21.12.2020 Aufrufe

Magazin GARCON - Essen, Trinken, Lebensart Nr. 56

Für alle, die über den Jahreswechsel etwas zu Schmökern haben möchten - der neue GARCON ist da! Wir führten Tagebuch im November, waren kurz vor dem Lockdown noch im Cafe Baier, Restaurant Exodus und Hawker, Sake bekommt eine Lobby, Frau Bünger macht(e) Mittag, stellen Bücher über Hühner und legendäre Dinner vor, Anais schwärmt von der  Roscoff-Zwiebel, wir besuchten Weide-Ei-Mann Johannes Habel und Feinkostproduzentin Ricarda Farnbacher, waren wieder unterwegs in Brandenburg – diesmal Uckermark –  z.B. bei einer Mosterei und einer Zuckerblütenmanufaktur, Marcus Fuhrmann erzählt über Spitzkohl, haben Neues aus der Toskana und blättern mit Sven Kernemann-Mohr in alten Kochbüchern... Und – wenn auch wiederholt – nochmal 100000000 Dank an unsere Unterstützer! GARCON - Essen, Trinken & Lebensart - im Web, in der garcon24-APP und natürlich auch als Print-Magazin.

Für alle, die über den Jahreswechsel etwas zu Schmökern haben möchten - der neue GARCON ist da!

Wir führten Tagebuch im November, waren kurz vor dem Lockdown noch im Cafe Baier, Restaurant Exodus und Hawker, Sake bekommt eine Lobby, Frau Bünger macht(e) Mittag, stellen Bücher über Hühner und legendäre Dinner vor, Anais schwärmt von der  Roscoff-Zwiebel, wir besuchten Weide-Ei-Mann Johannes Habel und Feinkostproduzentin Ricarda Farnbacher, waren wieder unterwegs in Brandenburg – diesmal Uckermark –  z.B. bei einer Mosterei und einer Zuckerblütenmanufaktur, Marcus Fuhrmann erzählt über Spitzkohl, haben Neues aus der Toskana und blättern mit Sven Kernemann-Mohr in alten Kochbüchern...
Und – wenn auch wiederholt – nochmal 100000000 Dank an unsere Unterstützer!
GARCON - Essen, Trinken & Lebensart - im Web, in der garcon24-APP und natürlich auch als Print-Magazin.

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AUSGABE NR. 56 | 2020 | 6 €

ESSEN, TRINKEN & LEBENSART

CAFÉ BAIER | EXODUS | HAWKER | FRAU BÜNGER MACHT MITTAG | PIECHAS BIOBUFFET

SPILLING | JONATHAN KARTENBERG | JOHANNES HABEL | RICARDA FARNBACHER | BUBAR

FUHRMANNS FRÜCHTEKORB | UNTERWEGS IN BRANDENBURG: UCKERMARK


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MISE EN PLACE

Liebe Freunde,

wenn dieser Mann sich zu Wort meldet, dann hat er auch was zu

sagen. Olivier Roellinger, Jahrgang 1955, einer der besten Köche

Frankreichs, berühmt für seine Fischküche und 2006 mit drei

Michelin-Sternen ausgezeichnet.

Fünf Jahre später schloss er sein Restaurant „Les Maisons

de Bricourt”. Roellingers Begründung: „Die Sterneküche ist ein

sehr enges, geschlossenes System. Es diktiert deine Lebensweise.

Ich wollte diesem System entfliehen und zurück zu mehr

Einfachheit und Natürlichkeit.” Danach wurde es ruhiger um den

Starkoch, der 2009 zum Vizepräsidenten der internationalen Vereinigung von Relais & Châteaux gewählt

wurde. In dieser Funktion äußerte sich Olivier Roellinger jetzt zu einem Thema, das längst aktuell ist und

mit Sicherheit immer bedeutsamer wird: Die Corona-Krise und die Zukunft der Gastronomie.

„Covid-19 wird die Gastronomie auf eine Form der raffinierten Einfachheit konzentrieren, die vom gesunden

Menschenverstand getragen wird”, erklärte er. „Kochen wird mehr denn je davon leben, Natur in

Kultur zu verwandeln.” Gedanken, über die in einer hoffentlich nicht allzu fernen Nach-Corona-Zeit auch

hierzulande noch viel zu reden sein wird...

„Wenn alle Restaurants geschlossen sind, weshalb eröffnen

wir nicht selber eins?”, dachten sich Dávid Turczi und Vangelis

Badiartakis. Und weil die beiden Männer Spieleentwickler von

Beruf sind, setzten Sie ihre Idee flugs in die Tat um. Das Ergebnis

heißt Kitchen Rush und ist ein „kreatives Echtzeitspiel” (so die

Verlagsmitteilung) für die ganze Familie, das lange Lockdown-

Abende verkürzt und von der Jury „Spiel des Jahres 2020” immerhin

hohes Lob in Form einer Empfehlung erhielt.

Ich wünsche Ihnen Kraft, bleiben Sie gesund und achten Sie

auf sich und Ihre Lieben. Ihre

Yvonne Weinlich

info@bildart-verlag.de


INHALT

MISE EN PLACE

TITEL

„Aber bitte keine Fotos!”

Die Gastronomen Annette Baier und

Peter-Michael Krech

Hawker Bar + Kitchen:

24 Ein Besuch vor dem Lockdown.

GARCON-TAGEBUCH

Dinner for none 6

29 Tage im November

LOKALTERMIN

Berliner Teller 24

Knusperschnitzel mit Gruyère,

vor dem Lockdown serviert im Hawker

Sake Embassy Germany 30

Lobby für Nippons Nationalgetränk

10

„Aber bitte keine Fotos!”:

Die Gastronomen Annette Baier und Peter-Michael Krech.

Buchhandlung Geistesblüten 38

Legendäre Dinner – eine Empfehlung

GESCHMACKSSACHEN

Seltenes Früchtchen 40

Liebeserklärung an den Spilling

À la Piecha 44

Convenience vom Allerfeinsten

AnaÏs Causse empfiehlt: 46

Oignons de Roscoff

Frau Bünger macht Mittag 32

Lunchtime bei Cora und Claudia

Großmarkt Berlin 37

Gespräch mit Ocke Pinks,

Niederlassungsleiter, Deutsche See GmbH

Seltenes Früchtchen:

40 Liebeserklärung an den Spilling.

Kostproben 48

KOPFSALAT

Jonathan Kartenberg 50

Fix und digital

Eine virtuelle Speisekammer geht online

4 GARÇON


GTS

Großküchentechnik &

Service GmbH

Planung

Montage

Kundendienst

Notdienst

Ihr zuverlässiger Partner für:

Frau Bünger macht Mittag:

32 Lunchtime bei Cora und Claudia

Ilona Scholl und Nicole Grossmann 52

Verdiente Ehrung für starke Frauen

Johannes Habel 54

Der Eiermann aus Falkenhagen

Kochgruppen, Herde, Kombidämpfer,

Bratplatten, Kochkessel, Fritteusen u.v.m.

Gewerbe-Geschirrspülmaschinen

Tiefkühl- und Kühlanlagen

Arbeits- und Spültische

Ricarda Farnbacher 64

Wenn schon kein Catering, dann Feinkost

KULINARISCHE EXKURSION

Unterwegs in Brandenburg 73

Petznick | Potzlow | Grünheide | Gerswalde

46

AnaÏs Causse empfiehlt:

Oignons de Roscoff.

Pietrasanta | Toskana 94

Zu Gast in Pierluigi Bizzarris Fishing Lab

RUBRIKEN

Fuhrmanns Früchtekorb 102

Spitzkohl

Berliner Marktnischen 106

Crêpes und Galettes von Bubar

Kulinarische Nachlese 108

Garcon-Quiz | Impressum 110

73

Unterwegs in Brandenburg:

Stippvisite in der Uckermark.

GTS Großküchentechnik & Service GmbH

Schwedter Str. 45-46

10435 Berlin

Tel.: 030 - 440 540 48

www.gts-grosskuechentechnik.de


GARCON-TAGEBUCH Dinner for none — 29 Tage im November

Dinner for none

29 TAGE IM NOVEMBER EIN GARCON-TAGEBUCH

www.dieter-fuhrmann.de

Montag, 2. November 2020, 5.00 Uhr

„Schwarzer Mittwoch”, so nennt Marcus Fuhrmann (Bild oben Mitte)

den 28. Oktober 2020. Es ist der Tag, an dem Bund und Länder

neue Maßnahmen verkünden, um den Anstieg der Corona-Infektionen

zu bremsen – darunter die Schließung aller gastronomischen

Betriebe in Deutschland im November.

Fuhrmann ahnt, was dieser Beschluss für sein Unternehmen bedeutet,

das zu fast 100 Prozent sein Geld mit Obst und Gemüse für

Bars, Bistros, Cafés und Restaurants verdient.

Am ersten Tag des gastronomischen November-Lockdowns ist

die Ahnung Realität. In Fuhrmanns Halle auf dem Berliner Groß-

***

Dienstag, 3. November 2020, 12.00 Uhr

Mittwoch, 4. November 2020, 10.00 Uhr

Das Internet erlebt seit zwei Tagen einen Eatstorm sondersgleichen. alle Berliner Gastronomen sind überzeugt, mit Take-away-Offerten

Hunderte Restaurants – vom Sternetempel bis zur Suppenschmiede relevante Umsätze erzielen zu können. „Es rechnet sich nicht”, sagt

– stellen ihre Außer-Haus-Angebote online. Spitzenkoch Tim Raue etwa Jonathan Kartenberg, Inhaber des eins44 in Neukölln und des

und sein Lieferservice FUH KIN GREAT bieten ihre „essbaren Strei-

Irma La Douce in der Potsdamer Straße.

markt – um 5.00 Uhr morgens normalerweise ein Ort wuseliger Geschäftigkeit

– sind am 2. November nur wenige Mitarbeiter tätig,

und von den 25 Kühltransportern des Großhandelsunternehmens

gehen an diesem Tag lediglich sechs auf Tour. „In Kitas, Krankenhäusern

und Kantinen wird zum Glück noch gekocht”, sagt Marcus

Fuhrmann, „außerdem haben einige Restaurants für ihre To-go-Offerten

Ware bestellt.” Wie hoch der Umsatzverlust Ende November

sein wird, darüber will er nicht spekulieren. Offen ist an diesem

Montag auch, ob Großhändlern als mittelbar durch den Lockdown

Betroffenen – ähnlich wie den Gastronomen – ein Teil des wegbrechenden

Umsatzes ersetzt wird.

dings leider nicht möglich”, teilt der Verband mit, „deshalb haben

Ein Brief des Berliner Hotel- und Gaststättenverbandes an seine wir mit der Kanzlei Härting Kontakt aufgenommen.” Rechtsanwalt

Mitgliedsbetriebe verweist auf die Möglichkeit, per Eilantrag gerichtlich

gegen die Schließung ihrer Lokale im November vorzuwaltungsgericht

Berlin gekippt hatte, erklärt: „Wir schätzen die Er-

Nico Härting, der die im Juni verordnete Sperrstunde vor dem Vergehen.

„Ein Musterverfahren seitens des DEHOGA Berlin ist aller- folgsperspektiven als nicht aussichtslos ein.”

***

cheleinheiten für die Seele” sogar deutschlandweit an. Doch nicht

6 GARÇON


Dinner for none — 29 Tage im November GARCON-TAGEBUCH

Dienstag, 10. November 2020, 14.00 Uhr

Dr. Dominic Hörauf, Sprecher des Verwaltungsgerichtes Berlin,

gibt die Entscheidung der Richter bekannt: Die Eilanträge von 22

Berliner Gastronomen gegen die coronabedingten Schließungen

ihrer Bars und Restaurants werden zurückgewiesen.

Die Verordnung des Berliner Senats, mit der die Schließungen

der Betriebe angeordnet wurde, beruhe „auf einer verfassungskonformen

Rechtsgrundlage, die Aussage, Gaststätten trügen nicht

wesentlich zur Verbreitung der Pandemie bei, ist nicht haltbar”,

gibt der Gerichtssprecher den Beschluss der Kammer wieder. Eine

nicht unerhebliche Rolle dabei dürfte wohl die Tatsache gespielt

haben, dass etwa im Bezirk Neukölln, wo drei der 22 Antragsteller

ihre Restaurants betreiben, die Inzidenz mit 332 Fällen pro 100.000

Einwohner bundesweit einen Spitzenwert erreicht hat.

„Wir werden uns die Entscheidung des Verwaltungsgerichts in

Ruhe ansehen und überlegen, ob wir Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht

einlegen”, so Rechtsanwalt Prof. Nico Härting, der die

22 Berliner Gastronomen vertreten hatte, noch am gleichen Tag.

***

www.die-eselin-von-a.de

Donnerstag, 12. November 2020, 16.00 Uhr

Stippvisite in der Eselin von A., dem gemütlichen Kiezlokal in der

Charlottenburger Schloßstraße. Inhaber Harry Wolleschak (Bild

oben Mitte) zeigt seine jüngsten Errungenschaften: ein großes

transparentes Plastikzelt mit zwei Heizstrahlern im Garten und drei

Luftreiniger im Restaurant, alles angeschafft, bevor der gastronomische

November-Lockdown beschlossen wurde. „Ich hoffe natürlich,

dass sich die Investition noch auszahlt”, sinniert Wolleschak.

Weil der 54-Jährige jedoch nicht nur ein erfahrener Gastronom,

sondern auch ein grenzenloser Optimist ist, hält er sich nicht lange

sternten Berliner Herden gelernt hat und sein Stellvertreter Lorenzo

Roig Meine (Bild unten links) setzen bei ihren To-go-Offerten

auf Bodenständiges und beweisen dabei, dass traditionell nicht

gleich bieder sein muss.

Die Gäste honorieren das. Stolz zeigt Wolleschak die Lobeshymnen

in seinem Facebook-Account und bestätigt: „Es läuft besser

als wir erwarten konnten.” Dennoch: Selbst 50 Außer-Haus-Essen

an diesem Tag sind natürlich kein Äquivalent für ein ausgebuchtes

Restaurant. Und so fragt man sich auch in der Eselin von A., wie

lange Geld, Geduld und Nerven noch reichen.

mit Grübeleien auf. Seit einer Woche setzt er voll und ganz aufs

To-go-Geschäft. Zwischen Mittwoch und Sonntag bietet das Eselin-Team

um Harry Wolleschak, dessen Tochter Alexa und Bruder

Enrico fünf Vorspeisen, sieben Hauptgerichte und ein Dessert an

– etwa Backfisch mit Kartoffelsalat, Hirschgulasch mit Klößen, Königsberger

Klopse mit Kartoffelpüree.

Es gibt Gänsebraten (bis Weihnachten auf Vorbestellung), klassisch

mit Rot- und Grünkohl, Kartoffelklößen und Sauce sowie

Ente. Küchenchef Lorenz Becker, der sein Handwerk einst an be-

Übrigens: Schützenhilfe beim Kampf um ihre Existenz bekommen

die Gastronomen vom Düsseldorfer Handelsriesen METRO

Deutschland. Das Unternehmen startet am 17. November 2020

eine Kampagne, deren Ziel es ist, möglichst viele Menschen zu

animieren, das Weihnachtsessen in diesem Jahr nicht selbst zu

kochen, sondern beim Profi zu bestellen. Motto: Gönnt eurer heimischen

Küche eine Pause und helft damit dem Gastgewerbe, das

besonders hart von den Auswirkungen der Corona-Pandemie betroffen

ist. #GönntEurerKücheEinePause

GARÇON

7


GARCON-TAGEBUCH Dinner for none — 29 Tage im November

Freitag, 13. November 2020, 19.00 Uhr

Der November-Lockdown lässt die Premiere platzen. Angezeigt für

diesen Freitag ist die Eröffnung eines neuen Restaurants auf dem

EUREF-Campus in Schöneberg. Thomas Kammeier und Olaf Rode

(Bilder unten, v. li.), das Dream-Team früherer Hugos-Jahre, annon-

ciert eine trendbewusste Grillküche und ein innovatives Konzept, das

– wenn wir die Presseaussendungen richtig verstanden haben – ein

bisschen an das Ikarus im Salzburger Hangar-7 erinnert. Übrigens: Benannt

ist das neue Restaurant nach einer automobilen Legende der

1930er – THE CORD. Statt Cord live gibt’s nun erstmal Cord to go.

Dienstag, 17. November 2020, 10.00 Uhr

***

Berliner Allround Autovermietung diese Bezeichnung verdient. Be-

Die Corona-Pandemie brachte nicht nur Abstandsregeln und Maskenpflicht,

sondern auch viele neue Wortschöpfungen – eine davon gegründeten Unternehmens (Bild u. Mitte), einen Post abgesetzt:

reits Ende Oktober hatte Emile Weisner, Geschäftsführer des 1983

ist der „virale Hit”. So jedenfalls bezeichneten Zeitungen die Solidaritätsaktion

des Friseurmeisters Ulrich Ullmayer aus Landau, der zweiten Lockdowns kostenlos bis zu 30 PKW zur Verfügung.”

„Wir wollen helfen und stellen Berliner Gastronomen für die Zeit des

seinen Gastronomie-Kunden Gratis-Haarschnitte spendet und ihnen Schnell meldeten sich 21 Betriebe, darunter das Kreuzberger

Essensgutscheine abkauft, um sie Weihnachten zu verschenken. Nobelhart&Schmutzig, das Charlottenburger Stella Alpina, die Trattoria

Vale un Peccato sowie das Bahadur in Wilmersdorf. Ihr Kom-

Sollten die Erfinder des „viralen Hits” mit ihrer Benennung etwas

ganz und gar Positives meinen, dann hätte sicher auch die Aktion der mentar: Coole Idee und Tausend Dank.

Donnerstag, 20. November 2020, 18.00 Uhr

***

seine Crew (darunter Restaurantleiterin Sabine Panzer und Somme-

Auch Arne Ankers (Bild unten Mitte) Restauranteröffnung in der Charlottenburger

Grolmanstraße 53/54 an diesem Donnerstag ist – coro-

bieten Brikz-Menü-Boxen mit allen Zutaten für drei oder vier Gänge

lière Maria Rehermann, beide bekannt aus seligen Reinstoff-Zeiten)

nabedingt – lediglich ein Start ins Take-away-Geschäft. Der 35-jährige sowie den nötigen Kochanleitungen und harren nun der Dinge, die

Schleswig-Holsteiner Sternekoch (2014 bis 2019 im Pauly-Saal) und da kommen werden.

8 GARÇON


Dinner for none — 29 Tage im November GARCON-TAGEBUCH

Sonntag, 22. November 2020, 11.30 Uhr

Bilder wie diese (oben re. und li.) gibt es in diesem Jahr nicht. Die

FuturEins UG, Organisator der Next Organic, hatte bereits Anfang

November mitgeteilt, dass die traditionelle Veranstaltung in diesem

Jahr als Online-Event via ZOOM ausgerichtet wird. Das klappt

an diesem Sonntag sowohl beim Eröffnungstalk mit Renate Künast

als auch bei den Podiumsdiskussionen gut. Auch die Next Organic

Startup Awards 2020 werden online verliehen. Die Jury ehrt vier junge

Unternehmen – zwei davon kommen aus Berlin. Neben der Hamburger

Stieleis-Manufaktur Tofte und dem niedersächsischen Unternehmen

Suur (Herstellung fermentierter Gemüseprodukte) werden

Tiny Farms Berlin (Produktion und Vermarktung von Biogemüse) sowie

das Berliner Restaurant FREA ausgezeichnet. Der Publikumspreis

geht an Food Tracks aus Münster (Bäckerei-Controlling).

Montag, 23. November 2020, 10.00 Uhr

***

haben. Seitdem wird geplant und gebaut, im kommenden Jahr soll

Von sich reden macht das FREA auch am Tag darauf. Es wird bekannt,

dass dessen Inhaber Jasmin Martin und David Johannes Su-

der vegane Küche mit regionalen Bio-Produkten offeriert, ganzheit-

das zweite Restaurant des Paares öffnen – als ein kulinarischer Ort,

chy (Bild u. links) das seit Oktober geschlossene Restaurant Alpenstueck

inklusive der früheren Alpenstueck-Manufaktur übernommen er keinen Müll produziert, sondern den Abfall

lich organisiert ist und Genuss mit Nachhaltigkeit verbindet, indem

kompostiert.

Montag, 30. November 2020, 7.30 Uhr

Wir sind am letzten Arbeitstag im November noch einmal zu Gast

bei Marcus Fuhrmann. Der Obst- und Gemüsegroßhändler weiß inzwischen,

dass der gastronomische Lockdown mit diesem Tag nicht

beendet ist. Die wirtschaftlichen Folgen nennt er dramatisch: „Im

***

Vergleich zum Vorjahr hatten wir im November 2020 einen Umsatzverlust

von 75 bis 80 Prozent.” Und obwohl ein Viertel seiner Mitarbeiter

Kurzarbeitergeld bezieht, liegen die monatlichen Kosten bei

über 40.000 Euro. Ausgleichszahlungen hat er bisher nicht bekommen.

„Unsere Rücklagen sind bereits mehr als halbiert”, sagt er.

