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gab Januar 2021

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FILM<br />

beiden in London besucht und eine Weile<br />

bei ihnen gewohnt hat. Wobei sie wohl<br />

in ihrem ganzen Leben ihren Küstenort<br />

nur zweimal verlassen hat und nach<br />

London gefahren ist. Auch in „Ammonite“<br />

ist der Aufbruch in die Großstadt für sie<br />

eigentlich eine viel größere Sache als die<br />

intime Beziehung zu Charlotte. Letztere<br />

ist viel eher eine Selbstverständlichkeit.<br />

Angeblich haben Sie die Rolle<br />

sofort angenommen, nachdem<br />

Sie das Drehbuch gelesen hatten.<br />

Entscheiden Sie sich immer so<br />

impulsiv?<br />

Kann man so nicht unbedingt sagen.<br />

Obwohl ich viele meiner beruflichen<br />

Entscheidungen schon recht instinktiv<br />

treffe, aus dem Bauch heraus. Im Fall von<br />

„Ammonite“ merkte ich einfach gleich,<br />

dass ich es schwer aushalten würde,<br />

jemand anderen in dieser Rolle zu sehen.<br />

Ich fühlte sofort Besitzansprüche dieser<br />

Mary Anning gegenüber. Und ich hatte<br />

einfach noch nie so ein Drehbuch gelesen.<br />

Sie meinen die Liebesgeschichte<br />

dieser beiden Frauen?<br />

Ja, auch. Ich finde es sehr wichtig, LGBTQ-<br />

Geschichten stärker in den Mainstream<br />

zu holen, und die zarte, wunderschöne<br />

Romanze zwischen Mary und Charlotte ist<br />

wirklich etwas Besonderes. Nicht zuletzt,<br />

weil sie ohne Zögern, Geheimhaltung oder<br />

Angst auskommt. Es wäre doch toll, wenn<br />

das Publikum häufiger Geschichten über<br />

Menschen aus der LGBTQ-Community<br />

und ihre Beziehungen im Kino zu sehen<br />

bekommt. Und vor allem möglichst<br />

verschiedene. Unserem Regisseur Francis<br />

Lee ist da wirklich etwas sehr Spezielles<br />

gelungen, und mir war es eine große Ehre,<br />

ein Teil dieser tollen Geschichte zu sein.<br />

Die Sexszenen haben Sie und Ihre<br />

Kollegin Saoirse Ronan selbst<br />

choreografiert. Was war Ihnen dabei<br />

wichtig?<br />

Wir sind nun einmal beide Frauen,<br />

deswegen lag es nahe, dass wir die<br />

intimen Momente zwischen zwei<br />

Frauen in die eigenen Hände nehmen.<br />

Wir wollten, dass diese Szenen<br />

wirklich authentisch aussehen und<br />

diesen Frauen und ihrer Geschichte<br />

wirklich gerecht werden. Uns ging<br />

es um Leidenschaft auf Augenhöhe,<br />

zwischen zwei Menschen, die eine<br />

echte Verbindung zueinander spüren.<br />

Vor allem wollten wir nicht, dass diese<br />

Sexszenen irgendwie reißerisch oder<br />

plakativ wirken. Viel zu oft fehlt solchen<br />

Szenen zwischen zwei Frauen oder zwei<br />

Männern die Selbstverständlichkeit<br />

und Normalität, mit der heterosexuelle<br />

Sexszenen gedreht werden. Da wollten<br />

wir gegensteuern. Nicht dass unser<br />

wunderbarer Regisseur Francis Lee, der<br />

uns immer unglaublich viel Vertrauen<br />

entgegenbrachte und ein Gefühl von<br />

Sicherheit schuf, das irgendwie auf<br />

fragwürdige Weise gemacht hätte. Aber<br />

es war wirklich eine schöne Erfahrung,<br />

gemeinsam mit Saoirse in diesem Fall<br />

selbst die Zügel in der Hand zu haben.<br />

Mit etwas Glück gehen Sie mit<br />

„Ammonite“ mal wieder ins Rennen<br />

um den Oscar. Gewonnen haben Sie<br />

den wichtigsten Filmpreis der Welt<br />

ja schon 2009. Sind Ihnen solche<br />

Ehrungen also überhaupt noch<br />

wichtig?<br />

Oh, glauben Sie mir, solche Preise sind<br />

für uns Künstler immer wichtig. Und<br />

etwas ganz Wundervolles. Davon träumt<br />

man natürlich. Selbst wenn man schon<br />

so lange dabei ist wie ich und bei vielen<br />

solcher Veranstaltungen dabei war, hat<br />

man das nie über. Ich habe natürlich<br />

keine Ahnung, wie die Oscar-Verleihung<br />

und all die anderen Events dieser Art<br />

in den Wochen davor <strong>2021</strong> stattfinden<br />

und aussehen werden. Aber gerade im<br />

Moment ist es doch wichtiger denn je,<br />

künstlerische Leistungen zu feiern und<br />

stolz auf unsere Branche zu sein. Wenn<br />

wir mit „Ammonite“ ein kleiner Teil davon<br />

sein können, würde mich das sehr freuen.<br />

*Interview: Jonathan Fink

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