Die Kraft des Evangeliums 4/2020
Eine Ausgabe vom Missionswerk Voice of Hope
Eine Ausgabe vom Missionswerk Voice of Hope
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DIE KRAFT DES<br />
EVANGELIUMS<br />
Eine Ausgabe <strong>des</strong> Missionswerks Voice of Hope • 4/<strong>2020</strong><br />
Eine gesunde Gemeinde<br />
ist eine Versammlung,<br />
die mehr und mehr<br />
Gottes Charakter<br />
widerspiegelt, so wie<br />
Er sich in Seinem<br />
Wort offenbart hat.<br />
Mark Dever<br />
• Hoffnung in dunklen Zeiten (4)<br />
• Missionsbericht – Gottes Wege<br />
sind höher als unsere Wege<br />
• George Whitefield (1714 - 1770)<br />
Brennende Flamme für Gott<br />
• Was unsere Kinder brauchen<br />
• <strong>Die</strong> Kennzeichen<br />
der wahren Gemeinde<br />
• In Krisenzeiten die Reinheit<br />
der Lehre bewahren
INHALT<br />
4<br />
11<br />
16<br />
22<br />
26<br />
34<br />
40<br />
Hoffnung in dunklen Zeiten (4)<br />
Daniel 9,24-27<br />
Missionsbericht<br />
Gottes Wege sind höher als unsere Wege<br />
Was unsere Kinder brauchen<br />
Ein Auszug aus dem Buch »Papa sein, Mama sein«<br />
<strong>Die</strong> Kennzeichen<br />
der wahren Gemeinde<br />
<strong>Die</strong> Verkündigung <strong>des</strong> Wortes Gottes<br />
Gnadenmittel in der Gemeinde<br />
<strong>Die</strong> Gemeindezucht<br />
In Krisenzeiten die Reinheit<br />
der Lehre bewahren<br />
George Whitefield<br />
Ein wahrer Christ und Evangelist<br />
Brennende Flamme für Gott<br />
Jeden Morgen neue Gnade<br />
Das neue Andachtsbuch
DIE ZUKUNFT<br />
IN DER HAND GOTTES<br />
Als Gott diese Welt schuf, »sah [Er] alles, was<br />
Er gemacht hatte; und siehe, es war sehr gut«<br />
(1.Mo. 1,31). Alles, was Er schuf, war sehr<br />
gut und vollkommen. Und gerade aus diesem<br />
Grund bemühte sich der Teufel in seiner Eifersucht<br />
und Bosheit, je<strong>des</strong> Werk zu zerstören, besonders<br />
das höchste Werk Gottes – den Menschen, die Krone<br />
der Schöpfung. Also setzte er zuerst alles daran,<br />
die Frau zu täuschen; sie wiederum verführte ihren<br />
Mann. Und so fiel der Mensch in Sünde.<br />
Aber die Geschichte der Menschheit hört an<br />
dieser Stelle nicht auf. Gott beabsichtigte ein großes<br />
Erlösungswerk. <strong>Die</strong> Erlösung ist sogar ein<br />
größeres Werk als die Schöpfung, besonders in<br />
Anbetracht der Art und Weise, wie Gott sie zustande<br />
brachte, nämlich durch die Sendung Seines<br />
eingeborenen Sohnes in diese Welt, in dem<br />
Wunder der Fleischwerdung, und dann vor allem<br />
durch Seinen Tod am Kreuz.<br />
Das ist das höchste Wunder – dass der in Sünde<br />
gefallene Mensch und letztendlich auch die ganze<br />
Schöpfung erlöst und errettet werden kann. Daher<br />
hat der Widersacher offensichtlich das größte<br />
Interesse daran, auf irgendeine Weise zu versuchen,<br />
dieses Werk Gottes zu zerstören. Zu diesem<br />
Zweck macht er die Gemeinde Jesu zum besonderen<br />
Ziel seiner Angriffe, und es gibt nichts, was so<br />
sehr in seinen Plan passt, als dass wir niedergeschlagen<br />
und schwach werden und Angst vor der<br />
Zukunft haben.<br />
An die Zukunft zu denken ist richtig; aber<br />
sich von der Sorge um die Zukunft beherrschen<br />
zu lassen, ist falsch. Unser Herr lehrt uns in der<br />
Bergpredigt: »Darum sollt ihr euch nicht sorgen um<br />
den morgigen Tag« (Mt. 6,34). Wir verstehen es alle,<br />
dass es Zeitverschwendung ist, sich mit der Vergangenheit,<br />
die man nicht rückgängig machen<br />
kann, zu sehr zu beschäftigen. Aber es ist ebenso<br />
falsch, sich Sorgen um eine Zukunft zu machen,<br />
die im Augenblick noch unklar ist. Der Herr Jesus<br />
lehrt uns: »Sorgt euch nicht um euer Leben!« Er sorgt<br />
für die Speise für unseren Leib, für unsere Gesundheit<br />
und Kleidung. Haben wir das nicht alle<br />
schon genügend erlebt? Können wir unser Leben<br />
auch nur für einen Tag verlängern oder die Zukunft<br />
für unsere Kinder sicherer machen?<br />
Wenn wir uns so viele Sorgen machen, dann<br />
gleichen wir den Heiden – also Menschen, die<br />
Gott nicht kennen. »Trachtet vielmehr zuerst nach<br />
dem Reich Gottes und nach Seiner Gerechtigkeit, so wird<br />
euch dies alles hinzugefügt werden!« (Mt. 6,33), sagt<br />
uns der Herr. Wenn wir vor allem oder zuerst<br />
nach der Gemeinschaft mit unserem Vater trachten,<br />
dann werden wir es erleben, dass Er für uns<br />
sorgen wird! <strong>Die</strong> Sorge ist eine gewaltige Macht,<br />
eine aktive <strong>Kraft</strong>. Wenn wir uns <strong>des</strong>sen nicht bewusst<br />
sind, dann wird sie uns ganz gewiss besiegen.<br />
Kann der Feind uns nicht durch Sorgen<br />
dazu bringen, ängstlich und bedrückt wegen der<br />
gegenwärtigen Umstände zu sein, dann macht<br />
er den nächsten Schritt und lähmt uns durch die<br />
Angst um die Zukunft.<br />
Liebe Brüder und Schwestern, lassen Sie sich<br />
nicht von Ängsten und Sorgen um die Zukunft in<br />
Beschlag nehmen; denn das tun nur Menschen,<br />
die keinen Vater im Himmel haben. Wie auch immer<br />
unsere Zukunft aussehen mag – unser Herr<br />
hat die Kontrolle über das ganze Geschehen auf<br />
dieser Welt. Wenn wir das glauben, dann weigern<br />
wir uns, ständig sorgenvoll an die Vergangenheit<br />
und an die Zukunft zu denken. Wenn der Feind<br />
uns versuchen will, dann sagen wir zu uns selbst:<br />
»Nein, darüber mache ich mir keine Sorgen. Gott,<br />
dem ich heute vertraue, dem kann ich auch in Bezug<br />
auf morgen vertrauen.« Glauben heißt, sich<br />
nicht belasten zu lassen, sondern unsere Lasten<br />
bei unserem Herrn abzuladen. Möge Er uns in<br />
Seiner unendlichen Gnade die Weisheit schenken,<br />
diese Wahrheit anzuwenden! So werden wir<br />
uns dann jeden Tag an Ihm erfreuen können!<br />
Im Herrn verbunden,<br />
Niko Derksen<br />
voiceofhope.de | 3
Teil 4
Hoffnung<br />
IN DUNKLEN ZEITEN<br />
DANIEL 9,24-27<br />
<strong>Die</strong> Zukunft <strong>des</strong> Menschen scheint heute<br />
ein großes Thema zu sein. Man braucht<br />
nur in die Medien zu schauen und an die<br />
zahlreichen Verschwörungstheorien zu denken,<br />
die von globaler Zerstörung durch COVID-19 handeln,<br />
durch einen Impfstoff oder durch Naturkatastrophen.<br />
Eine derartige Haltung zeigt, dass die<br />
Menschen große Sorge um ihre Zukunft haben,<br />
und dass sie ohne Hoffnung leben.<br />
Ein Mensch ohne Christus hat keine sichere<br />
Hoffnung für die Zukunft. Ohne die Hoffnung in<br />
Christus nimmt der Tod schreckliche Ausmaße<br />
an. Was bleibt, ist lediglich ewige Hölle, ewige<br />
Pein und ewige Strafe. In Hiob 27,8 heißt es <strong>des</strong>halb:<br />
»Denn was für eine Hoffnung hat der Frevler,<br />
wenn Gott [ihn] abschneidet, wenn Er ihm seine Seele<br />
entzieht?« Sprüche 10,28 fügt noch hinzu: »Das<br />
Warten der Gerechten wird Freude werden, aber die Hoffnung<br />
der Gottlosen wird verloren sein.« In der Ewigkeit<br />
gibt es nur zwei Bestimmungsorte – Himmel oder<br />
Hölle –, und Gott hat beide geschaffen. Wer durch<br />
den Glauben an Jesus Christus auf dem Weg zum<br />
Himmel ist, hat Hoffnung. Der Rest der Welt hat<br />
keine Hoffnung und wird die ewige Hoffnungslosigkeit<br />
der Hölle erfahren.<br />
In der Bibel jedoch ist Hoffnung nicht ein Wunsch,<br />
sondern eine Realität, »eine Überzeugung von Tatsachen,<br />
die man nicht sieht« (Hebr. 11,1). Biblische Hoffnung<br />
ist eine Realität, die Gott zu geben verheißen<br />
hat, und die Er erfüllen wird. Somit entspringt<br />
die Hoffnung für uns Christen aus der Heiligen<br />
Schrift. Unsere letzte Betrachtung von Daniel 9<br />
sollte jedem Christen zum Trost dienen, weil er<br />
darin sehen kann, wie ein gottesfürchtiger Daniel<br />
mitten in dunklen Zeiten eine großartige Hoffnung<br />
bekommt.<br />
Damals achtete Daniel in der Heiligen Schrift<br />
auf »die Zahl der Jahre, von der das Wort <strong>des</strong> HERRN<br />
an den Propheten Jeremia ergangen war, dass die Verwüstung<br />
Jerusalems in 70 Jahren vollendet sein sollte« (Dan.<br />
9,2). Er wollte wissen, ob jene Weissagung bedeute,<br />
dass nun die Zeit für den Wiederaufbau Jerusalems<br />
gekommen sei, und er wandte sich darum<br />
in eindringlichem Gebet an Gott den Herrn und<br />
bekannte dabei seine Sünden und die <strong>des</strong> Volkes.<br />
<strong>Die</strong> Zerstörung war ja wegen der Sünde <strong>des</strong> Volkes<br />
geschehen.<br />
Daniel 9,20-27 berichtet dann von der Antwort<br />
<strong>des</strong> Herrn auf das Gebet Daniels. Während<br />
er noch betet, sendet der Herr den Engel Gabriel<br />
zu ihm mit einer Aufklärung über die volle Bedeutung<br />
und Erfüllung der Weissagung Jeremias: »Ich<br />
bin gekommen, es dir zu verkünden; denn du bist ein viel<br />
geliebter [Mann]. So achte nun auf das Wort und verstehe<br />
das Gesicht [die Vision]!«<br />
voiceofhope.de | 5
Danach folgt in den Versen 24-27 die Erklärung,<br />
was mit dem wahren Wiederaufbau Jerusalems<br />
gemeint sei und was geschehen soll. <strong>Die</strong><br />
Ursache für die Zerstörung Jerusalems war die<br />
Sünde <strong>des</strong> Volkes. Darum muss die Sünde und die<br />
Schuld entfernt und gesühnt und durch eine ewige<br />
Gerechtigkeit ersetzt werden. <strong>Die</strong>s kann nur<br />
der Messias, der gesalbte Fürst, vollbringen.<br />
DAS AUSROTTEN DES MESSIAS<br />
<strong>Die</strong> Vision, die Daniel gegeben wurde, offenbarte<br />
nicht nur die Rückkehr <strong>des</strong> Volkes Gottes aus der<br />
Gefangenschaft, sondern auch, dass die Vollendung<br />
dieser verheißenen Wiederherstellung <strong>des</strong><br />
Heiligtums in drei Phasen erfolgen würde. <strong>Die</strong>se<br />
drei Phasen werden in den Versen 24-27 beschrieben;<br />
sie geben uns eine Gliederung in 7 Wochen<br />
und 62 Wochen und 1 Woche. <strong>Die</strong> 70 Wochen (Vers<br />
24) sind in 7, 62, und 1 Woche eingeteilt. <strong>Die</strong> erste<br />
Phase – die sieben Wochen – würde vom Erlass<br />
<strong>des</strong> Befehls zur Wiederherstellung und zum Wiederaufbau<br />
Jerusalems bis zu dem Zeitpunkt verlaufen,<br />
an dem dieser Wiederaufbau abgeschlossen<br />
sein würde.<br />
<strong>Die</strong>ser Erlass, von dem in V. 25 die Rede ist,<br />
um Jerusalem wiederherzustellen und wiederaufzubauen,<br />
ist nicht der Erlass eines menschlichen<br />
Königs, sondern ein Erlass, der die Antwort auf<br />
Daniels Gebet in Vers 23 ist. <strong>Die</strong>se Antwort Gottes<br />
selbst bewirkte den Erlass zur Wiederherstellung<br />
Jerusalems, den der Herr in Jeremia 29,10, fast<br />
siebzig Jahre zuvor, verheißen hatte.<br />
Der Erlass <strong>des</strong> Kyrus von 538 v. Chr., der den<br />
Juden die Rückkehr nach Jerusalem erlaubte, war<br />
lediglich der irdische Reflex dieser himmlischen<br />
Entscheidung. <strong>Die</strong>se Unterscheidung zwischen<br />
irdischen und himmlischen Erlassen verdeutlicht<br />
die Schwierigkeit, die mit jedem Versuch verbunden<br />
ist, einen Zeitpunkt festzulegen, von dem aus<br />
eine buchstäbliche Zeitspanne von Jahren gemessen<br />
werden kann.<br />
<strong>Die</strong>se erste Phase – die sieben Wochen – zeigen<br />
Gottes unmittelbare Antwort auf Daniels Bitte:<br />
<strong>Die</strong> Stadt Jerusalem wird in der Tat kurzfristig<br />
wiederaufgebaut werden. Jeremias Prophezeiung<br />
einer Wiederherstellung Jerusalems nach siebzigjähriger<br />
Gefangenschaft wird eine teilweise<br />
Erfüllung finden. Jerusalem wird noch nicht die<br />
vollständige Sicherheit genießen, von der Jeremia<br />
33,16 spricht: »In jenen Tagen wird Juda gerettet werden<br />
und Jerusalem sicher wohnen, und mit diesem Namen<br />
wird man sie benennen: ›Der HERR ist unsere Gerechtigkeit!‹«<br />
Der messianische Fürst (der Gesalbte) wird<br />
erst am Ende dieser zweiten Phase – der neunundsechzigsten<br />
Woche – erscheinen und damit<br />
den Höhepunkt, den der siebzigsten Woche, einläuten.<br />
Doch selbst dann würde Sein Erscheinen<br />
nicht sofort den Frieden und die Gerechtigkeit<br />
einleiten, die Jeremia erwartet hatte. Statt<strong>des</strong>sen<br />
wird der Messias Selbst »ausgerottet werden, und Ihm<br />
wird nichts zuteilwerden« (Dan. 9,26).<br />
Damit stellen wir einmal mehr unsere Erwartungen<br />
an die Geschichte auf den Kopf. Wir neigen zu<br />
der Annahme, dass Gott die Geschichte wie auch<br />
unser Leben, wenn Er die Kontrolle darüber hat,<br />
ziemlich reibungslos verlaufen lassen sollte, immer<br />
weiter vorwärts und aufwärts zur Herrlichkeit<br />
hin. Es mag vielleicht ein paar Zwischenfälle<br />
auf dem Weg geben; aber im Großen und Ganzen<br />
erwarten wir von Gott, dass Er unsere Wege eben<br />
und leicht macht, besonders wenn wir im Gehorsam<br />
Ihm gegenüber leben. Doch die sieben und<br />
zweiundsechzig Wochen, also die gesamte Zeit<br />
einschließlich der neunundsechzigsten Woche in<br />
Daniels Prophezeiung, sind von Schwierigkeiten<br />
und Prüfungen gekennzeichnet, und die siebzigste<br />
Woche ist nicht leichter.<br />
<strong>Die</strong> Zukunft, die Daniel gezeigt wird, ist eine<br />
Zukunft, die Kriege und Kriegsgerüchte sowie<br />
erwartete und erlebte Prüfungen umfasst. Mehr<br />
noch, die Zukunft, die er für das Volk Gottes beschreibt,<br />
spiegelt unsere eigene Zukunft als Christen<br />
wider, und zwar während unserer ganzen<br />
irdischen Pilgerreise hindurch – den beschwerlichen<br />
Weg, den wir zur Herrlichkeit hin beschreiten.<br />
Das Volk Gottes erlebte es schon von Anfang<br />
an so: Es gab immer wieder Verfolgung, Verrat,<br />
Abfall, Spaltungen, Antichristen, falsche Brüder,<br />
und vieles mehr.<br />
Doch diese Prüfungen kennzeichnen unseren<br />
Weg zur Herrlichkeit, weil sie zuerst der Weg un-<br />
6 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 4/<strong>2020</strong>
seres Messias zur Herrlichkeit waren. Gott verlangt<br />
von uns nichts, was Er nicht Selbst bereit<br />
war zu tun. Sein eigener Gesalbter, der Christus,<br />
kam in eine Welt <strong>des</strong> Leidens und erlebte dieses<br />
Leiden am eigenen Leib, bis hin zu dem Punkt,<br />
dass Er ausgerottet und mit nichts zurückgelassen<br />
wurde.<br />
Unsere Befürchtungen um gesundheitliche<br />
Nöte wirken kleiner, wenn wir sie mit der Erfahrung<br />
der Kreuzigung bis hin zum Tod Jesu Christi<br />
vergleichen. Unsere finanziellen Probleme können<br />
wir in einen anderen Zusammenhang stellen,<br />
wenn wir sie mit den Soldaten vergleichen, die die<br />
Kleider unseres Herrn unter sich verteilten und<br />
Lose darum warfen. Sie spielten um den einzigen<br />
irdischen Besitz, den Er noch hatte.<br />
Unsere schwierigen Beziehungen und das<br />
Gefühl, verlassen und allein zu sein, sind nichts<br />
im Vergleich zu Jesu Erfahrung, dass alle Seine<br />
Freunde vor Ihm fliehen und leugnen, dass sie Ihn<br />
in Seiner Stunde der Not überhaupt kennen.<br />
Doch es gibt keine größere Verlassenheit als<br />
die, dass der Vater Sein Gesicht wegen der Last<br />
der Sünde, die Er trug, völlig von Ihm abwendet.<br />
Der Gesalbte wurde für uns ausgerottet und mit<br />
nichts zurückgelassen: Er wurde wegen unserer<br />
Sünden verwundet, wegen unserer Übertretungen<br />
zerschlagen, wegen unserer Rebellion verlassen.<br />
Der Weg zur Herrlichkeit führte für Ihn über<br />
den Weg <strong>des</strong> Leidens, und auch wir sind aufgerufen,<br />
diesem Weg zu folgen. Was immer uns auch<br />
in der Zukunft begegnen mag, der Herr hat es uns<br />
im Voraus gesagt und uns sogar dazu ermutigt:<br />
»Glückselig seid ihr, wenn sie euch schmähen und verfolgen<br />
und lügnerisch jegliches böse Wort gegen euch reden<br />
um Meinetwillen! Freut euch und jubelt, denn euer Lohn<br />
ist groß im Himmel; denn ebenso haben sie die Propheten<br />
verfolgt, die vor euch gewesen sind« (Mt. 5,11-12).<br />
DIE ZERSTÖRUNG DES HEILIGTUMS<br />
UND DIE ERFÜLLUNG DES NEUEN BUNDES<br />
Bis jetzt ist es recht einfach, die Bedeutung von<br />
Daniels Vision und ihre Beziehung zu den historischen<br />
Ereignissen festzustellen. Schließlich wurde<br />
Jerusalem ja wirklich wiederaufgebaut, und die<br />
Prüfungen und Schwierigkeiten gingen sicherlich<br />
weiter. Als dann Jesus, der Messias, endlich erschien,<br />
wurde Er tatsächlich ausgerottet, als Er<br />
ans Kreuz gehängt und mit nichts zurückgelassen<br />
wurde, ohne irgendeinen Helfer. Der schwierigste<br />
Teil in der Vision ist das, was nun auf das Ausrotten<br />
<strong>des</strong> Messias folgt.<br />
An diesem Punkt wurde Daniel gesagt: Jerusalem<br />
und sein Heiligtum »wird das Volk <strong>des</strong> zukünftigen<br />
Fürsten zerstören« (Vers 26). Aber wer sind diese<br />
Leute, und wer ist ihr Fürst? Außerdem lesen<br />
wir in V. 27, dass jemand in dieser letzten Phase<br />
einen gewissen »Bund« »mit den Vielen« bestätigen<br />
oder stärken wird, und in der Mitte dieser einen<br />
Woche wird er dem Schlacht- und Speisopfer ein<br />
Ende setzen. Wer ist diese Person? Und was ist der<br />
geheimnisvolle »Gräuel der Verwüstung« in Daniel<br />
9,27? Wie hängt das mit den oben beschriebenen<br />
Ereignissen zusammen?<br />
Für einige Christen stellen diese letzten Ereignisse<br />
einen Sprung weit in die Zukunft dar, heraus<br />
aus dem vorhergehenden Kontext. Es gebe gemäß<br />
ihrer Argumentation eine Lücke zwischen<br />