GARÇON

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TITEL Die Gastronomen Annette Baier und Peter-Michael Krech

„Aber bitte keine Fotos!”

DIE GASTRONOMEN ANNETTE BAIER UND PETER-MICHAEL KRECH

VON JÖRG TEUSCHER

10 GARÇON


Die Gastronomen Annette Baier und Peter-Michael Krech TITEL

Keine Frage, die Um- und Abspannwerke der Bewag üben seit ihrem

Bau in den 1920er Jahren einen eigentümlichen Reiz auf die

meisten Betrachter aus. Achtunddreißig dieser „Kathedralen der

Elektrizität” ließ Hans Heinrich Müller (1879-1951), Architekt und

damaliger Baudirektor der Berliner Städtischen Elektrizitätswerke

Aktiengesellschaft, einst errichten – aus roten Klinkern gemauerte

Solitäre, die zwar ziemlich sakral anmuteten, aber ausschließlich

einem elektrotechnischen Zweck dienten. Das erste dieser

Abspannwerke entstand zwischen 1924 und 1926 am Kottbusser

Ufer in Kreuzberg, das heute Paul-Lincke-Ufer heißt.

1989 wurde es stillgelegt, später umgebaut. Seit 2002 sind hier

diverse Kreativfirmen ansässig, jahrelang diente es als Eventlocation,

ein Restaurant zog ein. Ende Mai 2002 berichtete ich – damals

für den Sender Freies Berlin – über das Festival „resonant wave”,

das in der riesigen Transformatorenhalle viel Furore machte. Gut

drei Monate später schrieb ich über das Restaurant des Hauses,

das – nomen est omen – zu dieser Zeit den Namen H. H. Müller trug.

Obwohl das inzwischen 18 Jahre her ist, erinnere ich mich gut

an Annette Baier und Peter-Michael Krech, die Inhaber der außergewöhnlichen

Location am Paul-Lincke-Ufer. Die Begegnung blieb

mir auch deshalb im Gedächtnis, weil die beiden es damals strikt

ablehnten, sich fotografieren zu lassen. „Andere sind wichtiger”,

erklärten sie und schickten ihren Küchenchef Thomas Kurt vor...

Vor vier Monaten traf ich Annette Baier und Peter-Michael

Krech wieder. Und auch da hieß es gleich: „Aber bitte keine Fotos.”

So strikt wie vor 18 Jahren klang es allerdings zum Glück nicht.

GARÇON

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TITEL Die Gastronomen Annette Baier und Peter-Michael Krech

Peter-Michael Krech

Inhaber Restaurant Exodus

Berlin-Charlottenburg

Peter-Michael Krech und Annette Baier gehen inzwischen privat

wie gastronomisch getrennte Wege, sind aber immer noch freundschaftlich

verbunden und unterstützen sich geschäftlich, wo immer

es nötig ist. „Wir sind ein Team geblieben”, sagt Krech.

Der 63-jährige Berliner ist Architekt von Beruf, erste Liga in seiner

Branche, ein Mann also, der gut zu tun hat. Dennoch leistet er

sich immer wieder mal einen Ausflug ins Gastro-Business – damals,

als wir uns kennenlernten, war es das Kreuzberger Umspannwerk

– jetzt ist es das Charlottenburger Restaurant EXODUS.

Zwei Jahre dauerte der Umbau der Vinoteca Filou, in denen Krech

die Mischung aus Burgverlies und Backsteingrotte in ein modernes

Restaurant verwandelte. Der Name „EXODUS by Aviv Moshe” lässt

es vermuten – hier grüßt eine israelische Brasserie mit der Küche des

östlichen Mittelmeeres und einer Form der Gastlichkeit wie sie etwa

in Tel Aviv zelebriert wird. Aviv Moshe übrigens ist einer der bekanntesten

Köche Israels und Krechs Partner fürs Kulinarische.

12 GARÇON


Die Gastronomen Annette Baier und Peter-Michael Krech TITEL

Annette Baier

Inhaberin Café Baier

Berlin-Steglitz

Als Annette Baier 2014 die Schloßstraßeninstitution Le Café übernahm,

(die Umbenennung in Café Baier erfolgte erst ein Jahr später),

lag ein ziemlich bewegtes Leben hinter der heute 57-Jährigen.

Geboren in Großenhain bei Dresden, Abitur. Kunststudium, Abbruch.

Tischlerlehre, Abschluss. 1984 Flucht nach West-Berlin.Jobs

in einem Fitnessstudio und in einer Intarsienwerkstatt, dann ein Jahr

Australien. Nach ihrer Rückkehr heuerte sie im Architekturbüro von

Peter-Michael Krech an. Der hatte Anfang der 1990er das Atalante

in der Neuköllner Richardstraße gebaut, sie führte das Lokal, das

damals mit seinen Esskultur-Veranstaltungen – Literaturlesungen

mit Menübegleitung – für Aufmerksamkeit sorgte.

Annette Baier folgte Krech ins Kreuzberger Umspannwerk und managte

dort das Restaurant H. H. Müller. Sie holte 2003 Matthias Gleiß

als Küchenchef ins Boot – „ein Glücksfall” – und auch für einige Zeit

Ilka Bessin als Restaurantleiterin. „Ein Missgriff, aber als Cindy aus

Marzahn hat sie dann ja doch noch ihre Berufung gefunden.”

GARÇON

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TITEL Die Gastronomen Annette Baier und Peter-Michael Krech

Annette Baier lud uns ein, ihr Café zu besuchen.

Wir vereinbarten einen Termin.

„Mittwoch, 21. Oktober?” Passt. „Wenn Sie

können, kommen Sie um sieben.”

Den Grund für das sündhaft frühe Treffen

erklärt uns die Inhaberin beim Weg in

die Keller-Katakomben der hochherrschaftlichen

Jugendstilvilla am Zusammenfluss

von Schloß- und Zimmermannstraße mit

entwaffnend-charmanter Offenheit: „Ich

wollte, dass Sie das Herzstück unseres

Cafés kennenlernen.”

Das Herzstück besteht aus mehreren

gefliesten Räumen mit relativ geringer

Deckenhöhe, in denen zu dieser Zeit eine

fast andächtige Betriebsamkeit herrscht.

„Stress verdirbt nicht nur den Charakter, sondern

auch den Kuchen”, erklärt uns Bajwa

Zakaullah, genannt „Zaka”, Bäcker und Konditor

mit Meisterbrief (Bild li. Mitte).

Der 60-Jährige ist für das Brot und die

Brötchen zuständig, für Mohn- und Zimtschnecken,

Croissants und natürlich für

eins der gebackenen Markenzeichen des

Cafés, die Buchteln, ein Wiener Germteiggebäck

(Germ, österr.: die Hefe; germeln:

nach Hefe schmecken), das später mit Vanillesauce

serviert wird.

In einer anderen Stube werkeln die Konditorinnen

Milka Budiša und Helena Schembera

(Bild li. unten, v.re.) an täglich einem

Dutzend Kuchen- und Tortenklassikern.

14 GARÇON


Die Gastronomen Annette Baier und Peter-Michael Krech TITEL

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TITEL Die Gastronomen Annette Baier und Peter-Michael Krech

Und dann gibt es da noch ein ganz besonderes

Schmankerl: Crumble, der im Grunde

ein Streuselkuchen ohne Boden ist und im

Café Baier – gäbe es ihn mal nicht – wahrscheinlich

einen Gästeaufstand auslöste.

Ohne Corona würde der Sturm um neun

beginnen. Nicht auf das Kuchenbuffet,

sondern zu allererst auf den Zeitungsständer.

Neue Zürcher, FAZ, Tagesspiegel und

Süddeutsche sind zuerst weg, was einige

Rückschlüsse auf die Provenienz der Gäste

zulässt.

Anwälte, Geschäftsleute, Künstler und

Wissenschaftler kommen regelmäßig in

das stilvolle Refugium in der ersten Etage,

das Sehen-und-Gesehenwerden-Publikum

bevorzugt die Etablissements in Mitte oder

Prenzlauer Berg. Den vielen Stammgästen

– Annette Baier spricht von immerhin 60

Prozent – ist das nur recht, sie bevorzugen

Rückzugsorte ohne Tamtam und Tralala.

Deshalb feiern sie „ihr” Café Baier, dessen

ursprüngliche Atmosphäre und all die

gutbürgerlichen Offerten auch als wahres

Schloßstraßen-Idyll.

CAFÉ BAIER

Schloßstraße 26

12163 Berlin-Steglitz

Tel. 030 - 22 02 27 04

www.cafe-baier.com

16 GARÇON


Die Gastronomen Annette Baier und Peter-Michael Krech TITEL

Im Service: Niko Dordevic.

Am Tresen: Cristina Biro.

In der Küche: Sven Bork.

GARÇON

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TITEL Die Gastronomen Annette Baier und Peter-Michael Krech

Abschied von Annette Baier und einer Adresse,

um die Steglitz zu beneiden ist. Eilige

Fahrt nach Charlottenburg, um zwölf ist

Lunchtime im EXODUS, natürlich mit Handdesinfektion,

Namensliste und Abstand.

Noch ahnt keiner, dass sieben Tage später

für lange Zeit nichts mehr gehen wird.

Peter-Michael Krech bittet zum Rundgang

durch ein Restaurant, das schon als

Örtlichkeit interessant ist. Die stärksten

Faktoren an diesem wohltuend schlicht

möblierten Lokal: die bunten Murano-

Leuchten und die großen Ölbilder von Susanne

Platte – Thema Movement, die Welt

in Bewegung. „Sie sind dem Namen unseres

Restaurants verpflichtet”, sagt Krech.

Kurzes Nachdenken, dann fügt er hinzu:

„EXODUS, das ist die Flucht in eine bessere

Welt.”

Nach seinem Engagement ausgerechnet

für dieses Projekt befragt, verweist der

Berliner Architekt auf seine israelischen

Geschäftspartner, seine Freundschaft mit

Aviv Moshe, dem bekannten Spitzenkoch

aus Tel Aviv und auf seinen familiär jüdischen

Hintergrund.

„Außerdem ist die Levante-Küche in

Berlin schwer angesagt”, ergänzt er. Man

muss es ihm und seinen Partnern lassen:

Mit dem EXODUS haben sie einen feinen

Allzeit-Treffpunkt etabliert, der in jeder

Hinsicht in die Zeit passt.

18 GARÇON


Die Gastronomen Annette Baier und Peter-Michael Krech TITEL

Servicechefin Anna Triltsch.

Mitarbeiterin Sarah Schulz.

GARÇON

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TITEL Die Gastronomen Annette Baier und Peter-Michael Krech

Die EXODUS-Küche ist das Reich von Küchenchefin

Shany Zahov Zaubermann und

ihrem Stellvertreter Dor Oren (Bild oben v.

re.). Die 25-jährige Shany stammt aus Afula,

einer Stadt im Norden Israels und war

nach ihrer Ausbildung Souschefin bei Aviv

Moshe in dessen Restaurant Messa, einer

der angesagtesten kulinarischen Adressen

in Tel Aviv.

Dor Oren, 29, aufgewachsen in Rishon

Leziyyon, ein paar Kilometer südlich von

Tel Aviv, absolvierte seine Kochlehre in

Freiburg und hätte auch die nächsten Jahre

im schönen Breisgau verbracht, wenn

da nicht der dringende Ruf aus der Hauptstadt

gewesen wäre.

„Das EXODUS by Aviv Moshe ist für jeden

Koch aus Israel eine Herausforderung, für

die sich ein Umzug lohnt”, sagt er.

Die EXODUS-Küche ist eine moderne

Mischung aus mediterranen, israelischen

und arabischen Elementen, wie sie in vielen

Metropolen der Welt en vogue ist: intensive

Aromen, mutige Würzung, kreative Arrangements.

Wir reservieren für den 28. Oktober …

EXODUS BY AVIV MOSHE

Bleibtreustraße 7

10623 Berlin-Charlottenburg

Tel. 030 - 31 01 44 49

www.exodusberlin.com

20 GARÇON


Die Gastronomen Annette Baier und Peter-Michael Krech TITEL

GARÇON

21


TITEL Die Gastronomen Annette Baier und Peter-Michael Krech

Wie geht es Ihnen, Herr Krech?

Ich bin gesund und habe als Architekt in Berlin und Brandenburg

gut zu tun, aber darauf zielt Ihre Frage sicher nicht ab, oder?

Doch, ich wüsste aber auch gerne, wie es um das EXODUS steht.

Obwohl wir eigentlich keine Take-away-Angebote machen wollten, haben

wir uns nun doch dafür entschieden und bieten seit Mitte November

dienstags bis sonntags von 12.00 bis 18.00 Uhr zwölf Gerichte an,

etwa unser legendäres Hummus mit Fleisch- oder Pilzragout sowie

Brownies und Plätzchen aus unserer Weihnachtsbäckerei.

Weshalb haben Sie sich so entschieden?

Wirtschaftlich macht es wenig Sinn, aber es geht mir und meinen

Partnern um die Motivation unserer Mitarbeiter. Zehn Köche und

Kellner sind in Kurzarbeit, können aber von ihrem Kurzarbeitergeld

kaum leben, und die Servicekräfte haben nicht mal das. Wir schaffen

mit unserer Aktion also die Möglichkeit des Zuverdiensts für

unsere Mitarbeiter, und außerdem zeigen wir, dass es uns noch gibt.

Die fixen Kosten des Restaurants finanzieren Sie mit der staatlichen

November- bzw. Dezemberhilfe?

Miete, Energie, Versicherungen usw. bezahlen meine Partner und

ich privat, weil diese Hilfen für uns nicht relevant sind. Wir haben

das EXODUS im Februar 2020 eröffnet, es gibt also keinen Vorjahresumsatz,

den wir für eine Berechnung heranziehen könnten.

Der Lockdown wird andauern, machen Sie sich Sorgen um die

Existenz des EXODUS?

Wir kämpfen darum, dass es unser Restaurant auch nach dem gastronomischen

Lockdown noch gibt. Sorgen mache ich mir eher um

den Zustand der Gesellschaft. Ich las kürzlich in einer Studie des

Instituts für Demoskopie Allensbach darüber, wie das gesellschaftliche

Klima in dieser Pandemie-Zeit in den Keller gerutscht ist, dass

Aggressivität und Egoismus zunehmen und das gesellschaftliche

Klima kälter wird. Das vor allem bereitet mir Sorgen.

Danke für das Gespräch, Herr Krech und hoffentlich bis bald.

22 GARÇON


Die Gastronomen Annette Baier und Peter-Michael Krech TITEL

Auch an Sie die Frage, wie geht es Ihnen, Frau Baier?

Wie schon? Schäbige Novembertage mit Regenschauern, kaltem

Wind und grimmig blickenden Maskenträgern auf der Schloßstraße,

dazu das geschlossene Café, das hebt nicht gerade die Stimmung.

Wie oft waren Sie in den Lockdown-Tagen in Ihrem Café?

Jeden Tag. Wir haben den Fußboden in der Backstube neu fliesen

lassen, da musste viel geputzt werden. Ich habe Stühle repariert,

an der Speisenkarte für das nächste Frühjahr gebastelt, die Buchhaltung

auf Vordermann gebracht, solche Sachen eben.

Ist die so genannte Novemberhilfe schon auf Ihrem Konto?

Nein, auch kein Abschlag. Einzig die GEMA hat siebzig oder achtzig

Euro zurücküberwiesen, weil wir ja jetzt keine Musik spielen.

Ihre Konditoren, Köche und Kellner sind in Kurzarbeit?

Ja, 15 Mitarbeiter bekommen Kurzarbeitergeld.

Sie bieten Kuchen und Torten to go an?

Auf kleiner Flamme seit dem ersten Adventswochenende. Vor allem

kommen Stammgäste, die auf ihre Buchteln oder ihren Käsekuchen

nicht verzichten wollen. Ein Geschäft ist das natürlich nicht,

aber wir können wenigstens zeigen, dass es uns noch gibt.

Bars, Cafés und Restaurants müssen bis zum 10. Januar geschlossen

bleiben. Wie sehen Sie vor diesem Hintergrund die Zukunft

Ihres Cafés und der Gastronomie überhaupt?

Wenn es wirklich hilft, die Pandemie einzudämmen, ok. Im übrigen

glaube ich auch nicht, dass wir im Januar wieder öffnen dürfen, mir

erscheint der Februar oder März wahrscheinlicher. Wir werden das

überleben – mit Hilfe der November- und Dezemberhilfen des Staates

und unserer Rücklagen aus besseren Zeiten.

Und die Gastronomie generell?

Ich weiß es nicht. Manche sprechen von einem Insolvenz-Tsunami

im kommenden Frühjahr, andere sehen nur eine kleine Pleitewelle

auf die Branche zurollen. Warten wir es ab.

Vielen Dank für das Gespräch, Frau Baier und Ihnen alles Gute.

GARÇON

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LOKALTERMIN Berliner Teller

Berliner Teller

VOR DEM LOCKDOWN SERVIERT IM HAWKER

Berlin-Charlottenburg, Schlüter-/Ecke Goethestraße. Jahrzehntelang

ging es hier eher bieder bürgerlich zu, schlichtes Ambiente,

einfaches Essen, die Laune des Chefs spiegelte die wirtschaftliche

Lage des Ladens. Dann kam Patricia Strickland und

mit ihrem ausgeschlafenen Konzept viel frischer Wind.

Nach einem Umbau, bei dem nur wenige Steine auf den anderen

blieben, eröffnete sie Anfang September das Hawker: originell,

witzig, appetitanregend.

Die Gerichte der Herbstkarte pendelten geschmacklich zwischen

leichter Eleganz und kraftvoller Klassik, kleine Ausflüge in

modische Trends inklusive. Uns überzeugte der Old School Shrimp

Cocktail aus Bio-Garnelen und einer abgefahrenen amerikanischen

Chili-Tomaten-Meerrettich-Sauce ebenso wie der vegetarische

Portobello-Burger mit knusprig gebackenem Ziegenkäse,

einer genialen Kräuter-Limonen-Sauce und belgischen Fritten.

Zum Berliner Teller allerdings küren wir das Hawker-Knusperschnitzel

– ein paniertes und kross ausgebackenes Kalbsschnitzel,

gratiniert mit Gruyère und Bresaola, das mit einer

hausgemachten BBQ-Sauce und einer herbstlichen Raw-Gemüse-

Beilage serviert wird. Formidable!

24 GARÇON


Berliner Teller LOKALTERMIN

H

A

W

Ich fürchte, es wird noch etliche Zeit vergehen, bis wir

wieder zu einer Normalität zurückkehren können, und ich

hoffe, es wird eine Normalität sein, wie wir sie kennen, in

der es Spaß macht, Freunde zu treffen, Restaurants zu besuchen,

unbeschwert zu genießen. Darauf warten wir nun.

Wir geben jedenfalls nicht auf.

Patricia Strickland, Inhaberin Hawker

Eigentlich wollte die Deutsch-Amerikanerin Patricia Strickland, geboren

in Mannheim, aufgewachsen in San Francisco, Kunststudium

in London, Interior Designerin in Amsterdam, Boston und Berlin,

eine Galerie eröffnen. Die Räume der ehemaligen Weinbar in der

Charlottenburger Schlüterstraße erschienen ihr geeignet – ausreichend

groß und hell genug. Die schäbige Einrichtung störte sie

nicht, eine Angelegenheit für Entrümpelungsfirmen.

„Als die ersten Pläne gezeichnet waren, kam meine Tochter Chiara

ins Spiel”, erzählt die 56-Jährige, „und zwar mit der Frage, ob

man hier auch einen Kaffee trinken könne.” Weil Kunst und Kulinarik

ja irgendwie Schwestern sind, wurden die Pläne neu gezeichnet

und aus der Kaffee-Idee wurde ein komplett kulinarischer Ort.

Patricia Strickland holte die Einrichtungsprofis Veronika Polak

und Stephan Falke ins Boot, und in fast zweijähriger Arbeit entstand

das Hawker, eine Mischung aus Bar und Bistro mit edlem,

aber gemütlichem Ambiente und sympathischer Atmosphäre.

K

E

Gastgeberin Patricia Strickland mit Tochter Chiara, v.li.

R

GARÇON

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LOKALTERMIN Berliner Teller

Es gab eine – coronabedingt – kleine Eröffnungsfeier, ein „Friends

and Family Dinner”, und alle, die kamen, waren sich einig: Was Patricia

Strickland und ihre Berater hier innenarchitektonisch gezaubert

haben, verzaubert. Ein gekonntes Spiel zwischen Authentizität

und Moderne, schwere Eichenbalken an den Tresen, die Tische aus

gegossenen Bronzeplatten mit Schriftgravuren, die jede einzelne

zum Unikat machen, belgische Designerlampen, alles in Szene gesetzt

mit Edelstahlinstallation by Patricia Strickland herself.

Ja, das Hawker ist ein wirklich heißer Tipp für Menschen, die

dem Leben gerne ein paar Besonderheiten abringen wollen, ein

höchst erfreulicher Zugang an der Berliner Bar- und Bistrofront.

Normalerweise reicht das, um erfolgreich in die Spur zu kommen.

