen die Betreiber zuversicht<br />

lich in die Zukunft blicken, <strong>de</strong>nn die Anlage hat alle<br />

Tests bestan<strong>de</strong>n. An einem Plan zur Abschreckung<br />

neu gieriger Menschen in 10.000 Jahren wird noch<br />

gearbeitet. +lau<br />

Zur Lerneinheit<br />

Gift und Gegengift<br />

In <strong>de</strong>r Realität wird es nicht so einfach laufen wie bei<br />

MacGyver, <strong>de</strong>r einen Freund nach einem Blausäure<br />

Anschlag vor <strong>de</strong>m Gifttod bewahrt, in<strong>de</strong>m er ihm<br />

Natriumthiosulfat haltige Fixierlösung aus einem na<br />

hegelegenen Fotola<strong>de</strong>n zu trinken gibt. Die zugrun<strong>de</strong><br />

liegen<strong>de</strong> chemische Reaktion entspricht aber <strong>de</strong>n im<br />

wirklichen Leben eingesetzten Maßnahmen bei einer<br />

Cyanid Vergiftung.<br />

Nicht nur für die Blausäure und ihre Salze, die Cya<br />

ni<strong>de</strong>, auch für viele an<strong>de</strong>re Gifte gibt es Gegengifte,<br />

die die jeweilige Giftwirkung mehr o<strong>de</strong>r weniger<br />

stark min<strong>de</strong>rn. Die wissenschaftliche Bezeichnung<br />

für solche Gegengifte ist Antidot ( Gegengabe, aus<br />

<strong>de</strong>m griech. antidoton). Die Min<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Giftwir<br />

kung kann dabei auf verschie<strong>de</strong>ne Weisen erfolgen.<br />

Einige <strong>de</strong>r verabreichten Mittel haben z. B. eine<br />

giftbin<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Wirkung. Das bekannteste Beispiel hier<br />

für ist wahrscheinlich die Aktivkohle, verabreicht<br />

in Form von Kohletabletten und wirksam bei vielen<br />

oral aufgenommen Giften. An<strong>de</strong>re Mittel min<strong>de</strong>rn die<br />

Giftwirkung durch eine chemische Reaktion, wodurch<br />

das Gift zu einer für <strong>de</strong>n Organismus weniger schäd<br />

lichen Verbindung umgesetzt wird (wie im einleiten<br />

<strong>de</strong>n Blausäure/Natriumthiosulfat Beispiel). Wie<strong>de</strong>rum<br />

an<strong>de</strong>re als Antidot verabreichte Substanzen haben<br />

eine antagonistische Wirkung, sie verdrängen das Gift<br />

vom Wirkungsort.<br />

Aber auch die Gegengifte haben Schattenseiten. So<br />

sind viele dieser Substanzen selbst giftig. Eine<br />

präventive Einnahme eines Antidots vor einem<br />

möglichen Kontakt mit einer giftigen Substanz ist<br />

<strong>de</strong>shalb in <strong>de</strong>n meisten Fällen genauso wenig zu<br />

empfehlen wie die unkontrollierte Verabreichung<br />

nach einer Vergiftung. Bei <strong>de</strong>m Verdacht auf<br />

eine Vergiftung sollte man sich in ärzt<br />

liche Behandlung begeben und/<br />

o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n örtlichen Giftnotruf<br />

kontaktieren. Dieser Arti<br />

kel stellt einige prominente<br />

Gift Gegengift Paare vor.<br />

Inhaltsverzeichnis


Ein paar Klassiker<br />

Zyankali, Arsen, Kohlenmonoxid – drei Substanzen,<br />

<strong>de</strong>ren Namen wohl auch <strong>de</strong>n meisten Nichtchemikern<br />

geläufig sind und die man somit zu <strong>de</strong>n bekanntesten<br />

Giften zählen kann. Es gibt jedoch für alle drei Sub<br />

stanzen Gegengifte, die <strong>de</strong>n Gifttod unter entspre<br />

chen<strong>de</strong>n Bedingungen (Höhe <strong>de</strong>r Giftdosis, Zeit bis<br />

zur Verabreichung <strong>de</strong>s Gegengiftes etc.) abwen<strong>de</strong>n<br />

können.<br />

Vergiftungen durch Zyankali – ein Trivialname <strong>de</strong>r<br />

in <strong>de</strong>r Regel Kaliumcyanid (KCN) bezeichnet – o<strong>de</strong>r<br />

allgemeiner durch Blausäure o<strong>de</strong>r Cyani<strong>de</strong> können<br />

durch Verabreichung von Natriumthiosulfat (Na 2S 2O 3)<br />

behan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n. Das Thiosulfat oxidiert hierbei das<br />

