TG Report 2020-04

TurngemeindeBiberach
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08.12.2020 Aufrufe

K A N U Abteilungsleiter: Dr. Hans-Joachim Compter Telefon 07351 / 3 21 71, kanu@tg-biberach.de www.kanu-biberach.de 730 Kilometer Yukon... – Elbe! Was haben die Elbe und der Yukon gemeinsam? Nichts, hätte ich vermutlich noch vor einem Jahr geantwortet. 730 km wollten wir in diesem Frühsommer dort paddeln, von Whitehorse nach Dawson City. Alles war gebucht, aber dann kam… Nein, darüber wollen wir jetzt gar nicht reden. Also stellt sich die Frage nach einer Alternative. Muss man zu diesen Zeiten überhaupt Urlaub machen? Nochmals nein. Müssen tut man nicht, aber wollen eben schon. Und mit dem Abstand klappt es im Kajak ja automatisch. Aber ich habe mich auf 730 km im Boot gefreut. Das wird schwierig beim Urlaub zu Hause. Ich könnte 12 Mal den Bodensee hinund herpaddeln. Oder 1923 Mal den Alberweiler Baggersee. Beides klingt nicht wirklich spannend. Also blätterte ich in meinem Diercke Schulatlas. Ausgabe 1971. Vorne steht in Schreibschrift mein Name drin. Klasse 6e. Ich erkenne weder meine Handschrift wieder, noch erinnere ich mich an das „e“. Egal, der Atlas ist zwar 50 Jahre alt, aber die Flüsse dürften sich seither nicht gravierend verändert haben. Mein Blick fällt auf die Elbe. Ab der tschechischen Grenze verläuft sie komplett durch Deutschland. Von einer Radtour weiß ich, dass die Elbauen viel Natur und wenig Besiedelung bieten. Die weitere Recherche ergibt, dass die Länge in Deutschland 727 km beträgt. Fast wie der Yukon. Also doch Gemeinsamkeiten. Sechs Monate später stehen wir mit vier Kajaks in Bad Schandau. Weit müssen wir unsere Boote am Ufer hinunterschleppen, denn die Elbe hat Niedrigwasser. Zu wenig für die ganz großen Berufsschiffe, aber für uns wird es reichen. Die Kulisse während der ersten beiden Tage ist spektakulär. Schrammsteine, die Festung Königsstein, die Basteibrücke oder die Begegnung mit den historischen Schiffen der Sächsi- Anfahrt auf Dresden

Blick auf das Elbsandsteingebirge schen Dampfschifffahrt; die sächsische Schweiz zeigt sich von ihrer schönsten Seite. Nach zwei Tagen erreichen wir Dresden. Frauenkirche, der Fürstenzug oder das Schloss: Ein halber Tag Paddelpause muss reichen für die Kultur, dann geht es weiter unter der Augustusbrücke durch, vorbei an der historischen Altstadt. In Meißen hätten wir gerne auf der Wiese beim Ruderklub unsere Zelte aufschlagen können. Dumm nur, dass die Wiese erstens abschüssig ist und zweitens gar nicht dem Ruderklub gehört. Wir ziehen es vor, die Gastfreundschaft des Kanuklubs einen Kilometer weiter elbabwärts in Anspruch zu nehmen. Ab hier erhält die Elbe mehr Freiraum. Das wiederholte Hochwasser scheint in einigen Köpfen offenbar doch ein Umdenken in Gang gesetzt zu haben. Für uns bedeutet dies, dass wir jetzt nicht mehr auf Kanuklubs oder Campingplätze angewiesen sind, sondern an den sandigen Ufern zwischen den Buhnen übernachten können, denn wildes Zelten wird außerhalb von Naturschutzgebieten geduldet. In Magdeburg nach 320 Kilometern wechsele meine Begleitung. Ich frage mich, ob ich eine zu lange Strecke geplant oder zu viel Urlaub habe. Kommt wohl auf die Perspektive an. Eine technische Meisterleistung ist das Wasserstraßenkreuz, einen halben Paddeltag hinter der Landeshauptstadt Sachsen-Anhalts. Hier überquert der Elbe-Havel-Kanal die Elbe in einer Trogbrücke. Ein mulmiges Gefühl befällt mich, als ein voll beladenes Lastschiff genau in dem Augenblick über die Brücke fährt, als ich in meinem vergleichsweise winzigen Boot darunter durchpaddelte. Der Zeitplan passt perfekt. Genau um die Mittagszeit am 3. Oktober taucht zu unserer Linken der Kirchturm der Gemeinde Schnakenburg auf. Ab hier befinden wir uns auf der Grenze zwischen Brandenburg und Niedersachsen und damit auf der ehemaligen innerdeutschen Grenze. Ob dieser historischen Bedeutung und des Feiertags wegen, paddeln wir in geschlossener Formation und intonieren die Nationalhymne – textsicher, aber gesanglich ausbaufähig. Vor den Toren Hamburgs endet nach 685 km mein Elbabenteuer. Einiges wird mir in den nächsten Wochen nicht fehlen. Die schmerzenden Hände durch die Sehnenscheidenentzündung oder das Knirschen des Sands in jedem Essen beispielsweise. Aber lohnend war es trotzdem. Das ungebundene Leben draußen im Freien. Die vielen Gänse und Seeadler oder die Biber und der weiße Iltis. Ein wenig wie in Kanada eben. Wie immer gibt es einen Bericht von der Tour am Filmabend der Kanuabteilung. Bleibt nur die Frage, wann es wieder einen Filmabend geben wird... Hans-Joachim Compter Fotos: Anni Mai-Compter

