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FILM<br />
beiden in London besucht und eine Weile<br />
bei ihnen gewohnt hat. Wobei sie wohl<br />
in ihrem ganzen Leben ihren Küstenort<br />
nur zweimal verlassen hat und nach<br />
London gefahren ist. Auch in „Ammonite“<br />
ist der Aufbruch in die Großstadt für sie<br />
eigentlich eine viel größere Sache als die<br />
intime Beziehung zu Charlotte. Letztere<br />
ist viel eher eine Selbstverständlichkeit.<br />
Angeblich haben Sie die Rolle<br />
sofort angenommen, nachdem<br />
Sie das Drehbuch gelesen hatten.<br />
Entscheiden Sie sich immer so<br />
impulsiv?<br />
Kann man so nicht unbedingt sagen.<br />
Obwohl ich viele meiner beruflichen<br />
Entscheidungen schon recht instinktiv<br />
treffe, aus dem Bauch heraus. Im Fall von<br />
„Ammonite“ merkte ich einfach gleich,<br />
dass ich es schwer aushalten würde,<br />
jemand anderen in dieser Rolle zu sehen.<br />
Ich fühlte sofort Besitzansprüche dieser<br />
Mary Anning gegenüber. Und ich hatte<br />
einfach noch nie so ein Drehbuch gelesen.<br />
Sie meinen die Liebesgeschichte<br />
dieser beiden Frauen?<br />
Ja, auch. Ich finde es sehr wichtig, LGBTQ-<br />
Geschichten stärker in den Mainstream<br />
zu holen, und die zarte, wunderschöne<br />
Romanze zwischen Mary und Charlotte ist<br />
wirklich etwas Besonderes. Nicht zuletzt,<br />
weil sie ohne Zögern, Geheimhaltung oder<br />
Angst auskommt. Es wäre doch toll, wenn<br />
das Publikum häufiger Geschichten über<br />
Menschen aus der LGBTQ-Community<br />
und ihre Beziehungen im Kino zu sehen<br />
bekommt. Und vor allem möglichst<br />
verschiedene. Unserem Regisseur Francis<br />
Lee ist da wirklich etwas sehr Spezielles<br />
gelungen, und mir war es eine große Ehre,<br />
ein Teil dieser tollen Geschichte zu sein.<br />
Die Sexszenen haben Sie und Ihre<br />
Kollegin Saoirse Ronan selbst<br />
choreografiert. Was war Ihnen dabei<br />
wichtig?<br />
Wir sind nun einmal beide Frauen,<br />
deswegen lag es nahe, dass wir die<br />
intimen Momente zwischen zwei<br />
Frauen in die eigenen Hände nehmen.<br />
Wir wollten, dass diese Szenen<br />
wirklich authentisch aussehen und<br />
diesen Frauen und ihrer Geschichte<br />
wirklich gerecht werden. Uns ging<br />
es um Leidenschaft auf Augenhöhe,<br />
zwischen zwei Menschen, die eine<br />
echte Verbindung zueinander spüren.<br />
Vor allem wollten wir nicht, dass diese<br />
Sexszenen irgendwie reißerisch oder<br />
plakativ wirken. Viel zu oft fehlt solchen<br />
Szenen zwischen zwei Frauen oder zwei<br />
Männern die Selbstverständlichkeit<br />
und Normalität, mit der heterosexuelle<br />
Sexszenen gedreht werden. Da wollten<br />
wir gegensteuern. Nicht dass unser<br />
wunderbarer Regisseur Francis Lee, der<br />
uns immer unglaublich viel Vertrauen<br />
entgegenbrachte und ein Gefühl von<br />
Sicherheit schuf, das irgendwie auf<br />
fragwürdige Weise gemacht hätte. Aber<br />
es war wirklich eine schöne Erfahrung,<br />
gemeinsam mit Saoirse in diesem Fall<br />
selbst die Zügel in der Hand zu haben.<br />
Mit etwas Glück gehen Sie mit<br />
„Ammonite“ mal wieder ins Rennen<br />
um den Oscar. Gewonnen haben Sie<br />
den wichtigsten Filmpreis der Welt<br />
ja schon 2009. Sind Ihnen solche<br />
Ehrungen also überhaupt noch<br />
wichtig?<br />
Oh, glauben Sie mir, solche Preise sind<br />
für uns Künstler immer wichtig. Und<br />
etwas ganz Wundervolles. Davon träumt<br />
man natürlich. Selbst wenn man schon<br />
so lange dabei ist wie ich und bei vielen<br />
solcher Veranstaltungen dabei war, hat<br />
man das nie über. Ich habe natürlich<br />
keine Ahnung, wie die Oscar-Verleihung<br />
und all die anderen Events dieser Art<br />
in den Wochen davor <strong>2021</strong> stattfinden<br />
und aussehen werden. Aber gerade im<br />
Moment ist es doch wichtiger denn je,<br />
künstlerische Leistungen zu feiern und<br />
stolz auf unsere Branche zu sein. Wenn<br />
wir mit „Ammonite“ ein kleiner Teil davon<br />
sein können, würde mich das sehr freuen.<br />
*Interview: Jonathan Fink