der 69. und der 70. Woche, in der sich die Geschic<br />
hte der Gemeinde abspiele und nach welcher der<br />
Antichrist kommen und Jerusalem und seinen<br />
wiederaufgebauten Tempel zerstören werde.<br />
Bei dieser Betrachtungsweise bedeutet »der<br />
Bund« in Vers 27 eine politische Vereinbarung, die<br />
der Antichrist in jenen letzten Tagen mit einigen<br />
der Juden treffen werde, und er sei derjenige, der<br />
den erneut dargebrachten Opfern und Opfergaben<br />
in jenen letzten Tagen ein Ende setze, indem<br />
er den Jerusalemer Tempel zerstöre, der bis dahin<br />
wieder aufgebaut sei.<br />
Andererseits glauben viele Christen, dass der<br />
hier erwähnte Bund der Bund Gottes, der Neue<br />
Bund mit Seinem Volk ist, der vom Messias Jesus<br />
Christus geschlossen wurde, und dass die Verwüstung<br />
und Zerstörung <strong>des</strong> Tempels im ersten Jahrhundert<br />
n. Chr. stattfand.<br />
Wir müssen erkennen und zugeben, dass diese<br />
beiden Ansichten von Menschen vertreten werden,<br />
die den Herrn wirklich lieben und die Prophezeiung<br />
Daniels ernst nehmen, und dass diese<br />
Verse sicherlich schwer auszulegen sind. Aller-<br />
voiceofhope.de | 7
»Der Kampf<br />
mag zwar heftig<br />
sein, aber er<br />
kann nicht<br />
lange dauern.<br />
<strong>Die</strong> Wolke zieht,<br />
während die<br />
Tropfen fallen,<br />
über deinen<br />
Kopf hinweg;<br />
dann kommt<br />
schönes Wetter<br />
und ein ewiger<br />
Sonnenschein der<br />
Herrlichkeit.«<br />
William Gurnall<br />
dings können diese unterschiedlichen Erklärungen<br />
unmöglich beide richtig sein. Also<br />
müssen wir uns fragen: Welche dieser Ansichten<br />
hat den stärkeren Anspruch, richtig<br />
zu sein, und wie entscheiden wir zwischen<br />
diesen Ansichten?<br />
<strong>Die</strong> beste Methode besteht darin, sich bei unserer<br />
Auslegung vom direkten Kontext leiten<br />
zu lassen. Denken wir daran, dass Daniel im<br />
Gebet zutiefst besorgt war wegen der gebrochenen<br />
Beziehung <strong>des</strong> Volkes zu seinem Gott.<br />
Daraufhin kündigte Gabriel ihm an, dass alle<br />
Verheißungen <strong>des</strong> Neuen Bun<strong>des</strong>, von dem<br />
Jeremia sprach, erfüllt werden würden, und<br />
dafür »sind 70 Wochen bestimmt, um der Übertretung<br />
ein Ende zu machen und die Sünden abzutun,<br />
um die Missetat zu sühnen und eine ewige Gerechtigkeit<br />
herbeizuführen, um Gesicht und Weissagung<br />
zu versiegeln ...« (Vers 24).<br />
Es erscheint mir daher am natürlichsten,<br />
den Bund, der ohne nähere Beschreibung in<br />
Vers 27 erwähnt wird, als den Neuen Bund<br />
anzusehen, der »in der Mitte der Woche«, also<br />
in jenem entscheidenden Moment der Weltgeschichte,<br />
erfüllt werde. <strong>Die</strong> 70. Woche ist<br />
eine Art »Jubiläumswoche«, in der Gott alle<br />
verheißenen Dinge zur Erfüllung bringen<br />
werde.<br />
Wenn das zutrifft, dann ist es ganz klar, dass<br />
es sich um den Messias handelt, der »mit den<br />
Vielen« den »festen Bund schließen« und »Schlachtund<br />
Speisopfer aufhören lassen« wird. Mit dem<br />
Kommen unseres Herrn Jesus in die Welt und<br />
Seinem öffentlichen <strong>Die</strong>nst ist die siebzigste<br />
Woche angebrochen und hat mit Seinem<br />
Tod und Seiner Auferstehung ihre »Mitte«<br />
erreicht, denn »in der Mitte der Woche« wurde<br />
Er gekreuzigt, also »ausgerottet«, V. 26. In<br />
Christus hat also unsere »Jubiläumsposaune«<br />
geblasen, und der Sieg über Sünde und Übertretung<br />
ist gewonnen. Darüber hinaus wurden<br />
mit dem Tod Jesu am Kreuz – in der Mitte der<br />
Woche – die Opfer <strong>des</strong> Alten Testaments überflüssig<br />
und wertlos.<br />
Der Sohn <strong>des</strong> Menschen gab Sein Leben<br />
»als Lösegeld für viele« und brachte diejenigen,<br />
die an Ihn glauben, in die neue Bun<strong>des</strong>beziehung<br />
mit dem Herrn (Mk. 10,45). Der Neue<br />
8 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 4/<strong>2020</strong>
Bund, von dem Jeremia sprach, ist jetzt da, wie<br />
unser Herr Selbst in der Nacht vor Seinem Tod<br />
bezeugte, als Er den Kelch, den Er mit Seinen<br />
Jüngern teilte, mit den Worten näher bezeichnete:<br />
»<strong>Die</strong>ser Kelch ist der Neue Bund in Meinem Blut«<br />
(1.Kor. 11,25).<br />
Mit dem Kommen unseres Herrn ist all das, was<br />
Daniel in Kapitel 9 Vers 24 voraussah, im Prinzip<br />
erfüllt worden: Unsere Sünden sind gesühnt, unsere<br />
Übertretungen von uns genommen und die<br />
Worte der Propheten gerechtfertigt bzw. versiegelt.<br />
Natürlich warten wir immer noch a auf den<br />
Tag, an dem Gott all diese Dinge zur endgültigen<br />
Vollendung bringen wird: Wir trinken immer und<br />
immer wieder den Kelch <strong>des</strong> Neuen Bun<strong>des</strong> und<br />
verkünden den Tod <strong>des</strong> Herrn bis zu Seiner Wiederkunft.<br />
Doch da das letztgültige Opfer, das Opfer Jesu<br />
Christi, das für die Übertretungen der Vielen Sühnung<br />
verschaffte, nun dargebracht worden ist,<br />
wurde und wird somit der Tempel in Jerusalem<br />
nicht mehr benötigt. Sobald Jesus am Kreuz starb,<br />
war der Jerusalemer Tempel praktisch überflüssig.<br />
Als Jesus Seinen letzten Atemzug tat, riss der<br />
Vorhang im Tempel in zwei Hälften. Der zerrissene<br />
Vorhang symbolisierte jetzt, dass der Zugang<br />
zu Gott für jeden offen steht, der in Buße und<br />
Glauben zu Ihm kommt.<br />
Jesus Selbst sprach über den Tempel und die<br />
Stadt Jerusalem, dass sie dem Untergang geweiht<br />
seien, weil die Juden sich weigerten, zu Ihm zu<br />
kommen und sich Seiner Herrschaft zu unterwerfen<br />
(siehe Mt. 23,37 bis Kap. 24,2). <strong>Die</strong>ses Urteil<br />
wurde im Jahre 70 n. Chr. vollstreckt. Auch<br />
dies ist genau das, was Daniel 9 voraussah: »<strong>Die</strong><br />
Stadt aber samt dem Heiligtum wird das Volk <strong>des</strong> zukünftigen<br />
Fürsten«, der kommen sollte, »zerstören«<br />
(Dan. 9,26). <strong>Die</strong>ser Fürst ist zu diesem Zeitpunkt<br />
in der Prophezeiung keine neue Figur, sondern<br />
derselbe gesalbte Fürst, der in Vers 25 erwartet<br />
wird.<br />
<strong>Die</strong>se eine Person, die die beiden Ämter <strong>des</strong><br />
»Gesalbten« und <strong>des</strong> »Fürsten« in Daniel 9,25<br />
vereint, wird im ersten Teil von Vers 26, wo der<br />
Schwerpunkt auf Seinem priesterlichen Werk<br />
liegt, sich Selbst als Opfer für die Sünden der Vielen<br />
darbringen, und später, im selben Vers, wird<br />
Er als »Fürst« angesprochen, wo der Schwerpunkt<br />
auf dem Versagen Seines eigenen Volkes liegt,<br />
sich Seiner Herrschaft zu unterwerfen. Mit anderen<br />
Worten, Daniel wurde gesagt, dass Jerusalem<br />
und das Heiligtum, der Tempel, durch den Ungehorsam<br />
und die Rebellion <strong>des</strong> Volkes Israel erneut<br />
zerstört werden würde, genau wie zu Daniels Zeiten.<br />
Genau das ist auch geschehen. In einem tieferen<br />
Sinn war die Zerstörung der Stadt und <strong>des</strong><br />
Tempels von Jerusalem im Jahre 70 n. Chr. weniger<br />
das Werk der römischen Soldaten als vielmehr<br />
das Ergebnis der Übertretung <strong>des</strong> Volkes Gottes<br />
durch die Ablehnung <strong>des</strong> Messias, den Gott zu<br />
ihnen gesandt hatte. <strong>Die</strong> Ereignisse, die Daniel zu<br />
seiner Zeit beklagte, würden sich also leider in der<br />
Zukunft nochmal wiederholen.<br />
DER GRÄUEL DER VERWÜSTUNG UND<br />
DIE ULTIMATIVE HOFFNUNG<br />
Damit kommen wir zu den letzten Worten <strong>des</strong><br />
Kapitels, die schwieriger sind als alles, was wir<br />
bisher betrachtet haben. »Und Er wird mit den Vielen<br />
einen festen Bund schließen eine Woche lang; und in der<br />
Mitte der Woche wird Er Schlacht- und Speisopfer aufhören<br />
lassen, und neben dem Flügel werden Gräuel der<br />
Verwüstung aufgestellt, und zwar bis die fest beschlossene<br />
Vernichtung sich über den Verwüster ergießt.«<br />
Was der Vers 27 uns vor Augen führt, ist ein<br />
krönender Höhepunkt, der die Verwüstung <strong>des</strong><br />
endgültigen Gerichts verursacht, von dem uns<br />
im vorhergehenden Vers gesagt wurde, dass es<br />
für Jerusalem verordnet worden sei. Im Lichte<br />
<strong>des</strong>sen, was wir bereits gesagt haben, scheint es<br />
wahrscheinlich, dass dieser extreme Gräuel, der<br />
die Zerstörung Jerusalems und seines Tempels<br />
verursacht hat, nichts anderes ist als die Kreuzigung<br />
Christi, die Ablehnung und Ausrottung <strong>des</strong><br />
von Gott ernannten Messias, anstatt ein Ereignis<br />
zu beschreiben, das noch in der Zukunft liegt.<br />
Wenn dies jedoch Jerusalems endgültiges Schicksal<br />
sein sollte, war dann Jeremias Prophezeiung<br />
auf einen Neuen Bund vergeblich? War Israel in<br />
einem sich endlos wiederholenden Kreislauf von<br />
Übertretung und Zerstörung gefangen? Ganz und<br />
gar nicht. Der Herr hatte bereits in Daniel 9,24<br />
voiceofhope.de | 9
deutlich gemacht, dass Er in der Tat alles, wovon<br />
Jeremia gesprochen hatte, im Neuen Bund verwirklichen<br />
würde. In Vers 27 wird bestätigt, dass<br />
trotz der anhaltenden Bosheit und Rebellion Seines<br />
Volkes, die in der Ablehnung <strong>des</strong> Messias und<br />
der daraus folgenden Zerstörung Jerusalems gipfeln<br />
würde, Er dennoch den Bund Gottes mit den<br />
Vielen schließen und Seine Verheißungen wirksam<br />
machen würde. Im Angesicht <strong>des</strong> ultimativen<br />
Gräuels würde Gottes Gnade ihren endgültigen<br />
Triumph finden.<br />
Darin liegt die Hoffnung für die schlimmsten<br />
Sünder in ihren dunkelsten Momenten. Selbst<br />
wenn wir Christus durch unseren Lebensstil gekreuzigt<br />
haben, ist Gottes Gnade für unsere Sünde<br />
ausreichend, wenn wir in Reue zu Ihm kommen.<br />
Selbst wenn wir uns gegen Ihn in jeder möglichen<br />
Weise aufgelehnt und versündigt haben,<br />
gibt es noch Hoffnung. Ob unsere Rebellion nun<br />
mit Drogen, sexueller Sünde, Gewaltverbrechen,<br />
Steuerhinterziehung oder böswilliger Grausamkeit<br />
zu tun hat, auch dann können wir zu Demjenigen<br />
kommen, der »ausgerottet« wurde, und<br />
die Barmherzigkeit und Vergebung empfangen,<br />
die wir brauchen (siehe 1.Kor. 6,9-11). Wir können<br />
von Ihm eine wirksame Reinigung erhalten, eine<br />
Reinigung, die uns letztlich von jeder einzelnen<br />
unserer Sünden reinigt. Welch eine wunderbare<br />
Errettung haben die, welche in Glauben und Buße<br />
zu Christus kommen!<br />
Daniel 9 zeigt uns auch, dass Christus unsere einzige<br />
Hoffnung in der Finsternis ist. Opfer und Gaben<br />
waren in der alttestamentlichen Zeit die vorgeschriebenen<br />
Mittel, mit denen sündige Männer<br />
und Frauen angewiesen wurden, sich Gott zu nahen.<br />
Doch mit dem Kommen unseres Herrn wurden<br />
diese Opfer abgeschafft. Es wäre eine Beleidigung<br />
gegenüber dem vollkommenen Opfer Jesu,<br />
aber auch eine Tragödie, die Uhr zurückzudrehen,<br />
als ob der Tempel in Jerusalem in der Gegenwart<br />
wiederaufgebaut werden könnte und seine Opfergaben<br />
wieder wirksam werden könnten (siehe<br />
Hebr. 10).<br />
Mehr noch, wenn sogar die Mittel, die Gott<br />
Selbst unter dem alten Bund bestimmt hatte,<br />
jetzt durch das Kommen Christi übertroffen<br />
werden, wie viel weniger könnten wir uns Gott<br />
durch irgendein Mittel menschlicher Erfindung<br />
und Weisheit nähern! Christus, und nur Christus<br />
allein, ist derjenige, durch den wir Zugang zu<br />
Gott haben und die Vergebung und den Frieden<br />
empfangen müssen, die Er uns in Seiner Gnade<br />
schenkt. Das Blut <strong>des</strong> Neuen Bun<strong>des</strong> ist das Blut<br />
Christi, welches das einzige Reinigungsmittel ist,<br />
das in der Lage ist, uns von all unseren Sünden<br />
wirksam reinzuwaschen. Es gibt keinen anderen<br />
Weg, um in Gottes Gegenwart zu treten und dabei<br />
zu überleben.<br />
Schließlich erinnert uns Daniel 9 daran, dass wir<br />
weiterhin über diese Weltzeit hinaus nach der<br />
letztendlichen Erfüllung von Gottes Verheißungen<br />
suchen sollten. Wir können und sollten uns<br />
für die Verbreitung <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> in dieser<br />
Welt einsetzen; jeder Christ und jede Gemeinde<br />
sollte, auf welche Weise sie auch immer in der<br />
Lage dazu sind, dies tun, solange uns noch Zeit<br />
zur Verfügung steht. Doch unsere letzte Hoffnung<br />
ist der Posaunenklang <strong>des</strong> Jubiläums Gottes, der<br />
das Kommen <strong>des</strong> Sieges ankündigen wird, den<br />
Christus für uns, die wir Sein Volk sind, errungen<br />
hat, der aber gegenwärtig noch im Himmel für<br />
uns aufbewahrt wird.<br />
Während ein Tag auf den anderen folgt, müssen<br />
unsere Augen ständig nach vorn gerichtet sein<br />
und nach jener Zeit Ausschau halten, in welcher<br />
der Neue Bund in Fülle vollendet wird, wenn wir<br />
den Kelch <strong>des</strong> Neuen Bun<strong>des</strong> mit dem Herrn Jesus<br />
in der Ewigkeit trinken werden. An jenem Tag<br />
werden all unsere Übertretungen beendet, unsere<br />
Sünde abgetan, unsere Missetat gesühnt und unsere<br />
ewige Gerechtigkeit für immer gesichert sein.<br />
Dann wird das Neue Jerusalem vom Himmel herabkommen<br />
und Gottes letzte Herrschaft <strong>des</strong> Friedens<br />
und der Ruhe einläuten, und wir werden mit<br />
Ihm in Herrlichkeit regieren.<br />
Doch bis zu jenem Tag wird uns der Weg, den<br />
wir noch zurücklegen müssen, um zur Herrlichkeit<br />
zu kommen, nicht allzu lang erscheinen, auch<br />
wenn unsere Zeit hier noch voller Prüfungen und<br />
Widerstände zwischen uns und unserem endgültigen<br />
Ziel liegt. Gottes herrliche Gegenwart<br />
ist eine ausreichende Ermutigung auf dem Weg,<br />
und sie wird am Ende unserer Reise eine überaus<br />
glückselige Belohnung sein. Der Herr sichert uns<br />
zu: »Und siehe, Ich komme bald und Mein Lohn mit Mir,<br />
um einem jeden so zu vergelten, wie sein Werk sein wird«<br />
(Off. 22,12).<br />
10 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 4/<strong>2020</strong>
GOTTES<br />
WEGE sind<br />
höher als<br />
UNSERE WEGE<br />
EIN EHEMALIGER FLÜCHTLING<br />
KEHRT ZURÜCK IN SEIN HEIMATLAND<br />
Vor etwa 15 Jahren begab sich ein junger<br />
Mann auf die Flucht. Er floh aus seinem<br />
Heimatland Sierra Leone. Er floh vor der<br />
Armut und den entsetzlichen Erinnerungen. Er<br />
floh vor der finsteren Hoffnungslosigkeit, in der<br />
sich Sierra Leone, das sogenannte Armenhaus<br />
Westafrikas, befand. Der Gedanke an seine Heimat<br />
Sierra Leone sollte Freude und Ruhe in ihm<br />
hervorrufen; doch in Wirklichkeit war das Gegenteil<br />
der Fall.<br />
AUF DER FLUCHT<br />
Daniel war noch ein Kind, als er als Soldat in den<br />
Krieg ziehen musste. Anfang 2002 wurde das<br />
Ende <strong>des</strong> Bürgerkriegs verkündet, und Millionen<br />
von Menschen waren auf der Flucht; die wirtschaftliche<br />
und staatliche Struktur war weitgehend<br />
zerstört, und auch vom Gesundheits- und<br />
Schulsystem <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> war nicht mehr viel übrig.<br />
Daniels Eltern lebten nicht mehr, seine Familie<br />
war zerrissen. Ihn hielt dort nichts mehr. Wie<br />
viele andere Menschen flüchtete er.<br />
In Gambia blieb er für einige Jahre. Gambia ist<br />
ein muslimisches Land; 90% der Bevölkerung besteht<br />
aus Muslimen. Doch weil Daniel katholisch<br />
erzogen worden war, zog es ihn zu christlichreligiösen<br />
Menschen. Bei ihnen wurde er zeitweilig<br />
aufgenommen und bekam die Chance, 2 Jahre<br />
lang den Bibelunterricht zu besuchen.<br />
Anfang 2013 ging es für ihn weiter in Richtung<br />
Mittelmeerküste. Sein Ziel war: Europa.<br />
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EIN AUSSERGEWÖHNLICHER<br />
BEGLEITER<br />
Bei einer unserer Reisen nach Sizilien, im April<br />
2014, lernten wir Daniel kennen, weil er nach seiner<br />
Flucht über das Mittelmeer in einem Flüchtlingslager<br />
aufgenommen worden war. Wir nahmen<br />
ihn zunächst mit auf unsere Fahrten in die<br />
Flüchtlingslager. Dort verteilten wir Bibeln, Literatur<br />
und hin und wieder Nahrungsmittel und<br />
Kleidung. Unser Ziel auf Sizilien war es, die große<br />
Anzahl von Flüchtlingen mit dem Evangelium zu<br />
erreichen. <strong>Die</strong> unzähligen Fahrten zu den vielen<br />
verschiedenen Flüchtlingslagern waren ideale<br />
Möglichkeiten, Daniel kennenzulernen und mit<br />
ihm über Gottes Wort zu sprechen. Wir merkten,<br />
wie viele Bibeltexte er frei zitieren konnte und mit<br />
welch einem Interesse er über Gottes Wort sprechen<br />
wollte; doch wir stellten auch fest, dass vieles<br />
von seiner Bibelkenntnis bloß auf verstan<strong>des</strong>mäßigem<br />
Wissen und der Tradition beruhte.<br />
Als wir nach Hause kamen und der Gemeinde von<br />
der Missionsreise erzählten, lag es uns auf dem<br />
Herzen, besonders für den Flüchtling Daniel zu<br />
beten. Uns wurde klar, dass Gott uns gebrauchen<br />
wollte, um Daniel den Heilsweg genauer zu erklären<br />
und ihn in der biblischen Lehre näher zu<br />
unterweisen. So nahmen wir ihn auf wie ein Familienmitglied<br />
und sorgten für ihn. Wegen der<br />
Distanz trafen wir uns mit ihm hauptsächlich<br />
während unserer Reisen nach Sizilien, also im<br />
Durchschnitt etwa jeden zweiten Monat für ein<br />