Cyanid zum <strong>de</strong>utlich harmloseren Thiocyanat.<br />

Wenn von Arsen Vergiftungen die Re<strong>de</strong> ist, dann<br />

sind damit in <strong>de</strong>r Regel Vergiftungen durch hochgif<br />

tige Arsen(III) Verbindungen wie z. B. Arsentrioxid<br />

(As 2O 3) und nicht elementares Arsen gemeint. Letz<br />

teres ist aufgrund <strong>de</strong>r niedrigen Löslichkeit nur gering<br />

giftig. Zur Behandlung von Arsen(III) Vergiftungen<br />

wird Dimercaprol eingesetzt, welches Metallionen<br />

komplexiert und auch bei Schwermetallvergiftungen<br />

(z. B. Quecksilber o<strong>de</strong>r Gold) eingesetzt wer<strong>de</strong>n kann.<br />

Dimercaprol (rac 2,3 Dimercapto 1 propanol)<br />

Summenformel: C 3H 8OS 2 / CAS RN: 59 52 9<br />

Kohlenmonoxid (CO) ist ein Atemgift, welches durch<br />

unvollständige Oxidation kohlenstoffhaltiger Substan<br />

zen entsteht und <strong>de</strong>ssen Toxizität auf <strong>de</strong>r Bindung an<br />

die freie Koordinationsstelle <strong>de</strong>s Eisenatoms im Hä<br />

moglobin beruht, die für <strong>de</strong>n Sauerstofftransport im<br />

Blut benötigt wird. Entsprechend wird zur Behandlung<br />

einer Kohlenmonoxid Vergiftung reiner Sauerstoff<br />

verabreicht (<strong>de</strong>nn Luft enthält nur rund 20 % Sauer<br />

stoff), um so das Kohlenmonoxid zu verdrängen und<br />

die Blockierung <strong>de</strong>r Koordinationsstelle aufzuheben.<br />

Aus <strong>de</strong>m Arzneimittelschrank<br />

Viele Medikamente wirken bei Überdosierung als Gift,<br />

und das beschränkt sich nicht nur auf verschrei<br />

bungspflichtige Arzneien, auch frei erhältliche Sub<br />

stanzen können lebensbedrohliche Vergiftungen her<br />

vorrufen. Das Schmerzmittel Paracetamol wirkt bei<br />

Dosierungen ab etwa 150 mg pro kg Körpergewicht<br />

bzw. bei Erwachsenen bei Einnahme von 10 g o<strong>de</strong>r<br />

mehr durch die im Körper gebil<strong>de</strong>ten Metabolite stark<br />

lebertoxisch. Kurze Zeit (bis etwa eine Stun<strong>de</strong>) nach<br />

<strong>de</strong>r Einnahme kann eine Verabreichung von Aktiv<br />

kohle wirkungsvoll sein. Bis etwa acht Stun<strong>de</strong>n nach<br />

erfolgter Paracetamol Einnahme stellt N Acetylcystein<br />

(oral o<strong>de</strong>r intravenös verabreicht) ein wirksames Mit<br />

tel gegen Paracetamol Vergiftungen dar, da es <strong>de</strong>m<br />

Körper zusätzliches, hoch dosiertes Cystein zur Ver<br />

fügung stellt, welches dieser zur Synthese von Gluta<br />

thion benötigt, das wie<strong>de</strong>rum unschädliche Konjugate<br />

mit <strong>de</strong>n toxischen Paracetamol Metaboliten eingeht.<br />

Paracetamol (N Acetyl 4 aminophenol)<br />

Summenformel: C 8H 9NO 2 / CAS RN: 103 90 2<br />

(R)-N-Acetylcystein<br />

Summenformel: C 5H 9NO 3S/ CAS RN: 616 91 1<br />

Glutathion<br />

GIFT UND GEGENGIFT


| 18 >> GIFT UND GEGENGIFT<br />

Aus <strong>de</strong>r Natur<br />

Die Natur hält, wie wir bereits in <strong>de</strong>n vorangegan<br />

genen Artikeln über Tier und Pflanzengifte berichtet<br />

haben, eine große Anzahl giftiger Substanzen bereit.<br />

Ein Beispiel für Pilzgifte ist Muscarin, eine Substanz,<br />

die erstmals aus <strong>de</strong>m Fliegenpilz isoliert wur<strong>de</strong>, in<br />

