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gab Januar 2021

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14 RHEIN-MAIN-NECKAR<br />

FOTO: MIGUEL Á. PADRIÑÁN, PEXELS.COM, GEMEINFREI<br />

AIDS<br />

Das sind die neuen HIV-Neuinfektionszahlen in Hessen<br />

Kurz vor dem Welt-AIDS-Tag gibt das RKI jedes Jahr die Entwicklung der HIV-Neuinfektionen bekannt – bezogen auf<br />

das jeweils vor-vorangegangene Kalenderjahr. Die Zahlen wurden im Rahmen einer Pressekonferenz zum Welt-AIDS-Tag<br />

vorgestellt. Auch Sexualität in Zeiten von Corona wurde hier thematisiert.<br />

Für 2019 wurde nach wie vor nur ein<br />

leichter Anstieg der HIV-Neuinfektionen<br />

verzeichnet: Für Hessen liegt die Zahl bei<br />

220 neuen Infektionen im Vergleich zu 190<br />

Neuinfektionen in 2018. Bundesweit liegt<br />

die Zahl bei 2.600 (2018: 2.400).<br />

Schaut man allerdings auf die Infektionswege,<br />

kann man erhebliche Unterschiede<br />

feststellen: Während die Rate bei der Gruppe<br />

Männer, die Sex mit Männern haben<br />

(MSM) gleich geblieben ist, zeigt sich der<br />

Anstieg vor allem bei den heterosexuellen<br />

Kontakten. Insbesondere bei den heterosexuellen<br />

Frauen sei es der höchste Anstieg<br />

seit 2016, aber auch bei den heterosexuellen<br />

Männern sei ein leicht anhaltender<br />

Trend nach oben zu verzeichnen, erklärt<br />

Carsten Gehrig, Fachbereichsleiter für<br />

Psychosoziales bei der AIDS-Hilfe Frankfurt<br />

AHF im Rahmen der Pressekonferenz zum<br />

Welt-AIDS-Tag. Im kommenden Jahr sei es<br />

daher notwendig, die Präventionsarbeit für<br />

Heterosexuelle zu verstärken, so Gehrig.<br />

Besorgniserregend ist vor allem, dass die<br />

Zahl der „Late Presenter“ deutlich zugenommen<br />

hat, also diejenigen, die von ihrer<br />

Infektion nichts wissen und daher bereits<br />

an Aids oder einem schweren Immundefekt<br />

erkrankt sind, bevor die HIV-Infektion<br />

festgestellt wird. Der Plan, durch möglichst<br />

viele und vor allem einfach zugängliche<br />

Testangebote das Testverhalten zu steigern,<br />

scheint noch nicht recht aufgegangen<br />

zu sein.<br />

Carsten Gehrig appelliert daher weiterhin<br />

nachdrücklich, sich möglichst frühzeitig<br />

testen zu lassen – schon allein um bessere<br />

Behandlungsmöglichkeiten zu haben. „Es<br />

gibt keine Ausrede mehr, sich nicht testen<br />

zu lassen“, so Gehrig. Vor allem seit die<br />

AHF ihre Testangebote erweitert hat und<br />

zusätzlich seit vergangenem Jahr auch<br />

Heimtests anbietet. „Die Heimtests wurden<br />

auch in Coronazeiten gut angenommen“,<br />

so Gehrig.<br />

Hoffnung setzt Gehrig außerdem auf PrEP,<br />

die allerdings erst seit vergangenem Herbst<br />

von den Krankenkassen bezahlt wird und<br />

daher in der Statistik für 2019 noch keine<br />

nennenswerte Rolle spielt.<br />

SEXUALITÄT IN ZEITEN VON CORONA –<br />

DAS SAGT DIE AIDS-HILFE FRANKFURT<br />

„Sex ist unser Thema“, erklärt Christian<br />

Setzepfandt vom Vorstand der AHF<br />

und betont, dass dies nicht nur für die<br />

Sexualität sondern auch im Sinne von<br />

geschlechtlicher Zugehörigkeit gelte.<br />

Was bedeutet nun die neue Infektion für<br />

die Sexualität? Zunächst führte sie zu einer<br />

generellen Reduzierung der sexuellen<br />

Kontakte.<br />

„Die Menschen schränken sich sexuell<br />

ein“, meint Setzepfandt. „Für die Infektionszahlen<br />

ist das gut. Auf Dauer ist es<br />

nicht gut, wenn Sexualität wieder mit<br />

Angst verknüpft wird. Denn unter Angst<br />

trifft man die falschen Entscheidungen“.<br />

Vieles erinnere ihn an die Zeit als Aids<br />

in die Gesellschaft gekommen ist. „Viele<br />

durchleben gerade das gleiche wie<br />

andere damals mit HIV“, meint Christian<br />

Setzepfandt. Allerdings gibt es zentrale<br />

Unterschiede: Eine HIV-Infektion verläuft<br />

im unbehandelten Zustand noch<br />

immer tödlich, für Corona gelte das so<br />

nicht. „HIV holt man sich durch eine<br />

bestimmte Situation. Corona bekommt<br />

man im alltäglichen Umgang“, ergänzt<br />

Setzepfandt.<br />

Das Bedürfnis nach Sex verschwindet<br />

natürlich nicht einfach so. Und gerade<br />

in Zeiten von Social Distancing sei das<br />

Bedürfnis nach Nähe groß. „Abstand<br />

halten ist eben nicht die Lebensrealität“,<br />

so Christian Setzepfandt.<br />

In Folge stiegen zunächst die flüchtigen<br />

Sexabenteuer, weiß Carsten Gehrig aus<br />

seinen Beratungsgesprächen. „Viele hatten<br />

lieber Sex mit jemanden, den sie nicht<br />

kennen. Was natürlich ein schwieriges<br />

Risikomangement bedeutet“, so Gehrig.<br />

Aber was empfiehlt die AHF zu Sex in<br />

Zeiten von Corona?<br />

„Es gibt da keinen allgemeingültigen<br />

Maßnahmenkanon“, meint Christian<br />

Setzepfandt. Und Carsten Gehrig ergänzt:<br />

„Es bleibt vielmehr bei der Linie, die wir<br />

seit Jahren fahren: Sei informiert und<br />

triff dann eine Entscheidung zusammen<br />

mit deinem Gegenüber“. Das Schwierige<br />

dabei ist: Man muss akzeptieren, dass es<br />

sowohl bei HIV als auch bei Corona keinen<br />

100-prozentigen Schutz gibt. „Wir rufen<br />

nicht zum Sex auf – aber wir sagen: Überlegt<br />

es euch“, meint Gehrig. *bjö<br />

Infos zu den Beratungs- und Testangeboten<br />

von maincheck, dem Zentrum<br />

für Sexualität, Identität und Gesundheit<br />

der AHF, über www.maincheck.de

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