bis zwei Wochen. (Manchmal waren es aber auch<br />
bis zu 9 Reisen im Jahr.) Für die Zeit zwischen unseren<br />
Treffen gaben wir Daniel Predigten, Kommentare<br />
und weiteres Studienmaterial, das er<br />
studieren und mit dem er lernen konnte.<br />
VOM FLÜCHTLING<br />
ZUM EVANGELISTEN<br />
Durch Gottes Gnade durfte Daniel Gottes Wort<br />
mehr und mehr kennenlernen. Viele persönliche<br />
Gespräche, viele Predigten und Bücher, insbesondere<br />
von John MacArthur, gebrauchte Gott, um<br />
sein Herz zu verändern und ihn zu echter Sündenerkenntnis<br />
und Buße zu führen. So schenkte der<br />
Herr uns eine gesegnete Zusammenarbeit über<br />
mehrere Jahre.<br />
Ab 2015 wagten wir einen weiteren Schritt. Wir<br />
rüsteten Daniel mit Bibeln und Bibelkursmaterial<br />
aus, damit er damit bei regelmäßigen Treffen mit<br />
kleineren Gruppen von Flüchtlingen Bibelunterricht<br />
durchführen konnte. So lernte er selbst und<br />
gab das Gelernte anschließend weiter. Etwa zwei<br />
Mal jährlich kam er zu uns nach Deutschland,<br />
nahm an Seminaren teil, besuchte hier den Bibelunterricht<br />
und verbrachte viel Zeit mit der Gemeinde<br />
vor Ort. Daniel ist Teil unserer Gemeinde<br />
in Reichshof geworden. Er betet für uns, unsere<br />
Familien und unsere Arbeit. Und in den Gebeten<br />
der Gemeinde werden Daniel und seine Familie<br />
nie vergessen. Seine Familie?<br />
12 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 4/<strong>2020</strong>
EINE HOCHZEIT<br />
IN SIERRA LEONE<br />
Ja, Daniel hatte den Wunsch zu heiraten.<br />
Gemeinsam baten wir Gott in den nächsten<br />
Monaten und Jahren um Seine Führung für<br />
Daniel. Im Alter von 32 Jahren reiste er zum<br />
ersten Mal zurück in seine Heimat nach Sierra<br />
Leone und lernte dort Patricia kennen. Er<br />
sprach vor Ort mit ihren Eltern und hielt um<br />
ihre Hand an. Sie und auch Patricia willigten<br />
gern ein. Dann sprach er auch mit dem Pastor<br />
der Gemeinde, aus der sie kam. Im selben<br />
Jahr – es war im September 2018 – wurden<br />
sie Mann und Frau. Patricia war bereit, mit<br />
Daniel nach Sizilien zu ziehen und ihn dort<br />
in seinem <strong>Die</strong>nst zu unterstützen. Doch alles<br />
Bemühen um eine Familienzusammenführung<br />
bei der italienischen Behörde war vergebens.<br />
Wir beteten viel für diese menschlich<br />
gesehen ausweglose Lage. Wir wissen, dass<br />
Gott alles lenkt und regiert, und dass es für<br />
Ihn auch ein Leichtes ist, Patricia einen Umzug<br />
zu ihrem Mann nach Sizilien zu ermöglichen.<br />
Doch Gott öffnete einen anderen Weg …<br />
GOTTES WEGE SIND<br />
HÖHER ALS UNSERE WEGE<br />
Als Daniel sich darauf vorbereitete, für einen<br />
Monat nach Sierra Leone zu reisen, um Patricia<br />
zu heiraten, nahm er Bibeln, Literatur<br />
und Geschenke mit. Er flog dorthin, erreichte<br />
ihr Dorf und sah ein altvertrautes Bild – aus<br />
einer neuen Perspektive.<br />
Der Herr hatte sein Leben verändert, seine<br />
Ziele, Wünsche, Pläne, ja sein ganzes Denken.<br />
Zu den Verlorenen, die er früher gar nicht<br />
gesehen, geschweige denn für sie Mitleid<br />
empfunden hätte, hat Gott ihm Retterliebe<br />
geschenkt. Als er jetzt hier in seiner Heimat<br />
war und in die Gesichter schaute, entdeckte<br />
er eine derart mitleiderregende Leere und<br />
Hoffnungslosigkeit, dass es ihm auf der Seele<br />
brannte, ihnen die Botschaft der Errettung zu<br />
bringen. So begann er schon eine Woche nach<br />
der Hochzeit, in den Dörfern zu predigen und<br />
in kleineren und größeren Gruppen Bibelun-<br />
voiceofhope.de | 13
terricht zu geben. Das mitgebrachte Material war<br />
hervorragend dazu geeignet. Auch den kleinen<br />
und größeren Kindern in der Schule predigte er<br />
die frohe Botschaft von Jesus Christus und verteilte<br />
Jugendlichen und Erwachsenen christliche Bücher<br />
und Traktate. Das tat er während der ganzen<br />
Zeit seines Aufenthalts.<br />
GOTTES GNADE<br />
BEI WEITEREN SCHRITTEN<br />
In der darauf folgenden schwierigen Zeit, in der<br />
wir uns gemeinsam um die Familienzusammenführung<br />
bemühten, ist Daniel immer wieder nach<br />
Sierra Leone gereist, um bei seiner Frau zu sein,<br />
und er nutzte jeweils die Zeit auch für den Bibelunterricht<br />
und für Besuche in der muslimischen<br />
Schule – die einzige »Grundschule« in der näheren<br />
Umgebung –, wobei er den Kindern die frohe<br />
Botschaft <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> vermittelte und ihnen<br />
Geschenke, wie Stifte, Schreib- und Ausmalhefte<br />
und Süßigkeiten, mitbrachte. Der <strong>Die</strong>nst an den<br />
Menschen in Sierra Leone weitete sich aus, und<br />
wir begannen, um einen geschützten Ort zu beten,<br />
an dem man sich ungehindert versammeln<br />
kann, und wo auch Kinder in biblischer Weise unterrichtet<br />
werden können. <strong>Die</strong>ses Gebet erhörte<br />
der Herr, indem Er die Möglichkeit schenkte, eine<br />
Kirche und eine Schule zu bauen.<br />
EINE GROSSE<br />
ENTSCHEIDUNG<br />
In der Zwischenzeit haben Daniel und Patricia<br />
ihre Tochter Lydia bekommen. Das machte ihr gemeinsames<br />
Anliegen, als Familie zusammenzuwohnen,<br />
noch dringlicher. Somit wurden auch unsere<br />
Gebete noch ernster und flehender. Während<br />
seines letzten Aufenthalts in Sierra Leone haben<br />
Daniel und Patricia beschlossen, dass er zurück<br />
in seine Heimat zieht. Bald werden sie glücklich<br />
vereint sein – ohne monatelange Trennungen. Sofort<br />
nach seiner letzten Rückkehr nach Sizilien in<br />
diesem September begannen wir gemeinsam, alle<br />
Vorbereitungen für den Umzug zu treffen. Wir erkundigten<br />
uns nach einem Container, um Literatur,<br />
Daniels Möbel und die Haushaltsausstattung,<br />
die wir ihm für seinen <strong>Die</strong>nst in Palermo besorgt<br />
hatten, ein Auto, sowie weitere Dinge, die für die<br />
Arbeit dort nötig sind, nach Sierra Leone transportieren<br />
zu lassen.<br />
EIN RÜCKBLICK<br />
Heute schauen wir zurück und staunen, wie unser<br />
Herr die Menschen so liebt! Er errettete den<br />
Flüchtling Daniel und machte ihn zu einem Verkündiger<br />
<strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong>.<br />
Gott hat uns als Gemeinde in Reichshof durch<br />
unser Missionswerk Voice of Hope in Seiner wunderbaren<br />
Gnade insgesamt über 50 Reisen nach<br />
Sizilien und Lampedusa ermöglicht, bei denen<br />
mehr als 40 Flüchtlingslager besucht wurden.<br />
Er vertraute dem Werk über 100.000 Bibeln und<br />
über 60.000 Kalender an, dazu zahlreiche Schriften<br />
und Traktate, die den Menschen dort weitergegeben<br />
werden konnten. In den vergangenen<br />
Jahren waren insgesamt rund 250 Personen aus<br />
England, Rumänien, den Niederlanden, Russland,<br />
Amerika, Österreich, aus der Schweiz, aus<br />
Frankreich und Deutschland – darunter Kinder<br />
und Jugendliche, aus Gemeinden und Schulen,<br />
Pastoren und Theologen, Evangelisten und Missionare,<br />
Ärzte und Lehrer – vor Ort und haben dort<br />
etwas von Gottes Wirken gesehen. Und das alles<br />
ist der Güte Gottes zu verdanken.<br />
Jeder einzelne Beter, jeder einzelne Evangelist<br />
und Prediger, jeder einzelne Spender, jeder<br />
Besucher, Teilnehmer und Mitarbeiter ist nur ein<br />
kleines Rädchen in dem großen Werk Gottes auf<br />
Sizilien – Christus steht im Mittelpunkt <strong>des</strong> Geschehens,<br />
und Ihm sei für das alles die Ehre!<br />
So Gott will und wir leben, wird unser Bruder und<br />
Mitarbeiter Daniel mit seiner Frau Patricia die<br />
Missionsarbeit von nun an in seinem Heimatgebiet<br />
in Sierra Leone fortführen.<br />
<strong>Die</strong> »Heimat« Sierra Leone hat nun eine neue Bedeutung.<br />
Es ist der Ort, zu dem wir gemeinsam mit Daniel<br />
und Patricia das Licht <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> bringen wollen.<br />
Das Evangelium ist Gottes <strong>Kraft</strong>, die jedem, der<br />
glaubt, Rettung bringt. Denn im Evangelium zeigt<br />
uns Gott Seine Gerechtigkeit – eine Gerechtigkeit,<br />
zu der man durch den Glauben Zugang hat;<br />
diese Gerechtigkeit kommt dem zugute, der Jesus<br />
Christus vertraut. <strong>Die</strong>se rettende Botschaft wollen<br />
wir den Hoffnungslosen in jenem armen Volks-<br />
14 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 4/<strong>2020</strong>
stamm verkündigen. <strong>Die</strong>ser <strong>Die</strong>nst ist aber auch<br />
mit großen Herausforderungen verbunden. Jeder<br />
treue Verkündiger der Wahrheit begibt sich mit<br />
seinem <strong>Die</strong>nst an die vorderste Front im Kampf<br />
für das Reich Gottes. Möge der Herr durch Sein<br />
Wort und Seinen Geist jeden Seiner <strong>Die</strong>ner mit<br />
Weisheit, Mut und <strong>Kraft</strong> erfüllen, um das Wort der<br />
Wahrheit mit Hingabe und Treue zu verkündigen,<br />
bis der HERR wiederkommt!<br />
Wenn der Herr es Ihnen, liebe Missionsfreunde, aufs Herz legt,<br />
diesen Umzug von Daniel und unsere Arbeit in Sierra Leone im Gebet und finanziell zu<br />
unterstützen, möchten wir Ihnen hier noch einmal kurz die Anliegen mitteilen:<br />
- Bitte beten Sie darum, dass der Name unseres Gottes in Sierra Leone bekannt und geehrt wird!<br />
- Bitte beten Sie, dass der Herr Sein Reich in Sierra Leone baut und Menschen Seiner Gemeinde hinzufügt!<br />
- Bitte beten Sie um Segen für Daniels und Patricias neuen Weg und ihre Zukunft!<br />
Der <strong>Die</strong>nst, den sie bald antreten werden, ist unter anderem aufgrund der Finsternis<br />
und Gottesferne in diesem Gebiet sehr herausfordernd.<br />
- <strong>Die</strong> ganze Organisation <strong>des</strong> Umzugs sowie der Container und Flug sind sehr kostspielig.<br />
<strong>Die</strong>se dürfen Sie gern mit einer Spende unterstützen.<br />
- Auch für das Fertigstellen der Kirche und der Schule sowie für deren Ausstattung werden noch Mittel<br />
benötigt.<br />
- Wir danken dem Herrn, dass zwei Paletten mit Bibeln und Kalendern von der<br />
Bibelgesellschaft TBS (England) im November in Sierra Leone eingetroffen sind!<br />
- Wir danken dem Herrn für Studienbibeln und zahlreiches Lehr- und Erbauungsmaterial sowie für evangelistische<br />
Literatur, die Grace to You bereitgestellt hat.<br />
Vielen Dank für Ihre Gebete & Gaben!
PAUL D. TRIPP<br />
Was unsere<br />
Kinder brauchen<br />
»Was wollen wir nun sagen? Ist das Gesetz Sünde?<br />
Das sei ferne! Aber ich hätte die Sünde nicht erkannt,<br />
außer durch das Gesetz; denn von der Begierde<br />
hätte ich nichts gewusst, wenn das Gesetz nicht<br />
gesagt hätte: Du sollst nicht begehren!«<br />
Römer 7,7<br />
16 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 4/<strong>2020</strong>
Unsere Kinder werden mit der dringenden<br />
Bedürftigkeit nach dem Gesetz Gottes<br />
geboren – also nach den Anordnungen<br />
Gottes, die wir in der Bibel finden. Da sie als<br />
»Toren« auf diese Welt kommen und nicht wissen,<br />
was wahr oder was falsch ist, was gut oder<br />
schlecht ist, was richtig oder was verkehrt ist,<br />
brauchen sie die Gnade der Weisheit, die ihnen<br />
allein das Gesetz Gottes geben kann. Wenn das<br />
Gesetz Gottes nicht wäre, dann hätte der Mensch<br />
keinerlei Vorstellung davon, wie er denken sollte,<br />
wonach er Verlangen haben sollte, wie er reden<br />
sollte oder wie er sich verhalten sollte. Wie<br />
alle Menschen, so sind auch unsere Kinder nicht<br />
dazu geschaffen, über sich selbst Herrschaft auszuüben.<br />
Selbstherrschaft meint: von eigenständigen<br />
Gedanken und Sehnsüchten geleitet werden.<br />
Kinder müssen Pfade aufgezeigt bekommen,<br />
auf denen sie sich bewegen können. Sie müssen<br />
Grenzen gesetzt bekommen, innerhalb derer sie<br />
sich aufhalten können. Deshalb hat Gott uns in<br />
Seiner wundervollen Barmherzigkeit Sein Gesetz<br />
gegeben, damit unser Verhalten von einem deutlichen<br />
Wissen über das, was richtig und falsch ist,<br />
gesteuert werden kann. Aber diese Leitung durch<br />
das Gesetz soll noch etwas anderes bewirken: Sie<br />
soll unsere Kinder auch vor sich selbst schützen.<br />
Alle Kinder kommen als Sünder auf diese Welt.<br />
Das bedeutet, dass alle Kinder eine Gefahr für<br />
sich selbst darstellen und den Schutz benötigen,<br />
den ihnen Gottes Gesetz gibt. Da Gottes Gesetz<br />
unseren Kindern Leitung und schützende Weisheit<br />
gibt, die sie ohne das Gesetz nicht hätten, ist<br />
das Gesetz Gottes also für sie gut.<br />
Und es ist noch in einer anderen Hinsicht<br />
gut für unsere Kinder. Es gibt ihnen nämlich die<br />
Gnade der Überführung. Ohne das Gesetz Gottes<br />
wüssten unsere Kinder nicht, dass sie Sünder sind,<br />
die Schutz, Weisheit, Vergebung und Errettung<br />
brauchen. Um festzustellen, ob man ein Brett zu<br />
kurz abgeschnitten hat, muss man einen Zollstock<br />
anlegen. Eines der gefährlichsten Dinge im Leben<br />
eines Kin<strong>des</strong> ist, dass es blind für seine geistliche<br />
Notlage ist. Ein Kind, das sich nicht im rechten<br />
Licht sieht, wird sich der Weisheit, Leitung, Züchtigung<br />
und Korrektur widersetzen. Warum? Weil<br />
es meint, dass es diese Dinge nicht brauche. Das<br />
Gesetz ist sehr gut, nicht nur, um unser Verhalten,<br />
sondern auch, um unsere Herzen offenbar zu machen.<br />
Gottes Gesetz ist der ultimative Maßstab,<br />
mit dem der Mensch gemessen werden kann. Und<br />
<strong>des</strong>halb ist es gut für unsere Kinder, dass sie regelmäßig<br />
diesem Maßstab ausgesetzt werden und<br />
von diesem Maßstab offenbar gemacht werden.<br />
UNSERE KINDER MÜSSEN UM<br />
DIE KRAFTLOSIGKEIT DES GESETZES WISSEN<br />
Ja, unsere Kinder brauchen in ihrem Leben das<br />
Gesetz Gottes. Aber es ist sehr gefährlich, wenn<br />
Eltern das Gesetz täglich gebrauchen, um mit<br />
ihm das tun zu wollen, was allein die Gnade bewirken<br />
kann. Und ich befürchte, dass sehr viele<br />
gläubige Eltern, ohne sich <strong>des</strong>sen bewusst zu<br />
sein, genau das tun. Sie haben christliche Kindererziehung<br />
darauf reduziert, wahrhaft treue Gesetzgeber,<br />
in Gewahrsam nehmende Polizisten,<br />
Staatsanwalt, Richter und Gefängniswärter zu<br />
sein. <strong>Die</strong> Folge davon ist, dass ihre Kindererziehung<br />
im Grunde aus einem mit Strafandrohungen<br />
verknüpften Regelwerk besteht. Ja, Kinder<br />
brauchen Regeln, und sie brauchen gewissenhafte<br />
Korrektur – doch das allein reicht nicht aus.<br />
Denken wir einmal darüber nach. Wenn alles,<br />
was unsere Kinder benötigen würden, lediglich<br />
das Wissen um und die Durchsetzung von Regeln<br />
wäre, dann wären – wie bereits erwähnt<br />
– das Leben, der Tod und die Auferstehung Jesu<br />
nicht notwendig gewesen. Der Herr Jesus kam,<br />
weil das Gesetz zwar gut ist, aber nicht ausreicht,<br />
um das große menschliche Dilemma der Sünde<br />
zu lösen. Ich möchte daran erinnern: <strong>Die</strong> größte<br />
Gefahr für unsere Kinder ist nicht das Böse in<br />
der Welt da draußen. <strong>Die</strong> größte aller Bedrohungen<br />
für das Wohl unserer Kinder ist die in ihnen<br />
wohnende Sünde.<br />
Alle Eltern müssen verstehen: Das Gesetz leistet<br />
eine vorzügliche Arbeit, was das Aufdecken<br />
der Sünde unserer Kinder anbelangt; aber es besitzt<br />
nicht die geringste <strong>Kraft</strong> dazu, unsere Kinder<br />
von der Sünde zu befreien. Das Gesetz besitzt<br />
nicht die Fähigkeit, unsere Kinder aus der gewaltigen<br />
Umklammerung der Sünde zu retten. Das<br />
Gesetz kann unseren Kindern keine neuen Her-<br />
voiceofhope.de | 17
zen schenken. Das Gesetz kann nicht die dauerhafte<br />
Veränderung in unseren Kindern bewirken,<br />
nach der sich alle Eltern sehnen. Das Gesetz kann<br />
und wird unsere Kinder nicht erretten, erlösen<br />
und neu machen. Doch genau das ist es, was je<strong>des</strong><br />
Kind benötigt. Wenn wir selbst ein Werkzeug der<br />
Veränderung in der Hand Gottes im Leben unserer<br />
Kinder sein möchten, brauchen wir <strong>des</strong>halb in<br />
unserem persönlichen »Erziehungs-Werkzeugkasten«<br />
mehr als lediglich das Gesetz.<br />
Aber ich möchte noch etwas anderes hinzufügen.<br />
Wir Eltern neigen nicht nur dazu, all unsere Hoffnung<br />
für unsere Kinder auf das Gesetz zu setzen,<br />
sondern wir neigen auch dazu, Gottes vollkommenes<br />
Gesetz durch armselige, unzulängliche,<br />
menschliche Gesetze zu ersetzen. Und so wird in<br />
gewisser Hinsicht Gottes Gesetz durch unser Gesetz<br />
ersetzt – einem Gesetz, das leider aus unserem<br />
Verlangen nach Bestätigung, Kontrolle, Ruhe,<br />
Erfolg und Ansehen entstanden ist. Wir richten<br />
selbstsüchtige, ungeduldige und zornige Forderungen<br />
an unsere Kinder. Wir behandeln sie, als<br />
wären sie unsere <strong>Die</strong>ner, als wäre ihre Existenz<br />
darin begründet, uns die Last unserer täglichen<br />
Pflichten zu verringern und unser Leben bequemer<br />
zu gestalten. Doch unsere Kinder sind nicht<br />
um unseretwillen erschaffen und uns nicht unsertwegen<br />
gegeben worden, sondern um Gottes<br />
willen und zu ihrem Besten.<br />
Und dann ärgern wir uns über unsere Kinder,<br />
doch nicht zuallererst <strong>des</strong>halb, weil sie Gottes<br />
Gesetz brechen, sondern weil sie unserem Gesetz<br />
– dem, was wir wollen – im Wege stehen. Stellen<br />
Sie sich doch einmal die Frage: Wie viel von Ihrem<br />