diesem aber nur in geringen Spuren vorkommt. In<br />

höheren Konzentrationen ist Muscarin in an<strong>de</strong>ren<br />

giftigen Pilzarten wie Risspilzen und Trichterlingen<br />

enthalten. Die Giftwirkung <strong>de</strong>s Muscarins beruht auf<br />

vielschichtigen Beeinflussungen <strong>de</strong>s vegetativen Ner<br />

vensystems. Interessanterweise beeinflusst Atropin<br />

– das Gift <strong>de</strong>r Tollkirsche – das vegetative Nerven<br />

system auf entgegengesetzte Weise und wird daher<br />

als Antidot bei Muscarin Vergiftungen verwen<strong>de</strong>t.<br />

Im umgekehrten Fall einer Atropin Vergiftung wird<br />

allerdings kein Muscarin als Gegenmittel eingesetzt.<br />

Hier greift man auf Physostigmin zurück, welches aus<br />

Calabarbohnen gewonnen wird. Physostigmin selbst<br />

ist auch hochgiftig, Antidot ist – hier funktioniert die<br />

Umkehrung – z. B. Atropin.<br />

L-(+)-Muscarin<br />

Summenformel: C 9H 20NO 2 + / CAS RN: 300 54 9<br />

Atropin<br />

Summenformel: C 17H 23NO 3 / CAS RN: 51 55 8<br />

Zur Lerneinheit<br />

Physostigmin<br />

Summenformel: C 15H 21N 3O 2 / CAS RN: 57 47 6<br />

Aus <strong>de</strong>n Medien<br />

Eine Substanz, die in unregelmäßigen Abstän<strong>de</strong>n<br />

immer wie<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n Medien auftaucht, ist Metha<br />

nol. Häufig geht es nicht nur um Vergiftungen von<br />

einzelnen Personen, son<strong>de</strong>rn um Massenvergiftungen<br />

nach <strong>de</strong>m „Genuss” von gepanschtem Alkohol. Die<br />

eigentliche Giftwirkung einer Methanol Vergiftung<br />

rührt vom Formal<strong>de</strong>hyd her, welches im Körper durch<br />

die Alkohol Dehydrogenase (ADH) aus <strong>de</strong>m Methanol<br />

entsteht, und <strong>de</strong>r daraus gebil<strong>de</strong>ten Ameisensäure.<br />

Eine Unterbindung dieses Metabolismus kann durch<br />

Verabreichung von Ethanol geschehen. Ein Antidot,<br />

das die ADH hemmt, ist Fomepizol, welches ebenso<br />

wie Ethanol auch zur Behandlung von Ethylenglycol<br />

Vergiftungen eingesetzt wer<strong>de</strong>n kann.<br />

Fomepizol (4 Methylpyrazol)<br />

Summenformel: C 4H 6N 2 / CAS RN: 7554 65 6<br />

CAS REGISTRY Number ® (CAS RN) is a registered Tra<strong>de</strong>mark<br />

of the American Chemical Society. +roe<br />

Weitere Informationen zu unseren Gift Artikeln in<br />

diesem +report+ fin<strong>de</strong>n Sie aktuell bei uns im<br />

Internet: www.fch.<strong>de</strong>.<br />

Inhaltsverzeichnis


ACHEMA 2009<br />

Wissenstransfer, <strong>de</strong>r Spaß macht! Wege aus <strong>de</strong>m<br />

Informationsdschungel fin<strong>de</strong>n! Wie erreicht man<br />

das? <strong>FIZ</strong> <strong>CHEMIE</strong> und die Technische Fachhochschule<br />

in Wildau bei <strong>Berlin</strong> haben es auf <strong>de</strong>r diesjährigen<br />