„Doch was ist schon normal in diesem Jahr?”, Patricia Strickland

zuckt mit den Schultern.

Es bleiben der detailversessenen Künstlerin nur wenige Wochen,

um ihr Konzept zu optimieren und die Hawker-Mannschaft

26 GARÇON


Berliner Teller LOKALTERMIN

zu trainieren, dann macht Ende Oktober der erneute Gastronomie-

Lockdown alle Pläne zunichte. Dass sie nicht die Einzige in der

Stadt ist, die es so trifft, hilft da nur wenig.

Ein gutes Dutzend weiterer Gastrostarts verzeichnet die Chronik

für das Coronajahr 2020: Bereits im Juli eröffneten Möllers Köttbullar

und das Osterberger. Es folgten Lode van Zuylen und Stijn Remi

mit dem REMI im Suhrkamp Verlagshaus in der Torstraße, das hoch

gehandelte Naturweinbistro Hinterland und das 12seasons, das einige

Hauptstadtblätter zur „spannendsten Eröffnung des Herbstes”

hochjazzten. Selbst mitten im November-Lockdown meldete die

Branche noch Startschüsse – etwa für Arne Anker und das Brikz

(s. Seite 8) und für Zuzanna Stern und ihr DECOrestaurant.

Am letzten Dienstag im Oktober treffen wir uns noch einmal mit

Patricia Strickland. Sie weiß, was sie in den nächsten Wochen erwartet

und ahnt, was danach folgt. Doch sie beklagt sich nicht, schimpft

nicht, seufzt nicht mal. „Wir kommen wieder”, sagt sie nur.

Patricia Strickland im Gespräch mit ihren Küchenbau- und

Einrichtungsprofis Veronika Polak und Stephan Falke, v. li.

GARÇON

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LOKALTERMIN Berliner Teller

Küchenchef Sibusiso Mntambo.

Köchin Alina Balaboiu.

Das hoffen natürlich auch ihre Mitarbeiter, die nun in Kurzarbeit

sind. Ab Februar oder März 2021 wollen sie endlich zeigen, was

sie draufhaben. Das Credo: Gutes ganz einfach, Streetfood deluxe.

Dafür stehen der 34-jährige Südafrikaner Sibusiso Mntambo

aus Durban und Alina Balaboiu, 26, aus Bukarest. Beide haben ihr

Handwerk von der Pike auf gelernt und waren kulinarisch schon

ein bisschen auf der Welt unterwegs bevor sie vor einem Jahr nach

Berlin kamen.

Ihre erste Speisenkarte zwischen Eröffnungsparty und Lockdownschließung

machte bereits deutlich, wo die Reise hingehen

soll – Fancy Mac&Cheese, Rainbow Grainbowl und ein Hawker Burger

belegen, dass es essensmäßig hier ziemlich anglophil zugeht.

Wenn Patricia Strickland im nächsten Jahr ihr Lokal erneut öffnen

darf, werden auch die Konzentration auf regionale Bio-Produkte

und auf deren verlässliche Zubereitung im „Canteen-Style” bleiben.

Und hoffentlich auch das Knusperschnitzel (s. Seite 24)…

28 GARÇON


Berliner Teller LOKALTERMIN

Barchef Adam Tudoret.

Keine Frage, der schräg in den Raum gestellte meterlange Bartresen

ist ein point d’exclamation im architektonischen Sinn, ein Blickfang,

der davon kündet, dass es im Hawker auch um Genuss aus

dem Cocktailshaker oder dem Rührglas geht. Das macht die Bar

zu einem guten Ort für erste Dates und für Leute in Runterkomm-

Laune, ein Platz zum Besoffenwerden ist sie jedenfalls nicht.

Der Chef hinter dem Tresen heißt Adam Tudoret, ein 26-jähriger

Franzose aus Paris, dessen Weltläufigkeit mehr überrascht als

seine sympathische Lockerheit und sein handwerkliches Können.

Natürlich ist Tudoret über alle internationalen Getränketrends

bestens informiert, spricht auch ganz gern darüber, nimmt sich dabei

aber nicht sonderlich wichtig. Auch das ist ein guter Zug.

Sein Signature Drink heißt Schlüter 75: Gin, Sherry Fino, Erdbeergeist,

Gurkenauszug, Basilikum, aufgegossen mit Champagner.

Nicht zu sauer, nicht zu süß, süffig, kräftig, sexy. Und ein bisschen

tipsy macht er auch ...

HAWKER BAR+KITCHEN

Schlüterstraße 75

10625 Berlin-Charlottenburg

Tel. 030 - 85 60 80 00

www.hawkerbarandkitchen.de

GARÇON

29


LOKALTERMIN Sake Embassy

K

A

N

P

Natürlich mit Abstand: Gruppenbild der Sake-Botschafter.

Klein, klein, das war noch nie die Sache von Alexander van Hessen – weder als

er 2012 die Berlin Food Week ins Leben rief noch in diesem Jahr, als er die Sake

Embassy Germany aus der Taufe hob.

Die Aktion fand natürlich zum richtigen Zeitpunkt statt und hatte den passenden

Rahmen – der bekannte Netzwerker überlässt auch da nichts dem Zufall.

Also trafen sich am 1. Oktober 2020, dem World Sake Day, der in Japan den Beginn

der Sake-Produktion einläutet, Kenner des Nippon-Nationalgetränks in der

Botschaft Japans. S.E. Takeshi Yagi sprach das Grußwort, Alexander van Hessen

zelebrierte den Gründungsakt, der selbstverständlich mit einem Becher feinsten

Premium-Sakes besiegelt wurde. Kanpai!

A

I

Grußwort: S.E. Takeshi Yagi, Botschafter Japans in Deutschland.

30 GARÇON


Sake Embassy LOKALTERMIN

Sake ist nicht nur Männersache:

Yoshiko Ueno-Müller, Sake & Shochu Academy Europe.

Neben Alexander van Hessen als Präsident gehören sechs weitere

Persönlichkeiten dem Gründungsvorstand der Sake Embassy Germany

an: Alexander Angelus (Japanische Botschaft), Dr. Bastian

Schwithal (GO-Sake), Arnd-Henning Heissen (Bar-Manager), Herbert

Schmitz (Schröder+Schömbs PR), Jörg Müller (Ueno Gourmet)

und Yoshiko Ueno-Müller (Sake & Shochu Academy Europe).

Das ist geballte Sake-Kompetenz, keine Frage.

Dennoch vermisst man solche Koryphäen wie Dagmar Maas (Nihon

Mono) und Susanne Rost-Aoki (Sake Kontor), die der Embassy

nicht nur weitere Expertise, sondern auch noch mehr weiblichen

Glanz verliehen hätten.

Gleiches gilt natürlich auch für Mokoto Watanabe (Restaurant

Zenkichi), die beste Beziehungen zu japanischen Mikrobrauereien

unterhält und viel Erfahrung mit Sake als Essensbegleiter hat – im

Mutterland des Reisweins übrigens absolut unüblich.

Jedenfalls hat die Sake-Botschaft, wie es heißt, „der erste Non-

Profit-Branchenverband in Deutschland, der sich ausschließlich

mit japanischer Trinkkultur befasst”, im nächsten Jahr viel vor.

Um Gastronomen, Hoteliers, aber auch ganz normalen Gernetrinkern

im Land von Bier und Wein das Thema Sake näherzubringen,

ist beispielsweise vom 1. bis 7. Oktober 2021 eine Sake Week

Berlin geplant, die ab 2022 auch in Düsseldorf und Frankfurt am

Main stattfinden soll.

SAKE EMBASSY GERMANY E.V.

Torstraße 171

10115 Berlin-Mitte

Tel. 0178-84 60 227

kanpai@sake-embassy.com

GARÇON

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LOKALTERMIN Frau Bünger macht Mittag

ZWÖLF UHR MITTAGS

LUNCHTIME BEI CORA UND CLAUDIA

VON JÖRG TEUSCHER


Frau Bünger macht Mittag LOKALTERMIN

Auch die meisten Bilder für diesen Bericht haben wir vor dem gastronomischen

Lockdown Ende Oktober aufgenommen und entschieden,

sie dennoch beizubehalten. Denn allzuviel hat sich bei „Frau

Bünger macht Mittag” in der Charlottenburger Niebuhrstraße trotz

Corona nicht geändert.

Sicher, der Speiseraum ist geschlossen, und auch die Stühle vor

der Tür mussten weichen – aber das sind Äußerlichkeiten. Das Wesentliche

ist geblieben: die Mittagsofferten (natürlich nur to go) und

etwas, das in dieser Zeit genauso wichtig ist wie warmes Essen – ein

Lächeln und ein freundliches Wort. Danke, Cora und Claudia.

Mirella „Cora” Bünger und Claudia Schulz sind alte Bekannte. Über

die Blitzkarriere der Müslimacherin Mirella Bünger – verheiratet übrigens

mit Jens-Uwe Bünger, Berlins erstem Fleischsommelier – und

ihre Manufaktur „Gold-Körner” berichteten wir schon vor drei Jahren.

Die erste Begegnung mit Claudia Schulz liegt noch länger zurück, sie

war fast 20 Jahre lang Serviceleiterin im legendären „Adnan”…

Mirella „Cora” Bünger.

Claudia Schulz.

GARÇON

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LOKALTERMIN Frau Bünger macht Mittag

Mirella Bünger, gelernte Konditorin und Claudia

Schulz, Tierarzthelferin von Beruf, kennen sich

seit über zwanzig Jahren.

Beide sind Gerneesserinnen, Fitnessliebhaberinnen

und Hundenärrinnen – wenn all das

zusammenkommt, dann läuft man sich selbst in

einer Stadt wie Berlin schon mal über den Weg,

allemal wenn die Leidenschaften vorwiegend in

Charlottenburg und Zehlendorf gepflegt werden.

Ach ja, und beide haben einen Faible fürs

Gastronomische. Immer mal wieder redeten sie

darüber, dass man was gemeinsames machen

müsse – café- oder bistromäßig, wie man in Berlin

sagt – bis es dann ganz schnell ging.

Mirella Bünger entdeckte das leerstehende

ehemalige „Körnercafe” in der Niebuhrstraße,

Bünger-Küchenchef Daniel Danial.

ein Anruf, Claudia Schulz war begeistert. Eine

geneigte Hausverwaltung sah das Vorhaben

wohlwollend, und auch Herr Bürger sprach noch

ein Wörtchen mit, ebenfalls ein positives.

Die beiden tatkräftigen Frauen hübschten

den Laden auf und feierten am 15. Juni 2020

Eröffnung. Und im Kiez sprach sich schnell herum,

dass die „Niebuhr Nummer eins” neuerdings

eine erste Adresse für ein richtiges Mittagessen

ist, das hält, was es verspricht und ohne die häufig

übliche Verfeinerung bis zur Geschmacklosigkeit

auskommt.

Star-Schreiber Thomas Platt adelte die Bünger-Mittags-Offerte

schon ein paar Tage nach

der Eröffnung mit dickem Lob und dem Hinweis,

dass der Kartoffel-Gurkensalat mit geschmälz-

34 GARÇON


Frau Bünger macht Mittag LOKALTERMIN

ten Zwiebeln einer der besten der Stadt sei. Die

exzellente Kreation bereiten Mirella Bünger und

Claudia Schulz in ihrer kleinen Bistro-Küche übrigens

nach einem alten Alpenlandrezept selbst

zu, ebenso wie diverse weitere Salate und etliche

Süßspeisen.

Alle anderen Gerichte werden in Meister Büngers

Neulandfleischerei in der Westfälischen

Straße (s. auch Seite 49) täglich frisch gekocht

und mittags geliefert.

Der Mann, der für beides zuständig ist, heißt

Daniel Danial, hat sich sein kulinarisches Rüstzeug

im Grill Royal und im Pauly Saal geholt und

beweist mit seinen Suppen, Eintöpfen, Gemüse-,

Fisch- und Schmorgerichten ganz am Rande

auch noch, dass Spitzenköche nicht nur das ku-

linarische Kunsthandwerk à la Austerncarpaccio

in Planktonvinaigrette beherrschen, sondern

auch durchaus in der Lage sind, eine ordentliche

Rinderbrust mit Meerrettichsoße zuzubereiten.

Die wöchentliche Frau-Bünger-macht-Mittag-

Speisenkarte gibt es natürlich online – täglich

werden drei verschiedene Gerichte angeboten,

und – auch das ist ein guter Zug – die To-go-

Behältnisse sind wiederverwendbar.

FRAU BÜNGER MACHT MITTAG

Niehbuhrstraße 1

10623 Berlin-Charlottenburg

Tel. 030 - 49 96 78 55

frau.buenger.macht.mittag@web.de

GARÇON

35


LOKALTERMIN Frau Bünger macht Mittag

Was ich von ‚Frau Bünger macht Mittag‘ halte? Ich zeige es

Ihnen: Beide Daumen hoch, das steht für lecker, fair und

freundlich und auch dafür, dass Extrawünsche – Pasta

statt Kartoffeln oder Rot- statt Rosenkohl – klaglos erfüllt

werden. Also, dieses Bistro ist eine Bereicherung für unseren

Kiez. Es hebt die Kultur im Kiez, Nostalgie- und Glücksgefühle

inklusive. Was, frage ich Sie, will man mehr?

Karin Lewin, Verkäuferin

Ich bin Schreinermeister und komme aus Salzburg. Ein

Auftrag, hier, gleich um die Ecke, einige historische Fenster

zu restaurieren, hat mich hergeführt. Auf der Suche

nach einem Pausenimbiss entdeckte ich dieses Beisl,

das mich total begeistert. Es gibt alles, was der Mensch

mittags braucht: eine warme Suppe, Schnitzi und Gulasch

und einen superfreundlichen Service.

Shimon Weber, Restaurator

‚Frau Bünger macht Mittag‘ hat das Zeug, eine gastronomische

Institution in dieser Gegend zu werden. Erstens, weil

frische Offerten um diese Zeit hier eher die Ausnahme sind

und zweitens, weil Qualität und Preis absolut stimmen – gar

nicht zu reden davon, dass dieses Lokal ein kulinarischer Ort

ist, auf den sich offenbar jeder einigen kann.

Volker Diehl, Galerist

36 GARÇON


GARCON-GESPRÄCH

Ocke Pinks, Jahrgang 1971, gebürtiger Nordfriese, wuchs auf der

Insel Föhr auf und absolvierte nach dem Schulabschluss eine Ausbildung

als Koch. Nach verschiedenen Stationen in deutschen und

ausländischen Spitzenrestaurants folgte er 1995 einem Ruf des

Berliner Estrel Hotels. Neun Jahre stand er hier am Herd, die letzten

sechs davon als Küchenchef. 2005 wechselte Ocke Pinks zur

Deutsche See GmbH, hierzulande die Nummer Eins bei der Vermarktung

und Verarbeitung von Fisch und Meeresfrüchten. Seit

zehn Jahren ist der 49-Jährige nun als Regional- und Niederlassungsleiter

Berlin für das Bremerhavener Unternehmen tätig.

www.deutschesee.de

GARCON IM GESPRÄCH MIT...

OCKE PINKS: REGIONAL- UND NIEDERLASSUNGSLEITER BERLIN, DEUTSCHE SEE GMBH

Wie sind Sie bisher durch die Krise gekommen, Herr Pinks?

Ich bin ein robuster Norddeutscher und gehöre auch zu keiner Risikogruppe.

Dennoch habe ich das Virus schon zu einer Zeit sehr

ernst genommen, als viele noch dachten, Corona sei ein Gespenst,

das bald wieder weg ist. Deshalb waren für mich schon im Frühjahr

Abstand, Maske und Hygiene keine Ermessensfragen, und das

habe ich auch hier in der Niederlassung entsprechend kommuniziert

und durchgesetzt.

Welche Auswirkungen hatte die Schließung von Restaurants im

Frühjahr und im November auf das Geschäft ihrer Niederlassung?

Natürlich ist der gastronomische Lockdown an der Deutsche See

GmbH nicht spurlos vorübergegangen, auch nicht an der Berliner

Niederlassung. Im Gegensatz zu anderen Herstellern beliefern

wir jedoch nicht nur Gastronomie und Hotellerie, sondern wir sind

auch Partner des stationären und mobilen Einzelhandels sowie

von Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen und ähnlichen Einrichtungen.

Damit konnten Sie die Umsatzeinbußen durch den Lockdown in

der Gastronomie ausgleichen?

Nicht völlig. Ende Oktober, vor dem November-Lockdown also,

hatten wir einen merkbar geringeren Umsatz im Vergleich zum

gleichen Zeitraum des Vorjahres.

Womit rechnen Sie bis zum Ende des Jahres, nachdem entschieden

ist, dass die Restaurants auch im Dezember nicht öffnen dürfen?

Ich setze auf unsere Online-Offerten, die sich schon vor der

Corona-Pandemie zu einer wichtigen Säule unseres Geschäfts

entwickelt haben. Wir haben unseren Shop inzwischen zu einem

großen virtuellen Online-Marktplatz ausgebaut, den wir mit einem

entsprechenden Service verbinden – eigene Kühlfahrzeuge, kompetente

Fahrer, Just-in-time-Lieferungen, Rezepte usw.

Alle Welt setzt derzeit auf Online-Plattformen, Wissenschaftler

sprechen sogar davon, dass wir am Ende der Krise ein verändertes

Bild des Einkaufsverhaltens in Deutschland sehen werden.

Teilen Sie diese Meinung?

Ich sehe es so, dass der Trend zum Lebensmitteleinkauf online

selbst in einem Land der Digitalisierungsskeptiker wie Deutschland

schon vor der Corona-Krise eingeläutet wurde, durch die Krise

allerdings extrem beschleunigt wird.

Welche Konsequenzen hat das für Ihre Branche?

Der Lebensmittelhandel, gleich ob Einzel- oder Großhandel, muss

meiner Meinung nach das organisieren, was uns Unternehmen

wie Zalando in der Modebranche schon lange vormachen. Also:

eine benutzerfreundliche App, ein interessantes Design und eine

praktische, nachhaltige, regional organisierte Lieferung. Lassen

Sie mich bitte das auch noch sagen: Wir sind bei Deutsche See in

dieser Frage schon recht gut aufgestellt. Und wir schärfen unser

Profil auch bei anderen Fragen – beispielsweise der Veränderung

des Ernährungsverhaltens in der Zukunft – auch da wirkt übrigens

Corona als Katalysator.

Corona als Handelsmodernisierer und Ernährungsveränderer?

Irgendwie schon, zumindest ein Weckruf, sich mit solchen Herausforderungen

wie der Organisation eines zeitgemäßen Lieferservices

oder mit modernen Lebensmittelautomaten zu beschäftigen.

Sie tun das?

Ja, wir arbeiten an Konzepten, die weit in die Zukunft blicken.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Pinks.

GARÇON 37


LOKALTERMIN Buchhandlung Geistesblüten

Die Gastgeber:

Vor rund zwei Jahren eröffneten Christian

Dunker und Marc Iven am Walter-Benjamin-Platz

in Charlottenburg ihre Buchhandlung

„Geistesblüten”, die schnell zu

einem Ort für „literarische Delikatessen”

avancierte. Eine solche ist zweifellos der

Bildband „Legendäre Dinner”, der Ende

September hier Premiere hatte – im Freien

und mit Abstand.

VERDIENTE AUFMERKSAMKEIT

NOTIZEN ÜBER EINE BESONDERE BUCHVORSTELLUNG

Die Herausgeberin:

Anne Petersen, 46, Journalistin und –

nach beruflichen Stationen u. a. bei Welt

am Sonntag und BRIGITTE – Redaktionsleiterin

des in Hamburg erscheinenden

Magazins SALON, nutzte die Gelegenheit

gern, ihren historisch wie kulinarisch interessanten,

unterhaltsam geschriebenen

und aufwändig gestalteten Legendäre-

Dinner-Titel vorzustellen.

Die Künstlerin:

Die Amerikanerin Ruth Rosenfeld, an

der Rubin Academy of Music in Tel Aviv

sowie der Berliner Hochschule „Hanns

Eisler” ausgebildete Künstlerin und seit

2017 Ensemblemitglied der Schaubühne,

begleitete die Buchpräsentation und bewies

lesend, singend und spielend wie

geistesanregend und seelenerwärmend

Kunst live in solchen Zeiten sein kann.

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Smart Tools

for Chefs!

Das Geburtstagsessen von Johann Wolfgang

von Goethe 1815, das Hochzeitsmenü

von Prinzessin Elizabeth und Prinz

Philipp 1947, das Staatsbankett beim Besuch

von Angela Merkel bei Barack Obama

2011 – diese und weitere 17 legendäre

Dinner sind Gegenstand dieses Buches,

das wir wärmstens weiterempfehlen. Weil

es Geschichte transparent macht, indem es

Geschichten erzählt und sich mit dem beschäftigt,

was rund um diese Dinner sozusagen

hinter den Bühnen ablief. Und weil es

der Gefahr, dabei langweilig oder geschwätzig

zu werden, erfolgreich widersteht.

„Legendäre Dinner” ist interessant, lehrreich

und unterhaltsam und – der Untertitel

„Unvergessliche Rezepte berühmter Gastgeber”

sagt es – ein Kochbuch ist es auch.