elterlichen Ärger hatte in den vergangenen Monaten<br />
auch nur irgendetwas mit dem Gesetz Gottes<br />
zu tun? Es ist nicht lediglich die Abhängigkeit<br />
vom Gesetz, die uns als Gottes Repräsentanten im<br />
Leben unserer Kinder davon abhält, all das zu tun,<br />
was wir tun sollten. Auch das Ersetzen <strong>des</strong> Gesetzes<br />
Gottes führt dazu, dass wir viele Dinge tun, die<br />
wir in Bezug auf unsere Kinder nicht tun sollten.<br />
Doch das Gute ist, dass es tatsächlich einen anderen<br />
und besseren Weg für uns und unsere Kinder<br />
gibt.<br />
WIR MÜSSEN VERSTEHEN, DASS GOTTES GNADE<br />
VON ENTSCHEIDENDER BEDEUTUNG IST<br />
Ich denke, dass wir schockiert wären, wenn wir<br />
wüssten, wie viele Eltern, die am Sonntag gerne<br />
von der Gnade Gottes singen, diese Gnade den<br />
Rest der Woche bei der Erziehung ihrer Kinder<br />
vollkommen vergessen. Aber ohne die Gnade<br />
Gottes werden unsere Kinder nicht zu dem, was<br />
sie sein sollten, und werden nicht das tun, was<br />
sie tun sollten. Vergessen wir nicht, dass es die in<br />
ihnen wohnende Sünde ist, die alles zerstört. Es<br />
ist die Sünde, die unsere Kinder dazu bringt, sich<br />
unserer Leitung und Autorität zu widersetzen.<br />
Es ist die Sünde, die dazu führt, dass Kinder sich<br />
ständig mit ihren Geschwistern streiten. Es ist<br />
die Sünde, die unsere Kinder dabei behindert, in<br />
der Schule etwas zu lernen. Es ist die Sünde, die<br />
dazu führt, dass Kinder von ebenden Dingen angezogen<br />
werden, die schmerzhaft oder schädlich<br />
für sie sind. Es ist die Sünde, die dazu führt, dass<br />
unsere Kinder anspruchsvoll, einfordernd, materialistisch<br />
und unzufrieden sind. Es ist die Sünde,<br />
die bewirkt, dass sich unsere Kinder so verhalten,<br />
als wären sie das Zentrum <strong>des</strong> Universums und als<br />
müsste das Leben ihren Befehlen gehorchen. Es<br />
ist die Sünde, die dazu führt, dass Kinder zu ihren<br />
Eltern, Geschwistern und zu Gleichaltrigen verletzende<br />
Dinge sagen. Es ist die Sünde, die Erziehung<br />
schwierig, anspruchsvoll und anstrengend macht.<br />
Das Gesetz kann unsere Kinder aus dem Schlamassel,<br />
mit dem wir Eltern uns täglich konfrontiert<br />
sehen, nicht befreien. Unsere Kinder kamen<br />
mit dem dringenden Bedürfnis nach Gottes rettender,<br />
vergebender, verändernder und erlösender<br />
Gnade auf die Welt. Gottes Gnade ist die einzige<br />
Hoffnung sowohl für uns Eltern als auch für<br />
unsere Kinder. Als Eltern sind wir nicht nur dazu<br />
berufen, im Leben unserer Kinder das Gesetz geltend<br />
zu machen, sondern auch dazu, ihnen fortwährend<br />
Gottes Gnade zu lehren und anschaulich<br />
zu machen.<br />
Aber ich muss Sie, liebe Eltern, auch daran<br />
erinnern, dass Sie diese Gnade ebenso sehr benötigen<br />
wie Ihre Kinder. Wenn wir jemals Gottes<br />
Botschafter sein wollen, dann müssen wir durch<br />
die gewaltige Gnade von unseren eigenen Fes-<br />
18 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 4/<strong>2020</strong>
seln befreit werden. Und das heißt: Wir müssen<br />
von dem Gesetz unserer eigenen Bequemlichkeit,<br />
<strong>des</strong> Vergnügens, <strong>des</strong> Erfolgs und der Kontrollsucht<br />
befreit werden. Es ist nicht die Sünde unserer<br />
Kinder, die guter Erziehung im Weg steht,<br />
sondern unser Streben nach einer Elternschaft,<br />
die sich um das kleine Reich unserer Wünsche,<br />
Bedürfnisse und Sehnsüchte dreht, in welchem<br />
unsere Kinder eher den Zielen unseres Reiches<br />
dienen, als sich den Zielen <strong>des</strong> Reiches Gottes unterzuordnen<br />
...<br />
Ich glaube, dass uns in unseren Reaktionen gegenüber<br />
unseren Kindern sehr häufig unausgesprochene<br />
Gesetze steuern, bei denen es allerdings<br />
mehr um das geht, was wir für uns selbst<br />
und unser Leben wollen, als um das, was Gott für<br />
unsere Kinder und von unseren Kindern will. Und<br />
weil wir in unserer Beziehung zu unseren Kindern<br />
unserem Gesetz treu sind, brechen wir letztendlich<br />
das Gesetz Gottes. Damit sind wir das, was unsere<br />
Kinder auch sind: Menschen, die von sich selbst<br />
befreit werden müssen.<br />
WIR MÜSSEN UNSEREN<br />
KINDERN DAS EVANGELIUM PREDIGEN<br />
Ich meine damit nicht, dass Eltern ihren Kindern<br />
eine Predigt halten sollen, wie wir das von den<br />
Sonntagsgottesdiensten her kennen. Nein, ich<br />
meine damit, dass wir unsere Kinder, die ja hilfsbedürftig<br />
sind, jeden Tag, bei jeder Gelegenheit<br />
auf die Gegenwart, die Verheißungen, die <strong>Kraft</strong><br />
und die Gnade Jesu hinweisen sollten. Nun, wo<br />
beginnt diese elterliche Mission der Gnade? Sie<br />
beginnt nicht mit unserer Sorge um die tiefen<br />
geistlichen Bedürfnisse unserer Kinder, sondern<br />
vielmehr mit dem demütigen Eingeständnis, wie<br />
groß unsere eigene Bedürftigkeit ist. Sie beginnt<br />
da, wo wir uns eingestehen, dass wir nicht so<br />
werden können, wie Gott uns haben möchte, und<br />
nicht das tun können, was Gott von uns als Eltern<br />
möchte – ohne die erlösende und befähigende<br />
Gnade Gottes. Denn dann werden wir uns zunehmend<br />
über unsere Erlösung freuen und dafür<br />
dankbar sein, und diese Dankbarkeit wird dazu<br />
führen, dass wir auch für unsere Kinder dieselbe<br />
Erlösung wollen.<br />
Liebe Eltern, wir müssen in allem, was wir tun,<br />
unsere Kinder auf die Gegenwart und die Verheißungen<br />
der Gnade Gottes hinweisen. Je<strong>des</strong> Gespräch<br />
ist eine Gelegenheit dazu. Jede Korrektur,<br />
jede Erziehungsmaßnahme, jeder Streit unter Geschwistern<br />
ist eine Gelegenheit. Erfolge und Misserfolge.<br />
Familienandachten. Geburtstage und<br />
Ferien. <strong>Die</strong> Schönheit der Natur. Teenager-Identitäts-fragen.<br />
Gespräche vor dem Schlafengehen.<br />
Diskussionen über die Geschichte, die man gerade<br />
gemeinsam gelesen hat. Es wird bestimmt nicht<br />
an Gelegenheiten fehlen, um unseren Kindern zu<br />
sagen, dass sie die Gnade Gottes unbedingt brauchen,<br />
und ihnen von der frohen Botschaft zu erzählen,<br />
wie Jesus dieser Not begegnen kann. Denn<br />
gemäß dem Plan Gottes bieten alle Dinge – gute,<br />
schöne, beschwerliche, traurige Dinge und alles,<br />
worüber wir uns freuen können – eine Gelegenheit,<br />
auf Gott hinzuweisen, der in Gnade über<br />
alles herrscht. <strong>Die</strong> Frage ist nur: Sehen wir diese<br />
Gelegenheiten in unserem Erziehungsalltag, und<br />
ergreifen wir sie dann auch?<br />
Was wollen Sie für Ihre Kinder? Wollen Sie<br />
einfach nur, dass sie schnell machen und gehorchen?<br />
Wollen Sie einfach nur ihr Verhalten bestimmen,<br />
so lange, bis sie nicht mehr unter Ihrer<br />
Obhut stehen? Wollen Sie nichts weiter, als dass<br />
Ihre Kinder tun, was ihnen gesagt wird, und dass<br />
Ihre Kinder Sie in der Öffentlichkeit nicht blamieren?<br />
Oder wollen Sie mehr – viel mehr? Wollen<br />
Sie Kinder, die jeden Tag nach dem Willen Gottes<br />
leben, deren Herzen voll von der Anbetung Gottes<br />
sind und die sich gerne innerhalb der von Gott gesteckten<br />
Grenzen aufhalten? Im Innern unseres<br />
Herzens wissen wir, dass wir solche Kinder aus<br />
uns selbst nicht hervorbringen können. Wahrscheinlich<br />
werden Sie bereits gemerkt haben, dass<br />
Sie die Herzen Ihrer Kinder nicht unter Kontrolle<br />
haben, nicht einmal durch die besten Standpauken,<br />
die beste Korrektur oder die allerbeste, glaubensvolle<br />
Maßregelung.<br />
Deshalb ist es an der Zeit aufzuhören, an den<br />
Herzen und im Leben der Kinder das tun zu wollen,<br />
was einzig und allein Gott tun kann. Es ist<br />
an der Zeit, dass Sie Ihr Herz ganz an die Gnade<br />
Gottes ausliefern und auch die Herzen Ihrer Kin-<br />
voiceofhope.de | 19
der dazu anleiten, der Gnade Gottes zu vertrauen.<br />
Vielleicht sagen Sie nun: »Das verstehe ich, Herr<br />
Tripp; aber ich weiß schlichtweg nicht, wie ich<br />
das praktisch umsetzen soll.« Nun, dann freue ich<br />
mich, Ihnen mitteilen zu dürfen, dass der Rest<br />
dieses Buches genau diese Thematik behandelt.<br />
WIR MÜSSEN UNSEREN KINDERN<br />
DAS EVANGELIUM DER GNADE VORLEBEN<br />
Ich weiß nur allzu gut, was es für mich bedeutet<br />
hat, Kinder großzuziehen, und ich nehme an, dass<br />
das bei Ihnen genauso sein wird. Denn wenn es<br />
wirklich so ist, dass wir Eltern dazu berufen sind,<br />
im Leben unserer Kinder sichtbare Botschafter der<br />
Gegenwart, <strong>des</strong> Charakters und <strong>des</strong> Planes Gottes<br />
zu sein, dann habe ich sicherlich sehr oft ziemlich<br />
schlechte Arbeit geleistet. Durch die Art, wie ich oft<br />
auf meine Kinder reagiert habe, habe ich ein Bild<br />
von Gott als einem auffahrenden, ungeduldigen,<br />
voreingenommenen, lauten und anklagenden Vater<br />
abgegeben. Es kam täglich zu Widersprüchen<br />
zwischen der Botschaft der Gnade, die ich meinen<br />
Kindern verbal vermittelt habe, und meinem<br />
Verhalten ihnen gegenüber, das in dem Mangel<br />
an Gnade begründet war. Ich habe oft darin versagt,<br />
diese unfassbare Geduld und Schönheit der<br />
Gnade vorzuleben. Ich wollte nur Gutes für meine<br />
Kinder, aber ich tat es auf die falsche Weise. »Ich<br />
kann einfach nicht glauben, dass du so etwas getan<br />
hast!« »Ich tue so vieles für dich, und das ist nun<br />
der Dank dafür!?« »Du willst ganz bestimmt nicht<br />
wissen, was passiert, wenn ich das nächste Mal zu<br />
dir heraufkommen muss!« »Kannst du denn nicht<br />
ein einziges Mal still sein, damit ich einfach nur<br />
meine Mahlzeit in Ruhe zu Ende essen kann?«<br />
Kein Kind, das solche Sätze zu hören bekommt,<br />
sagt sich: »Was habe ich doch für weise und liebevolle<br />
Eltern! Wie gut, dass ich ihnen mein ganzes<br />
Herz ausschütten kann. Ich wünschte mir nur,<br />
dass sie mir mehr derartige Dinge sagen würden!<br />
Ich bin so dankbar, solche Eltern zu haben! Ich<br />
denke, ich beginne langsam zu sehen, was in meinem<br />
Herzen ist.« Niemand, kein Erwachsener und<br />
kein Kind, das von jemandem hart angegangen<br />
und angeschrien worden ist, denkt danach: »Das<br />
war hilfreich für mich.« Nein, solchen Situationen<br />
möchten wir einfach nur entfliehen; wir sind froh,<br />
wenn so etwas vorbei ist.<br />
Wenn es tatsächlich Gottes Plan ist, Seine unsichtbare<br />
Gnade sichtbar zu machen, indem Eltern<br />
mit Kindern, die der Gnade dringend bedürfen,<br />
gnädig umgehen, dann sind wir Eltern nicht<br />
nur dazu berufen, diese Gnade zu predigen. Nein,<br />
wir müssen diese Gnade unseren Kindern auch<br />
täglich vorleben. Wenn ich dies schreibe, bin ich<br />
mir durchaus meiner Schwachheit bewusst, denn<br />
ich weiß, dass mir und Ihnen dies unrealistisch<br />
und abwegig erscheint. Wir können uns als Eltern<br />
verirren und unserem eigenen Willen nachgehen,<br />
den Plan Gottes vergessen und unserem eigenen<br />
Plan folgen. Wenn es uns jemals gelingen soll, unseren<br />
großen himmlischen Vater gut zu repräsentieren,<br />
dann müssen wir uns auch von Ihm erziehen<br />
lassen. Wenn wir unseren Kindern in Gnade<br />
begegnen möchten, dann müssen wir zugeben,<br />
dass wir selbst Kinder sind, die der täglichen<br />
Fürsorge ihres Vaters bedürfen. Wenn wir geduldig<br />
sein wollen, dann müssen wir zugeben, dass<br />
wir selbst der Geduld bedürfen. Wenn wir vergebungsbereit<br />
sein wollen, dann müssen wir uns<br />
eingestehen, dass wir selbst der Vergebung bedürfen.<br />
Wenn wir durchhalten wollen, dann müssen<br />
wir demütig anerkennen, dass unsere einzige<br />
Hoffnung darin besteht, dass unser himmlischer<br />
Vater uns niemals aufgeben wird. Und wenn wir<br />
unseren Kindern beibringen möchten, jeden Tag<br />
die Nähe Jesu zu suchen, dann müssen auch wir<br />
täglich Seine Nähe suchen. Wenn wir wollen, dass<br />
unsere Kinder über ihre äußere und innere Sünde<br />
traurig sind, dann müssen auch wir Eltern über<br />
unsere Sünden trauern.<br />
Nur dann, wenn wir bereit sind, uns selbst einzugestehen,<br />
dass wir unseren Kindern viel ähnlicher<br />
sind, als dass wir anders sind als sie, und dass<br />
auch wir selbst täglich der Erziehung bedürfen,<br />
werden wir Eltern sein, die als solche, die selbst<br />
die Gnade <strong>des</strong> Vaters brauchen, auch ihre Kinder<br />
immer wieder zur Gnade <strong>des</strong> himmlischen Vaters<br />
führen.<br />
Ein Auszug aus dem Buch »Papa sein, Mama sein«, CLV.<br />
20 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 4/<strong>2020</strong>
<strong>Die</strong> wichtigste Schule der Kinder:<br />
DIE FAMILIE<br />
Paul D. Tripp<br />
PAPA SEIN, MAMA SEIN<br />
Eltern sind Botschafter Gottes<br />
Streitschlichter, Wäschefalter, Taxifahrer – inmitten <strong>des</strong> manchmal zermürbenden<br />
Alltags kommen sich viele Eltern verloren vor. Unter dem Druck, alles »richtig«<br />
zu machen und »gute« Kinder großzuziehen, verlieren sie schnell das eigentliche<br />
Ziel der Erziehung aus den Augen und sehnen sich statt<strong>des</strong>sen nach praktischen<br />
Tipps und einem Patentrezept.<br />
<strong>Die</strong>ses Buch hingegen möchte ein Gesamtbild der Erziehung nach Gottes<br />
Plan aufzeigen. Anhand von 14 Grundsätzen macht der Autor deutlich, dass<br />
Erziehung nicht einfach mithilfe eines Regelkatalogs oder irgendeiner ausgefallenen<br />
Methode funktioniert. Nein, Eltern benötigen die Gnade Gottes, um<br />
in ihrem Denken geprägt und geformt zu werden – bevor sie wiederum ihre<br />
Kinder prägen und formen können.<br />
Befreit von der Last, aus eigener <strong>Kraft</strong> ihre Kinder verändern zu müssen, haben<br />
Eltern nun eine großartige Perspektive: Sie dürfen freudig und zielorientiert ihre<br />
Erziehungsaufgabe ausüben und Werkzeuge Gottes im Leben ihrer Kinder sein.<br />
12,90 € | Bestell-Nr. 256.651 | 256 Seiten<br />
John C. Ryle<br />
DIE PFLICHTEN<br />
DER ELTERN<br />
Grundregeln<br />
biblischer Erziehung<br />
5,90 €<br />
Bestell-Nr. 175.920<br />
78 Seiten<br />
Axel Volk<br />
WIE PRÄGEN WIR<br />
UNSERE KINDER<br />
Ein biblischer<br />
Erziehungsansatz<br />
14,95 €<br />
Bestell-Nr. 304.621<br />
192 Seiten<br />
Paul D. Tripp<br />
DAS (ALP)<br />
TRAUM-ALTER<br />
Keine Angst vor<br />
Teenagern<br />
13,50 €<br />
Bestell-Nr. 863.820<br />
288 Seiten<br />
BIBLISCHE<br />
GLAUBENSLEHRE<br />
FÜR KINDER<br />
Ein christlicher<br />
Wegbegleiter<br />
1,90 €<br />
Bestell-Nr. 175.928<br />
60 Seiten<br />
www.voh-shop.de | 02265 99749-22
– D. Martyn Lloyd-Jones –<br />
DIE KENNZEICHEN<br />
DER WAHREN<br />
GEMEINDE<br />
Wozu ist<br />
die christliche<br />
Gemeinde<br />
da?<br />
Was tut die<br />
Gemeinde, um zu<br />
zeigen, dass sie die<br />
lebendige Gemeinde<br />
Jesu ist?<br />
1. DIE VERKÜNDIGUNG DES<br />
WORTES GOTTES<br />
<strong>Die</strong> biblische Lehre zeigt uns, dass es drei Hauptkennzeichen<br />
der Gemeinde gibt. Das erste ist die<br />
Verkündigung <strong>des</strong> Wortes. Das ist die Hauptaufgabe<br />
der Gemeinde; sie wurde zu diesem Zweck geschaffen<br />
und ins Dasein gerufen. <strong>Die</strong> Verkündigung<br />
<strong>des</strong> Wortes geschieht in zweierlei Hinsicht.<br />
Das Wort wird in der Gemeinde zur Auferbauung<br />
und Stärkung der Gläubigen als Auslegungspredigt<br />
gelehrt. <strong>Die</strong> Gemeinde ist die Gemeinschaft<br />
derer, die an Christus glauben, sich Ihm als Haupt<br />
unterordnen und Seine Herrschaft anerkennen.<br />
Das Wort wird unter ihnen verkündigt, damit sie<br />
im Glauben gestärkt werden.<br />
<strong>Die</strong> Briefe <strong>des</strong> Neuen Testaments wurden mit<br />
dieser eindeutigen Absicht an Gläubige geschrieben,<br />
und die Apostel und Propheten hatten in ihrer<br />
Predigt dasselbe Ziel. Wenn Menschen sich<br />
bekehrten, so war dies nur der Anfang: Sie waren<br />
in Christus wiedergeborene Säuglinge und bedurften<br />
nun der Unterweisung; sie mussten vor<br />
Irrtümern gewarnt und vor Irrlehren geschützt<br />
werden. Somit ist die Gemeinde für Gläubige lebenswichtig.<br />
22 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 4/<strong>2020</strong>
Der zweite Zweck der Verkündigung ist natürlich<br />
die Evangelisation. Es ist die besondere Aufgabe<br />
der Gemeinde Jesu, jenen zu predigen, die<br />
noch ungläubig sind. Unser Herr sagt in Seinem<br />
hohenpriesterlichen Gebet in Johannes 17 ganz<br />
eindeutig, dass der Vater, wie Er Ihn in die Welt<br />
gesandt hatte, auch Seine Jünger und alle, die<br />
durch ihr Wort an Ihn glauben würden, in die Welt<br />
sendet (Joh. 17,18-20). <strong>Die</strong> Jünger wurden so wie Er<br />
in die Welt gesandt. Er war gekommen und hatte<br />
die Botschaft vom Reich Gottes gebracht, und<br />
auch wir sind ausgesandt, um dieselbe Botschaft<br />
zu bringen. Es ist ein Bestandteil der Aufgabe der<br />
Gemeinde, das Evangelium denen zu verkündigen,<br />
die draußen sind, damit sie überzeugt und<br />
von ihrer Sünde überführt werden können und<br />
damit sie zum lebendigen und notwendigen Glauben<br />
an unseren Herrn und Heiland Jesus Christus<br />
geführt werden können. Das ist also das erste<br />
Kennzeichen der Gemeinde: die Verkündigung<br />
<strong>des</strong> Wortes.<br />
2. VERORDNUNGEN IN<br />
DER GEMEINDE<br />
Das zweite Kennzeichen und Merkmal der Gemeinde<br />
