SNOEZELEN-PHÄNOMEN IN HOLLAND - Integra

SNOEZELEN-PHÄNOMEN IN HOLLAND - Integra SNOEZELEN-PHÄNOMEN IN HOLLAND - Integra

23.12.2012 Aufrufe

Stimulierung von Entwicklungsförderung an oder auch therapeutische Intentionen, z.B. indem sie Snoezelen bewußt einsetzen, um unruhige Bewohner wieder ruhig zu machen. Als weiteres Prinzip bei Snoezelen gilt „niets moet, alles mag“, d.h., nichts muß gemacht werden, alles ist erlaubt. Anders als in der Wohngruppe, wo bestimmte Verhaltensweisen oder Tätigkeiten (saubermachen lassen, essen, nicht weglaufen etc.) vom Behinderten gefordert werden, soll er hier ganz er selbst sein dürfen und machen können, was er will. Die begleitenden Mitarbeiter müssen daher so weit wie möglich Abstand nehmen von ihren Vorstellungen und Normen und sie stärker gewähren lassen als sonst. Auch eine freie Beschäftigung mit dem zum Snoezelen bereitgestellten Material ist erlaubt. Wenn jemand z.B. statt an einer zum Vermitteln von verschiedenen Gerüchen hergestellten Apparatur nicht riechen will, sondern nur dessen Ständer in kreisende Bewegung bringt, wird dies akzeptiert. Die Freiwilligkeit des Angebotes ist ganz besonders wichtig. Es handelt sich hier nicht um eine Sammlung von Material, die lehrgangsmäßig erfahren werden soll, sondern um ein stimmungsvolles vielfältiges Angebot an Sinneseindrücken, das freiwillig und gerne genutzt werden soll. Wer auch nach einer Eingewöhnungszeit keinen Gefallen daran findet, braucht nicht daran teilzunehmen. Stellungnahme Wie wir bereits gesehen haben, ist das Snoezelen daraus entstanden, daß sich in der praktischen Arbeit mit geistig Behinderten die Notwendigkeit zu einer ihnen angemessenen Aktivität herausstellte. Form, Inhalt und Zielsetzung des Snoezelen sind so auch durch die mehrjährigen praktischen Erfahrungen im Umgang mit den Behinderten geprägt worden. Die steht zum Beispiel im Gegensatz zu FRÖHLICH, der bei der Basalen Stimulation von der Entwicklung des normalen Kleinkindes ausgeht und daraus Schlüsse für die entsprechende Förderung der Schwerstbehinderten zieht, zum Beispiel indem Erfahrungen der entwicklungsmäßig zuerst bedeutsamen Sinne (Tastsinn, vestibuläre, vibratorische und somatische Wahrnehmung) auch den Behinderten zuerst in stärkerem Maße angeboten werden und erst im Folgenden die Fernsinne berücksichtigt und trainiert werden. Dem Snoezelen fehlt eine grundlegende Theorie, zum Beispiel wahrnehmungspsychologisch begründete Theorie. In Gesprächen in De Hartenberg wurde deutlich, daß eine bestimmte festgelegte Sichtweise in dieser Beziehung abgelehnt wird, da man befürchtet, die eigenen Möglichkeiten dadurch einzuschränken und den Bedürfnissen der Behinderten nicht wirklich gerecht zu werden. Fröhlich geht zum Beispiel von einem Entwicklungsalter der Schwerstbehinderten aus, das dem eines gesunden Säuglings bis zu sechs Monaten entspricht. Diese Sichtweise wurde dort ebenso abgelehnt mit der Begründung, daß Schwerstbehinderte in den unterschiedlichen Entwicklungsbereichen sehr verschieden weit entwickelt sein können und daß man sie in ihrem Auffassungsvermögen leicht unterschätzt. So ergibt sich aus den verschiedenen Blickweisen auch die ganz unterschiedliche Zielsetzung. Während Fröhlich durch die systematische Förderung die Verbesserung der Wahrnehmungsleistung und die Reizverarbeitung im Gehirn fördern will, mit dem Ziel, daß das Kind zu einer verbesserten Informationsaufnahme und so zum Aufholen seiner Defizite, das heißt, zu einem höheren Funktionsniveau kommt, stellt man beim Snoezelen in De Hartenberg den Freizeit- und Erholungswert heraus. Die Frage, inwieweit sich die Entwicklung der Behinderten durch die unterschiedlichen Angebote unterscheidet, wieviel sie zum Beispiel ohne systematische Förderung in einer Freizeitsituation noch lernen, bleibt hier offen. Unabhängig davon, wie es um die individuelle Förderung der Schwerstbehinderten steht, scheint mir das Besondere an Snoezelen zu sein, daß auch für Schwerstbehinderte Freiraum für Entspannung und Erholung in einem für sie geschaffenen Raum angeboten wird. Das halte ich nicht für selbstverständlich. Fördergedanken und Leistungsanforderung stehen im Umgang mit ihnen sonst meist im Vordergrund. Dabei ist es für Nichtbehinderte völlig selbstverständlich, neben den Anforderungen, die an sie gestellt werden, die verschiedensten Arten von Rückzugs- und Erholungsmöglichkeiten zu nutzen. Snoezelen erfordert seinem Anspruch nach zudem einen Umgang mit den Behinderten, der ihn so akzeptiert, wie er ist, seinen Willen und seine Äußerungen respektiert und seine einfachen Beschäftigungsmöglichkeiten als wertvoll betrachtet und gelten läßt. Ad Verheul Snoezelen - Sinneserfahrungen für alte und behinderte Menschen - 8 -