Es enthält 92 Rezepte, von denen – so das

Versprechen der Herausgeberin – immerhin

39 leicht nachzukochen sind.

GEISTESBLÜTEN

Walter-Benjamin-Platz 2

10629 Berlin-Charlottenburg

Tel. 030 - 49 96 17 92

www.geistesblueten.com

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GESCHMACKSSACHEN Spilling

FRÜCHTCHEN

SELTENES

EINE LIEBESERKLÄRUNG AN DEN SPILLING

VON JÖRG TEUSCHER

40 GARÇON


Spilling GESCHMACKSSACHEN

Erst wochenlange Trockenheit, dann stundenlanger Starkregen –

der Klimawandel lässt grüßen und macht vor allem Gemüsebauern

und Obstproduzenten zunehmend Sorgen.

Aber auch für Hobbygärtner ist er eine riesige Herausforderung.

„Durch die Wetterextreme verändern sich unsere Gärten seit einigen

Jahren spürbar”, bestätigt Petra Pelz, eine der bekanntesten

Landschaftsarchitektinnen Deutschlands. Für die Bundesgartenschau

2021 in Erfurt gestaltet die Magdeburgerin deshalb einen

Klimawandel-Schaugarten. Außerdem bietet sie Online-Kurse zum

Thema an: www.petra-pelz.com

Hier erfährt man zum Beispiel, dass neben Bergminze, Lavendel,

verschiedenen Asternarten sowie Gingko, Kornelkirsche und Wacholder

auch eine Reihe alter Gemüse- und Obstsorten mit außergewöhnlichen

Wetterereignissen besser klarkommen, weil sie klimawandelfester

sind als die hochgezüchteten neuen Turbo-Sorten,

die heute in den meisten Gärten anzutreffen sind.

Ein Beispiel ist der Spilling, eine schon zu Römerzeiten bekannte

Pflaumensorte, die noch vor 100 Jahren in Deutschland, Österreich

und der Schweiz in Form unzähliger Lokalsorten weit verbreitet

war, dann aber zunehmend aus der Landschaft verschwand – trotz

des intensiven Aromas ihrer mal gelben, mal blauen, mal rot-gelben

Früchte. Wie so oft bei alten Obstsorten war auch der Spilling

für den industriellen Anbau ungeeignet.

Ob mein Nachbar, ein Mann mit erheblicher gärtnerischer Kompetenz,

auch den geschmacklichen Wert des Spillings kannte, als

er vor rund zehn Jahren ein winziges Exemplar des Steinobstgewächses

pflanzte, weiß ich nicht. Auf jeden Fall entwickelte es sich

im Laufe der Zeit zu einem stattlichen Baum und wurde eine Zierde

des Gartens. Er blüht bereits im zeitigen Frühjahr und trug zumindest

im vorigen Jahr viele Früchte (s. Bilder auf dieser Seite). Der

daraus gekochte Fruchtaufstrich überzeugte selbst Marmeladenmuffel

wie mich.

GARÇON

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GESCHMACKSSACHEN Spilling

Wenn es um alte Sorten geht, um historische Obst- oder Gemüseraritäten,

ist Georg Rixmann ein viel gefragter Spezialist. Seit 1996

betreibt der 65-jährige Gärtner gemeinsam mit seiner Partnerin

Sabine Schwalm im Storchendorf Linum einen 28-Hektar-Hof und

macht vor allem mit dem Anbau von 150 Kürbissorten von sich reden.

Doch das ist nicht alles. Bei einem Besuch Ende Oktober auf

seinem Anwesen zeigt er uns stolz die neuesten Errungenschaften

Rixmannscher Sortenerhaltung: die aus Westfrankreich stammende

Ochsenherzkarotte; die Albina Vereduna, eine weißfleischige Rübe,

viele alte, seltene Apfel-, Birnen- und Tomatensorten.

Als wir auf unser eigentliches Thema, den Spilling kommen, holt

Rixmann einige Gläser aus dem Marmeladen-Regal seines Hofladens:

„Spillinge kann ich Euch jetzt nur in dieser Form bieten.” Sabine

Schwalm hat aus der diesjährigen Ernte rund 70 Gläser eines

klassisch-guten Aufstrichs gekocht wie man ihn sich für das Frühstücksbrötchen

nur wünschen kann.

RIXMANNS HOF

Nauener Straße 23a

16833 Linum

Tel. 033922 - 505 71

www.gemuese-und-obst.de

42 GARÇON


„Wahrscheinlich handelt es sich bei unseren

Spillingsbäumen um eine Wildform

des Gubener Spillings”, mutmaßt Georg

Rixmann, „der intensiv-fruchtige, beinahe

parfümartige Duft und der unglaublich delikate

Geschmack der Früchte lassen diesen

Schluss jedenfalls zu.”

Er zeigt uns ein gerade erschienenes Buch:

Die alten Obstsorten – Geschichten, Rezepte

und Anbautipps. „Echt spannend”, sagt

er noch – als präsentiere er einen Krimi.

Autorin des Bandes (DuMont Buchverlag

Köln) ist Sofia Blind. Die 56-jährige Literaturübersetzerin

und Hobbygärtnerin

lebt im pfälzischen Lahntal inmitten eines

10.000 Quadratmeter großen Gartens, dessen

größter Teil eine Streuobstwiese ist

– über dreißig Hochstämme, alte Sorten,

Champagner-Renette etwa, Schöner aus

Bath oder Große Grüne Reneklode.

Das mag für Sofia Blind wohl auch den

Ausschlag gegeben haben, sich ein Jahr

lang intensiv mit dieser Materie zu beschäftigen

und dieses Buch zu schreiben,

das nicht nur wunderbar lesenswert, sondern

auch opulent und schön gemacht ist.

Auf 192 Seiten und in sieben Kapiteln

(Äpfel, Aprikosen und Pfirsiche, Beeren, Birnen,

Kirschen, Pflaumen, seltene Obstarten)

übersichtlich gegliedert, porträtiert die

Autorin 54 seltene Sorten und benennt

weitere 113 mit kurzen Beschreibungen –

dennoch ergibt das Ganze, wie sie sagt, „nur

ein Best of einer beinahe uferlosen Materie”.

Die aus historischen Quellen gespeiste

Datenbank alter Obstsorten des Bundes für

Umwelt und Naturschutz umfasst derzeit

beispielsweise 1.424 Apfel-, 1.016 Birnen-,

324 Kirschen- und 251 Pflaumensorten.

In die letzte Kategorie gehört auch der

Spilling, dem Sofia Blind ein eigenes Kapitel

widmet. „Die sogenannten ‚Primitivpflaumen‘,

zu denen der Spilling gehört”,

schreibt sie dort, „sind für naturnahe Gärten

und Streuobstwiesen ideal: aromastark,

robust und seit Jahrhunderten an die lokalen

Klimabedingungen angepasst.”


GESCHMACKSSACHEN À la Piecha

À LA PIECHA

„Wir kochen die Komponenten,

du stellst dir daraus dein Gericht zusammen.”

44 GARÇON


À la Piecha GESCHMACKSSACHEN

BioBuffet-Inhaberin Ulrike Piecha, Mi. und ihre Köche Marcus Wolf, li. und Paulo Jorge.

„Eine Rinderroulade bitte.” Der junge Mann am Tresen des BioBuffets

in der Marheinekemarkthalle zeigt auf einen der vielen Vakuumbeutel

in der Auslage. „Gerne”, sagt Buffet-Chefin Ulrike Piecha,

„mit Kartoffelpüree und Rotkohl?” „Nee, ist mir zu normalo”, erwidert

der Kunde, „lieber mit Polenta und Ratatouille.” So oder so

ähnlich laufen die meisten Dialoge und so oder so ähnlich haben

sich Ulrike Piecha und ihre Köche das auch gedacht als sie Anfang

November ihre neue Produktlinie präsentierten.

„Wir hatten zuerst Singlehaushalte und Kleinfamilien im Blick,

außerdem Leute, die im Homeoffice arbeiten und auch sonst alle,

die wenig Zeit zum Kochen haben oder keinen Bock”, so die 41-jährige

Ulrike Piecha. Immer mittwochs kocht sie gemeinsam mit

ihrem Team und vakuumiert portionsweise: Kartoffel- und Süßkartoffelpüree,

Sellerie-Apfel-Creme, Rotkohl, Sauerkohl, Ratatouille,

Rinderroulade, Schweinebraten, Tafelspitz, Ossobuco vom Hirsch,

Risotto mit Portobello. „Unsere Kunden können unter diesen und

etlichen anderen Komponenten wählen und sich ein Gericht selbst

zusammenstellen”, erklärt sie den Vorteil ihrer To-go-Offerte.

„Dazu kommen weitere”, ergänzt Piecha, „etwa, dass man die Vakuumbeutel

gut und gerne ein paar Tage im Kühlschrank aufbewahren

oder auch einfrieren kann, ohne dass der Inhalt Schaden nimmt.”

Wir testeten geschmortes Rinderherz, Rotkohl und Kartoffelpüree.

Die drei Vakuumbeutel sind in Minutenschnelle im heißen Wasserbad

erwärmt – aufschneiden, anrichten, fertig. Das Gericht ist geschmacklich

absolut stimmig, das Rinderherz tadellos geschmort,

das Kartoffelpüree wie zu Großmutters besten Zeiten, der Rotkohl

aromasatt nach einem Rezept von Michael Hoffmann zubereitet.

Fazit: Piechas Home Menue – da kannste nicht meckern.

PIECHAS BIOBUFFET

Marheinekeplatz 15

10961 Berlin-Kreuzberg

Tel. 030 - 69 00 43 53

www.piechas.com

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45


GESCHMACKSSACHEN Crema di Nocciola

Anaïs Causse, 42, ist gebürtige Berlinerin. Nach dem Abitur an

der Goethe-Oberschule in Steglitz studierte sie Arabistik und Islamwissenschaften,

merkte aber zunehmend, dass das nicht ihr

Ding ist. Sie verabschiedete sich von der Freien Universität und

einer möglichen akademischen Laufbahn, heuerte bei Feinkost-

Lindner an und absolvierte eine Ausbildung zur Fachfrau für Systemgastronomie.

2003 stieg sie in das Feinkostgeschäfts ihres Vaters ein.

2014 folgte ihre jüngere Schwester Noémie und übernahm den

Onlineshop, aus „Maître Philippe” wurde „Maître Philippe & Filles”

– ein Spezialitätenhandel, der beste Beziehungen vor allem

nach Frankreich pflegt und kulinarisch wie atmosphärisch zu den

ersten Adressen der Branche in Berlin zählt.

Für Garcon schreibt Anaïs Causse regelmäßig über ihre exquisiten

Spezereien und deren Produzenten.

www.maitrephilippe.de

OIGNONS DE ROSCOFF,

S'IL VOUS PLAÎT

VON ANAÏS CAUSSE

Beinahe wäre dieser Artikel über die legendären Zwiebeln aus

Roscoff nicht zustande gekommen. Ausgerechnet in diesem ohnehin

schon verflixten Jahr wurden sie von einem Pilz heimgesucht,

der allgemein als Botrytis cinerea bekannt ist und die Grauschimmelfäule

verursacht.

Übrigens: Des einen Freud, des anderen Leid. Die Winzer im Bordeaux

freuen sich über Botrytisbefall, denn nur so kann der Sauternes,

der teuerste Weißwein der Welt, gekeltert werden.

Die Gemüsebauern in der Bretagne jedoch können darauf liebend

gern verzichten, denn Botrytis führt zu nicht unerheblichen

Ernteverlusten. Eine befallene Zwiebel wird bei der Lagerung weich

und faulig – und dadurch ungenießbar. Der Befall lässt sich bei der

Ernte kaum erkennen, deswegen können auch nicht alle kranken

Zwiebeln aussortiert werden. Und so kommt es schon mal vor,

dass sich in den schönen, geflochtenen Zwiebelzöpfen in diesem

Jahr auch mal ein faules Exemplar versteckt. Zum Glück hielt sich

das bis jetzt allerdings in Grenzen.

Was macht die Roscoff-Zwiebel nun so besonders, dass ich ihr

einen ganzen Artikel widme? Sie schmeckt natürlich gut. Sagen-

46 GARÇON


Crema di Nocciola GESCHMACKSSACHEN

Zwiebelfelder im Département Finistère an der bretonischen Nordküste.

haft gut sogar. Sie ist nicht scharf, sondern eher zart, fast süßlich.

Sie ist knackig und saftig, besticht mit ihrer unverwechselbaren

rosa Farbe – das Auge isst schließlich mit – und ist mit ihrem hohen

Anteil an den Vitaminen A, B und C sehr gesund. Das wussten

seinerzeit übrigens auch die Seefahrer, wenn sie von Roscoff, einer

kleinen Hafenstadt im Finistère, dem westlichsten Zipfel der Bretagne,

auf große Fahrt gingen. Immer waren Zwiebeln als Proviant

mit an Bord. Und nicht zuletzt lässt sie sich ausgezeichnet lagern,

bei guten Bedingungen bis zu neun Monate.

Die lange Haltbarkeit der Knollen liegt sowohl in ihrer Natur als

auch daran, dass sie bereits im August von Hand geerntet werden

und – vom Kraut befreit – danach zwei Wochen lang auf den Feldern

in der Sonne trocknen. Anschließend werden sie geputzt und

zu Zöpfen geflochten, um das Austreiben zu verhindern.

Unsere Zwiebeln stammen von der Ferme de Kergus, einem in

den 1850er Jahren gegründeten Zehn- Hektar-Familienbetrieb, den

die Geschwister Tiphaine und Eric Quemener – sie ist 31 und hat

eine Handelsschule besucht, er 34 und diplomierter Landwirt – in

vierter Generation bewirtschaften.

Bereits ihr Urgroßvater baute neben Kohl, Kartoffeln und Spargel

die berühmten Roscoff-Zwiebeln an. Er gehörte, ebenso wie ihr

Großvater und auch noch ihr Vater Marcel, zu den „Johnnies”. Das

war die Sammelbezeichnung der Briten für alle bretonischen Bauern,

die einst mit kleinen Booten über den Ärmelkanal segelten, um

in England Zwiebelzöpfe zu verkaufen. „Johnnies deshalb”, so Tiphaine

Quemener, „weil die Engländer die bretonischen Vornamen

Yann und Yannick nicht aussprechen konnten.”

Das ist natürlich längst Geschichte. Heute reißen sich Feinschmecker

in der halben Welt um die Roscoff-Zwiebeln, die seit

2009 das AOC- und seit 2013 auch das AOP-Siegel tragen (AOC

steht für Appellation d´Origine Contrôlée, das ist eine kontrollierte

Herkunftsbezeichnung, die nur in Frankreich gilt – AOP dagegen

steht für Appellation d´Origine Protégée, bedeutet geschützte Herkunftsbezeichnung

und ist das europäische Pendant zum nationalen

AOC-Siegel).

Als ich noch nach einem besonderen Tipp für die Verarbeitung

der Roscoff-Zwiebeln frage, kommt Tiphaine Quemener ins

Schwärmen: „Im Winter sind sie allerbestens geeignet, um daraus

ein wunderbares Confit zuzubereiten.” Dafür schwitzt sie die kleingeschnittenen

Zwiebeln in Olivenöl an, fügt etwas Honig hinzu und

schmeckt alles mit Salz und Pfeffer ab. Das Confit könne man zu

allem essen, zu Käse, rotem Fleisch und Fisch. Am besten passe es

aber zu Galettes, den salzigen Crêpes aus Buchweizenmehl. „Ich

bin Bretonin”, sagt sie, „natürlich schmeckt es so am besten.”

Fröhliche Zwiebelbauern: Tiphaine und Eric Quemener.

GARÇON

47


FINDE DEINEN GIN

91

Punkte

BAR- & SPIRITS GUIDE

KOSTPROBEN

Fünf Supermarkt- und Discounterketten beherrschen 90 Prozent des Lebensmittelhandels

in Deutschland. In den Regalen aromaverstärkte Fertiglebensmittel,

plastikverschweißter Billigkäse, geschmacksuniforme Industrieware.

Nicht nur, aber größtenteils.

Die verbleibende Zehn-Prozent-Nische haben engagierte Genusshandwerker,

kenntnisreiche Feinkosthändler und Onlineverkäufer mit ihrem Gegenentwurf

zur Mas senware der Lebensmittelindustrie be setzt: manufakturell

hergestellte Aufstriche; Würste, die nicht aus der Schlachtfabrik kommen;

handgefertigte Schokoladen, haus gemachte Liköre, Konser ven ohne E-Zusätze,

vieles in Bioqualität. Das meiste ist teurer als Supermarktware gleichen

Namens, aber eben auch gesünder, nachhaltiger und geschmackvoller.

Vier Kostproben dessen, was wir in den letzen Wochen entdeckten, probierten

und als kulinarisch bemerkenswert empfanden, servieren wir Ihnen

auf der folgenden Seite.


Wer – wie die rheinische Privatkellerei van Nahmen –

seit 90 Jahren Obstsäfte presst, der weiß, was er tut.

Und so ist auch dieses aromatisch anspruchsvolle,

feinherbe Getränk kein Zufallstreffer, sondern Ergebnis

stetig gewachsener Qualitätsansprüche und ebensolcher

handwerklicher Erfahrung. Kein Wunder also, dass

3-Sterne-Köche wie Sven Elverfeld in Wolfsburg und

Kevin Fehling in Hamburg diesen prickelnden Frucht-

Secco gerne als alkoholfreien Aperitif empfehlen.

Preis: 8,96 Euro / 0,75 l

FrischeParadies KG

Morsestraße 2

10587 Berlin-Charlottenburg

Tel. 030 – 39 08 15 23

www.frischeparadies.de

Die Boudin basque gilt als Königin der Blutwürste.

Die Spezialität aus dem französischen Baskenland

besticht durch ihre feine Würzung und eine raffinierte

Aromatik, die durch die Verarbeitung von Karotten

und Lauch zustande kommt. Wir entdeckten die Boudin

basque am Stand von Lionel Ringeisen auf dem

Wochenmarkt an der Schöneberger Akazienstraße

und folgten dem Tipp des gebürtigen Elsässers, sie

zu braten und mit Jakobsmuscheln zu servieren. Wow!

Preis: 7,90 Euro / 190 g

OleoGustus

u.a. Wochenmarkt an der Akazienstraße

10823 Berlin-Schöneberg

Donnerstag, 12.00-18.00 Uhr

Tel. 0157 – 57 50 40 55

Alles für Jeden:

Profi- oder

Hobbykoch.

...und was wir nicht haben,

vermissen Sie nicht!

Metzgermeister und Fleischsommelier Jens-Uwe Bünger

hat mit seiner Mannschaft nicht nur eine neue

Bratwurstkultur in Berlin etabliert, das Team produziert

auch Weißwürste (jeden Donnerstag frisch),

die sich mit den besten Kreationen weiß-blauer Wurstmacherkunst

durchaus messen können. Büngers helle

Brühwürste (hell, weil kein Nitrit-Pökelsalz verwendet

wird) punkten mit feinem Kalbfleisch, kräftigem Speck,

frischer Petersilie und perfekt abgestimmter Würzung.

Preis: 27,00 Euro / kg (ca. 1,75 Euro/Stück)

Bünger – Der Fleischsommelier

Westfälische Straße 53

10711 Berlin-Wilmersdorf

Tel. 030 – 891 64 32

www.fleischerei-buenger.de

Wenn schon die Bars geschlossen sind, dann liefern

wir eben die Cocktails servierfertig nach Hause – das

ist die Unternehmensidee von The Bottled Bar. Die

Gründer taten sich mit einigen der besten Bartender

Berlins zusammen, die erdachten fünf süffige, flaschenabfülltaugliche

Kreationen – fertig. Unser Favorit: Fancy

Rum Punch by Oliver Ebert (Bar Becketts Kopf), karibisch

fruchtig, vanillig, mit einem Schuss Oolong Tee. Nur noch

auf Eis gießen und genießen!

Preis: 22,00 Euro / 500 ml

The Bottled Bar

Auguststraße 2

10117 Berlin-Mitte

Tel. 030 – 53 15 41 14

Online-Bestellung: www.bottledbar.de

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KOPFSALAT Jonathan Kartenberg

Kartenbergs Coup

Eine virtuelle Speisekammer geht online

VON JÖRG TEUSCHER

Der 28-jährige gebürtige Berliner Jonathan Kartenberg gehört zu jener Generation von Gastronomen, die

immer für eine Überraschung gut ist. Im späten November 2019 zum Beispiel, der Gault-Millau hatte sein

Neuköllner Restaurant eins44 gerade zum fünften Mal in Folge in die Berliner Top-Thirty gehievt – Grund

genug, die Beine mal hochzulegen und sich einen Champagner zu gönnen – tat er genau das Gegenteil

und verblüffte die Branche mit der Eröffnung des Irma La Douce in der Potsdamer Straße.

Ein weiterer Paukenschlag folgte im Mai des Corona-Jahres 2020 mit der Aktion Achilles. Kartenberg

lotste den zweifach besternten Spitzenkoch aus seinem herdlosen Kämmerlein in die eins44-Küche und

verkündete: „Mit Daniel Achilles richten wir uns in den kommenden Monaten thematisch neu aus.”