ist die rechte Verwaltung der Verordnungen:<br />
die Taufe und das Mahl <strong>des</strong> Herrn. An dieser<br />
Stelle möchte ich dieses Thema nicht näher behandeln,<br />
aber ich muss die Verwaltung der Verordnungen<br />
dennoch erwähnen, weil sie eines der<br />
Kennzeichen der Gemeinde ist. <strong>Die</strong> Gemeinde ist<br />
ein Ort, wo die Taufe und das Mahl <strong>des</strong> Herrn in<br />
Verbindung mit der Verkündigung <strong>des</strong> Wortes<br />
Gottes wahrhaft und recht verwaltet werden.<br />
3. DIE GEMEINDEZUCHT<br />
Das dritte Kennzeichen der Gemeinde, das zu betonen<br />
mir besonders am Herzen liegt, ist die Ausübung<br />
von Gemeindezucht. Wenn ich am Anfang<br />
gefragt hätte: »Welches sind die drei wesentlichen<br />
Kennzeichen der Gemeinde?«, dann wäre es mir<br />
fraglich, wie viele die Ausübung von Gemeindezucht<br />
genannt hätten. Es ist zweifellos so, dass die<br />
Lehre darüber schmerzlich vernachlässigt wird.<br />
Wenn ich gefragt würde, warum heute in den Gemeinden<br />
solche traurigen Zustände herrschen,<br />
dann müsste ich tatsächlich sagen, dass der letztlich<br />
ausschlaggebende Grund die mangelnde Ausübung<br />
von Gemeindezucht ist.<br />
Wann haben Sie zuletzt gehört, dass irgendwo<br />
von einer Kanzel über das Thema der Gemeindezucht<br />
gesprochen wurde? Wie oft haben Sie Predigten<br />
oder Vorträge über das Thema gehört?<br />
Es ist schriftgemäß, wenn ich darauf hinweise,<br />
dass Gemeindezucht ausgeübt werden sollte.<br />
Nehmen wir die Stelle in Matthäus 18, ab Vers 15:<br />
»Wenn aber dein Bruder an dir gesündigt hat, so geh hin<br />
und weise ihn zurecht unter vier Augen. Hört er auf dich,<br />
so hast du deinen Bruder gewonnen. Hört er aber nicht,<br />
so nimm noch einen oder zwei mit dir, damit jede Sache<br />
auf der Aussage von zwei oder drei Zeugen beruht. Hört er<br />
aber auf diese nicht, so sage es der Gemeinde. Hört er aber<br />
auch auf die Gemeinde nicht, so sei er für dich wie ein Heide<br />
und ein Zöllner« (Mt. 18,15-17). Das sind die Worte,<br />
die unser Herr Selbst sprach.<br />
Dann lesen wir noch in Römer 16,17: »Ich ermahne<br />
euch aber, ihr Brüder: Gebt acht auf die, welche<br />
Trennungen und Ärgernisse bewirken im Widerspruch zu<br />
der Lehre, die ihr gelernt habt, und meidet sie!« Das ganze<br />
fünfte Kapitel <strong>des</strong> ersten Korintherbriefes hat<br />
die Gemeindezucht zum Thema. Es endet mit den<br />
Worten: »So tut den Bösen aus eurer Mitte hinweg!«<br />
(V. 13). Nichts könnte deutlicher sein als das. Wir<br />
finden dies noch einmal in 2. Korinther 2, insbesondere<br />
in den Versen 5 bis 10, wo Paulus über die<br />
Wiederaufnahme eines Mannes spricht, der unter<br />
Zucht gestellt worden war. Außerdem bespricht er<br />
das Thema noch einmal in 2. Thessalonicher 3, wo<br />
er Anweisungen darüber gibt, was mit den Gliedern<br />
der Gemeinde geschehen soll, die einen unordentlichen<br />
Lebenswandel führen. Dann steht in<br />
Titus 3,10 dieses ausdrückliche Gebot: »Einen sektiererischen<br />
Menschen weise nach ein- und zweimaliger<br />
Zurechtweisung ab.« Auch enthalten die verschiedenen<br />
Sendschreiben an die einzelnen Gemeinden<br />
im Buch der Offenbarung Ermahnungen hinsichtlich<br />
der Ausübung von Gemeindezucht.<br />
<strong>Die</strong>se Lehre findet sich auch im 2. Johannesbrief,<br />
Vers 10. Und natürlich enthalten auch die verschiedenen<br />
Sendschreiben an die einzelnen Gemeinden<br />
im Buch der Offenbarung Ermahnungen<br />
hinsichtlich der Ausübung von Gemeindezucht.<br />
Trotz alledem gibt es Menschen, die beständig<br />
versuchen, das Fehlen von oder den Mangel an<br />
Zucht in der örtlichen Gemeinde zu rechtfertigen,<br />
und eigenartigerweise tun viele dies unter Beru-<br />
voiceofhope.de | 23
fung auf Matthäus 13, auf das Gleichnis vom Unkraut<br />
unter dem Weizen. Sie sagen dann ungefähr<br />
Folgen<strong>des</strong>: »Sie dürfen Christen nicht züchtigen.<br />
Wenn Sie versuchen, Zucht auszuüben und Menschen<br />
aus der Gemeinde auszuschließen, dann<br />
handeln Sie den Anweisungen zuwider, die unser<br />
Herr Selbst erteilte; denn als die Knechte sprachen:<br />
›Willst Du nun, dass wir hingehen und es zusammenlesen?‹,<br />
antwortete der Meister: ›Nein!, damit ihr<br />
nicht beim Zusammenlesen <strong>des</strong> Unkrauts zugleich mit<br />
ihm den Weizen ausreißt. Lasst bei<strong>des</strong> miteinander wachsen<br />
bis zur Ernte.‹« (Mt. 13,28-30). Darüber hinaus<br />
haben manche Leute aus genau denselben Gründen<br />
etwas gegen jede Form der Trennung wahrer<br />
Christen von dem, was man als eine abgefallene<br />
Gemeinde betrachten könnte.<br />
<strong>Die</strong>s ist jedoch eine schwerwiegende Fehlinterpretation<br />
der Heiligen Schrift, denn das Gleichnis<br />
vom Unkraut unter dem Weizen bezieht sich offensichtlich<br />
nicht auf die Gemeinde, sondern auf<br />
das Reich Gottes. Alle Gleichnisse in Matthäus 13<br />
sind Gleichnisse vom Reich der Himmel, und wir<br />
können es deutlich sehen, dass die Gemeinde und<br />
jenes Reich nicht identisch sind. <strong>Die</strong> Gemeinde ist<br />
ein Ausdruck <strong>des</strong> Himmelreiches, aber dieses ist<br />
größer als die Gemeinde. Und natürlich sagt unser<br />
Herr Selbst in Seiner eigenen Deutung <strong>des</strong> Gleichnisses,<br />
dass der Acker, in welchen der Weizen und<br />
das Unkraut gesät sind, nicht die Gemeinde, sondern<br />
die Welt ist. Der gute Same sind die Söhne<br />
<strong>des</strong> Reiches, das Unkraut aber sind die Söhne <strong>des</strong><br />
Bösen (Mt. 13,38). Das Gleichnis vom Unkraut unter<br />
dem Weizen hat also keinen Bezug zur Frage<br />
der Gemeindezucht in der örtlichen Gemeinde.<br />
Es ist ein Bild von der ganzen Welt, die aus dem<br />
Grund, dass sie Gott gehört, in diesem allgemeinen<br />
Sinne als Sein Reich betrachtet werden kann.<br />
In der Welt gibt es jedoch diese beiden Gruppen –<br />
solche Menschen, die Christen sind, die dem ewigen<br />
Reich angehören, und solche, die dem Teufel<br />
gehören.<br />
Wenn man das Gleichnis vom Unkraut unter<br />
dem Weizen auf die Gemeinde anwendet, verfällt<br />
man demselben Irrtum wie die Katholiken, und es<br />
ist ein Irrtum, dem die meisten Gemeinden, die<br />
der katholischen Kirche folgen, tendenziell verfallen<br />
sind. Deshalb gibt es in gewissem Sinne in<br />
der römisch-katholischen Kirche keine Gemeindezucht.<br />
Daher ist es möglich, dass Menschen als<br />
vortreffliche Christen angesehen werden, auch<br />
wenn sie ein zügelloses Leben führen. Sie werden<br />
nicht unter Zucht gestellt; sie werden nicht<br />
aus der Kirche ausgeschlossen. Und leider trifft<br />
das Gleiche auf viele Gemeinden zu. <strong>Die</strong> biblische<br />
Sichtweise der Gemeinde verlangt jedoch, dass<br />
Zucht ausgeübt wird. Überdies ist die Praxis der<br />
Gemeindezucht – wie wir gerade gesehen haben –<br />
etwas, zu dem wir wiederholt und nachdrücklich<br />
in der Heiligen Schrift selbst ermahnt werden.<br />
<strong>Die</strong> Gemeindezucht ist nun etwas, was nach zwei<br />
wesentlichen Grundsätzen ausgeübt werden soll.<br />
Zuallererst muss Gemeindezucht im Hinblick auf die<br />
Lehre ausgeübt werden. Wir lesen: »Einen sektiererischen<br />
Menschen weise nach einer ein- und zweimaligen<br />
Zurechtweisung ab« (Tit. 3,10). Johannes sagt, dass jemand,<br />
wenn er nicht die wahre Lehre <strong>des</strong> Christus<br />
bringt, überhaupt nicht aufgenommen werden<br />
darf, nicht einmal in jeman<strong>des</strong> Haus, geschweige<br />
denn in die Gemeinde. <strong>Die</strong>s bedeutet nicht, dass<br />
Christen niemals einen Ungläubigen in ihr Haus<br />
lassen sollten. Selbstverständlich bedeutet es<br />
nichts dergleichen! Was es aber sehr wohl meint,<br />
ist, dass die Gläubigen einen Menschen, der nicht<br />
nur behauptet, ein Christ zu sein, sondern auch<br />
ein Lehrer, und dabei Irrtum lehrt, ganz sicher<br />
nicht in ihr Haus aufnehmen dürfen. Aber selbstverständlich<br />
nehmen sie einen Ungläubigen in ihr<br />
Haus auf, damit sie mit ihm über die christliche<br />
Botschaft sprechen können. Paulus bringt dies in<br />
1. Korinther 5,10-11 wunderbar zum Ausdruck, wo<br />
er sinngemäß sagt: »In all diesen Fragen der Zucht<br />
beziehe ich mich nicht auf die Menschen, die<br />
draußen in der Welt sind; denn wenn ihr euch von<br />
all diesen Leuten fernhalten solltet, dann müsstet<br />
ihr ja aus der Welt hinausgehen! Nein, das sage<br />
ich hiermit nicht, sondern ich sage sehr wohl, dass<br />
ihr mit einem Menschen, der sich ein Bruder nennt<br />
und sich dieser Sünden schuldig macht, keine Gemeinschaft<br />
haben dürft.«<br />
<strong>Die</strong> Heilige Schrift sagt uns, dass wir uns wirklich<br />
um die Lehre in der Gemeinde kümmern und<br />
etwas gegen falsche Lehre unternehmen müssen.<br />
Und ich denke, dass die ganze Situation, mit der<br />
wir heute konfrontiert sind, einen reichlichen<br />
Beweis für die schrecklichen Folgen liefert, die<br />
daher rühren, dass keine Gemeindezucht bezüglich<br />
der Lehre ausgeübt wurde. Ich zögere nicht zu<br />
behaupten, dass unsere Großväter und Urgroßvä-<br />
24 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 4/<strong>2020</strong>
ter im 19. Jahrhundert jene Gemeindezucht nicht<br />
ausgeübt haben, die sie hätten ausüben müssen,<br />
als jene verhängnisvolle Bibelkritik aus Deutschland<br />
in viele Länder einzudringen begann. Weil es<br />
ihnen nicht gelang, die Menschen, die solche Dinge<br />
glaubten und lehrten, unter Gemeindezucht zu<br />
stellen, sind wir Zeuge der heutigen Situation. Mit<br />
einer falsch verstandenen Toleranz und häufig<br />
auch mit einem falschen Verständnis der Heiligen<br />
Schrift ließen sie diese falsche Lehre gewähren, in<br />
der Hoffnung, dass bald alles wieder besser werden<br />
würde. Sie sprachen sich dafür aus, ein positives<br />
Zeugnis darzustellen und nicht zu ablehnend<br />
sein zu wollen! In unserer heutigen Generation<br />
ernten wir die Früchte jenes tragischen Irrtums<br />
auf Seiten der Gemeindeleitungen.<br />
Wir müssen also hinsichtlich der Lehre Gemeindezucht<br />
üben, und im selben Maße müssen wir<br />
die Gemeindezucht auch im Hinblick auf das Leben und<br />
die Lebensweise üben. Denn wenn die Gemeindeglieder<br />
die biblische Lehre in ihrem Leben und<br />
ihren Gewohnheiten verleugnen, wer wird dann<br />
noch daran glauben? <strong>Die</strong>s ist die effektivste Leugnung<br />
der Worte unseres Herrn: »So soll euer Licht<br />
leuchten vor den Leuten, dass sie eure guten Werke sehen<br />
und euren Vater im Himmel preisen« (Mt. 5,16). Inkonsequenz<br />
oder ein sündiges Leben eines Gläubigen<br />
tun der Sache Christi unberechenbaren Schaden<br />
an. Es macht nichts aus, wie rechtgläubig jene<br />
Menschen sein mögen – wenn sie sich selbst nicht<br />
beherrschen und ihr Temperament, ihre Lüste,<br />
Leidenschaften und sinnlichen Begierden nicht<br />
zügeln, dann verleugnen sie im Wort und in der<br />
Tat den Glauben, den sie verkündigen, und sind<br />
Außenstehenden ein Hindernis und ein Anstoß.<br />
<strong>Die</strong> biblische Lehre ist, dass ein ungehorsamer<br />
Bruder, der sich nicht ändern will und der<br />
Zurechtweisung keine Beachtung schenkt, sogar<br />
aus der Gemeinde ausgeschlossen werden muss.<br />
Es kann sein, dass man ihn »dem Satan übergeben«<br />
muss – ein Ausdruck, den Paulus gebraucht – »zum<br />
Verderben <strong>des</strong> Fleisches, damit der Geist gerettet werde<br />
am Tag <strong>des</strong> Herrn Jesus« (1.Kor. 5,5). Ich weiß nicht<br />
genau, was das bedeutet, aber wahrscheinlich ist<br />
ungefähr Folgen<strong>des</strong> gemeint: Man entzieht dem<br />
Betroffenen nicht nur die Gemeinde-Mitgliedschaft,<br />
sondern hört auch auf, für ihn zu beten.<br />
Man überlässt ihn gleichsam dem Satan, und<br />
dieser wird ihm Leiden zufügen, möglicherweise<br />
körperlich. Er wird sich unglücklich und elend<br />
fühlen, und das könnte ihn wieder zur Vernunft<br />
bringen, sodass seine Seele errettet wird.<br />
<strong>Die</strong>s ist ein wichtiges Thema. Lesen Sie die<br />
Erweckungsgeschichte der Gemeinde, und Sie<br />
werden feststellen, dass in jenen Zeiten der Erweckung<br />
und <strong>des</strong> neuen Erwachens – ganz gleich,<br />
wann es auch gewesen sein mag – ein hervorstechen<strong>des</strong><br />
Merkmal ausnahmslos die Ausübung von<br />
Gemeindezucht ist. In Erweckungszeiten und Phasen<br />
eines neuen Erwachens haben sich die leitenden<br />
Brüder in allen Bereichen der Gemeinde immer<br />
auch notwendigerweise um die Reinheit ihrer<br />
Gemeindeglieder gekümmert. Sie kehrten zum<br />
Neuen Testament zurück, und sie versuchten, einfach<br />
ein Leben in Übereinstimmung mit der bib–<br />
lischen Lehre zu führen. <strong>Die</strong> Heilige Schrift sagt<br />
uns, dass das Gefäß, das Werkzeug, das Mittel, das<br />
Gott gebraucht, ganz klar rein sein muss. Sie lehrt<br />
also nicht nur etwas über die »versammelte« Gemeinde,<br />
sondern auch über die »reine« Gemeinde.<br />
Wie kann eine Gemeinde, die in verschiedener<br />
Hinsicht mit der Welt vermischt ist, ein Kanal <strong>des</strong><br />
Heiligen Geistes sein?! So etwas wäre beinahe undenkbar!<br />
Das dritte Kennzeichen der Gemeinde<br />
ist also die Gemeindezucht.<br />
Ein Auszug aus dem Buch »Gott und seine Gemeinde«, 3L-Verlag.<br />
D. Martyn Lloyd-Jones<br />
GOTT UND SEINE GEMEINDE<br />
Studienreihe über biblische Lehren (Band 4)<br />
14,50 €<br />
Bestell-Nr. 863.803<br />
336 Seiten<br />
Der Mangel an Kenntnis über die lebenswichtigen Wahrheiten<br />
<strong>des</strong> christlichen Glaubens ist heutzutage größer als je zuvor.<br />
In diesem vierten Band spricht D.M. Lloyd-Jones unkompliziert und klar über die Themen: <strong>Die</strong><br />
Gemeinde im Neuen Testament, Taufe, Abendmahl, Wiederkunft Christi, voiceofhope.de der Antichrist, | 25 Daniel<br />
9,24-27, die Offenbarung <strong>des</strong> Johannes, die Auferstehung <strong>des</strong> Leibes und der ewige Zustand.<br />
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IN KRISENZEITEN<br />
DIE REINHEIT<br />
DER LEHRE BEWAHREN<br />
D. MARTYN LLOYD-JONES<br />
»Kinder, es ist die letzte Stunde! Und wie ihr gehört habt, dass der Antichrist<br />
kommt, so sind jetzt viele Antichristen aufgetreten; daran erkennen wir, dass es<br />
die letzte Stunde ist. Sie sind von uns ausgegangen, aber sie waren nicht von uns;<br />
denn wenn sie von uns gewesen wären, so wären sie bei uns geblieben. Aber es<br />
sollte offenbar werden, dass sie alle nicht von uns sind.« (1.Joh. 2,18-19)<br />
Der Apostel Johannes stellt uns hier die<br />
Frage <strong>des</strong> geistlichen Kampfes vor – dieses<br />
große Thema <strong>des</strong> ganzen Neuen Testaments.<br />
Sobald wir in das Christenleben eingetreten<br />
sind, werden wir zu einem Teil dieses<br />
gewaltigen Kampfes zwischen den Mächten Gottes<br />
und denen der Hölle, und wir sind darin mit<br />
verwickelt, ob wir es nun wollen oder nicht. Hier<br />
versucht der Apostel nun, diese Menschen im<br />
Hinblick darauf aufzuklären; er warnt und bereitet<br />
sie vor, damit sie dem Bösen begegnen und<br />
widerstehen können. Wir können diesen ganzen<br />
Schriftabschnitt in drei Teile gliedern.<br />
• Zuerst wird uns gezeigt, wie wichtig es für<br />
uns ist, uns nicht nur <strong>des</strong> Verwickeltseins<br />
in den Kampf bewusst zu werden, sondern<br />
auch Klarheit über das Wesen dieses<br />
Kampfes zu bekommen.<br />
• Zweitens zeigt er uns die Ausrüstung, die<br />
uns geschenkt wurde, um uns zu befähigen,<br />
dem Bösen zu begegnen und es zu bekämpfen.<br />
• Und drittens finden wir den Appell und die<br />
Ermahnung bzw. die Gründe, welche Johannes<br />
uns für unseren Widerstand gegen<br />
diese boshafte Macht und für unsere Beharrlichkeit<br />
in dem guten Kampf <strong>des</strong> Glaubens<br />
anführt.<br />
Johannes bringt hier diese besondere Lehre vom<br />
»Antichristen« und der »letzten Stunde« in Bezug<br />
auf die Gemeinde selbst, und wir müssen darüber<br />
nachdenken, was er dazu zu sagen hat, weil das in<br />
gewissem Sinne die dringlichste Angelegenheit<br />
ist, mit der wir als einzelne Christen und als Glieder<br />
der Gemeinde Jesu in dieser gegenwärtigen<br />
Zeit konfrontiert sind.<br />
26 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 4/<strong>2020</strong>
DIE HEUTIGE LAGE DER GEMEINDE ZWISCHEN DEN<br />
ANGRIFFEN DURCH DEN UNGLAUBEN UND DER RESIGNATION<br />
Lassen Sie es mich so ausdrücken: Wir alle sind<br />
uns der Tatsache bewusst, dass wir in einer sehr<br />
schwierigen und kritischen Zeit leben; es hat in<br />
der Gemeinde Jesu ein großer Abfall stattgefunden.<br />
Vergleichen Sie den Kirchenbesuch heute mit<br />
den Zahlen, die noch vor 70 Jahren galten. Damals<br />
waren die Leute es gewohnt, am Sonntag in das<br />
Haus Gottes zu gehen, doch heute ist es fast eine<br />
Ausnahme, Mitglied einer Gemeinde zu sein.<br />
Weiterhin scheint es mir unerlässlich zu sein,<br />
dass wir uns miteinander ansehen sollten, was<br />
der Apostel zu sagen hat, weil an dieser Stelle<br />
seine Worte für uns heute genauso relevant sind<br />
wie im ersten Jahrhundert, als er sie schrieb. Es<br />
gibt viele Christen, deren Glaube aufgrund der<br />