ACHEMA vom 11. bis 15. Mai, <strong>de</strong>r größten internati<br />

onalen Messe für chemische Technik, Umweltschutz<br />

und Biotechnologie, in Frankfurt/Main vorgemacht.<br />

Die unterhaltsame Vermittlung von Wissen aus<br />

verschie<strong>de</strong>nen MINT Fächern (MINT = Mathematik,<br />

Informatik, Naturwissenschaften und Technik) kann<br />

geschickt mit Produktwerbung und Technologietrans<br />

fer verknüpft wer<strong>de</strong>n.<br />

In enger Zusammenarbeit <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n Kooperations<br />

partner entstan<strong>de</strong>n zahlreiche Medieninseln, die <strong>de</strong>n<br />

großen Messestand im Dschungel Design belebten<br />

und einen intensiven Dialog zwischen Wissenschaft,<br />

Ausbildung und Wirtschaft entfachten. Exponate wie<br />

Bio Brennstoffzelle, Steptronic o<strong>de</strong>r Mikroreaktor<br />

wur<strong>de</strong>n von ChemgaPedia Lerneinheiten <strong>de</strong>s <strong>FIZ</strong> CHE<br />

MIE begleitet. So konnte über 12.500 Schülern, Stu<br />

<strong>de</strong>nten und Fachbesuchern naturwissenschaftliches<br />

Hintergrundwissen an bereitstehen<strong>de</strong>n Terminals mit<br />

<strong>de</strong>n dazugehörigen Exponaten auf anschauliche Weise<br />

vermittelt wer<strong>de</strong>n. „Super, ein Studium in <strong>de</strong>n MINT<br />

Fächern wäre genau das Richtige für mich …”, so<br />

begeisterten sich viele jugendliche Besucher.<br />

Komplexes Fachwissen aus Forschung und Lehre<br />

interessant und wirkungsvoll vermitteln, das ist uns<br />

CINF-<strong>FIZ</strong> Scholarship for<br />

Scientific Excellence 2009<br />

Als Gewinner <strong>de</strong>s diesjährigen<br />

CINF <strong>FIZ</strong> Scholarship wur<strong>de</strong><br />

Roel S. Sanchez Carrera von <strong>de</strong>r<br />

Harvard University in Cambridge<br />

prämiert. Er erhielt im Rahmen<br />

<strong>de</strong>s ACS Herbst Meeting am<br />

17. August 2009 in Washington<br />

D.C. eine Urkun<strong>de</strong> und einen<br />

Preis in Höhe von 1000 USD.<br />

<strong>FIZ</strong> <strong>CHEMIE</strong> <strong>Berlin</strong> Preis 2009<br />

Die Gewinner <strong>de</strong>r diesjährigen<br />

<strong>FIZ</strong> <strong>CHEMIE</strong> Preise für hervor<br />

ragen<strong>de</strong> Dissertationen und<br />

Diplomarbeiten im Bereich <strong>de</strong>r<br />

Chemo Informatik sind:<br />

• Dr. José Batista von <strong>de</strong>r Uni<br />

versität Bonn für seine Disserta<br />

tion "Analysis of Random Frag<br />

ment Profiles for the Detection<br />

of Structure Activity Relation<br />

ships" und<br />

und unseren Messepart<br />

nern erfolgreich gelungen.<br />

Leibniz Gemeinschaft, <strong>FIZ</strong><br />

Technik, Technische In<br />

formationsbibliothek Han<br />

nover und MedInnovation<br />

GmbH waren als Partner<br />

in das große Messekonzept<br />

<strong>de</strong>s Informationsdschun<br />

gels eingebun<strong>de</strong>n und<br />

ACHEMA 2009


Was tun bei Verdacht<br />

auf Vergiftung?<br />

Erste Hilfe-Maßnahmen<br />

• Ruhe bewahren, Kin<strong>de</strong>r<br />

nicht aufregen, nicht<br />

schimpfen<br />

• Kein Erbrechen auslösen<br />

(kein Salzwasser!)<br />

• Tee, Wasser o<strong>de</strong>r Saft zu Trinken geben<br />

(keine Milch!)<br />

• Notarzt und Giftnotruf verständigen<br />

(Angaben: Wer? Was? Wann? Wie? Wieviel?<br />

Wo? Welche Symptome? Maßnahmen bisher?)<br />

• Nach Augen- o<strong>de</strong>r Hautkontakt mit Wasser<br />

spülen<br />

• Nach Einatmung giftiger Gase für Frischluft<br />

sorgen<br />

Teilnahme unter:<br />

report@fiz chemie.<strong>de</strong><br />

<strong>ERSTE</strong><br />

<strong>HILFE</strong><br />

<strong>ERSTE</strong> <strong>HILFE</strong> / LESERAUFRUF

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