Im Gegensatz zu den vielfältigsten Situationen, denen sich der Behinderte anzupassen lernen soll, versucht man hier Situationen zu schaffen, die ihm angepaßt sind. Snoezelen geht also von einer sehr ganzheitlichen Blickweise in der Arbeit mit Schwerstbehinderten aus, die das Snoezelen meiner Meinung nach sehr anziehend macht. Begleitung Die Bewohner gehen in der Regel nicht allein, sondern in Begleitung von Mitarbeitern zum Snoezelen. Bei den meisten Schwerstbehinderten ist dies schon dadurch erforderlich, da sie nicht ausreichend mobil sind, um sich selbst auf etwas zuzubewegen oder sich unerwünschten Reizen zu entziehen. Außerdem haben sie in der Eingewöhnungsphase evtl. Angst vor dem fremden Raum und den Objekten, was durch die Begleitung einer vertrauten Person aufgefangen werden kann. So sind es auch neben den wenigen Einrichtungen, wo die Mitarbeiter des Aktivitäten-Begleitdienstes mitgehen, die Gruppenleiter der Wohngruppen, die mit den Bewohnern snoezeln. Die Notwendigkeit der Begleitung steht in den Anstalten allgemein außer Frage. Welchen Stellenwert sie hat und wie sich die Mitarbeiter während des Snoezelen verhalten sollen, unterscheidet sich jedoch: In der Anstalt Piusoord wird zum Beispiel versucht, dem Ziel, die Behinderten wirklich entspannt, ohne die Anforderungen und Zwänge des Alltags, die zum größten Teil durch die Gruppenleiter repräsentiert werden, snoezelen zu lassen, dadurch gerecht zu werden, daß die Gruppenleiter die Bewohner zwar in den Raum begleiten und so plazieren helfen, daß diese sich mit den Dingen beschäftigen können, dann aber aus einem Nebenraum durch eine Einwegscheibe nur beobachten. Sie greifen nur dann ein, wenn Hilfe nötig ist. Im Gegensatz zu dieser distanzierten beobachtenden Begleitung hält man das gemeinsame Erleben des Snoezelens in De Hartenberg für äußerst wichtig. Snoezelen wird gerade als eine gute Möglichkeit für intensiven Kontakt zwischen Bewohnern und Mitarbeitern angesehen, wodurch das Snoezelen selbst eine Bereicherung und Intensivierung erfährt. Natürlich sollen die Mitarbeiter nicht zuviel eingreifen oder durch ihr Interesse dem Erleben von Atmosphäre und Objekten durch die Bewohner im Wege stehen. Dazu ist es wichtig, daß sie ihre eigenen Normen und Vorstellungen in den Hintergrund stellen können, um so den Bewohner möglichst viel Freiheit für eigenes Probieren und Entdecken zu lassen. Sie sollen zum Beispiel nicht gleich vormachen, was alles möglich ist, etwa wie man das Wasserbett bewegen kann und am besten selbst mitbewegt wird, sondern dies wirklich den Erfahrungen der Behinderten selbst überlassen. Eine gute Beobachtung der Bewohner ist Voraussetzung, um ihre Wünsche und Bedürfnisse zu erkennen und darauf einzugehen, zum Beispiel indem man die Reizsituation individuell anpaßt (bestimmte Geräte ein- oder ausschaltet), den Platz oder den Raum wechselt oder zur Gruppe zurückkehrt. Hier sei noch einmal an die Prinzipien der eigenen Wahl und des eigenen Tempos erinnert, die sich für die meisten Schwerstbehinderten nur durch eine entsprechend entgegenkommende Haltung der Begleiter realisieren lassen. Inwieweit solche individuelle Begleitung, Hilfe und gemeinsames Erleben möglich sind, hängt natürlich von der jeweiligen Mitarbeiter-Bewohner-Relation ab, die sich wiederum auch nach Art und Schwere der Behinderung richten muß. Wenn man Körperkontakt anstrebt und ständige Zuwendung, Sorge und Aufsicht nötig sind, ist eine Relation von 1 : 1 notwendig. Bei Bewohnern, die sich selbst bewegen können, auf Dinge zugehen und sich mit einem Gegenstand selbst längere Zeit beschäftigen können, ist das Snoezelen auch in Gruppen bis zu 6 Bewohner möglich. So kommt es in De Hartenberg weniger auf objektiv distanzierte Beobachtung an, sondern auf Begleitung im Sinne eines einfühlenden Umgangs in der jeweiligen Snoezelsituation und den Einfluß, den solches bewußt gemeinsam erlebtes Snoezelen auf die Beziehung zwischen Gruppenmitarbeitern und Bewohnern haben kann. ANLEITUNG DES PERSONALS Ad Verheul Snoezelen - Sinneserfahrungen für alte und behinderte Menschen - 9 -