genannten Lage erschüttert worden ist. Andere<br />
blicken auf die immer kleiner werdende bibeltreue<br />
Schar und fragen sich: »Ist dies letztlich<br />
überhaupt richtig? Sollten wir, die wir bloß eine<br />
Handvoll Leute sind, die Einzigen sein, die Recht<br />
haben, und liegen etwa die Massen, die große<br />
Mehrheit falsch?«<br />
In einer Zeit <strong>des</strong> Abfalls steht immer der echte<br />
Glaube unter Beschuss. Wir alle neigen dazu, uns<br />
dem anzupassen, »was man halt so tut«. Wir folgen<br />
der Mehrheit, und es gibt viele, die dabei ein<br />
ungutes Gefühl haben und empfinden, dass ihr<br />
Glaube ernsthaft erschüttert wurde. Mit anderen<br />
Worten, man nimmt heutzutage eine große Niedergeschlagenheit<br />
und viel Pessimismus unter<br />
Christen wahr.<br />
Wenn ich die besondere Versuchung benennen<br />
sollte, mit der wir als Christen in diesen Tagen<br />
konfrontiert sind, würde ich sagen, dass es<br />
die Neigung zur Verzweiflung und zu tiefstem<br />
Pessimismus ist. Beim näheren Anblick dieser<br />
Lage könnten wir sagen: »Was kommt noch alles<br />
auf uns zu? Wie kann die wahre Gemeinde<br />
überhaupt fortbestehen?« Genau mit diesem Zustand<br />
der Niedergeschlagenheit und Verwirrung<br />
beschäftigt sich Johannes. Eine Zeit der Schwierigkeiten<br />
führt nicht nur zur Verzweiflung; sie<br />
ist auch eine Zeit, in der eine Tendenz zur Panik<br />
besteht. Menschen geraten außer sich und verzweifeln;<br />
sie sagen: »Wir müssen etwas tun, um<br />
die Gemeinde Jesu zu erhalten.« Sie blicken auf<br />
die Zahlen; sie betonen die Statistik; sie meinen:<br />
»Wir müssen aufstehen und etwas dagegen un-<br />
voiceofhope.de | 27
ternehmen – wir müssen etwas organisieren, um<br />
den Verfall zu stoppen.« Und so steigern sie sich<br />
in eine geschäftige Aktivität hinein.<br />
Also müssen wir die Botschaft näher betrachten,<br />
die der Apostel für Christen in genau jener Situation<br />
hat. Was hat er zu sagen? Lassen Sie mich<br />
versuchen, die Botschaft zusammenzufassen, indem<br />
ich einige Thesen darlege:<br />
1. <strong>Die</strong> Widerwärtigkeiten, welche die<br />
Gemeinde durchstehen muss, dürfen uns nicht überraschen<br />
Als erstes sagt Johannes uns, dass wir über eine<br />
solche Situation nicht überrascht oder ihretwegen<br />
erschrocken sein dürfen.<br />
»Kinder, es ist die letzte Stunde! Und wie ihr<br />
gehört habt, dass der Antichrist kommt, so sind<br />
jetzt viele Antichristen aufgetreten.« »Ihr habt<br />
gehört, dass er kommt«, sagt Johannes. Das müssen<br />
wir betonen. Mir scheint, dass es in gewissem<br />
Sinne nichts gibt, was unsere Kenntnis der<br />
Schrift so gründlich auf die Probe stellt, wie unsere<br />
Reaktion auf die heutige Situation. Wenn wir<br />
ihretwegen in Panik geraten oder ein Gefühl der<br />
Verzweiflung uns überwältigt, dann liegt dies daran,<br />
dass wir unsere Bibeln nicht wirklich gelesen<br />
haben, denn die Bibel ist buchstäblich voller Warnungen<br />
im Blick auf das, was wir heute erleben.<br />
Solche, die ihre Bibel kennen, sollten nicht über<br />
den derzeitigen Zustand der Welt und der Gemeinde<br />
überrascht sein. Es gibt überhaupt nichts,<br />
was so falsch und so weit vom biblischen Bild der<br />
Gemeinde entfernt wäre, wie die Vorstellung,<br />
dass die Gemeinde Gottes sich von Anfang an<br />
weiterentwickeln und zunehmen sollte, so, dass<br />
sie in jedem Jahrhundert stärker würde, als sie es<br />
zuvor war, und dass dies sich fortsetzen würde,<br />
bis die ganze Welt christlich geworden sei. Es gibt<br />
nirgendwo in der Heiligen Schrift auch nur eine<br />
einzige Stelle, die eine solche Auffassung unterstützen<br />
würde.<br />
Tatsächlich lehrt uns die Schrift, dass das genaue<br />
Gegenteil der Fall ist. Wenn wir die Apostelgeschichte<br />
lesen, so entdecken wir, dass die ersten<br />
Prediger <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> die ersten Gläubigen<br />
warnten. Sie sagten: »Ihr werdet in einen Kampf<br />
und Konflikt eintreten. Es gibt einen mächtigen,<br />
raffinierten Widersacher, der gegen uns ist und<br />
alles daransetzen wird, die wahre Gemeinde unseres<br />
Herrn zu ruinieren und zu zerstören.« Alle<br />
Prophezeiungen – über den Menschen der Sünde,<br />
den Antichrist, und so weiter – liegen uns hier vor.<br />
In der Tat stellte ja unser Herr Selbst diese Frage:<br />
»Doch wenn der Sohn <strong>des</strong> Menschen kommt, wird Er auch<br />
den Glauben finden auf Erden?« (Lk. 18,8). Nein, diese<br />
Idee, dass die Gemeinde eine Institution werden<br />
würde, die wachsen und mit der es immer weiter<br />
vorwärts und aufwärts gehen sollte, basiert nicht<br />
auf der Bibel, sondern auf einer falschen Philosophie<br />
und Lehre.<br />
Ich zögere auch nicht, zu behaupten, dass gerade<br />
der Zustand der Gemeinde und der Welt eine<br />
der auffälligsten und erstaunlichsten Bestätigungen<br />
für die biblische Lehre ist, die man überhaupt<br />
finden kann. Wir dürfen daher nicht überrascht,<br />
erstaunt oder erschüttert sein. Obwohl dies paradox<br />
klingen mag, sollte die Schwachheit der<br />
heutigen Gemeinden in einem gewissen Sinne sogar<br />
unseren Glauben bestätigen und für uns eine<br />
Vergewisserung der Wahrheit <strong>des</strong> Wortes Gottes<br />
darstellen. Weit davon entfernt, niedergeschlagen<br />
zu sein, sollten wir also angesichts der gegenwärtigen<br />
Lage gewissermaßen sagen können: »Der<br />
Zorn <strong>des</strong> Menschen muss Dich preisen« (Ps. 76,11), und<br />
er preist Ihn. Wir müssen das Wort Gottes bestätigen,<br />
obwohl wir es gar nicht wollen.<br />
2. <strong>Die</strong> Gemeinde muss gerade in einer Krisenzeit auf<br />
die Reinheit ihrer Lehre bedacht sein und darüber wachen<br />
Das zweite Prinzip ist dies: In einer Zeit wie der<br />
unsrigen sollte die Gemeinde in allererster Linie<br />
auf die Reinheit und Reinerhaltung ihrer Lehre<br />
bedacht sein. Ich denke, dass sich dies ganz offensichtlich<br />
und logisch ergibt. Sie werden sich erinnern,<br />
was Johannes dazu in den Versen 18-19 sagt.<br />
Was interessant zu beachten ist, dass Johannes in<br />
diesem ganzen Abschnitt überhaupt nicht große<br />
28 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 4/<strong>2020</strong>
Bedenken wegen der Mitgliederzahlen in der Gemeinde<br />
hegt – wegen der Tatsache, dass so viele sie<br />
verlassen hatten –, sondern vielmehr ging es ihm<br />
um die Reinheit und Reinerhaltung der Lehre in<br />
der Gemeinde. <strong>Die</strong>se Antichristen leugneten, dass<br />
Jesus der Christus ist; sie leugneten den Sohn und<br />
den Vater; sie leugneten die Dreieinigkeit. Wenn<br />
Sie also diese Worte lesen, werden Sie entdecken,<br />
dass das Eine, worum Johannes vor allem anderen<br />
besorgt ist, die reine Lehre ist.<br />
Lassen Sie mich dies besonders betonen, weil<br />
es sicherlich in der heutigen Zeit betont werden<br />
muss. Johannes ist nicht an Zahlen oder der Organisation<br />
interessiert. Ist das nicht eine der<br />
subtilen Versuchungen, die heute an uns herantreten?<br />
Unser Interesse konzentriert sich zum<br />
großen Teil auf Zahlen, die Organisation und<br />
das Programm. <strong>Die</strong>s ist ganz natürlich und sehr<br />
menschlich; denn wir mögen Fakten und Zahlen<br />
und Statistiken. Weil wir die Erben gewisser Traditionen<br />
sind, neigen wir dazu, uns die Gemeinde<br />
in einem Gebäude als eine Organisation vorzustellen.<br />
Unser ganzes Denken neigt dazu, sich von<br />
solchen mechanischen Statistiken kontrollieren<br />
zu lassen.<br />
Allerdings behaupte ich: Wenn wir die Heilige<br />
Schrift aufmerksam lesen, werden wir feststellen,<br />
dass diese Vorstellung dem ganzen Kontext<br />
der Schrift überhaupt nicht entspricht. Der große<br />
Punkt, der hier betont wird, ist die Reinheit der<br />
Gemeinde, und nicht ihre Größe. Ich frage mich,<br />
ob wir bereit sind, der Tatsache ins Auge zu blicken,<br />
dass die Gemeinde Gottes in diesem Zeitalter<br />
und in dieser Generation in gewissem Sinne in<br />
der Lage sein müsste, in die Katakomben zurückzugehen.<br />
Es kann sein, dass wir dies erleben werden,<br />
wie es schon etliche treue Christen in einigen<br />
Ländern erleben. <strong>Die</strong> Gemeinde ist »im Haus<br />
von Herrn Soundso«, wie sie es im Neuen Testament<br />
war, und wir müssen uns bewusst sein, dass<br />
die Gemeinde genauso sehr eine Gemeinde ist,<br />
wenn sie nur aus einer Handvoll Leuten besteht,<br />
als wenn sie eine große Masse ist. Was in einer<br />
wahren Gemeinde Jesu ausschlaggebend ist, sind<br />
nicht die Zahlen, ist nicht das Programm, sondern<br />
die Reinheit der Lehre.<br />
Wir können die Relevanz <strong>des</strong>sen für unsere<br />
heutige Lage erkennen. Man liest ständig in den<br />
christlichen Büchern und Zeitschriften ein Argument,<br />
das etwa wie folgt lautet: »Sie sagen, dass<br />
die Gemeinde heutzutage um ihr Leben kämpfe;<br />
es gibt Kräfte und Faktoren in der Welt, die ihr<br />
feindlich gesinnt sind. Wir sehen unsere sinkenden<br />
Zahlen und kleiner werdenden Gemeinden,<br />
und die Statistiken sprechen von Jahr zu Jahr für<br />
sich. Was sollen wir also tun? Sie sagen: ›Es gibt<br />
nur eins, was wir tun können; wir müssen uns<br />
alle vereinen. Wir haben keine Zeit, über das zu<br />
streiten, was die Leute glauben mögen; wenn sie<br />
an Gott glauben und als Christ leben, dann sind<br />
sie mit uns eins. Lasst uns also vereint eine Union<br />
(Vereinigung, Bruderschaft) bilden, um uns<br />
diesem gemeinsamen Feind entgegenstellen zu<br />
können.‹«<br />
Nun verspüren wir alle in gewissem Sinne<br />
ganz offenkundig eine Art allgemeine Sympathie<br />
für solches Gerede; und dennoch scheint es mir,<br />
dass wir, wenn wir nicht vorsichtig sind, eine der<br />
wesentlichen Lehren der Bibel verleugnen werden.<br />
Ich sage, dass die wichtigste Sache, um die<br />
wir besorgt sein müssen, die Reinheit der Lehre<br />
ist. Besser nur eine Handvoll Leute, die wirklich<br />
glauben, dass Jesus der Christus ist, als eine Menschenmasse,<br />
die sich nicht sicher ist, wer der Herr<br />
Jesus nun ist oder nicht ist, und die fälschlicherweise<br />
das Wort »Christ« für sich gebraucht.<br />
»<strong>Die</strong>se Leute«, so sagt Johannes, »sind in gewissem<br />
Sinne von euch ausgegangen; aber«, so<br />
fährt er fort, »das hat nichts zu sagen; die Frage<br />
ist, ob ihr, die ihr übriggeblieben seid, richtig<br />
steht.« <strong>Die</strong> Reinheit der Lehre hat an erster Stelle<br />
zu stehen. Mit anderen Worten, wir müssen uns<br />
bewusst werden, dass wahre Einheit nur auf der<br />
Grundlage der Wahrheit erlangt werden kann. Ja,<br />
die Menschen können ihre Vereinigungen, Zusammenschlüsse<br />
und Koalitionen haben, auch<br />
ganz ohne die Wahrheit; aber es ist unmöglich, die<br />
Einheit <strong>des</strong> Geistes anders als auf der Grundlage<br />
der Wahrheit zu finden. Der Heilige Geist bindet<br />
Menschen zusammen, die in Bezug auf die Lehre<br />
übereinstimmen – Menschen, die sagen: »Jesus ist<br />
der Herr«, und die Ihn als den einzigen Sohn Gottes<br />
anerkennen; Menschen, die an die Fleischwerdung,<br />
an das Sühneopfer, an die Auferstehung, an<br />
die Person <strong>des</strong> Heiligen Geistes glauben; das ist<br />
die Lehre, ohne welche es keine wahre Einheit geben<br />
kann.<br />
Haben Sie nicht bemerkt, wie die Bibel ihren<br />
Sarkasmus über große Zahlen in einer höchst ironischen<br />
Weise äußert? Gibt es irgendeine Lehre<br />
voiceofhope.de | 29
in der Bibel, die sich in dieser Weise hindurchzieht,<br />
wie die Lehre vom Überrest? Gibt es in ihr<br />
irgendetwas, was so sehr hervorsticht wie dies,<br />
dass Gott alles durch einen Mann getan hat, der<br />
alleine in die Bresche getreten ist? Zum Beispiel<br />
Gideon, wie er eine große Volksmenge loswird, bis<br />
am Ende nur eine Handvoll übrigbleibt. Ja, es sind<br />
die Menschen, die zu der Einsicht gelangen, dass<br />
ihre Lehre rein ist, und dass dieser Gott den so<br />
mächtigen Feind besiegen kann. <strong>Die</strong>s ist die Lehre<br />
der Heiligen Schrift. Es ist die <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> Heiligen<br />
Geistes, die den Ausschlag gibt. Wir haben eine<br />
<strong>Kraft</strong> hinter uns und in uns, welche mächtiger ist<br />
als der Feind, und welche die Oberhand behalten<br />
wird und muss. Der Herr ehrt nur diejenigen, die<br />
Ihn ehren; Er erkennt nur solche an, welche zur<br />
reinen Lehre stehen und sie bekennen.<br />
Der Apostel Paulus sagte genau das Gleiche,<br />
was Johannes hier sagt. In jener Zeit verließen<br />
viele Mitglieder die Gemeinde, und der arme<br />
Timotheus war <strong>des</strong>wegen deprimiert worden.<br />
Er konnte sehen, wie die Menschen weggingen<br />
und falscher Lehre anhingen, indem sie solchen<br />
glaubten, die behaupteten, dass die Auferstehung<br />
bereits geschehen sei. Er hatte seine traurigen<br />
Mitteilungen an Paulus gesandt, und Paulus antwortete<br />
darauf wie folgt: »Aber der feste Grund Gottes<br />
bleibt bestehen« (2.Tim. 2,19). Gott kennt die Seinen;<br />
faktisch sind die Reinheit und Reinerhaltung<br />
<strong>des</strong> Glaubens und der Lehre ausschlaggebend.<br />
3. Wir müssen uns selbst prüfen und erforschen<br />
Doch das bringt uns, wie ich denke, wiederum<br />
zum nächsten Punkt. Nachdem wir also gesehen<br />
haben, dass die gegenwärtige Lage uns nicht deprimieren<br />
darf – nachdem wir gesehen haben,<br />
dass die Reinheit und Reinerhaltung der Lehre<br />
faktisch das Ausschlaggebende sind –, müssen wir<br />
als Nächstes uns selbst prüfen. »Kinder, es ist die<br />
letzte Stunde ... Sie sind von uns ausgegangen«,<br />
und es stellt sich die Frage: Was ist mit uns? Johannes<br />
lehrt uns hier eindeutig Folgen<strong>des</strong>: <strong>Die</strong><br />
bloße Tatsache, dass wir behaupten, Christen zu<br />
sein und der Gemeinde anzugehören, beweist<br />
nicht, dass wir Christen sind. »Sie sind von uns<br />
ausgegangen, sie waren unter uns« – diese Antichristen,<br />
die er anprangert, und die Menschen, die<br />
glaubten, dass sie gläubig sind. »<strong>Die</strong>se Leute hatten<br />
sich der Gemeinde angeschlossen; sie hatten<br />
behauptet, Christen zu sein, aber –«, so sagt Johannes,<br />
»sie sind von uns ausgegangen, womit sie<br />
beweisen, dass sie nicht von uns waren, obwohl<br />
sie unter uns waren.«<br />
Nun scheint es mir, dass dies für uns eine<br />
ernsthafte und wichtige Angelegenheit ist. Das<br />
mag nach einer ziemlich überraschenden und<br />
verblüffenden Behauptung klingen, und manche<br />
würden sagen, dass man in einer Zeit wie unserer<br />
heutigen überhaupt nicht eine derartige Prüfung<br />
durchführen sollte. »<strong>Die</strong> Gemeinden sind heute<br />
schon klein genug«, sagen sie; »wollen Sie etwa die<br />
Leute auffordern, sich selbst zu prüfen, und damit<br />
eine noch größere Austrittsbewegung provozieren?<br />
Sicher sollten Sie die Menschen vielmehr<br />
dazu auffordern, in die Gemeinden einzutreten!«<br />
Gerade das tut die Heilige Schrift aber nicht; sie<br />
hat dies nie getan. Vielmehr sagt sie, dass es möglich<br />
ist, dass Menschen Gemeindemitglieder sind<br />
und doch nicht errettet sind.<br />
Lassen Sie es mich so formulieren – und ich<br />
tue dies im Sinne einer Ermutigung und Tröstung.<br />
Wenn wir auf die heutigen Gemeinden blicken<br />
und sie mit dem vergleichen, was noch vor hundert<br />
Jahren galt, dann mögen wir denken, dass<br />
böse Tage über uns gekommen seien, und dass die<br />
Gemeinde nicht mehr die Gemeinde Gottes sei.<br />
Aber betrachten wir es einmal so: Es gab eine Zeit,<br />
in der die Kirchen voll waren, sogar überfüllt. Sollen<br />
wir aber aufgrund <strong>des</strong>sen annehmen, dass jeder,<br />
der zur Kirche ging, ein wahrhaftiger Christ<br />
gewesen sei? Es gab Menschen, die aus sehr eigenartigen<br />
und kuriosen Gründen zur Kirche gingen;<br />
ihr Kirchgang entsprach nur einer Sitte oder<br />
Gewohnheit; es war eine gesellschaftliche Angelegenheit;<br />
es machte sich für die Menschen bezahlt,<br />
zur Kirche zu gehen. Nein, wir dürfen nicht annehmen,<br />
dass die Kirchen, weil sie voll waren, voll<br />
mit wahren Christen gewesen wären; hier waren<br />
Menschen, die zur Kirche gingen und doch völlig<br />
falsch standen. Also ist es wichtig, uns selbst zu<br />
prüfen und uns zu vergewissern, dass wir wahrhaft<br />
im Glauben und wirklich in Christus sind.<br />
<strong>Die</strong> ultimative Frage ist, ob wir von der Gemeinde<br />
sind. Johannes drückt es wie folgt aus: »Sie<br />
sind von uns ausgegangen, aber sie waren nicht<br />
von uns; denn wenn sie von uns gewesen wären,<br />
30 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 4/<strong>2020</strong>
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so wären sie bei uns geblieben.« Was bedeutet dies<br />
genau, und wie kann ich wissen, ob ich wirklich<br />
von der Gemeinde bin oder nicht? Nun ja, es bedeutet<br />
sicherlich Folgen<strong>des</strong>: Wahre Christen sind<br />
solche, die in lebendiger Verbindung mit der Gemeinde<br />
stehen. Sie gehören ihr nicht nur förmlich<br />
an; ihre Namen stehen nicht bloß im Mitgliederverzeichnis.<br />
Sie erkennen nicht bloß eine allgemeine<br />