Blick auf das Elbsandsteingebirge<br />

schen Dampfschifffahrt; die sächsische<br />

Schweiz zeigt sich von ihrer schönsten Seite.<br />

Nach zwei Tagen erreichen wir Dresden.<br />

Frauenkirche, der Fürstenzug oder das Schloss:<br />

Ein halber Tag Paddelpause muss reichen für<br />

die Kultur, dann geht es weiter unter der<br />

Augustusbrücke durch, vorbei an der historischen<br />

Altstadt.<br />

In Meißen hätten wir gerne auf der Wiese<br />

beim Ruderklub unsere Zelte aufschlagen können.<br />

Dumm nur, dass die Wiese erstens abschüssig<br />

ist und zweitens gar nicht dem<br />

Ruderklub gehört. Wir ziehen es vor, die Gastfreundschaft<br />

des Kanuklubs einen Kilometer<br />

weiter elbabwärts in Anspruch zu nehmen.<br />

Ab hier erhält die Elbe mehr Freiraum. Das<br />

wiederholte Hochwasser scheint in einigen<br />

Köpfen offenbar doch ein Umdenken in Gang<br />

gesetzt zu haben.<br />

Für uns bedeutet dies, dass wir jetzt nicht<br />

mehr auf Kanuklubs oder Campingplätze angewiesen<br />

sind, sondern an den sandigen<br />

Ufern zwischen den Buhnen übernachten<br />

können, denn wildes Zelten wird außerhalb<br />

von Naturschutzgebieten geduldet.<br />

In Magdeburg nach 320 Kilometern wechsele<br />

meine Begleitung. Ich frage mich, ob ich eine<br />

zu lange Strecke geplant oder zu viel Urlaub<br />

habe. Kommt wohl auf die Perspektive an.<br />

Eine technische Meisterleistung ist das Wasserstraßenkreuz,<br />

einen halben Paddeltag hinter<br />

der Landeshauptstadt Sachsen-Anhalts.<br />

Hier überquert der Elbe-Havel-Kanal die Elbe<br />

in einer Trogbrücke. Ein mulmiges Gefühl<br />

befällt mich, als ein voll beladenes Lastschiff<br />

genau in dem Augenblick über die Brücke<br />

fährt, als ich in meinem vergleichsweise winzigen<br />

Boot darunter durchpaddelte.<br />

Der Zeitplan passt perfekt. Genau um die<br />

Mittagszeit am 3. Oktober taucht zu unserer<br />

Linken der Kirchturm der Gemeinde Schnakenburg<br />

auf. Ab hier befinden wir uns auf der<br />

Grenze zwischen Brandenburg und Niedersachsen<br />

und damit auf der ehemaligen innerdeutschen<br />

Grenze. Ob dieser historischen<br />

Bedeutung und des Feiertags wegen, paddeln<br />

wir in geschlossener Formation und intonieren<br />

die Nationalhymne – textsicher, aber gesanglich<br />

ausbaufähig.<br />

Vor den Toren Hamburgs endet nach 685 km<br />

mein Elbabenteuer. Einiges wird mir in den<br />

nächsten Wochen nicht fehlen. Die schmerzenden<br />

Hände durch die Sehnenscheidenentzündung<br />

oder das Knirschen des Sands in<br />

jedem Essen beispielsweise. Aber lohnend war<br />

es trotzdem. Das ungebundene Leben draußen<br />

im Freien. Die vielen Gänse und Seeadler<br />

oder die Biber und der weiße Iltis.<br />

Ein wenig wie in Kanada eben.<br />

Wie immer gibt es einen Bericht von der Tour<br />

am Filmabend der Kanuabteilung. Bleibt nur<br />

die Frage, wann es wieder einen Filmabend<br />

geben wird...<br />

Hans-Joachim Compter<br />

Fotos: Anni Mai-Compter

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