Das klappte auch ganz gut und kam auf den richtigen Weg – bis Ende Oktober der Lockdown alles

wieder stoppte. Kartenberg ahnte, dass es bei den November-Schließungen nicht bleiben würde und

nutzte die gewonnene Zeit. Er kramte eine Idee hervor, die ihn schon länger umtrieb und begann, sie zu

realisieren. Wenn er darüber spricht, merkt man, er will es wissen. Jetzt. Und ohne Wenn und Aber.

50 GARÇON


Jonathan Kartenberg KOPFSALAT

www.the-good-taste.de – jede Wette, diese Adresse

wird Furore machen, davon sind wir dermaßen überzeugt, dass

wir sie schon mal ein bisschen größer gedruckt haben.

www.the-good-taste.de, dahinter stecken Jonathan Kartenberg

und ein Team von Fotografen, Juristen, Textern und Webdesignern

und das Projekt eines Online-Marktplatzes für Produkte aus Berliner

Restaurants und von anderen kleinen Herstellern.

„Corona zeigt”, so der 28-Jährige, „wie antiquiert Gastronomen,

Manufakturbetreiber und Lebensmittelunternehmer hierzulande

arbeiten und wie dringend sich die Branche mit Digitalisierung

beschäftigen muss.” Kartenberg ist nun den ersten Schritt

gegangen und hat eine Plattform geschaffen, auf der jeder Kleinproduzent

seine Produkte anbieten und logistisch abwickeln kann.

„Denken Sie sich diese Plattform wie einen großen Marktplatz,

auf dem viele dieser kleinen Produzenten einen eigenen virtuellen

Warten auf bessere Zeiten: Das Irma La Douce...

...und das eins44.

Stand haben,” sagt er, „wir stellen lediglich die Plattform zur Verfügung

und sorgen damit für den Rahmen, der eine sichere Abwicklung

des Geschäfts garantiert, das immer direkt zwischen dem

Erzeuger und dem Kunden zustande kommt.”

Kartenberg und seine Mitstreiter fungieren dabei als eine Art

Marktwächter, die ein Auge darauf haben, dass alle geschäftlichen

Regeln eingehalten werden (dafür kassieren sie dann eine Umsatzprovision)

und kümmern sich um notwendige Laborprüfungen, um

Label, Verpackung, Werbung, Lagerung und Logistik.

„Wir starten am 26. oder 27. Dezember mit rund 50 Produkten

von zwölf Gastronomen”, macht er die Sache konkret und hofft natürlich,

dass schnell weitere Berliner Gastronomen mit interessanten

Produkten hinzukommen.

„The good taste” könnte tatsächlich ein großer Wurf werden,

wenn viele dem Angebot folgen, gemeinsam neue Wege zu gehen.

GARÇON

51


KOPFSALAT Ilona Scholl und Nancy Grossmann

STARKE FRAUEN...

(...und ein weniger starkes Buch)

Warum, fragt man sich, musste der

Gault-Millau 2021 jetzt erscheinen?

Als Entscheidungshilfe für einen

festtäglichen Restaurantbesuch

ist das Buch wertlos, weil eh alle

Restaurants geschlossen sind (was

brav auch bei jeder Einkehrstätte

vermerkt ist) und als Bettlektüre für

lange Dezemberabende gibt es gewiss

spannenderes. Warum also?

Bernd Matthies, unangefochtene

Nummer eins der hauptstädtischen

Berufsesser und Restauranttester, fragt sich das auch:

„Brauchen wir gerade jetzt neue Restaurantführer? Nein, dürfte

die aktuelle Antwort lauten. Aus Sicht der bei Burda angesiedelten

Redaktion des Gault-Millau sieht die Sache natürlich anders aus:

Können wir die neue Ausgabe ausfallen lassen, wo wir uns doch

gerade erst im Mai mit viel Trara eingekauft haben? Das konnten

sie wohl nicht, und nun ist ein neuer Guide erschienen, mit dem

vermutlich niemand glücklich ist.”

Wir sind es vor allen Dingen deshalb nicht, weil erstmals in der

Gault-Millau-Geschichte deutschlandweit nur 500 Restaurants getestet

und (ebenfalls neu) mit 15 bis 19,5 Punkten bewertet wurden.

Weitere 500 Restaurants tauchen als so genannte Gault-Millau-Empfehlungen

auf – versehen mit textlichen Banalitäten, die

selbst drittklassige Agenturen besser verfassen.

Da wimmelt es nur so von „begehrten Adressen”, „coolen Orten”

und „smarten Lokalen”, in denen je nach attributivem Gusto

eine aromenstarke, authentische, kontrastreiche und moderne

Regionalküche serviert wird oder eben eine Regionalküche mit

marktfrischen Zutaten.

Ach ja, ein leidlich versierter Korrektor hätte dem Ganzen sicher

gut getan, aber das nur am Rande, weil 39,90 Euro eben schon mal

eine preisliche Ansage sind, für die man gern eine entsprechende

Gegenleistung hätte.

„Sagen wir so”, resümiert Bernd Matthies, „das Ding ist mit der

heißen Nadel gestrickt worden, und der konkurrierende Gusto liegt

sicher besser mit seiner Ankündigung, den neuen Print-Guide auf

das Frühjahr zu verschieben.”

Gefreut haben wir uns über die Wahl von Ilona Scholl (Tulus Lotrek,

Bild u. li.) zur „Gastgeberin des Jahres 2021” und von Nancy Grossmann

(Rutz, Bild o. re.) zur „Sommelière des Jahres 2021”. Herzlichen

Glückwunsch, und wir zitieren mit Freude aus den Laudationes:

„Ilona Scholl ist ein Musterbeispiel einer Gastgeberin”, schreibt der

Gault-Millau über die 37-Jährige, „die dafür sorgt, dass sich ihre Gäste

umsorgt und willkommen fühlen, wie kaum irgendwo sonst.” Und

über Nancy Grossmann, 36, heißt es: „Ohne eitle Selbstdarstellung

gelingt es ihr, die komplexen Teller von Marco Müller kongenial zu

begleiten und sich dabei lieber auf ihre Gäste einzustellen, statt eine

önologische Doktrin durchzuziehen.” Chapeau!!

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KOPFSALAT Johannes Habel

54 GARÇON


Johannes Habel KOPFSALAT

world_record_egg

IM INTERNET ENTDECKT: DIE GANZE WELT LIEBT EIER

VON JÖRG TEUSCHER

Zehn Jahre Instagram: 54,9 Millionen Likes und 3,3 Millionen

Kommentare – das ist seit Gründung der inzwischen mit mehr

als einer Milliarde Nutzer größten Bildplattform der Social-

Media-Welt ein einsamer Rekord. Welches Bild, fragt man sich,

ist dermaßen frech, niedlich, witzig oder originell, dass es als

meistgeliktes Bild aller Instagram-Zeiten gilt? Die Antwort ist

ebenso erstaunlich wie verwunderlich: Weder ein Hollywood-

Megastar noch ein Guy-Savoy-Superfood sind so sensationell

instagramable – nein, es ist ein Ei, ein ganz und gar normales

Hühnerei, das im Strom der Bilder an die Spitze trieb.

Das Produkt mehr oder weniger glücklicher Hühner wird aber

nicht nur im digitalen Universum gefeiert, auch die gute alte analoge

Welt singt ihm Lobeshymnen.

Seit die Luxemburger Sterneköchin Léa Linster gemeinsam mit

dem Kölner Cartoonisten Peter Gaymann vor sechs Jahren ihre

„Huhnglaublichen Rezepte” unters Volk brachte, gab es eine regelrechte

Koch- und Sachbuchschwemme zum Thema. Angeheizt

wurde der Titel-Kampf sicher auch dadurch, dass eine Reihe prominenter

Zeitgenossen die Hühnerhaltung als Hobby entdeckte.

Unter der Flut von Neuerscheinungen, die in letzter Zeit das

– Achtung, neudeutsch! – Homefarming mit Hühnern und die

Selbstversorgung mit Eiern (oder heißt es inzwischen Selfsupplying?)

propagierten, gehören auch einige wirklich ansprechende

und durchaus empfehlenswerte Bücher (s. Seite 54).

Wer jedoch das Glück von Manuela von Perfall und Jessica

Jungbauer, mit Hühnern zu leben (Callwey Verlag München) aus

Mangel an Land und Zeit nicht teilen kann, trotzdem aber gern

die wunderbaren Eierspeisen von Kathrin Fritz und Martina Meier

(AT Verlag Aarau und München) auf dem Teller hätte, was,

bitte, tut der?

Die Antwort führt natürlich nicht zum Supermarktregal, sondern

auf Berliner Wochenmärkte in Charlottenburg, Friedrichshain,

Schöneberg und Zehlendorf und dort zu einem Mann namens

Johannes Habel und seinen Ständen.

GARÇON

55


KOPFSALAT Johannes Habel

Der Mann mit dem Huhn, das ist Johannes Habel. Jahrgang 1961,

gebürtiger Münchner, aber das hört man nicht. Konditorlehre in Garmisch-Partenkirchen,

Zeitsoldat beim Gebirgsjägerbataillon 234 in

Mittenwald, Sanitätsunteroffizier. Arbeit als Patissier in Überlingen

und im Berliner InterContinental. Ausbildung zum Hotelkaufmann,

später zum Immobilienfachmann. Nach dem Mauerfall Projektentwickler

für Einzelhandelsimmobilien in den neuen Bundesländern,

danach für Biogasanlagen.

2012 wieder eine berufliche Neuorientierung. Landwirtschaftslehre

und Abschluss als Landwirtschaftsmeister. „Mein Schlüsselerlebnis

war ein Praktikum in einem Mastbetrieb mit 200.000 Hühnern”,

erzählt er, „als ich das gesehen hatte, waren die Würfel gefallen.”

Johannes Habel zog nach Falkenhagen im Landkreis Märkisch-

Oderland, pachtete Wiesen und Weiden und begann, Hühner zu

halten – in allem das ganze Gegenteil der brutalen Tiernutzungsindustrie,

die er erlebt hatte.

Das war vor sieben Jahren, in denen sich Habel inzwischen einen

Namen gemacht hat – sowohl was das „animal welfare”, das viel

strapazierte Tierwohl angeht, als auch was Güte und Geschmack

seiner Produkte betrifft. Und – weil er nicht müde wird, darüber

zu reden, was Hühner wirklich glücklich macht. Kein Wunder, dass

der 59-Jährige mit dem Hühner-Guru Paolo Parisi verglichen wird.

Der Mann mit dem Ei, das ist Paolo Parisi, 63, ein paar Jahre älter

als Johannes Habel also. Er wuchs in Genua auf und hat – ähnlich

wie Habel – ein bewegtes Leben hinter sich: Medizinstudium,

Abbruch kurz vor dem Physikum, Arbeit als Staubsaugervertreter,

später als Verkäufer für medizinische Geräte.

2004 Umzug aufs Land, Usigliano di Lari, westliche Toskana, ein

Ort, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen, (Garcon besuchte

ihn dort, s. Heft 50/2018). Hier betätigte er sich als Olivenbauer

und Schweinezüchter, 2008 dann kam er auf das Huhn. „Es war ein

Experiment”, sagt er. Eins aber, das funktionierte.

Die Haltung in fußballfeldgroßen Sandgruben mit Schattenbäumen

und einem mobilen Stall, die Fütterung mit einem Brei aus

Getreideschrot und Ziegenmilch und die daraus resultierende geschmackliche

Güte der Eier machten Parisi bekannt.

Inzwischen ist der Mann eine Berühmtheit. Italienische Spitzenköche

reißen sich ebenso wie eine Reihe ihrer Kollegen in Frankreich

und Österreich um diese Eier und zahlen Höchstpreise bis

zu drei Euro pro Stück (Im Hofverkauf auf seiner Azienda übrigens

kostete 2018 ein Ei 0,90 Euro.). Parisis einziges Problem – er kann

die Nachfrage kaum bedienen.

Davon ist Johannes Habel, sein deutsches Pendant, noch ein

Stück weit entfernt, obwohl seine Weide-Eier in puncto Geschmack

denen von Paolo Parisi durchaus ebenbürtig sind.

56 GARÇON


Johannes Habel KOPFSALAT

Berlin-Charlottenburg, Wochenmarkt auf dem Karl-August-Platz:

Mittwoch, 8.00 – 13.00 Uhr

Samstag, 8.00 – 14.00 Uhr

Berlin-Schöneberg, Wochenmarkt auf dem Wittenbergplatz:

Dienstag, 9.00 – 15.00 Uhr

Berlin-Schöneberg, Wochenmarkt an der Akazienstraße:

Donnerstag, 12.00 – 18.00 Uhr

Berlin-Friedrichshain, Wochenmarkt auf dem Boxhagener Platz:

Samstag, 9.00 – 15.30 Uhr

Dass Johannes Habel seine Weide-Eier ausschließlich auf Berliner

Wochenmärkten verkauft, ist kein cleveres Marketing künstlich erzeugten

Mangels, sondern einzig und allein der Tatsache geschuldet,

dass weder Bio-Groß- noch Bio-Einzelhandel auch nur annähernd

bereit waren, adäquate Preise für seine Eier zu zahlen. „25

Cent pro Stück hat mir ein Händler geboten”, erklärt Habel seine

Wochenmarktpräsenz, „das hätte bei meiner Art der Haltung und

Fütterung nicht mal einen Teil der Kosten gedeckt.”

Die Kunden loben den Geschmack der Weide-Eier und haben kein

Problem mit dem Stückpreis von 70 Cent. Und auch seine Hühnerbrühe

findet viele Liebhaber. „Ich kaufe sie, weil sie alles übertrifft, was

ich bisher probiert habe”, erklärt eine junge Frau auf dem Markt an der

Akazienstraße. „Dafür sind zehn Euro pro Glas allemal gerechtfertigt.”

GARÇON

57


KOPFSALAT Johannes Habel

Kern all dieser Preis-Fragen ist die einfache Wahrheit, dass zwischen

den Ansprüchen an die Landwirtschaft und ihre Erzeugnisse und der

Zahlungsbereitschaft vieler Kunden noch immer Welten liegen. „Das

lässt sich nur ändern, wenn das Gute zur Norm wird”, philosophiert

Johannes Habel und lädt uns ein, das Gute in Augenschein zu nehmen.

Falkenhagen liegt im Brandenburger Naturschutzgebiet Matheswall,

Schmielen- und Gabelsee. Hier, inmitten einer hügeligen Endmoränenlandschaft,

hat Habel an verschiedenen Ecken insgesamt 50

Hektar Land gepachtet, auf denen er derzeit rund 1.000 Hühner und

eine kleine Galloway-Herde hält – zehn Muttertiere und ihre Kälber.

Unser erster Gedanke: viel Land für wenig Tier. Wie bei Paolo Parisi.

„Hühner brauchen Auslauf, jede Menge Grün, Platz zum Scharren,

Sandbäder, Schattenbäume”, so Habel, ganz in seinem Element.

58 GARÇON


Johannes Habel KOPFSALAT

Und – Duplizität des Richtigen – auch der Brandenburger Bio-Bauer

benutzt mobile Ställe, die zwar kleiner sind als die seines italienischen

Kollegen, aber dem gleichen Zweck dienen – sie immer

dann zu versetzen, wenn an einem Ort das Grün und die Kräuter zur

Neige gehen. So funktionieren Hühnerparadiese.

Nichts von der quälenden Enge der Massentierhaltung, nichts

von Turbohennen, die auf Höchstleistung getrimmt sind und –

Minimum – 300 Eier im Jahr legen müssen.

Die dritte Gemeinsamkeit mit dem Branchenprimus in der Toskana:

Habels Lohmann-Hühner sind, wie die Livorneser von Paolo Parisi,

Zweinutzungshühner, Tiere, die Eier und Fleisch liefern. Auch das

gilt in der industriellen Haltung als No-Go. Profitabel sind Hühner

nur, wenn sie einem Zweck dienen – Eier legen oder Fleisch geben.

GARÇON

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KOPFSALAT Johannes Habel

In der Folge sind die mageren männlichen Nachkommen der zur

Eierproduktion eingesetzten Hühner für die Industrie nutzlos. Die

Folge ist bekannt: Jedes Jahr werden in Deutschland rund 40 Millionen

männliche Küken am ersten Lebenstag geschreddert oder

mittels CO 2 vergast. Ein Gesetz soll nun endlich diese Praxis verbieten

– ab 2022. Keine Frage, dass sich in Habels Hühnerhaufen

auch Hähne tummeln, ebenso wie in dem von Parisi. Das zu wissen,

macht übrigens nicht nur Hühner glücklich.

So schließt sich der Kreis. Glückliche Hühner legen eben auch

fantastische Eier. Habels „Mädels” – so nennt er sie tatsächlich

– legen rund 220, 230 im Jahr in die mit Dinkelspelzen gefüllten

Einstreunester. Cremefarben und mit einem Aroma, das an frische

Nüsse und grünes Gras erinnert...

60 GARÇON


Johannes Habel KOPFSALAT

Hallmann-&-Klee-Küchenchefin Rosa Beutelspacher und Köchin Jana Wegner, v.re.

Habels Kunden sind neben Six-Pack-Käufern auf Berliner Wochenmärkten

vor allem Bäcker, Köche und Konditoren, die sich nicht

damit abgeben, dass Bio-Eier, woher auch immer, a priori gute Eier

sind. Zu dieser Kategorie der Produktfetischisten – Motto: Nur das

Beste ist für uns gut genug – gehören etwa die Bäckerei Albatross,

das Café Neumanns, Du Bonheur sowie Samys Berliner Pfannkuchen

Café. Und auch eine unserer kulinarischen Lieblingsadressen

– das Hallmann & Klee am Böhmischen Platz in Neukölln – verarbeitet

ausschließlich Habels Weideeier. „Auf rund 500 Stück pro

Woche hat sich das etwa im Oktober summiert”, so Rosa Beutelspacher,

die 38-jährige Küchenchefin. Und wir sagen: Zwei Eier,

pochiert, dazu Fassbutter, Spinat und vielleicht noch ein bisschen

Bacon von Kumpel & Keule – besser kann der Tag nicht beginnen.

HALLMANN & KLEE

Böhmische Straße 13

12055 Berlin-Neukölln

Tel. 030 - 23 93 81 86

www.hallmann-klee.de

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61


KOPFSALAT Johannes Habel

Am 3. Oktober 2020 angereist aus Berlin-Wilmersdorf: Robert Ringmayer, li., Pate des Huhns Edeltraut.

Ein Nachsatz ist nötig. Johannes Habel liebt seine Hühner und sorgt

sich um ihr Wohl. Damit das für seine Kunden nicht nur ein Werbespruch

ist, lädt er mehrmals im Jahr zum „Tag der offenen Weide”

ein. „Jeder kann sich dann ein Bild davon machen, dass bei uns die

Hühnerwelt in Ordnung ist”, so Habel.

Robert Ringmayer, den wir beim letzten Termin am 3. Oktober

in Falkenhagen trafen, bestätigt das: „Nehmen Sie nur mal die viel

beschworene Freilandhaltung”, so der 35-jährige Berliner, „ein Begriff,

der freie Bewegung in ländlicher Umwelt suggeriert, oft aber

nur wenig Auslauf in karger Umgebung bedeutet, meist ohne schützende

Bäume und Sträucher. Hier haben die Hühner das alles.”

Deshalb ist Ringmayer auch Hühnerpate, einer von 147 übrigens...

Informationen zu den Patenschaften unter www.weideei.de

62 GARÇON



KOPFSALAT Ricarda Farnbacher

Diese Fotos und noch etliche andere mit ähnlichen Motiven sind auf Ricarda Farnbachers iPad

gespeichert und immer abrufbar, wenn Kunden beispielsweise wissen wollen, was sich hinter einer

Waldorfsalat-Interpretation verbirgt oder wie das Beef Tatar im Tramezzini-Mantel angerichtet wird.

Ricarda Farnbacher ist Cateringunternehmerin, eine der besten ihrer Branche in Berlin. Eine, die nicht

nur Häppchen serviert, sondern Ausgefallenes in ausgefallenem Rahmen präsentiert und besondere

Anlässe besonders inszeniert. Dennoch hieß es auch bei ihr in diesem Jahr: Rien ne va plus.

64 GARÇON


Ricarda Farnbacher KOPFSALAT

„Jammern bringt nichts”

ZU GAST BEI DER CATERINGUNTERNEHMERIN RICARDA FARNBACHER

VON JÖRG TEUSCHER

GARÇON

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KOPFSALAT Ricarda Farnbacher

Ricarda Farnbacher ist eine kluge und beredte Frau, hat aber die Angewohnheit,

manches Wichtige in Redundantem zu verstecken. „Das Leben

ist, was man daraus macht” ist so ein Satz, sogar eine Art Lebensmotto.