Stimulierung von Entwicklungsförderung an oder auch therapeutische Intentionen, z.B. indem sie Snoezelen<br />

bewußt einsetzen, um unruhige Bewohner wieder ruhig zu machen.<br />

Als weiteres Prinzip bei Snoezelen gilt „niets moet, alles mag“, d.h., nichts muß gemacht werden, alles ist<br />

erlaubt. Anders als in der Wohngruppe, wo bestimmte Verhaltensweisen oder Tätigkeiten (saubermachen<br />

lassen, essen, nicht weglaufen etc.) vom Behinderten gefordert werden, soll er hier ganz er selbst sein dürfen<br />

und machen können, was er will. Die begleitenden Mitarbeiter müssen daher so weit wie möglich Abstand<br />

nehmen von ihren Vorstellungen und Normen und sie stärker gewähren lassen als sonst. Auch eine freie<br />

Beschäftigung mit dem zum Snoezelen bereitgestellten Material ist erlaubt. Wenn jemand z.B. statt an einer<br />

zum Vermitteln von verschiedenen Gerüchen hergestellten Apparatur nicht riechen will, sondern nur dessen<br />

Ständer in kreisende Bewegung bringt, wird dies akzeptiert. Die Freiwilligkeit des Angebotes ist ganz besonders<br />

wichtig. Es handelt sich hier nicht um eine Sammlung von Material, die lehrgangsmäßig erfahren<br />

werden soll, sondern um ein stimmungsvolles vielfältiges Angebot an Sinneseindrücken, das freiwillig und<br />

gerne genutzt werden soll. Wer auch nach einer Eingewöhnungszeit keinen Gefallen daran findet, braucht<br />

nicht daran teilzunehmen.<br />

Stellungnahme<br />

Wie wir bereits gesehen haben, ist das Snoezelen daraus entstanden, daß sich in der praktischen Arbeit mit<br />

geistig Behinderten die Notwendigkeit zu einer ihnen angemessenen Aktivität herausstellte. Form, Inhalt und<br />