Bindung an, die sich nur am Sonntagmorgen<br />
zeigt. Nein, sie sind durch enge, lebendige<br />
Beziehungen mit der Gemeinde verbunden. Mit<br />
anderen Worten, sie haben Leben in sich; sie müssen<br />
sich selbst nicht erst dazu zwingen, sondern<br />
sie können vielmehr gar nicht anders. Für sie ist<br />
es eine organische und lebendige Verbindung,<br />
und die Folge ist, dass sie in echter Gemeinschaft<br />
mit anderen Christen sind. Sie fühlen sich in einer<br />
Weise mit ihnen verbunden, wie sie mit niemand<br />
anderem verbunden sind. Sie empfinden, dass sie<br />
ihre Mitchristen in einer Weise verstehen, wie sie<br />
niemand anderen verstehen; sie empfinden, dass<br />
die Gemeinde in gewissem Sinne ihre Heimat ist.<br />
Da liegt der entscheidende Unterschied. Stellen<br />
wir uns also ganz einfache Fragen: An welcher<br />
Stelle stehen diese Dinge in meinem täglichen<br />
Leben? Welchen praktischen Stellenwert haben<br />
diese Dinge in meiner Erfahrung? Welchen Wert<br />
hat die geistliche Gemeinschaft bei mir? Ist sie für<br />
mich zentral und lebenswichtig, oder ist sie etwas<br />
ganz Nebensächliches, wozu ich mich ständig erst<br />
überwinden muss? <strong>Die</strong> Menschen, die nicht »von<br />
uns« sind, sind Leute, die ganz am Rande stehen,<br />
und wenn irgend etwas schiefläuft, sind sie immer<br />
die Ersten, die weggehen.<br />
4. Wir müssen den Stellenwert und Zweck<br />
einer Zeit wie der unsrigen im Plan Gottes erkennen<br />
Und das bringt mich zum letzten Prinzip: Wir<br />
müssen dem Apostel Johannes zufolge versuchen,<br />
den Stellenwert und Zweck einer Zeit wie der unsrigen<br />
im Plan Gottes zu erkennen; wie setzen wir<br />
sie zum umfassenden Ratschluss Gottes in Beziehung?<br />
Johannes beantwortet diese Frage wie folgt:<br />
Gott hatte Johannes zufolge in gewissem Sinne<br />
diese Menschen aus der Gemeinde hinausgeworfen,<br />
damit ein Unterschied gemacht würde, der<br />
das Falsche entlarvte und das Echte offenbarte<br />
und manifestierte. Das interpretiere ich nun folgendermaßen:<br />
Eine Zeit wie die unsrige ist für die<br />
Gemeinde Jesu von großem Wert; es ist eine Zeit,<br />
in der wir erprobt werden. Lasst uns also daher,<br />
liebe Geschwister, Mut fassen, wenn wir uns daran<br />
erinnern. In der heutigen Welt ist es gewiss<br />
nicht »in«, Gott anzubeten und einen Gottesdienst<br />
zu besuchen. Tatsächlich scheint es jeden<br />
Grund und jede Entschuldigung dafür zu geben,<br />
dies nicht zu tun.<br />
Als wahre Christen werden wir heute geprüft,<br />
gesichtet und erprobt; vieles wird gesagt und geschrieben,<br />
was gegen uns gerichtet ist; wir sehen,<br />
wie die Volksmasse den anderen Weg geht, und<br />
trotzdem stehen wir immer noch. Johannes der<br />
Täufer sagte das Gleiche über unseren Herrn Jesus:<br />
»Er hat die Wurfschaufel in Seiner Hand und wird<br />
Seine Tenne gründlich reinigen und Seinen Weizen in die<br />
Scheune sammeln; die Spreu aber wird Er verbrennen mit<br />
unauslöschlichem Feuer« (Mt. 3,12). Es ist eine Zeit, in<br />
welcher Spreu und Weizen gesichtet werden. Eine<br />
Zeit wie die unsrige hilft der Gemeinde offenkundig<br />
dabei, das loszuwerden, was unecht und falsch<br />
ist, und sie reinigt dadurch die wahre Gemeinde.<br />
<strong>Die</strong> ihr nur locker anhängen, gehen weg, wie auch<br />
die Leute mit zweifelhaften Lehren; dadurch werden<br />
die toten Zweige entfernt, und die Gemeinde<br />
Jesu wird geläutert, gesäubert und gereinigt.<br />
Hier haben wir wiederum eine Lehre, die sich<br />
durch die ganze Bibel hindurchzieht. Man findet<br />
sie in allen Erweckungszeiten wieder; in der Tat<br />
ist für mich eines der auffälligsten Kennzeichen<br />
von Erweckungszeiten die Vorstellung von Gemeindezucht.<br />
Manch eine Gemeinde rühmte sich<br />
ihrer großen Mitgliederzahl; als aber der Herr<br />
anfing, die Gemeinde zu sichten, blieben schlussendlich<br />
nur noch wenige Mitglieder! Es ist dieser<br />
Gedanke <strong>des</strong> Sichtens, <strong>des</strong> Beschneidens, <strong>des</strong> Loswerdens<br />
der toten Blätter und Zweige zum Zwecke<br />
der Läuterung und Reinigung der Gemeinde. Und<br />
gerade die Zeit, in der wir leben, richtet das aus.<br />
Menschen mit falschen Lehren werden dadurch<br />
aufgerüttelt, dass so viele sich ihrer dogmatischen<br />
Abirrung wegen von ihnen abkehren; und das<br />
dient der wahren Gemeinde Jesu zur Reinigung<br />
und Läuterung.<br />
32 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 4/<strong>2020</strong>
5. Eine Zeit wie die unsrige bietet uns<br />
eine gute Grundlage für unsere Heilsgewissheit<br />
Und schließlich bietet uns eine Zeit wie die unsrige,<br />
wie mir scheint, eine sehr gute Grundlage für<br />
unsere Heilsgewissheit, und sie tut dies wie folgt:<br />
»Sie sind von uns ausgegangen«, sagt Johannes,<br />
»aber sie waren nicht von uns; denn wenn sie von<br />
uns gewesen wären, so wären sie bei uns geblieben.«<br />
Sie sind nicht bei uns geblieben; wir aber<br />
bleiben. Warum ist das so? Und darauf gibt es<br />
letztlich nur eine Antwort, nämlich, dass wir aufgrund<br />
<strong>des</strong>sen bleiben, dass wir wahrhaft im rechten<br />
Glauben sein müssen.<br />
<strong>Die</strong>s ist in gewissem Sinne die Lehre vom endgültigen<br />
Beharren der Heiligen: » ... denn wenn<br />
sie von uns gewesen wären, so wären sie bei uns<br />
geblieben.« Allerdings haben sie sich von uns entfernt.<br />
Wenn das Falsche weggenommen worden<br />
ist, bleibt das Echte; solche, die der Gemeinde<br />
angehören und von der Gemeinde sind, bleiben<br />
standhaft und bleiben in ihr: »Aber der feste Grund<br />
Gottes bleibt bestehen und trägt dieses Siegel: Der Herr<br />
kennt die Seinen!« (2.Tim. 2,19). Sie werden sich als<br />
echt erweisen, sie werden gesichtet und geprüft<br />
werden; aber wenn sie ein Eigentum <strong>des</strong> Herrn<br />
sind, können sie nie aus Seiner Hand entfernt<br />
werden.<br />
Also sollten wir eine Zeit wie die unsrige in<br />
dieser Weise betrachten. Es ist eine Zeit der Abtrünnigkeit,<br />
<strong>des</strong> Abfalls; es ist eine Zeit, in welcher<br />
viele Menschen aus der Gemeinde gehen.<br />
Aber wir sehen nicht das Ende der Gemeinde Jesu.<br />
Nein, das Ende der Gemeinde wird die Aufnahme<br />
in die Herrlichkeit sein; denn die wahre Gemeinde<br />
unseres Herrn ist unzerstörbar. <strong>Die</strong> Gemeinde<br />
gehört Christus; und alle, die wahrhaft Ihm angehören,<br />
sind Glieder Seines wunderbaren verherrlichten<br />
Leibes. Deshalb sollten wir uns in gewissem<br />
Sinne sogar der Tatsache rühmen, dass wir<br />
in dieser Stunde in der Welt leben und in dieser<br />
gegenwärtigen, schwierigen Zeit in der Gemeinde<br />
sind und zum Leib Christi gehören.<br />
Missverstehen Sie mich bitte nicht. Wir alle<br />
beklagen die Tatsache, dass so viele außerhalb von<br />
Christus stehen; wir beklagen die Tatsache, dass<br />
die wahre Gemeinde anscheinend so schwach und<br />
hilflos ist. Allerdings dürfen wir <strong>des</strong>wegen nicht<br />
nach den Massen und großen Zahlen begehren;<br />
wir müssen um die Reinheit und die Reinerhaltung<br />
der Lehre besorgt sein, um die Reinheit der<br />
Gemeinde selbst, sowohl in ihrem Leben als auch<br />
in ihrer Lehre. Wir sollten uns der Tatsache rühmen,<br />
dass wir in einer Zeit der Abtrünnigkeit und<br />
<strong>des</strong> Abfalls zum Überrest gehören, und wir sollten<br />
mit Augen <strong>des</strong> Glaubens auf den Krönungstag blicken,<br />
der kommen wird, auf den Tag der Wiederkunft<br />
<strong>des</strong> Herrn mit allen Heerscharen Seines Volkes,<br />
an dem wir, obgleich jetzt zahlenmäßig klein,<br />
zu jener großen Schar gehören werden, welche<br />
niemand zählen kann.<br />
Ein Auszug aus dem Buch »Kennzeichen eines Christen«, 3L-Verlag.<br />
D. Martyn Lloyd-Jones<br />
KENNZEICHEN EINES CHRISTEN<br />
Als Christ erkennbar leben<br />
(1. Johannes, Kapitel 1-3)<br />
• Was ist für einen Christen in der Welt<br />
möglich – und was nicht?<br />
• Wie können wir uns damit abfinden?<br />
Kann man sich in der Welt als Christ<br />
behaupten?<br />
• Was ist unsere Aufgabe in dieser<br />
Welt und wie ist unsere Beziehung<br />
zu der Welt, in der wir leben?<br />
voiceofhope.de | 33<br />
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490 Seiten
George<br />
Whitefield<br />
1714-1770<br />
34 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 4/<strong>2020</strong>
EIN WAHRER<br />
CHRIST & EVANGELIST<br />
Ian Hamilton<br />
In diesem Jahr jährt sich der To<strong>des</strong>tag von George<br />
Whitefield zum 250. Mal. In diesem Artikel<br />
werden wir über ein Leben nachdenken,<br />
das Gott dazu benutzte, im 18. Jahrhundert Zehntausende<br />
zu prägen. Ich erinnere mich lebhaft<br />
daran, wie ich das Leben und den <strong>Die</strong>nst dieses<br />
bemerkenswerten Mannes kennenlernte. Es war<br />
1970, und ich war ein junger Christ, als ein Freund<br />
mich anlässlich <strong>des</strong> zweihundertsten To<strong>des</strong>tages<br />
Whitefields zu einem Vortrag mitnahm. Über eine<br />
Stunde lang hörte ich von Whitefields früherem<br />
Leben, seiner Bekehrung in Oxford, seinen sieben<br />
Besuchen in Amerika und seinen vielen Besuchen<br />
in Schottland und anderen Teilen <strong>des</strong> Vereinigten<br />
Königreichs. Von Anfang bis Ende war ich gepackt,<br />
denn ich hörte von einem Mann, der die Ozeane<br />
und ganz Großbritannien durchquerte. Wenn ich<br />
über die Bedeutung von Whitefields Leben nachdenke,<br />
fallen mir zwei Dinge auf.<br />
WHITEFIELD WAR<br />
EIN WAHRER CHRIST<br />
Als er Howell Harris, dem sehr engagierten walisischen<br />
Evangelisten, zum ersten Mal vorgestellt<br />
wurde, fragte Whitefield ihn: »Weißt du, dass deine<br />
Sünden vergeben sind?« Er hätte seine Erfolge<br />
im <strong>Die</strong>nst, die Art und Weise, wie die Kirche von<br />
England ihn behandelte, seinen gemeinsamen<br />
<strong>Die</strong>nst mit John Wesley, seine Zukunftspläne oder<br />
eine Reihe anderer Themen zur Sprache bringen<br />
können. Doch Whitefield fragte Harris ganz direkt<br />
nach der Vergebung seiner Sünden.<br />
Ich glaube, hier muss jede Bewertung von Whitefield<br />
ansetzen. Whitefield hat nie versucht, sein<br />
Bekenntnis zum reformierten Glauben, das in<br />
neununddreißig Artikeln niedergeschrieben wurde,<br />
zu verbergen. Doch vor allem war er ein aufrichtiger<br />
Christ, ein wiedergeborener Sünder, ein<br />
neuer Mensch in Christus.<br />
Während seiner Zeit in Oxford hatte Whitefield<br />
die Gnade Gottes in der Wiedergeburt erfahren.<br />
Von diesem Moment an glaubte Whitefield,<br />
dass es die Berufung seines Lebens sei, Christus<br />
zu predigen, und zwar als Gekreuzigten. Es war<br />
diese Überzeugung, die es Whitefield ermöglichte,<br />
überall zu predigen, wo man ihn darum bat. Als<br />
die Sezessionskirche in Schottland Whitefield einlud,<br />
in ihren Gemeinden zu predigen, stimmte er<br />
bereitwillig ein. Als er auch Einladungen annahm,<br />
auf Kanzeln der Church of Scotland zu predigen,<br />
stellten ihm die Mitglieder der Sezessionskirche<br />
ein Ultimatum: »Wenn du dort predigst, kannst<br />
du nicht hier predigen«. Whitefield schrieb in seinem<br />
Magazin: »<strong>Die</strong> Vereinigten Presbyterianer<br />
sind so eng, dass sie mich nicht einmal predigen<br />
hören wollen, es sei denn, ich schließe mich ihnen<br />
an«. Whitefield fuhr fort: »Ich fragte, warum ausschließlich<br />
für sie? Mr. Ralph Erskine antwortete,<br />
sie seien das Volk <strong>des</strong> Herrn.« Ich fragte sie dann, ob<br />
außer ihnen niemand anderes zum Volk <strong>des</strong> Herrn<br />
gehöre. Und angenommen, alle anderen wären das<br />
Volk <strong>des</strong> Teufels, dann hätten sie es sicherlich nötiger,<br />
gepredigt zu bekommen; und <strong>des</strong>halb war ich<br />
mehr und mehr entschlossen, auf die Straßen und<br />
an die Hecken und Zäune hinauszugehen«.<br />
WHITEFIELD<br />
WAR EIN EVANGELIST<br />
Vom Augenblick seiner Bekehrung an bis zum Tag<br />
vor seinem Tod gab sich Whitefield mit Leib und<br />
Seele der Evangelisation hin. Er reiste unermüdlich,<br />
überquerte dreizehn Mal den Atlantik und<br />
reiste vierzehn Mal nach Schottland.<br />
Sowohl damals als auch später schrieben viele,<br />
dass Whitefield ein lebhafter und begnadigter<br />
Redner war. Sarah Edwards, Jonathan Edwards<br />
Frau, schrieb in einem Brief an ihren Bruder<br />
James Pierpont: »Er [Whitefield] ist ein von Gott<br />
voiceofhope.de | 35
egabter Redner. Du hast bereits von seiner tiefen,<br />
doch klaren und melodischen Stimme gehört. Es<br />
ist perfekte Musik ... Er ist ein sehr hingegebener<br />
und gottesfürchtiger Mann, und sein einziges Ziel<br />
scheint es zu sein, die Menschen auf die bestmögliche<br />
Weise zu erreichen und zu bewegen. Er spricht<br />
aus einem Herzen, das vor Liebe glüht, und er ergießt<br />
einen Strom von Beredsamkeit, der fast unwiderstehlich<br />
ist.«<br />
Es wäre jedoch extrem falsch, die Bekehrung<br />
Tausender unter Whitefields Predigt auf seine<br />
Stimme und sein Verhalten zurückzuführen. Ein so<br />
ruhiger und besonnener Beobachter wie Jonathan<br />
Edwards schrieb an einen Freund, Thomas Prince,<br />
über die Auswirkungen von Whitefields Predigten<br />
auf ihn selbst und seine Gemeinde:<br />
»Er hielt hier vier Predigten im Versammlungshaus<br />
... <strong>Die</strong> Gemeinde war durch jede Predigt zutiefst erschüttert;<br />
fast die ganze Versammlung war während<br />
der Predigten die meiste Zeit in Tränen aufgelöst.<br />
<strong>Die</strong> Predigten von Mr. Whitefield passten zu den<br />
Umständen der Stadt. Sie enthielten nur Vorwürfe<br />
über unseren Rückfall und nutzten auf sehr bewegende<br />
und ergreifende Weise unser großes Bekenntnis<br />
und unsere große Gnade als Begründung<br />
dafür, zu Gott zurückzukehren, von dem wir uns<br />
entfernt hatten ... <strong>Die</strong> Erweckung geschah zunächst<br />
hauptsächlich unter den Predigern und denjenigen,<br />
die die Hoffnung hegten, sich in einem Zustand der<br />
Gnade zu befinden. Aber nach sehr kurzer Zeit gab<br />
es unter einigen jungen Menschen, die sich selbst<br />
als in einem christuslosen Zustand erkannten, eine<br />
Erweckung und tiefe Besorgnis; und es gab einige<br />
hoffnungsvolle Anzeichen von Bekehrungen, und<br />
einige Lehrer wurden außerordentlich erweckt.<br />
Nach etwa einem Monat oder sechs Wochen gab es<br />
eine große Veränderung in der Stadt, sowohl was die<br />
Erweckung von Lehrern als auch die Erweckung anderer<br />
betraf.«1<br />
Das »Geheimnis« <strong>des</strong> bemerkenswerten Einflusses<br />
von Whitefield auf Menschen aus so unterschiedlichen<br />
Orten wie London, den Kohlerevieren<br />
von Bristol, Cambuslang in Schottland und Neuengland<br />
lässt sich nicht auf natürliche Weise erklären.<br />
<strong>Die</strong> »außergewöhnliche Erschütterung« war der<br />
Gegenwart und <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> Heiligen Geistes zu verdanken.<br />
Was der Geist an Pfingsten vollbrachte, war<br />
kein einmaliges Phänomen. Sicher lag eine erlösende<br />
historische Einmaligkeit in jener mächtigen Ausgießung.<br />
Jedoch sollte jene Zeit der Erquickung ein<br />
Vorbote der nachfolgenden Zeiten der Erquickung<br />
für die Gemeinde und der Erweckung für die Welt<br />
durch die Gegenwart <strong>des</strong> Herrn sein (siehe Apg.<br />
3,19-20).<br />
WAS WIR VON IHM LERNEN ...<br />
Als Erstes müssen wir lernen, uns wie Whitefield<br />
auf das Wesentliche zu konzentrieren. <strong>Die</strong>se Worte<br />
von Richard Baxter in »Das Predigeramt aus Sicht<br />
eines Puritaners«2 sollten in die Herzen und Köpfe<br />
der Prediger <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> eingebrannt werden:<br />
»O meine Herren, wie deutlich, wie eingehend, wie<br />
ernsthaft sollten wir eine Botschaft in einer solchen<br />
Situation wie der unseren überbringen! Im Namen<br />
Gottes, liebe Brüder, arbeitet hart daran, eure eigenen<br />
Herzen zu erwecken, bevor ihr auf die Kanzel<br />
geht, damit ihr in der Lage seid, die Herzen der Sünder<br />
zu erwecken ... Denkt daran, sie müssen erweckt<br />
werden, sonst werden sie verdammt ... Sprecht zu<br />
euren Leuten als zu Menschen, die aufwachen müssen,<br />
entweder hier oder in der Hölle.«<br />
Zweitens macht Iain Murray in seiner Biographie<br />
von Jonathan Edwards diesen wertvollen Kommentar:<br />
»<strong>Die</strong> vielleicht größte praktische Lektion aus<br />
der Erweckung von 1735 für die Kanzel unserer<br />
Tage ist, dass, wenn Prediger und Gemeindeleiter<br />
mit Gleichgültigkeit und Unbekümmertheit zu tun<br />
haben, sie bloße Luftstreiche machen (1.Kor. 9,26),<br />
es sei denn, sie beginnen damit, womit der Heilige<br />
Geist beginnt: ›Wenn jener kommt, wird Er die Welt<br />
überführen von Sünde und von Gerechtigkeit und<br />
vom Gericht‹ (Johannes 16,8)3.«<br />
In unseren verschiedenen <strong>Die</strong>nsten – und alle<br />
Christen haben <strong>Die</strong>nste und Aufgaben – müssen<br />
wir nicht nur in betender Abhängigkeit vom Heiligen<br />
Geist handeln, sondern auch Seinem Vorbild<br />
<strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong>zeugnisses folgen, wie es Jesus in<br />