Die 36-Jährige stammt aus Starnberg in Oberbayern, studierte Politikwissenschaften

in Wien und Potsdam und wollte Bürgermeisterin, Diplomatin

oder Jounalistin werden. Nach dem Diplom wäre sicher alles möglich

gewesen, doch – wie das Leben so spielt – es kam ganz anders. „Ich bin

ins Eventmanagement reingerutscht”, beschreibt sie das Ergebnis ihrer

Findungsphase.

Sie machte sich schnell einen Namen in einer Branche, die nach 100 Prozent

Improvisation klingt, aber 99 Prozent Perfektion verlangt. 2015 schließlich

gründete sie ihre eigene Firma: Ricarda Farnbacher Event-Catering-Location.

Und wurde zunehmend gefragter, weil sie konsequent auf Qualität und

Ricarda Farnbacher und ihre Mitarbeiterin Thandiwy Degli Esposti, kurz Thandi, v. re.

66 GARÇON


Ricarda Farnbacher KOPFSALAT

Individualität setzte. „Früher kam es darauf an, eine möglichst opulente Tafel

aufzufahren, heute dagegen stehen die Güte der Speisen, die Dekoration,

der Service, aber auch das ganze Drumherum mehr im Mittelpunkt. Die Kunden

wollen maßgeschneiderte Konzepte und keine Stangenware.”

Ricarda Farnbacher lieferte, Adidas, Ebay, Google & Co. jubelten. „2019

war unser bestes Jahr”, sagt sie, „250 Veranstaltungen, B2B-Events, Mottopartys,

Themenessen, alles, von superkrass bis bodenständig.”

Auch 2020 lief gut – bis zum März, dann folgte der Absturz, nicht nur für ihr

Unternehmen, die ganze Fest- und Feierbranche lag über Nacht am Boden. „Der

schlimmste Downgrade, den Du Dir vorstellen kannst.”

Wir sitzen in ihrem Garten in Pankow, 800 Quadratmeter, alte Obstbäume,

Gemüse- und Kräuterbeete. Basis für ein neues Business. Ricarda Farnbacher

entschied, ins Feinkostgeschäft einzusteigen.

GARÇON

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KOPFSALAT Ricarda Farnbacher

Produktionsküchen heißen die mehr oder weniger professionell ausgestatteten

Speisenzubereitungsstätten von Cateringfirmen im Fachjargon. Die

von Ricarda Farnbacher befindet sich in der Greifswalder Straße und ist

mit allem bestückt, was ein modernes Unternehmen ihrer Branche heute

benötigt, um up to date zu sein.

Normalerweise war in den Wochen vor Weihnachten hier der Teufel los.

„Weihnachtszeit war Feierzeit”, sagt die Unternehmerin, „das hieß Vollgas täglich,

manchmal auch nachts.” Jetzt allerdings: Still ruht der See. Oder fast.

Küchenchef Alex Gross und sein Stellvertreter Colin Seffer entwickeln und

produzieren die Feinkost, die höchsten Ansprüchen genügen soll. Beste Grundprodukte,

deren Verarbeitung in kleinen Chargen, geschmacklich stimmig,

nachhaltig, verkaufbar”, bringt der 35-jährige Gross die Sache auf den Punkt.

„Trial and error”, fügt sein Kollege hinzu, „nicht alles passt immer gleich.”

68 GARÇON


Ricarda Farnbacher KOPFSALAT

Küchenchef Alex Gross und Sous Chef Colin Seffer, v. li.

Inzwischen gibt es unter dem Label FARNKOST ein gutes Dutzend Spezialitäten,

die keinen Vergleich scheuen müssen (s. Seite 70). Ricarda Farnbacher

bietet sie auf dem Wochenmarkt am Kollwitzplatz und im eigenen Onlineshop

an. „Natürlich sind die Umsätze kein Vergleich etwa zu dem, was wir

mit der Party einer IT-Firma verdienen würden, aber es hält uns erstmal über

Wasser.” Die Unternehmerin gibt sich kämpferisch. „Wir schaffen das!”

FARNKOST

Stargarder Straße 17

10437 Berlin-Prenzlauer Berg

info@ricardafarnbacher.de

www.ricardafarnbacher.de

GARÇON

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KOPFSALAT Ricarda Farnbacher

Farnkost ist die Feinkostmarke der Catering-Unternehmerin

Ricarda Farnbacher.

Die aus frischen, saisonalen Produkten

nachhaltig hergestellten Delikatessen gibt

es samstags auf dem Wochenmarkt am

Kollwitzplatz in Prenzlauer Berg und im

Online-Shop www.farnkost.com

70 GARÇON


Bitte trinken Sie verantwortungsvoll. | DRINKiQ.com

Die Bezeichnung ZACAPA und damit verbundene Logos sind Markenzeichen. © Rum Creation & Products, Inc. 2016



Prignitz

Ruppiner Seenland

Uckermark

Wer in der Mark reisen will, der muß zunächst

Liebe zu Land und Leuten mitbringen,

mindestens keine Voreingenommenheit.

Er muß den guten Willen haben, das

Gute gut zu finden, anstatt es durch krittliche

Vergleiche totzumachen. Der Reisende

in der Mark muß sich ferner mit einer feineren

Art von Natur- und Landschaftssinn

ausgerüstet fühlen. Es gibt gröbliche Augen,

die gleich einen Gletscher oder Meeressturm

verlangen, um befriedigt zu sein.

Diese mögen zu Hause bleiben.

Fläming

Dahme-Seenland

Spreewald

Unterwegs

in Brandenburg

PETZNICK — PETERSDORF — POTZLOW

GERSWALDE — GRÜNHEIDE

VON JÖRG TEUSCHER

Barnimer Land

Seenland Oder-Spree

Es ist mit der märkischen Natur wie

mit machen Frauen. ‚Auch die häßlichste‘

— sagt das Sprichwort — ‚hat immer noch

sieben Schönheiten!‘ Ganz so ist es mit

dem Lande zwischen Oder und Elbe; wenige

Punkte sind so arm, daß sie nicht auch

ihre sieben Schönheiten hätten. Man muß

sie nur zu finden verstehen. Wer das Auge

dafür hat, der wag es und reise.

Lausitzer Seenland

Elbe-Elster-Land

Havelland

Theodor Fontane

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Die Grafschaft Ruppin

Vorwort zur zweiten Auflage, Berlin 1864

GARÇON

73


KULINARISCHE EXKURSION Uckermark

Grumsin, über 3.000 Mooren und einer Vielzahl an seltenen Tieren

und Pflanzen bis zum Nationalpark Unteres Odertal im Osten, einer

weitgehend intakten Flussauenlandschaft.

Die Schönheiten des Landstrichs im Norden Brandenburgs entdeckten

nach der Wende auch viele Berliner. Wer es sich leisten

konnte, kaufte hier ein Ferienhaus oder zog gleich ganz aufs Land

– Entschleunigung, Alternativen zu den Einengungen der Großstadt,

Nachhhaltigkeit, ein Leben am Rande der Konsumkultur, der

Trend zur Uckermark ist ungebrochen.

Neben dem Tourismus sind Landwirtschaft und Lebensmittelhandwerk

die Geldbringer in der Region. Der Uckerkaas aus Bandelow

ist inzwischen weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt,

genauso die fruchtigen Spezialitäten der Apfelgräfin Daisy von Arnim

aus Lichtenhain und die feinen Obstweine von Edda Müller und

Florian Profitlich aus Kraatz. In Schönermark brennt Cornelia Bohn

einen respektablen Whisky, und in Blankensee presst Saskia Gräfin

Hahn ein ganz besonderes Mohnöl.

Wir besuchten bei unserem Uckermark-Trip im September 2020

Obstbauern in Grünheide und Pilzzüchter in Petznick, trafen in Petersdorf

einen guten alten Bekannten, verabschiedeten uns in Gerswalde

von dem Glut-und-Späne-Meister Michael Wickert, der den

Ort in Richtung Schwarzwald verlassen wird und hörten von der

Zuckerblütenproduzentin Anja Merkel in Potzlow, wie Corona eine

kleine Manufaktur kaputt macht.

Die Uckermark kennt viele Superlative, objektive wie subjektive.

Zur ersten Kategorie gehört die Tatsache, dass sie der größte Landkreis

Deutschlands ist, immerhin genauso groß wie das Saarland,

das kleinste deutsche Bundesland, wenn man Berlin, Hamburg

und Bremen außen vor lässt. Fakt ist auch, dass sie zu den am

dünnsten besiedelten Gegenden der Republik zählt, ein wald- und

seenreicher, aber menschenarmer Flecken, lediglich 53 Einwohner

leben hier auf einem Quadratkilometer.

Was das Subjektive, die Eindrücke also betrifft – mich verzaubert

diese Landschaft immer wieder neu, wenn ich in der Uckermark

unterwegs bin. Stille Alleen, gesäumt von Buchen und Linden

und manchmal auch von knorrigen Obstbäumen, weite Niederungen,

sanfte Hügelgebiete, idyllische Seen, 400 insgesamt, sagen

die Touristiker. Pittoreske Dörfer, prachtvolle Herrenhäuser, kleine

Kirchen von schlichter Schönheit.

Die Uckermärker sind stolz auf stille Badestellen und ruhige

Angelplätze und auf mehr als 1.000 Kilometer Wanderwege. Einer

der reizvollsten ist der 2009 eingeweihte und vom Deutschen Wanderverband

mit dem sperrigen Titel „Qualitätswanderweg wanderbares

Deutschland” bedachte Märkische Landweg. 217 Kilometer

lang, führt er durch den Naturpark Uckermärkische Seen, im Nordwesten

zwischen Boitzenburg, Lychen und Templin gelegen, durch

das UNESCO-Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin mit seinen

uralten Eichen, dem zum Weltnaturerbe gehörenden Buchenwald

74 GARÇON


Uckermark KULINARISCHE EXKURSION

GARÇON

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KULINARISCHE EXKURSION Uckermark

Der promovierte Biologe Andreas Kirbach

und Manuel Gross, Mechatroniker von

Beruf (Bild v. li.), stammen zwar nicht aus

der Uckermark, sind aber seit einiger Zeit

hier zu Hause. Aus einer Zufallsbekanntschaft

wurde Freundschaft, aus gleichen

Interessen ein gemeinsames Unternehmen.

Im August 2019 gründeten Kirbach

und Gross in Petznick vor den Toren Templins

eine Zuchtpilzfarm, deren Name

Programm ist: Frische Kappen...

„Hest nüscht sehen,

kast nüscht seggen.”

(Uckermärker Redensart)

Der 56-jährige Maik Fritsch stammt aus

Templin, ist also ein waschechter Uckermärker.

Wer es nicht hört, der schmeckt

es auf jeden Fall, denn Fritsch, Koch von

Beruf, gilt als ausgewiesener Kenner der

regionalen Küche seiner Heimat und als

ebensolcher Könner bei der Zubereitung

solcher Traditionsgerichte wie Hechtfrikassee,

Rehlungwurst, Rinderzungenkadümzel

oder eben Nudelsuppe mit Plum

und Speck...

76 GARÇON


Uckermark KULINARISCHE EXKURSION

Als die diplomierte Landschaftsarchitektin

Anja Merkel vor elf Jahren begann, in

ihrem Potzlower Garten essbare Blüten

anzubauen und ein Verfahren entwickelte,

die Botanicals zart zu verzuckern, gab

es jede Menge Lob. Die Marketinggesellschaft

pro agro zeichnete Merkels filigrane

süße Pretiosen aus, das Biosphärenreservat

Schorfheide-Chorin verlieh sein

Prüfzeichen, Konditoren aus halb Europa

jubelten. Doch dann kam Corona...

Er liebte die Uckermark-Landschaft, die

Sommerwochenenden in Gerswalde, sein

kleines Glut-&-Späne-Gartenlokal auf dem

Gelände der ehemaligen Schlossgärtnerei.

Und die Gäste liebten ihn und seine

Räucherkunst. Viele Berliner kamen jedes

Wochenende nur wegen Michael Wickerts

Fischplatten nach Gerswalde. Trotzdem hat

sich der 45-Jährige nun entschieden, die

Uckermark Richtung Baden-Württemberg

zu verlassen...

Dr. med. Michael Weber, 53, ist Facharzt

für Anästhesiologie und Chef der international

tätigen Hire a Doctor Group, einer

Zeitarbeitsfirma für Ärzte mit Sitz

in Berlin. Vor einigen Jahren erwarb der

gebürtige Potsdamer und bekennende

Uckermark-Fan eine defizitäre Mosterei

sowie einige Streuobstwiesen in der Region

seiner Träume, gründete die Firma

UMBIO und produziert seitdem erstklassige

Obstsäfte...

GARÇON

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KULINARISCHE EXKURSION Uckermark

Begehrt

ANDREAS KIRBACH UND MANUEL GROSS PRODUZIEREN UCKERMÄRKISCHES UMAMI

78 GARÇON


Uckermark KULINARISCHE EXKURSION

Frühsommer auf dem Kollwitzmarkt. Corona war da, aber doch

fern, Touristen und viel Schicki und Micki flanierten, hier ein Häppchen,

dort ein Schwätzchen.

Mitten in all dem fröhlichen Marktgewusel ein junger Mann

hinter einem kleinen Stand, vor sich ein paar Körbe mit Austernseitlingen

und Shiitakepilzen. Makellose Ware, aber keine Kunden.

Dann und wann ein bisschen geheucheltes Interesse: Astrein, aber

wir waren schon einkaufen. Endlich mal kein Schau-, sondern ein

Kauflustiger, ein älterer Herr mit weiblicher Begleitung und beide

offensichtlich mit dem Thema sehr vertraut.

Das Gespräch drehte sich um Substratproduktion, Myzelentwicklung

und Fruchtkörperbildung, der junge Mann hinter dem Tresen

erzählte von seinem und seines Geschäftspartners Start ins

Pilzzuchtgeschäft, von ihren Erfahrungen und Zielen. Der ältere

Herr kaufte eine Tüte Shiitake, und wir hörten – neugierig geworden

– das, worüber Andreas Kirbach, so der Name des Verkäufers,

bisher nicht gesprochen hatte: „Weil die Restaurants, unsere wichtigsten

Kunden, monatelang geschlossen waren, hatten wir die Idee

mit diesem Marktstand”, so Kirbach, „Not macht eben erfinderisch.”

Was das Besondere an ihren Pilzen sei, wollten wir wissen. Es

folgte eine Einladung nach Petznick, einem 118-Einwohner-Dörfchen

vor den Toren Templins am Rande des Biosphärenreservats

Schorfheide-Chorin.

Andreas Kirbach und Manuel Gross empfangen uns auf dessen

Grundstück, das auch ihre Edelpilzfarm beherbergt. Im August

2019 gegründet, ist die Anlage noch ein „Farmchen”, aber sie soll

wachsen – trotz Corona. Kirbach, 43, stammt aus Görlitz, studierte

an der Freien Universität Biologie und promovierte mit dem Thema

„Navigation und Kommunikation von Honigbienen” zum Dr. rer. nat.;

der 37-jährige Gross ist in Parchim gebürtig, der Ausbildung zum

Mechatroniker folgte eine über zehnjährige Tätigkeit in der Medizintechnik

– für beide war die Pilzzucht also Neuland.

Dr. Andreas Kirbach und Manuel Gross, v.li.

GARÇON

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KULINARISCHE EXKURSION Uckermark

Dennoch schafften sie es schnell, sich in die fremde Materie einzufuchsen.

„So kompliziert ist die Sache nun auch nicht”, erklären

sie, „man braucht ein sauberes Substrat aus einheimischen Laubhölzern

und entsprechende Pilzbrut, mit der das Substrat geimpft

wird, dann wachsen die Pilze. Wichtig ist es, in jeder Phase für die

richtige Luftfeuchtigkeit und Temperatur zu sorgen und für die

notwendigen Lichtverhältnisse.”

Derzeit wachsen in ihrer Anlage Austern- und Kräuterseitlinge sowie

Shiitake, die sagenhaften chinesischen Umami-Lieferanten. Dazu

gibt es Weiße Buchenpilze sowie Pioppini, die Südlichen Ackerlinge,

die in Italien wegen ihres maronenähnlichen Aromas als Delikatesse

gelten. „Solange wir auf die Gastronomie-Kunden verzichten müssen,

ist eine Erweiterung der Sortenvielfalt natürlich kein Thema”, sagt

Andreas Kirbach. Dafür verschicken die beiden Züchter seit Anfang

November Frisch- und Trockenpilze auch an Otto Normalverbraucher

(bei Interesse: mail@frischekappen.de).

80 GARÇON


Uckermark KULINARISCHE EXKURSION

Das Berliner Szenerestaurant 2019...

... war vor der Pandemie der beste Kunde der Frische Kappen GbR.

Auch Andreas Kirbach und Manuel Gross hoffen auf ein baldiges

Ende des Lockdowns. „Unsere wichtigsten Abnehmer sind eben Berliner

Küchenchefs, und wenn deren Herde kalt bleiben, haben wir ein

Problem”, sagt Kirbach und verweist auf das Frühjahr. „Als Bandol

sur mer, Mrs. Robinson´s, Barra, FREA, Otto und andere Kunden keine

Pilze brauchten, weil sie geschlossen waren, hatten wir über 80

Prozent weniger in der Kasse.” Kirbach und Gross traten die Flucht

nach vorn an und mieteten einen Stand auf dem Kollwitzmarkt in

Prenzlauer Berg. Hier lernten wir die beiden kennen...

FRISCHE KAPPEN

Henkinshainer Weg 11

17268 Templin OT Petznick

Tel. 0151 - 23 60 69 55

www.frischekappen.de

www.coldehoern.de

Manuel Gross und FREA-Küchenchef Yahir Franco.

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KULINARISCHE EXKURSION Uckermark

Verblüht

ANJA MERKEL WILL DIE ZUCKERBLÜTENHERSTELLUNG AUFGEBEN

82 GARÇON


Uckermark KULINARISCHE EXKURSION

Landschaftsarchitektin und Unternehmerin Anja Merkel.

Den Tipp für einen Besuch in Potzlow, einem 500-Einwohner-Dörfchen

rund zehn Kilometer südlich von Prenzlau, bekamen wir von

Heidrun Lange. Genauer gesagt, wir entnahmen ihn ihrem lesenswerten

Buch „Uckermark – Die 99 besonderen Seiten der Region”.

Wir folgten also den Spuren der Journalistin nach Potzlow Ausbau

– das sind ein gutes Dutzend hübsch herausgeputzter Landhäuser

mit viel Grün drumherum.

Am Anwesen mit der Nummer 6a weist ein Schild den Weg:

Obstgarten Uckermark GbR. Das ist der Name der Firma von Anja

Merkel. Der freundlichen Begrüßung folgt eine ernüchternde Erklärung.

„Corona hat unser Geschäft zum Erliegen gebracht”, sagt die

52-Jährige, „wenn kein Wunder geschieht, geben wir auf.”

Anja Merkel, gebürtige Berlinerin, studierte in Dresden Landschaftsarchitektur

und zog gemeinsam mit ihrem Mann 2008 in

die Uckermark. Ein Jahr später begann sie, essbare Blüten zu verzuckern.

„Was so einfach klingt, war es natürlich nicht”, gab sie

damals in einem Interview zu Protokoll, „ich musste viel recherchieren,

experimentieren und investieren bis das Ergebnis für mich

und vor allem für die Kunden zufriedenstellend war.”

Köche, Konditoren und Patissiers waren dann weit mehr als nur

das. Sie lobten, dass die Hornveilchen-, Kornblumen-, Lavendel-,

Süßdolden- oder Wildrosenblüten – nachdem Anja Merkel ihre

Hand angelegt hatte – Form und Farbe behielten, dass durch den

Zucker ihre Aromen deutlich intensiviert wurden und dass das alles

ohne chemische Farb- und Hilfsstoffe erreicht wurde.

Zu Anja Merkels Kunden zählten das Berliner Sternerestaurant

Facil, Guido Fuhrmanns Werkstatt der Süße, das Tortenstudio Luca

sowie weitere Konditoren, sogar in Österreich und der Schweiz. Die

Zuckerblüten machten Schlagzeilen, Anja Merkel erhielt Auszeichnungen,

die Blütenwelt schien in bester Ordnung. Doch dann – siehe

oben. Nun basteln die Landschaftsarchitektin und ihr Mann,

Bauleiter von Beruf, an einer neuen Unternehmensidee.

GARÇON

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KULINARISCHE EXKURSION Uckermark

Abgefüllt

MICHAEL WEBER UND SEIN TEAM STELLEN SUPER-SÄFTE HER

84 GARÇON


Uckermark KULINARISCHE EXKURSION

„Zumutung”, das ist noch die freundlichste Bezeichnung für die Verbindung

zwischen Grünheide und dem Rest der Welt. Die meisten

greifen tiefer in die Wortschatzkiste der Deftigkeiten. „Wer nicht

muss, der lässt´s”, sagen die Einheimischen trocken. Wir müssen.

Immerhin weisen Schilder links und rechts der kopfsteingepflasterten

Buckelpiste zuverlässig den Weg: UMBIO – GUTES AUS DER

UCKERMARK.