Zielsetzung des Snoezelen sind so auch durch die mehrjährigen praktischen Erfahrungen im Umgang mit den<br />

Behinderten geprägt worden.<br />

Die steht zum Beispiel im Gegensatz zu FRÖHLICH, der bei der Basalen Stimulation von der Entwicklung<br />

des normalen Kleinkindes ausgeht und daraus Schlüsse für die entsprechende Förderung der Schwerstbehinderten<br />

zieht, zum Beispiel indem Erfahrungen der entwicklungsmäßig zuerst bedeutsamen Sinne (Tastsinn,<br />

vestibuläre, vibratorische und somatische Wahrnehmung) auch den Behinderten zuerst in stärkerem Maße<br />

angeboten werden und erst im Folgenden die Fernsinne berücksichtigt und trainiert werden.<br />

Dem Snoezelen fehlt eine grundlegende Theorie, zum Beispiel wahrnehmungspsychologisch begründete<br />

Theorie. In Gesprächen in De Hartenberg wurde deutlich, daß eine bestimmte festgelegte Sichtweise in dieser<br />

Beziehung abgelehnt wird, da man befürchtet, die eigenen Möglichkeiten dadurch einzuschränken und<br />

den Bedürfnissen der Behinderten nicht wirklich gerecht zu werden. Fröhlich geht zum Beispiel von einem<br />

Entwicklungsalter der Schwerstbehinderten aus, das dem eines gesunden Säuglings bis zu sechs Monaten<br />

entspricht.<br />

Diese Sichtweise wurde dort ebenso abgelehnt mit der Begründung, daß Schwerstbehinderte in den unterschiedlichen<br />

Entwicklungsbereichen sehr verschieden weit entwickelt sein können und daß man sie in ihrem<br />

Auffassungsvermögen leicht unterschätzt. So ergibt sich aus den verschiedenen Blickweisen auch die ganz<br />

unterschiedliche Zielsetzung.<br />

Während Fröhlich durch die systematische Förderung die Verbesserung der Wahrnehmungsleistung und die<br />

Reizverarbeitung im Gehirn fördern will, mit dem Ziel, daß das Kind zu einer verbesserten Informationsaufnahme<br />

und so zum Aufholen seiner Defizite, das heißt, zu einem höheren Funktionsniveau kommt, stellt man<br />

beim Snoezelen in De Hartenberg den Freizeit- und Erholungswert heraus. Die Frage, inwieweit sich die<br />

Entwicklung der Behinderten durch die unterschiedlichen Angebote unterscheidet, wieviel sie zum Beispiel<br />

ohne systematische Förderung in einer Freizeitsituation noch lernen, bleibt hier offen. Unabhängig davon,<br />

wie es um die individuelle Förderung der Schwerstbehinderten steht, scheint mir das Besondere an Snoezelen<br />

zu sein, daß auch für Schwerstbehinderte Freiraum für Entspannung und Erholung in einem für sie geschaffenen<br />

Raum angeboten wird. Das halte ich nicht für selbstverständlich. Fördergedanken und Leistungsanforderung<br />

stehen im Umgang mit ihnen sonst meist im Vordergrund.<br />

Dabei ist es für Nichtbehinderte völlig selbstverständlich, neben den Anforderungen, die an sie gestellt werden,<br />

die verschiedensten Arten von Rückzugs- und Erholungsmöglichkeiten zu nutzen. Snoezelen erfordert<br />

seinem Anspruch nach zudem einen Umgang mit den Behinderten, der ihn so akzeptiert, wie er ist, seinen<br />

Willen und seine Äußerungen respektiert und seine einfachen Beschäftigungsmöglichkeiten als wertvoll<br />

betrachtet und gelten läßt.<br />

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