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14 RHEIN-MAIN-NECKAR<br />
FOTO: MIGUEL Á. PADRIÑÁN, PEXELS.COM, GEMEINFREI<br />
AIDS<br />
Das sind die neuen HIV-Neuinfektionszahlen in Hessen<br />
Kurz vor dem Welt-AIDS-Tag gibt das RKI jedes Jahr die Entwicklung der HIV-Neuinfektionen bekannt – bezogen auf<br />
das jeweils vor-vorangegangene Kalenderjahr. Die Zahlen wurden im Rahmen einer Pressekonferenz zum Welt-AIDS-Tag<br />
vorgestellt. Auch Sexualität in Zeiten von Corona wurde hier thematisiert.<br />
Für 2019 wurde nach wie vor nur ein<br />
leichter Anstieg der HIV-Neuinfektionen<br />
verzeichnet: Für Hessen liegt die Zahl bei<br />
220 neuen Infektionen im Vergleich zu 190<br />
Neuinfektionen in 2018. Bundesweit liegt<br />
die Zahl bei 2.600 (2018: 2.400).<br />
Schaut man allerdings auf die Infektionswege,<br />
kann man erhebliche Unterschiede<br />
feststellen: Während die Rate bei der Gruppe<br />
Männer, die Sex mit Männern haben<br />
(MSM) gleich geblieben ist, zeigt sich der<br />
Anstieg vor allem bei den heterosexuellen<br />
Kontakten. Insbesondere bei den heterosexuellen<br />
Frauen sei es der höchste Anstieg<br />
seit 2016, aber auch bei den heterosexuellen<br />
Männern sei ein leicht anhaltender<br />
Trend nach oben zu verzeichnen, erklärt<br />
Carsten Gehrig, Fachbereichsleiter für<br />
Psychosoziales bei der AIDS-Hilfe Frankfurt<br />
AHF im Rahmen der Pressekonferenz zum<br />
Welt-AIDS-Tag. Im kommenden Jahr sei es<br />
daher notwendig, die Präventionsarbeit für<br />
Heterosexuelle zu verstärken, so Gehrig.<br />
Besorgniserregend ist vor allem, dass die<br />
Zahl der „Late Presenter“ deutlich zugenommen<br />
hat, also diejenigen, die von ihrer<br />
Infektion nichts wissen und daher bereits<br />
an Aids oder einem schweren Immundefekt<br />
erkrankt sind, bevor die HIV-Infektion<br />
festgestellt wird. Der Plan, durch möglichst<br />
viele und vor allem einfach zugängliche<br />
Testangebote das Testverhalten zu steigern,<br />
scheint noch nicht recht aufgegangen<br />
zu sein.<br />
Carsten Gehrig appelliert daher weiterhin<br />
nachdrücklich, sich möglichst frühzeitig<br />
testen zu lassen – schon allein um bessere<br />
Behandlungsmöglichkeiten zu haben. „Es<br />
gibt keine Ausrede mehr, sich nicht testen<br />
zu lassen“, so Gehrig. Vor allem seit die<br />
AHF ihre Testangebote erweitert hat und<br />
zusätzlich seit vergangenem Jahr auch<br />
Heimtests anbietet. „Die Heimtests wurden<br />
auch in Coronazeiten gut angenommen“,<br />
so Gehrig.<br />
Hoffnung setzt Gehrig außerdem auf PrEP,<br />
die allerdings erst seit vergangenem Herbst<br />
von den Krankenkassen bezahlt wird und<br />
daher in der Statistik für 2019 noch keine<br />
nennenswerte Rolle spielt.<br />
SEXUALITÄT IN ZEITEN VON CORONA –<br />
DAS SAGT DIE AIDS-HILFE FRANKFURT<br />
„Sex ist unser Thema“, erklärt Christian<br />
Setzepfandt vom Vorstand der AHF<br />
und betont, dass dies nicht nur für die<br />
Sexualität sondern auch im Sinne von<br />
geschlechtlicher Zugehörigkeit gelte.<br />
Was bedeutet nun die neue Infektion für<br />
die Sexualität? Zunächst führte sie zu einer<br />
generellen Reduzierung der sexuellen<br />
Kontakte.<br />
„Die Menschen schränken sich sexuell<br />
ein“, meint Setzepfandt. „Für die Infektionszahlen<br />
ist das gut. Auf Dauer ist es<br />
nicht gut, wenn Sexualität wieder mit<br />
Angst verknüpft wird. Denn unter Angst<br />
trifft man die falschen Entscheidungen“.<br />
Vieles erinnere ihn an die Zeit als Aids<br />
in die Gesellschaft gekommen ist. „Viele<br />
durchleben gerade das gleiche wie<br />
andere damals mit HIV“, meint Christian<br />
Setzepfandt. Allerdings gibt es zentrale<br />
Unterschiede: Eine HIV-Infektion verläuft<br />
im unbehandelten Zustand noch<br />
immer tödlich, für Corona gelte das so<br />
nicht. „HIV holt man sich durch eine<br />
bestimmte Situation. Corona bekommt<br />
man im alltäglichen Umgang“, ergänzt<br />
Setzepfandt.<br />
Das Bedürfnis nach Sex verschwindet<br />
natürlich nicht einfach so. Und gerade<br />
in Zeiten von Social Distancing sei das<br />
Bedürfnis nach Nähe groß. „Abstand<br />
halten ist eben nicht die Lebensrealität“,<br />
so Christian Setzepfandt.<br />
In Folge stiegen zunächst die flüchtigen<br />
Sexabenteuer, weiß Carsten Gehrig aus<br />
seinen Beratungsgesprächen. „Viele hatten<br />
lieber Sex mit jemanden, den sie nicht<br />
kennen. Was natürlich ein schwieriges<br />
Risikomangement bedeutet“, so Gehrig.<br />
Aber was empfiehlt die AHF zu Sex in<br />
Zeiten von Corona?<br />
„Es gibt da keinen allgemeingültigen<br />
Maßnahmenkanon“, meint Christian<br />
Setzepfandt. Und Carsten Gehrig ergänzt:<br />
„Es bleibt vielmehr bei der Linie, die wir<br />
seit Jahren fahren: Sei informiert und<br />
triff dann eine Entscheidung zusammen<br />
mit deinem Gegenüber“. Das Schwierige<br />
dabei ist: Man muss akzeptieren, dass es<br />
sowohl bei HIV als auch bei Corona keinen<br />
100-prozentigen Schutz gibt. „Wir rufen<br />
nicht zum Sex auf – aber wir sagen: Überlegt<br />
es euch“, meint Gehrig. *bjö<br />
Infos zu den Beratungs- und Testangeboten<br />
von maincheck, dem Zentrum<br />
für Sexualität, Identität und Gesundheit<br />
der AHF, über www.maincheck.de