Das so Benannte liegt auf einer Anhöhe und sieht auf den ersten

Blick ziemlich unspektakulär aus. Produktionshallen und ein großer

Hof, viel Beton, der Charme des Zweckmäßigen. Hunderte Apfelbäume

und Haselnusssträucher ringsum lassen das Areal freundlicher

wirken, der weite Blick ins Uckermärker Land und der freundliche

Empfang durch eine junge Frau heben den ersten Eindruck schließlich

vollends auf.

Louise Friedländer (Bild S. 84, u., li.) stammt aus Köln und war,

bevor sie zu UMBIO kam, in der Modebranche tätig. Dann entschied

sie sich für das wirklich Wichtige im Leben. Dem Praktikum in der

Uckermark wird ein Studium an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung

in Eberswalde folgen – Fachrichtung Ökolandbau.

Die 33-Jährige serviert routiniert die UMBIO-Fakten, man merkt,

sie ist den Umgang mit Journalisten gewohnt. Wir notieren: UMBIO

bewirtschaftet 22 Hektar, größtenteils Streuobstwiesen, auf denen

über 100 alte und einige neuere Apfelsorten wachsen. Altländer

Pfannkuchenapfel, Landsberger Renette, Rheinischer Bohnapfel, Jakob

Fischer, Signe Tillisch, Kaiser Wilhelm, Boskop, Gelber Richard,

rund 1.000 Hochstämme. Dazu Birnen, Pflaumen, Süßkirschen, Hasel-

und Walnüsse. Gemüseanbau. Eigene Bienenvölker.

„In unserer Mosterei werden wir in diesem Jahr schätzungsweise

20.000 Liter Apfelsaft pressen”, sagt Louise Friedländer und fügt

hinzu: „Mit dem Kauf unterstützen Sie die Pflege unserer Streuobstwiesen

und die Neuanlage und leisten einen wichtigen Beitrag zur

Erhaltung alter Obstsorten.” Wir haben verstanden und kaufen.

GARÇON

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KULINARISCHE EXKURSION Uckermark

Am Sortierband: Karola Feistel und Viktoria Mokretsova, v.re.

An der Saftpresse: Julian Schiller und Nikolas Bohrisch, v. re.

Chef der Bio-Mosterei ist der 33-jährige Uckermärker Nikolas

Bohrisch, zupackend und wortkarg. Seine Mitarbeiter sind Studenten.

„Ökolandbau Eberswalde, die wissen, wie’s läuft”, Bohrischs

höchste Form der Anerkennung.

Außerdem erfahren wir, dass hier das Obst mit einer traditionellen

Packpresse gepresst wird, nicht die modernste Technik, aber eine,

die die beste Saftqualität liefert. Wir hören, dass der Saft nicht gefiltert

wird, also naturtrüb bleibt, um seinen typischen Geschmack zu

erhalten und dass er besonders schonend pasteurisiert wird. „Damit

das Aroma drinbleibt”, wie Bohrisch sagt.

„Kommen Sie doch zum Mosterei-Tag”, schlägt Louise Friedländer

vor, dann haben wir genug Zeit, um Ihre Fragen zu beantworten,

und dann ist auch Herr Doktor Weber da.” Wir überlegen – ein

zweites Mal die Buckelpisten-Zumutung? – und verabreden uns

mit Herrn Doktor Weber schließlich in Berlin. Michael Weber, Dr.

med. und Inhaber von UMBIO hat sein Büro auf einem Gewerbehof

Mosterei-Chef Nikolas Bohrisch.

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Uckermark KULINARISCHE EXKURSION

in Prenzlauer Berg und ist im Hauptberuf Geschäftsführer der Hire

a Doctor Group (s. Seite 77 re. unten). „Zwei Tage in der Woche bin

ich in Berlin, ansonsten arbeite ich in der Uckermark.”

Der 53-Jährige erwarb 2015 die damals defizitäre Mosterei, investierte

kräftig und fügte dem Mostgeschäft weitere Standbeine hinzu.

„UMBIO produziert, veredelt und vertreibt inzwischen außer den

Bio-Premium-Säften auch Honig von unseren Bienen, Wildbret von

Tieren, die auf Bio-Flächen oder in den Uckermark-Wäldern erlegt

wurden und – natürlich saisonal – Lammfleisch von Bio-Lämmern.”

UMBIO – GUTES AUS DER UCKERMARK

Am Gutshof 1

17291 Oberuckersee OT Grünheide

Tel. 039863 - 63 90 75

www.umbio.de

www.coldehoern.de

Dr. Michael Weber: „Wir sind überzeugte Cuvée-Fans, weil wir die geschmackliche Harmonie lieben.”

GARÇON

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KULINARISCHE EXKURSION Uckermark

Unverhofft

EIN WIEDERSEHEN MIT DEM KÜCHENCHEF MAIK FRITSCH

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Uckermark KULINARISCHE EXKURSION

Petersdorf, 90 Einwohner, liegt rund zehn Kilometer südöstlich von

Templin nahe des Lübbesees und gehört zu jenen Winzlingsdörfern,

die bei einer Uckermarktour normalerweise links liegen bleiben.

Wir machten uns dennoch auf den Weg.

Auf der Suche nach authentischen Klassikern der Uckermärker

Regionalküche hatten wir einen Tipp bekommen: Maik’s Hofwirtschaft

in Petersdorf. Der Name steht für die Sache. Vor der ehemaligen

LPG-Lagerhalle sind Tische, Stühle und einige Sonnensegel

aufgebaut, Tafeln informieren, was hier serviert wird: Hecht im

Speckmantel, Wildschweinleber, Wrukensuppe, Zwiebelkuchen.

Dann kommt Maik – und wir staunen nicht schlecht. Der Mann

ist ein alter Bekannter. Kennengelernt hatten wir Maik Fritsch vor

sieben Jahren, damals stand er im Ringenwalder Gasthof zur Eisenbahn

am Herd, ein gebürtiger Uckermärker, der die Traditionsrezepte

seiner Heimat zubereitete und die Frage nach seinem Kochstil

kopfschüttelnd mit einem Wort beantwortete: "Uckermärkisch".

Dann kredenzte er uns Rinderzungenkadümzel, Rehlungwurst und

Kloppschinken mit Suernudeln und lieferte gratis dazu eine kleine

Einführung in das Uckermärker Küchenplatt. Die Kartoffel zum

Beispiel heißt zwischen Prenzlau und Templin Nudel, Riewnudeln

sind demnach geriebene Kartoffeln, also Kartoffelpuffer und Suernudeln

Buttermilchkartoffeln. Kadümzel schließlich hat nichts mit

Nudeln zu tun – dahinter verbirgt sich ein feines Frikassee - mal

aus Kaninchenfleisch, mal aus Rinderzunge.

Fritschs Regionalofferte passte in die Zeit, der Hamburger FEIN-

SCHMECKER sang Lobeshymnen, die hauptstädtischen Tageszeitungen

stimmten ein und am Ende stand sogar die Nominierung

zum Brandenburger Meisterkoch 2013. Wie gesagt, das ist sieben

Jahre her, in denen es für Maik Fritsch nicht nur bergauf ging.

Seine damalige Partnerin zog zurück nach Berlin, er verließ das

Ringenwalder Eisenbahn-Gasthaus, ging als Koch nach Petersdorf

und schaffte es hier immerhin zum kulinarischen Geheimtipp.

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KULINARISCHE EXKURSION Uckermark

Ausgeräuchert

MICHAEL WICKERT VERLÄSST GERSWALDE

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Uckermark KULINARISCHE EXKURSION

Die Uckermark wird häufig mit dem Saarland verglichen. Viel haben

der größte Landkreis und das kleinste Bundesland allerdings

nicht gemeinsam – eigentlich außer der Größe gar nichts. Die

gewaltigsten Unterschiede gibt es in Genussfragen. Während im

Saarland französisches Savoir-vivre und damit die Wertschätzung

guter Küche schon immer eine wichtige Rolle spielte, herrscht in

der Uckermark von alters her die kulinarische Kargheit Preußens.

Und während sich zwischen Saarbrücken und Weiskirchen gleich

ein halbes Dutzend erstklassiger Gourmetadressen drängelt, muss

man zwischen Prenzlau und Templin selbst eine passable Landhausküche

mit der Lupe suchen.

Das mag wohl auch der Grund dafür sein, dass – wenn von der

kulinarischen Uckermark die Rede ist – meist zuerst Gerswalde genannt

wird. Die 1.600-Einwohner-Gemeinde ist ein beliebtes Ausflugsziel

mit vielen Sehenswürdigkeiten. Das ehemalige Schloss

derer von Arnim beherbergt heute ein Jugendheim mit handwerklichen

Ausbildungsstätten; die Ruine der mittelalterlichen Wasserburg

wurde in den 1990ern aufwändig saniert; es gibt ein Fischereimuseum,

eine Heimatstube, eine Wehrkirche, und es gibt den

Großen Garten.

Man findet ihn auf dem Gelände der früheren Schlossgärtnerei,

und er gilt mit seinen gastronomischen Angeboten – dem Café

„Zum Löwen”, der Bar „Paradieschen” und dem Gartenlokal „Glut

und Späne” – als das kulinarische Nonplusultra der Uckermark.

Tatsächlich Furore macht hier aber nur Michael Wickert. Inzwischen

muss man sagen „machte”, denn Wickert wird am Jahresende

seine Zelte in Brandenburg abbrechen, doch dazu später.

Der 40-jährige Agrar- und Fischereiwissenschaftler, der während

seines Studiums auf Fischfarmen in Australien, Brasilien,

Südafrika und der Schweiz forschte und nach dem Studium zwei

Jahre lang eine Forellenzucht in der Normandie leitete, kam – via

Markthalle Neun – 2016 nach Gerswalde.

Michael Wickert, Süßwasserfisch-Spezialist und Autor:

Im Frühjahr erscheint sein Fischräucherbuch (Ulmer Stuttgart).

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KULINARISCHE EXKURSION Uckermark

Hier etablierte er seine Fischräucherei und ein Fischbistro, und hier

wäre er auch gern geblieben, doch der Klimawandel machte seine

beruflichen Pläne zunichte.

Wickert hatte sich vorgenommen, selbst eine Fischerei zu betreiben,

aber die Tatsache, dass rund um Gerswalde in kurzer Zeit

drei Fischereibetriebe schließen mussten, ließ ihn nachdenklich

werden. „In der Region wird es immer wärmer und trockener”, berichtet

er, „dadurch verlieren die Seen viel Wasser – der Wasserspiegel

des Gelandsees rund 20 Kilometer südlich von Gerswalde

beispielsweise, ist in den letzten drei Jahren um 70 Zentimeter

gesunken. Das sind 70 Millionen Liter Wasser weniger.” Er spricht

über die Folgen, über das Algenwachstum, das begünstigt wird und

über die steigende Bildung von Geosmin, einer Substanz, die einen

modrigen Geschmack verursacht. „Da kannst du räuchern soviel

du willst, der bleibt.” Im Süden, etwa im wasserreichen Schwarzwald,

hofft er nun auf bessere Bedingungen für sein Vorhaben.

92 GARÇON


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Illustration: Martin Rümmele

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KULINARISCHE EXKURSION Toskana

„Immaginamo la gastronomia

in nuovo modo”

DER GASTRONOMISCHE VISIONÄR PIERLUIGI BIZZARRI

VON JÖRG TEUSCHER

94 GARÇON


Toskana KULINARISCHE EXKURSION

„Immaginamo la gastronomia in nuovo modo”, sagt

Pierluigi Bizzarri selbstbewusst, „wir denken die Gastronomie

neu.” Seit der 43-jährige Unternehmer aus der

toskanischen Provinzhauptstadt Pistoia vor fünf Jahren

sein erstes Restaurant eröffnete, gilt er als gastronomischer

Visionär. Sein jüngstes Projekt ist ein kettentaugliches

Fischrestaurant mit bisher drei Standorten.

Ende September – die Restaurants in Italien waren mit

Auflagen geöffnet – besuchten wir das Fishing Lab in

Pietrasanta und erfuhren Erstaunliches.

GARÇON

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KULINARISCHE EXKURSION Toskana

Città d’arte e culinaria, Stadt der Kunst und der Kulinarik, so wirbt Pietrasanta

um Touristen. Und die kommen Jahr für Jahr in Scharen in das

Städtchen in der nördlichen Toskana, bevölkern die schmalen Gassen

und bestaunen den berühmten Campanile. Wer das Gewusel auf der

Piazza Duomo und in den Straßencafés dort schon einmal erlebt hat,

wird das Bild des fast menschenleeren Marktplatzes für ein Foto-Fake

halten. Aber es ist im Spätsommer des Coronajahres 2020 Realität.

96 GARÇON


Toskana KULINARISCHE EXKURSION

Dass Ende September die Straßen und Plätze in Pietrasanta weit

weniger bevölkert sind als in den Vor-Corona-Jahren, liegt zuerst

daran, dass kaum noch ausländische Touristen die Stadt besuchen.

Die Italiener sind unter sich. Die meisten halten die Hygienegebote

ein und wirken dabei ziemlich entspannt. Uns verwundert, dass die

Abstandsregel mit lediglich einem Meter viel geringer als in Deutschland

ist. Dafür tragen hier mehr Menschen Maske, obwohl es keine

generelle Maskenpflicht gibt. Die wird von der italienischen Regierung

erst am 8. Oktober angeordnet – allerdings mit vielen Ausnahmen.

Die bei einem Verstoß angedrohten Bußgelder betragen

übrigens saftige 400 bis 1.000 Euro, das ist ein Vielfaches dessen,

was in deutschen Städten angezeigt ist.

Wir sind unterwegs zu einem erst wenige Wochen zuvor eröffneten

Restaurant, das in der gastronomisch eher konservativen Toskana

neue Wege gehen will. Dafür steht der Name seines Betreibers:

Pierluigi Bizzarri, den sie in Italien il visionario nennen, den Visionär..

GARÇON

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KULINARISCHE EXKURSION Toskana

Und täglich grüßt das Meerestier? Im Fishing Lab in Pietrasanta

bestimmt. In diesem modern möblierten und zum Glück auch nicht

fischereifolkloristisch überdekorierten Lokal kommt – bis auf ganz

wenige Ausnahmen – ausschließlich Fisch auf die Teller. Zuerst

allerdings gibtʼs Speisenkarte, Besteck und Serviette, desinfiziert

und eingeschweißt in einen Plastikbeutel. Der wird am Tisch aufgeschnitten

und der Gast entnimmt, was er braucht (Bild u. re.).

Die Speisenkarte, die man sich auch auf das iPhone laden kann,

funktioniert nach dem Baukastensystem. Motto: Der Gast stellt

sich sein Menü selbst zusammen: Schalen- und Krustentiere gibt

es einzeln zum Stückpreis, ebenso Sushi. Poke Fish ist eine Bowl

mit Reis und Gemüse – welcher Fisch dazu serviert wird, entscheidet

wiederum der Gast. Außerdem können die meisten Gerichte

auch als halbe Portionen geordert werden. Ein Konzept, vor allem

für junge Leute gedacht. „Più easy, più smart”, nennt es der Manager,

ein Motto, das sicher keine Übersetzung braucht.

98 GARÇON


Toskana KULINARISCHE EXKURSION

Tommaso Cantini ist der Marketing-Chef der PB srl, so das Kürzel für

die gastronomische Unternehmung von Pierluigi Bizzarri und dessen

Sprecher. „Wenn unser Fishing-Lab-Konzept hier in Pietrasanta und in

Florenz erfolgreich ist, wollen wir expandieren”, sagt der 37-Jährige

und fügt hinzu: „Wir haben zum Beispiel Berlin im Blick.” Wie gesagt,

das Gespräch fand Ende September statt. Jetzt, nach dem erneuten

Lockdown in Italien, spricht Cantini nur noch von „Existenzsicherung”.

GARÇON

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KULINARISCHE EXKURSION Toskana

Der Cacciucco, die traditionelle Fischsuppe der Toskana, ist ein beliebtes

Weihnachtsessen in den Küstenorten der Region. Er muss aus fünf

Fischsorten gekocht werden, für jedes „C” im Namen eine Sorte – also

etwa Drachenkopf, Knurrhahn, Meeräsche, Petermännchen und Rotbarbe.

Außerdem sind Heuschreckenkrebse und einige Miesmuscheln

wichtig. „Weil die Beschaffung der Zutaten und die Zubereitung ziemlich

aufwändig sind, gibt es bei uns Cacciucco to go”, so Tommaso Cantini

aus dem Fishing Lab in Pietrasanta Anfang Dezember telefonisch.

100 GARÇON


Toskana KULINARISCHE EXKURSION

Der Marketingchef des Fishing Lab klingt nicht eben optimistisch,

wie auch, angesichts der Verordnungen, die Italiens Premier Giuseppe

Conte kürzlich für die Feiertage verkündete. So dürfen die

Italiener vom 21. Dezember bis zum 7. Januar ihre jeweilige Wohnregion

nur in Notfällen verlassen, und am 25. und 26. Dezember

sowie am Neujahrstag gilt das Verbot sogar für die Gemeindegrenzen.

Zudem appellierte Conte an alle Italiener, am besten auch auf

den „cenone” zu verzichten, das traditionelle weihnachtliche Festessen

mit der ganzen Familie.

„Es wird eine völlig andere Weihnacht, als wir es gewohnt sind”,

kommentiert Tommaso Cantini die Einschränkungen. Andere formulieren

weniger moderat. So ist in Italien immer öfter vom „natale blindato”

die Rede, vom „gepanzerten (also überwachten) Weihnachten”.

Auf die Zukunft des Fishing Lab und anderer Projekte seines Unternehmens

angesprochen, reagiert Cantini so, wie die meisten Menschen

derzeit: „Vediamo come sará.” Man wird sehen.

FISHING LAB

Piazza della Repubblica 2

I-55045 Pietrasanta

Tel. +39 0584 – 15 40 007

www.fishinglab.it

GARÇON 101


RUBRIKEN Fuhrmanns Früchtekorb

Wenn in Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern die weißen

7,5-Tonnen-Kühltransporter mit dem Zeichen der Kirsche Hotels,

Restaurants, Kantinen, Krankenhäuser und Kitas ansteuern, heißt es

bei den Küchenchefs dort meist kurz und knapp: Fuhrmann kommt.

Mit Dieter und Marcus Fuhrmann lenkte jahrelang eine Vater-Sohn-

Doppelspitze die Geschicke des renommierten Fruchtgroßhandels mit

Sitz auf dem Berliner Großmarkt an der Beusselstraße. Nach dem plötzlichen

Tod seines Vaters im Mai 2020 trägt nun Marcus Fuhrmann die

alleinige Verantwortung für das 1977 gegründete Unternehmen.

Der 55-Jährige trat nach seinem BWL-Studium in Bochum und einem

Intermezzo als Tennistrainer 1996 in die Firma seines Vaters ein, absolvierte

eine Großhandelsausbildung und lernte die Besonderheiten des

Geschäfts mit Obst, Gemüse, Kartoffeln und Kräutern von der Pike

auf. Sein unternehmerisches Credo fasst er heute so zusammen: Zu-

Marcus Fuhrmann.

verlässigkeit, unbedingte Serviceorientierung und ein ausgeprägtes

Bewusstseins für Qualität. Dem fühlen sich auch die 28 „Fuhrmänner”

verpflichtet, die ihre Kunden täglich mit rund 500 Produkten beliefern

– von A wie Artischocke bis Z wie Zitronengras. Für unser Magazin

stellt Marcus Fuhrmann seine „Früchtchen” vor.

Heute: Spitzkohl

FUHRMANNS FRÜCHTEKORB

KOHLDAMPF AUF KOHLKOPF

VON MARCUS FUHRMANN

Es gibt glamouröseres Gemüse als den

Spitzkohl – kein Wunder, dass die Kopfkohlart

hierzulande jahrzehntelang als altbackenes

Kraut verschrieen war und im Ranking

der beliebtesten Gemüsesorten über einen

Platz in der letzten Reihe nicht hinauskam.

Das änderte sich, als Coleslaw, die amerikanische

Variante des Krautsalats und das

koreanische Kimchi die deutschen Küchen

eroberten. Kohl liegt inzwischen im Trend,

Spitzkohl insbesondere.

Vor allem jüngere Köche entdecken den

kulinarischen Allrounder, der mit seiner

zarten Struktur, einem feinen, ganz und

gar nicht kohligen Geschmack sowie reichlich

gesunden Inhaltsstoffen punktet. So

enthalten die kegelförmigen, blassgrünen

Köpfe neben reichlich Mineralstoffen jede

Menge der Vitamine C, B1 und B2, viel Betacarotin

und Eisen.

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Fuhrmanns Früchtekorb RUBRIKEN

Der weiße Spitzkohl ist eine besondere Variante des gleichfarbigen

runden Kopfkohls, allerdings mit feineren Blattrispen, zarteren Blättern

und – wie gesagt – einem milderen Geschmack. Ob er durch

Mutation entstand oder durch Züchtung, blieb bisher im Dunkeln.

Tatsache ist dagegen, dass bereits die antiken Hochkulturen

den Kopfkohl kannten und um seine Heilkraft wussten. Der griechische

Philosoph Aristoteles beispielsweise aß das Gemüse, um die

Auswirkungen übermäßigen Alkoholgenusses zu mildern. Und der

römische Staatsmann Cato hielt es sogar für ein probates Mittel

gegen die Pest, empfahl aber auch die Wundheilung durch Auflegen

von Kohlblättern – eine Methode, die sich bis ins 19. Jahrhundert

hielt. Aus dieser Zeit stammt auch die älteste Abbildung eines

Spitzkohls, die ich während meiner Kohlrecherche entdeckte – veröffentlicht

1876 in einem Katalog der Erfurter Saatgutfirma Ernst

Benary und dort mit dem Begriff „Spitzes Filderkraut” bezeichnet.

Diese Benennung des Spitzkohls geht auf ein traditionelles Anbaugebiet

in der Nähe von Stuttgart zurück – die Fildern. Dort, auf

einer fruchtbaren Hochebene, wird seit über 500 Jahren Kohl angebaut,

sogar ein Denkmal rühmt die regionale Spezialität.

Den Wert der spitzen Variante des Filderkrauts beschrieb übrigens

erstmals 1772 der Bernhäuser Pfarrer Bischoff: „Was das weiße

Spitzkraut besonders geschätzt macht, ist seine feine Zartheit in

den Blättern und überhaupt ein besserer Wohlgeschmack, worin es

sich von dem in anderen Gegenden Gepflanzten auszeichnet.”

Dennoch wurde mit der Industrialisierung der Gemüseverarbeitung

im 19. Jahrhundert auf den Fildern (und nicht nur dort) immer

weniger Spitzkohl angebaut, weil die Konservenindustrie runde

Köpfe verlangte, die sich maschinell besser verarbeiten ließen. Die

Folge: Die Anbaufläche von Spitzkohl sank auf den Fildern auf bescheidene

40 Hektar. Um es vor dem endgültigen Aussterben zu

bewahren, holte Slow Food das Filder-Spitzkraut 2005 in seine Arche

des Geschmacks.

Die Krautmarie von Filderstadt:

Ein Hoch aufs „Haible” (schwäbisch für Kohlkopf).

GARÇON 103


RUBRIKEN Fuhrmanns Früchtekorb

Es wurde gerettet, und auch in anderen Regionen – Schleswig-

Holstein, Nordrhein-Westfalen und Bayern sind neben Baden-Württemberg

die größten deutschen Kohlanbauer – wächst inzwischen

wieder mehr Spitzkohl. Gemessen an dem, was unsere Nachbarn

kultivieren, sind die 1.200 Hektar, auf denen in Deutschland das

Gemüse angebaut wird, allerdings Peanuts (die Weißkohl-Anbaufläche

insgesamt beträgt hierzulande übrigens rund 5.600 Hektar).

Und so handeln wir neben heimischer Ware auch Spitzkohl aus

den Niederlanden und Frankreich. Tendenz steigend. Das hat – ich

habe anfangs schon darauf hingewiesen – damit zu tun, dass sowohl

das Kohlgemüse im Allgemeinen als auch der Spitzkohl im

Besonderen ihr muffiges Image zunehmend ablegen.

Jüngere Köche kennen die Abneigung ihrer kulinarischen Väter

gegenüber jeglicher Art Kohl nicht. Sie interpretieren das Gemüse

neu, und ihre Gäste sind überrascht, wie vielseitig und modern

eben auch der Spitzkohl sein kann.

Ich erinnere mich zum Beispiel gut an einen Klassiker meines Freundes

Thomas Kammeier, der vor Jahren im Restaurant Hugos eine

Brandenburger Landente mit Holunderbeeren und Spitzkohl servierte.

Neueren Datums ist ein Gericht, das ich im Café im Literaturhaus

in der Fasanenstraße probiert habe: gepökeltes Eisbeinragout,

Jakobsmuschel, Petersilienwurzel, Spitzkohl und Mango-Chutney,

(Bild oben re.), ein Mix, der für mich absolut stimmig war.

Ja, was bleibt noch? Natürlich Kimchi. Als Fan der asiatischen

Esskultur liebe ich die scharfe koreanische Kohlzubereitung (Bild

unten li.) ganz besonders, auch wenn sie für europäische Geschmacksnerven

vielleicht etwas gewöhnungsbedürftig ist. Und

auch dem Barbecue-must-have, dem Coleslaw, kann ich durchaus

etwas abgewinnen – am besten mit einer leichten Mayonnaise und

geriebenen Karotten zubereitet (Bild Mitte).

www.dieter-fuhrmann.de

104 GARÇON


www.dieter-fuhrmann.de


RUBRIKEN Berliner Marktnischen

Berlin-Wedding 1926: Der Toppmarkt.

Wochenmärkte haben in Berlin eine lange

Tradition. Der erste urkundlich erwähnte

Markt ist der Spandauer, bereits im Stadtgründungsdokument

vom 7. März 1232 wird

er genannt. Im benachbarten Berlin sind

der Molkenmarkt und der 1728 von Friedrich

Wilhelm I. per Kabinettsbeschluss

ge schaffene Gendarmenmarkt die wichtigsten

öffentlichen Verkaufsplätze für

Butter, Eier, Honig, Käse, Korn und Wolle.

Deren Zahl stieg mit der Zeit zunehmend,

so gab es 1882 innerhalb der Stadtgrenzen

19 Wochenmärkte mit rund 10.500

Marktständen, die jedoch mit dem Bau

der Markthallen wieder verschwanden.

1952, die meisten Markthallen waren

zerstört, forderte der Regierende Bürgermeister

Ernst Reuter: „Vor's Rathaus gehört

ein Markt!“ Er meinte das Rathaus

Schöneberg und beendete mit seinem

Machtwort eine jahrelange Diskussion um

den wichtigsten Wochenmarkt Berlins.

Heute gibt es wieder rund 120 Wochenmärkte

in Berlin – nicht nur vor Rathäusern

– die sich wachsender Beliebtheit erfreuen.

Unter der Rubrik „Marktnischen“

stellt Garcon Händler vor, deren Offerten

auch eine weite Anreise wert sind.

BERLINER MARKTNISCHEN

ENTDECKUNGEN ZWISCHEN ARMINIUSHALLE UND MAYBACHUFER

„C’est ce qu’on fait de mieux”, nuschelt ein Mann mit vollem Mund. Das ist

zwar nicht die feine französische Art, aber wo er Recht hat, da hat er Recht.

Es gibt in Berlin nichts Besseres. Die Galette Complète von Nicolas Janiaud

punktet mit den nussigen Aromen des Buchweizens und dem Duft des sanft

schmelzenden Gruyère, der mit dem Bio-Ei eine perfekte Verbindung eingeht.

Seit sieben Jahren ist Nicolas Janiaud eine

feste Größe auf dem Karl-August-Platz.

Man kennt sich, man grüßt sich. Bonjour,

Bubar! Bubar? Der 39-Jährige winkt ab.

„Eine lange Geschichte.” Wir haben Zeit.

„Weil ich mich als junger Mann nur ungern

rasiert habe, nannte mich mein Onkel ‚Barbu‘,

der Bärtige. Und weshalb wurde daraus

Bubar? „Nach dem Jurastudium wurde

ich Rechtsanwalt und musste mich natürlich

rasieren, da hat er einfach die Silben

vertauscht.”

Sie sind Anwalt? „Schon, aber das ist unwichtig,

ich bin völlig unwichtig. Wichtig sind hier

nur die Crêpes und Galettes, compris?”

106 GARÇON


Berliner Marktnischen RUBRIKEN

Maître Nicolas Janiaud und Mitarbeiterin Audrey Baicry.

Seine Crêperie ist ein schmuckloser Sprinter mit Seitenklappe, keine

blau-weiß-roten Papierfähnchen, keine Bildchen von Saint-Malo, kein

Asterix, kein Obelix, nichts. „Das ist ein Imbisswagen und kein Folkloreladen”,

sagt Janiaud, während er sein mise en place beendet.

Punkt sieben kommt der erste Kunde: „Mein Frühstück bitte.”

Natürlich weiß der Crêpier, was der Mann wünscht. Beurre Sucre,

kurz Beursuc, das Original, ein Crêpe, nur mit Butter und Zucker.

Schon zehn Minuten später geht es Schlag auf Schlag – Crêpe,

Crêpe, Crêpe, mit geraspelter Schokolade, hausgemachtem Karamell,

manchmal auch mit Maronencreme.

Die Galette-Jünger sind am frühen Morgen noch in der Unterzahl,

erst gegen acht ist Herzhaftes gefragt und dann meist „complete”,

also mit Schinken, Ei und Käse, das volle Programm.

„Die Güte des Galettes hängt von den Grundprodukten ab”, doziert

Nicolas Janiaud, „vor allem vom Mahlgrad des Buchweizenmehls,

aus welchen Sorten es geschmischt wurde und dass es frisch ist.

Und natürlich davon, dass der Crêpier sein Handwerk versteht.” Er,

Janiaud, versteht es, weil er es bei einem Meister gelernt hat. „Ein

Jahr lang bei Johann Joncour in Plomelin!”

2013 kam er nach Berlin, klapperte alle Wochenmärkte ab und

entschied sich schließlich für den Karl-August-Platz. „Wegen der

Kunden und wegen der Kollegen.” Er unterbricht das Gespräch und

wendet sich seiner Crêpe-Platte und dem dünnflüssigen Teig zu, den

er mit Hilfe eines Teigrechens aufträgt. Nun ist er doch wieder ein

bisschen Anwalt, einer für den guten Geschmack.

Crêpes und Galettes

auf dem Wochenmarkt am Karl-August-Platz

10627 Berlin-Charlottenburg

wenn nicht coronabedingt anders angeordnet:

Mittwoch, 8.00-13.00 / Samstag, 8.00-14.00 Uhr

GARÇON 107


RUBRIKEN Kulinarische Nachlese

Johannes Mohr und Swen Kernemann-Mohr, v.re.

„Trotz Internet und Fernsehküche – Kochbücher

werden immer ein Kulturgut blei-

aus dem Ruhrpott nach Berlin und be-

Die beiden Männer zogen im Januar 2010

ben”, davon sind Johannes Mohr und Swen treiben seitdem in einem restaurierten

Kernemann-Mohr überzeugt.

Altbau-Souterrain in Berlin-Mitte, in der

Nähe des Rosenthaler Platzes, Deutschlands

vermutlich größtes, auf jeden Fall

aber Berlins einziges Kochbuchantiquariat.

Rund 60.000 Titel aus zweieinhalb

Jahrhunderten umfasst ihre Bibliotheca

Culinaria. Neben bibliophilen Ausgaben,

etwa von Auguste Escoffier, stehen büttengedruckte

Originale, handgeschriebene

Unikate, kulinarische Enzyklopädien,

Magazine und Zeitschriften, Promikochbücher

von Sophia Loren bis Vico Torriani,

Kriegs- und Nachkriegskochbücher.

„Das Stöbern in diesem Fundus ist für

uns immer auch eine Art besonderer Geschichtsstunde”,

sagen die Antiquare.

Nun stöbern Johannes Mohr und Swen

Kernemann-Mohr sozusagen auch öffentlich.

Für Garcon blättern sie in Kochbüchern

aus vergangenen Zeiten und notieren,

was sie dabei bewegt.

KULINARISCHE NACHLESE

IN ALTEN KOCHBÜCHERN GEBLÄTTERT

VON JOHANNES MOHR UND SWEN KERNEMANN-MOHR

DIE KÜCHE

Zeitschrift für Kochkunst und Tafelwesen,

Küchentechnik und -organisation

Halbmonatsschrift des

Internationalen Verbandes der Köche

Sitz Frankfurt am Main

31. Jahrgang (gebunden)

Frankfurt am Main 1927

Preis (antiquarisch): 160,00 Euro

108 GARÇON


Kulinarische Nachlese RUBRIKEN

sen”, Arthur Remmler erklärte die Kunst

des Tranchierens und würdigte den Beruf

des Trancheuers...

Besonders interessierte uns ein Artikel,

der mit „Türkische Spiessbraterei” überschrieben

ist und die Abbildung eines Dönerspießes

zeigt, wie er 1927 in türkischen

Restaurants in Deutschland in Betrieb war.

macht uns auch nicht schlauer – einig sind

sich alle lediglich darin, dass er in Berlin

seine Deutschland-Premiere hatte.

Wann exakt und wo genau, da streiten

sich die Geister. „Den ersten Döner-Spieß

in Berlin gab es Ende der sechziger Jahre

als Tellergericht im vornehmen Restaurant

Istanbul in der Knesebeckstraße”, wird beispielsweise

Ahmet Yeter zitiert, Besitzer

einer Dönerbude in der Görlitzer Straße.

In Betracht kommen aber auch Ibrahim

Keyif, der 1969 in der Potsdamer Straße

einen Döner-Imbiss eröffnete und Kör-

Bilâl, der mit seiner Familie 1971 in der

Adalbert-/Ecke Oranienstraße ins Kebap-

Geschäft einstieg.

Wenn da nicht DIE KÜCHE wäre, würden

wir sagen: wann exakt und wo genau – frag

doch den Döner. Aber weil es die Fundgrube

gibt, können wir nun wenigstens eine

Die Küche ist eine Fundgrube. Wir meinen

natürlich nicht den Ort der Speisenzubereitung,

sondern DIE KÜCHE.

Dabei handelt es sich um die Zeitschrift

für Kochkunst und Tafelwesen, Küchentechnik

und -organisation, die vom Internationalen

Verband der Köche in Frankfurt

am Main einst herausgegeben wurde. Das

24-Seiten-Blatt erschien von 1899 bis 1934

(außer zwischen 1914 und 1918) zweimal im

Monat, also 24 Zeitschriften jährlich.

Die konnte man sammeln und zum Preis

von 2,30 Reichsmark – eine Ausgabe kostete

übrigens 0,50 Reichsmark – ebenfalls

beim Frankfurter Köcheverband „in rotem,

lichtechtem Leinen” binden lassen.

In der Regel findet man DIE KÜCHE

heute meist in diesen gebundenen Jahrgangsausgaben,

wobei es – aus welchen

Gründen auch immer – seltene und weniger

seltene Jahrgänge gibt. In den Regalen

unseres Kochbuchantiquariats stehen

übrigens sechzehn Jahrgänge und, wie gesagt,

sie sind für historisch wie kulinarisch

Interessierte tatsächlich eine Fundgrube.

Für diese Kolumne haben wir den Jahrgangsband

1927 herausgesucht. Da gibt es

zum Beispiel einen Bericht über das Silvester-Menü

im Hotel Adlon. Küchenmeister

Alfred Borcke und seine Mannschaft kochten

damals für 819 Gäste – Preis pro Menü

40 Reichsmark: „Feinster Malossol Astrachan

Caviar; Klare echte Schildkrötensuppe;

Helgoländer Hummer kalt mit Sauce

Ravigote; Hamburger Stubenküken, gefüllt

mit Gänseleber und frischen Périgordtrüffeln;

Salat Hedda; Adlon-Eisüberraschung;

Feingebäck; Käse; Pfannkuchen.”

Der Autor Franz Carl Mack schrieb einen

vielteiligen „Baedeker unserer Süss-Spei-

1927! Bisher wären wir jede Wette eingegangen,

dass der Dönerkebap frühestens

in den 1960ern mit den ersten türkischen

Gastarbeitern nach Deutschland kam.

Das Büchlein „Aufgespießt – Wie der

Döner über die Deutschen kam”, erschienen

1996 im Hamburger Rotbuch Verlag,

dieser beiden weltbewegenden Fragen beantworten.

Wann der Döner nach Deutschland

kam? 1927! Wo genau seine Wiege

stand, das bleibt uns allerdings auch unsere

Fundgrube schuldig.

Übrigens: Sicher hätte sich vor über 90 Jahren

kein Prophet der Welt vorstellen können,

welchen Siegeszug der Dönerkebap antreten

würde. Inzwischen gab es manches

Update in der Gentrifizierung des Döners.

Das jüngste: die Dönerbowl, erfunden im

Charlottenburger Restaurant Ø27. Aber das

ist schon eine andere Geschichte…

BIBLIOTHECA CULINARIA

Zehdenicker Straße 16

10119 Berlin-Mitte

Tel. 030 – 47 37 75 70

www.bibliotheca- culinaria.de

GARÇON 109


GARCON-QUIZ

VERLAG UND REDAKTION

Bild Art Media Verlag

Inh. Yvonne Weinlich

Marzahner Promenade 26

12679 Berlin

Fon 0 30 - 28 86 79 70

Fax 0 30 - 28 86 79 69

info@bildart-verlag.de

www.garcon24.de | facebook.de/garcon24

HERAUSGEBER

Yvonne Weinlich (V.i.S.d.P.)

REDAKTION

Petra Leonhardt (Leitung)

Hans-Jürgen Bergs, Heiko Gralki, Marc Steyer,

Wolf-Dietrich Strobel

Jens Englert, Stefanie Hartmann (Praktikanten)

AUTOREN UND KOLUMNISTEN

Uwe Ahrens, Anaïs Causse, Hans Diener,

Stephan Falke, Marcus Fuhrmann,

Swen Kernemann-Mohr, Shoko Kono,

Dagmar Maas, Johannes Mohr,

Rafael Neitzsch, Jörg Teuscher,

Thorsten Tonski, Christian Zeltner

GRAFIK UND LAYOUT

Diana Putzu (diana.putzu@freenet.de)

TITELBILD

Marie Geißler

www.mariegeissler.de

Jährlich kaufen die Deutschen 95.000

Tonnen frische Ananas – das sind rund

74 Millionen Stück. Hinzu kommen schätzungsweise

58.000 Tonnen Ananas in Dosen

und eine nicht unerhebliche Menge

Ananassaft – die exotische Frucht ist ein

Massenprodukt geworden.

Das war natürlich nicht immer so. Als

die ersten Ananas vor 270 Jahren in Berlin

auftauchten, waren sie noch eine dekorative

Attraktion auf den feinen Tafeln des

Adels und der reichen Bürger.

Im Jahr 1810 wurden Ananaspflanzen

in Töpfen als Weihnachtsgeschenk angeboten,

die ersten Ananasrezepte finden

sich in Marie Schreibers „Kochbuch für

den Bürgerlichen Haushalt” von 1839, und

von einem berühmten Berliner ist überliefert,

dass er sich unter großer Anteilnahme

der Öffentlichkeit erfolgreich mit der

Ananaszucht beschäftigte.

Wir wollen wissen, um welche Persönlichkeit

es sich handelt:

A den Schauspieler Ludwig Devrient?

B den Baumeister Carl von Gontard?

C den Verleger Friedrich Nicolai?

Ihre Antwort bitte an:

Bildart Media Verlag

Redaktion GARÇON

Marzahner Promenade 26

12679 Berlin

E-Mail: info@bildart-verlag.de

Die Gewinne, drei wertvolle Kochbücher, werden

unter den Teilnehmern verlost, die die Frage richtig

beantwortet haben.

Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

Einsendeschluss: 10. Februar 2021.

Die Gewinne werden per Post zugesandt.

FOTOS UND ILLUSTRATIONEN

Heiko Gralki, Jörg Teuscher, Archiv Garçon,

Archiv EUREF Campus, The Cord (1/S.8 o. Mitte),

Jonathan Mortimer (1/S.8 u. Mitte), Gute Kulturen

GmbH Hitzacker (1/S.9 Mitte li.), Tiny Farms UG

Berlin (1/S.9 Mitte), Restaurant FREA (1/S.9 u. li.),

Sake Embassy Germany/Bernhard Steinmann

(4/S.30, S.31 o.), Prestel Verlag/Jonas von der

Hude (2/S.39), Ferme de Kergus (2/S.47), RUTZ/

Pia Negri (1/S.52 o.), Bloomsbury Publishing/Elisa

Cunningham (Illustrationen S.54, 58-61), Ricarda

Farnbacher privat (4/S.64), PB srl (1/S.95).

ANZEIGEN

Yvonne Weinlich, Heiko Gralki, Henriette Jüngelanzeigen@bildart-verlag.de

DRUCK

www.pingoprint.de

BEZUGSHINWEISE

Zu beziehen im Zeitschriftenhandel oder im Abonnement.

Einzelheftbestellung: Jedes Heft kostet

6,00 Euro, zuzüglich 1,55 Euro Versandkosten pro

Sendung. Bezahlung nach Erhalt der Rechnung

oder im Lastschrifteinzugsverfahren. Alle

Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich

geschützt. Jede Verwertung bedarf der Zustimmung

des Ver lages. Aufnahme in Online-Dienste,

Internet und Ver vielfältigung auf Datenträgern nur

nach schriftlicher Bestätigung des Verlages.

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Erfahrung und Tradition haben gezeigt, dass Qualität und

Geschmack um so besser sind, je natürlicher die Herstellungsweise

ist. Das bedeutet, was heute selten ist, sich Zeit

zu nehmen – für den natürlichen Verlauf des Sauerteigs

und für den langsamen, aufwändigen Backvorgang.

Aus diesem Grund verzichtet die Hofpfisterei beim Brotbacken

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handwerklicher Tradition hergestellt und mit langer Reifezeit

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Wilmersdorf: Westfälische Straße 55, Zehlendorf: Teltower Damm 25, Drakestraße 46

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