Johannes 16,8 hervorgehoben hat.<br />
Als John Knox gebeten wurde, die rasche Entwicklung<br />
der schottischen Reformation zu erklären,<br />
antwortete er: »Gott gab einfachen Menschen<br />
Seinen Heiligen Geist in großer Fülle.« Das ist das<br />
große Bedürfnis der heutigen Gemeinde.<br />
1 Letters and Personal Writings, WJE Online Vol. 16, im Jonathan Edwards Center, Yale University.<br />
2 Richard Baxter »Das Predigeramt aus Sicht eines Puritaners«, 3L-Verlag (Bestell-Nr. 863.939).<br />
3 Iain H. Murray, Jonathan Edwards: Ein Lehrer der Gnade und die Große Erweckung, CLV (Bestell-Nr. 256.306).
BRENNENDE<br />
FLAMME FÜR GOTT:<br />
George Whitefield vor 250 Jahren<br />
Jon D. Payne<br />
»Lieber verbrennen, als verrosten!«<br />
George Whitefield<br />
Am 29. September 1770 betrat der bedeutende<br />
und kränkelnde George Whitefield die<br />
kleine neu-englische Stadt Exeter. Eine<br />
unerwartete und beträchtliche Menschenmenge<br />
hatte sich versammelt, um ihn predigen zu hören.<br />
Der begnadigte Evangelist fühlte sich krank, und<br />
ein älterer Mann drückte daraufhin seine Besorgnis<br />
aus: »Sir, Sie sollten lieber zu Bett zu gehen, als<br />
predigen.« Whitefield antwortete: »Ganz recht, Sir.«<br />
Dann warf er einen Blick zum Himmel empor und<br />
betete: »Herr Jesus, ich bin müde in Deinem Werk,<br />
aber nicht von Deinem Werk. Wenn ich meinen Lauf<br />
noch nicht vollendet habe, so lass mich gehen und<br />
für Dich auf den Feldern sprechen, Deine Wahrheit<br />
besiegeln und nach Hause kommen und sterben.«<br />
Whitefield stand dann mehrere Minuten lang<br />
still auf der neu errichteten Außenplattform. <strong>Die</strong><br />
Stille wurde durchbrochen, als er sagte: »Ich bin gewiss,<br />
dass der Herr mir Seinen gnädigen Beistand<br />
geben wird, um noch einmal in Seinem Namen<br />
sprechen zu dürfen.« Kurz darauf verkündete Whitefield<br />
die Person Christi und Sein Erlösungswerk<br />
sowie die ewige Herrlichkeit, in die er selbst bald<br />
einziehen würde.<br />
Ich gehe vorbereitet zur Ruhe; meine Sonne ist<br />
aufgegangen, sie ist jetzt dabei unterzugehen<br />
– nein, sie ist dabei, zum Höhepunkt der unvergänglichen<br />
Herrlichkeit aufzusteigen. Viele mögen<br />
mich auf Erden überleben, aber im Himmel<br />
können sie mich nicht überleben. Oh, göttlicher<br />
Gedanke! Ich werde bald in einer Welt sein, in der<br />
Zeit, Alter, Schmerz und Trauer unbekannt sind.<br />
Mein Leib verfällt, mein Geist weitet sich aus.<br />
Wie bereitwillig würde ich leben, um Christus zu<br />
predigen! Aber ich sterbe, um bei Ihm zu sein!<br />
Am folgenden Morgen, am Tag <strong>des</strong> Herrn, in einem<br />
presbyterianischen Pfarrhaus in Newburyport,<br />
Massachusetts, wurde Whitefields Glaube zum<br />
Schauen. Der ewige Ruhetag <strong>des</strong> großen Predigers<br />
war angebrochen. Im Alter von fünfundfünfzig Jahren<br />
ging Whitefield in die unmittelbare Gegenwart<br />
seines Heilands ein. In diesem Jahr jährt sich der To<strong>des</strong>tag<br />
von George Whitefield zum 250. Mal. Es ist<br />
daher angemessen, sein außergewöhnliches Leben<br />
und seinen <strong>Die</strong>nst neu zu betrachten.<br />
George Whitefield wurde am 16. Dezember 1714<br />
in Gloucester, England, geboren. In seinen veröffentlichten<br />
Zeitschriften widmet Whitefield nur wenige<br />
Seiten seiner Kindheit. Daher wissen wir nicht<br />
viel über seine Jugend, außer dass er im ländlichen<br />
Gasthaus mit vielen Versuchungen aufwuchs. Whitefield<br />
stellt fest: »Ich war so grausam, dass ich An-<br />
voiceofhope.de | 37
weisungen hasste ... Lügen, dreckiges Gerede und<br />
alberne Scherze hielten mich in Abhängigkeit.« Er<br />
fügt hinzu, dass er seine verwitwete Mutter regelmäßig<br />
bestohlen und den Tag <strong>des</strong> Herrn bzw. Sonntag<br />
entheiligt habe: »Es wäre eine endlose Sache, die<br />
Sünden und Vergehen meiner Jugend zu erzählen.«<br />
Whitefield hob sein (und jedermanns!) kolossales<br />
Bedürfnis nach der Wiedergeburt hervor.<br />
Als junger Student am Pembroke College in Oxford<br />
geriet Whitefield in eine Phase tiefer Erkenntnis<br />
seiner Sünden. Durch Gottes Gnade führte der<br />
Geist ihn bald zu neuem Leben in Christus. »Gott<br />
gefiel es, mich frei zu machen, und die Tage meiner<br />
Trauer fanden ein Ende. Nach einer langen Nacht<br />
der Verlassenheit und Versuchung ging der Morgenstern<br />
in meinem Herzen auf.«<br />
Whitefields anfängliches geistliches Leben wurde<br />
größtenteils von John und Charles Wesley geprägt.<br />
Sie unterrichteten ihn in den Grundlagen <strong>des</strong><br />
Glaubens und führten ihn zu klassischen Werken<br />
der puritanischen Theologie. 1739 wurde Whitefield<br />
ein anglikanischer Prediger. Er ließ sich jedoch nie<br />
ganz in einer Pfarrkirche nieder, da er fand, dass<br />
Feldpredigten weitaus wirksamer waren, um verlorene<br />
Seelen zu sammeln und zu gewinnen. In der Tat<br />
begann Whitefield in den frühen Tagen der großen<br />
Erweckung, als sich riesige Menschenmengen versammelten,<br />
um ihn predigen zu hören, und seine<br />
Kritiker weiter zunahmen, das »Predigen ohne<br />
Türen« als einen normalen Teil seines <strong>Die</strong>nstes zu<br />
betrachten. Das Predigen im Freien ermöglichte es<br />
Whitefield, viel mehr Zuhörer aufzunehmen, als in<br />
die beschränkten Räumlichkeiten der meisten Kirchen<br />
passen würden. Es erlaubte ihm auch, an Orten<br />
zu predigen, wo ihm die Kanzel verboten war.<br />
Whitefields warmes, leidenschaftliches und bibeltreues<br />
Predigen war eine willkommene Alternative<br />
zum kalten und mechanischen Formalismus<br />
der Kirche in England. Der feurige Evangelist<br />
verachtete das »freundliche Predigen« seiner Zeit,<br />
da es versäumte, die seelenerschütternden Lehren<br />
<strong>des</strong> Glaubens zu verkünden. Der Heilige Geist rüttelte<br />
Zehntausende von Herzen durch die kräftigen<br />
Predigten von Whitefield, Edwards, John Wesley<br />
und anderen auf. <strong>Die</strong>se Männer glaubten zutiefst an die<br />
Wahrheit, die sie verkündeten. Es war die Art von mutigem,<br />
bibelfundiertem und erfahrungsbezogenem<br />
Predigen, von der wir heute mehr brauchen!<br />
Whitefield unternahm sieben Reisen in die amerikanischen<br />
Kolonien. Sein Reise- und Predigt-Terminkalender<br />
war schonungslos. Es wird angenommen,<br />
dass der unermüdliche Evangelist im Laufe<br />
seines vierunddreißigjährigen <strong>Die</strong>nstes 18.000 Mal<br />
vor insgesamt mehr als zehn Millionen Menschen<br />
gepredigt hat. In Städten wie London, Philadelphia<br />
und Boston zog er Massen von über zwanzigtausend<br />
Menschen an. Tausende kamen unter seinen<br />
Predigten zu Christus.<br />
<strong>Die</strong> Bekanntheit von Whitefield in den frühen<br />
1740er Jahren war beispiellos. Ein Biograph stellt<br />
fest, dass »er der erste international und transatlantische<br />
bekannte Wanderprediger überhaupt war.«<br />
Obwohl Benjamin Franklin selbst nie ein gläubiger<br />
Christ wurde, pflegte er eine lange persönliche<br />
Freundschaft mit Whitefield, nahm eifrig an seinen<br />
Predigten in Philadelphia teil und brachte zahlreiche<br />
Exemplare davon in Druck.<br />
<strong>Die</strong> Bekanntheit war jedoch nicht nur positiv,<br />
und Kontroversen waren sein ständiger Begleiter<br />
auf dem Höhepunkt der Erweckung. Zwischen 1739-<br />
1740 erschienen 154 Anti-Whitefield-Streitschriften.<br />
Weitverbreitete Kritik richtete sich unter anderem<br />
gegen seine Predigten unter freiem Himmel,<br />
seine öffentlichen Anklagen gegen den Klerus und<br />
seine reformierte Heilslehre.« Whitefields öffentlicher<br />
Meinungsaustausch mit John Wesley über die<br />
Lehre von der Erwählung war hart und entzweiend,<br />
unterstrich jedoch Whitefields tiefes Verständnis<br />
der Heiligen Schrift.<br />
Auch wenn der Platz keinen umfassenderen<br />
Überblick zulässt, muss doch erwähnt werden,<br />
dass Whitefields aufrichtige Liebe zu Gott und zum<br />
Nächsten ihn dazu bewegte, das Bethesda-Waisenhaus<br />
in Savannah, Georgia, zu gründen, seine<br />
Freundschaft mit John Wesley wiederherzustellen<br />
und sein aufrichtiges Bedauern über sein früheres<br />
Verhalten zum Ausdruck zu bringen. In seinen letzten<br />
Lebensjahren schrieb er demütig: »Ach, in wie<br />
vielen Dingen habe ich falsch geurteilt und gehandelt!<br />
Ich war zu unbedacht und übereilt bei meiner<br />
Einschätzung von Charakteren, sowohl von Orten<br />
als auch von Personen. Da ich die Sprache der Heiligen<br />
Schrift liebe, habe ich oft einen zu theologischen<br />
Stil verwendet, und gleichzeitig war ich zu erbittert<br />
in meinem Eifer, und ich habe festgestellt, dass<br />
ich oft in meinem eigenen Geist geschrieben und<br />
gesprochen habe, als ich dachte, ich schreibe und<br />
spreche unter dem Beistand <strong>des</strong> Geistes Gottes.«<br />
Whitefield war ein Mann von aufrichtiger christlicher<br />
Demut.<br />
38 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 4/<strong>2020</strong>
<strong>Die</strong> treuesten Prediger sind die hingebungsvollsten<br />
Christen. Wenn ich mich an Whitefield<br />
anlässlich seines 250. To<strong>des</strong>tages erinnere, beeindruckt<br />
mich am meisten nicht etwa seine großartige<br />
Beredsamkeit, die riesigen Menschenmengen,<br />
die er anzog, oder seine tapfere Verteidigung der<br />
reformierten Lehre. Nein, es ist sein ernsthafter<br />
und beständiger Wandel mit Gott im Laufe eines<br />
intensiven vierunddreißigjährigen <strong>Die</strong>nstes. Sein<br />
öffentliches Wirken wurde durch seine persönliche<br />
Gottesfurcht untermauert. Er verließ sich im Gebet<br />
auf den Heiligen Geist und die Gnadenmittel. Sollte<br />
dies nicht das Ziel eines jeden Predigers sein?<br />
In seiner Begräbnispredigt verwies John Wesley<br />
liebevoll und zutreffend auf Whitefield als ein »gesegnetes<br />
Werkzeug in der Hand Gottes«. Mögen wir<br />
uns alle Whitefields außergewöhnliches Leben und<br />
Wirken zum Vorbild nehmen und aus seinen wertvollen<br />
Lehren, die wir heute noch in seinen Büchern<br />
finden, profitieren.<br />
Aus »The Banner of Truth Magazine 685«<br />
Benedikt Peters<br />
GEORGE WHITEFIELD<br />
Der Erwecker Englands und Amerikas<br />
Er gab der englischsprachigen Welt innerhalb von vier Jahrzehnten ein neues Gesicht,<br />
indem er das Werkzeug zur Erweckung <strong>des</strong> 18. Jahrhunderts wurde – George Whitefield<br />
(1714-1770). Er zeigte in beschämender Eindringlichkeit, was Hingabe ist. Außerdem war er<br />
ein Friedensstifter unter Brüdern, ein Mann der Demut. Vor allem aber war er ein Mann,<br />
der von der Gnade Gottes überwältigt war. In unserer von Leidensscheu und Selbstverliebtheit<br />
geprägten Zeit ein sehr beeindrucken<strong>des</strong>, herausfordern<strong>des</strong> und Mut machen<strong>des</strong><br />
Buch.<br />
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George Whitefield<br />
CHRISTUS – DIE WEISHEIT, GERECHTIGKEIT,<br />
HEILIGUNG UND ERLÖSUNG DER GLÄUBIGEN<br />
In dieser Predigt legt Whitefield 1. Korinther 1,30 aus und führt uns mit<br />
schlichten Worten vor Augen, welchen unvorstellbaren Reichtum Gott,<br />
der Vater, all jenen gibt, die ihre Hoffnung auf ewiges Leben allein auf<br />
Seine Gnade setzen und die auf Christus, den wahren Erlöser, vertrauen.<br />
2,50 € | Bestell-Nr. 814.077 | 26 Seiten<br />
Benedikt Peters<br />
FRIEDENSSTIFTER<br />
Was wir von George Whitefield und John Wesley lernen können<br />
Streit und Trennungen hat es in der Kirchengeschichte leider immer wieder gegeben.<br />
Dass aber Brüder sich wieder versöhnt und trotz bleibenden unterschiedlichen Überzeugungen<br />
wieder gemeinsam für das Evangelium gearbeitet haben, ist leider eher eine Seltenheit.<br />
<strong>Die</strong> beiden Erweckungsprediger und Freunde John Wesley und George Whitefield<br />
suchten beide die Versöhnung und den Frieden und fanden zur alten Zusammenarbeit<br />
und zu gegenseitiger Wertschätzung zurück obwohl sie in ihren Überzeugungen auch<br />
weiterhin nicht übereinstimmten. Eine sehr aktuelle und ermutigende Wegweisung.<br />
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voiceofhope.de | 39
PAUL DAVID TRIPP<br />
Jeden Morgen<br />
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Der Vormittag kann hart sein. Da reichen ein<br />
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bietet mehr als nur einen kräftigen Kaffee, er möchte<br />
dir die stärkste Ermutigung geben, die man sich<br />
vorstellen kann: das Evangelium.<br />
<strong>Die</strong>se 366 Andachten weisen auf die täglichen<br />
Segnungen hin, die du fin<strong>des</strong>t, wenn du mit leeren<br />
Händen vor den Thron der Gnade kommst und dabei<br />
Gottes Wort aufschlägst, um die Wahrheit zu finden,<br />
die dich belehrt, überführt, zurechtweist<br />
und darin unterweist, wie du ein Leben führen<br />
kannst, das Gott gefällt.<br />
Was du täglich brauchst, ist die tiefe Gemeinschaft mit dem<br />
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5. JANUAR<br />
T<br />
atsache<br />
Wenn du auch tausend Jahre lang gehorsam wärst,<br />
wärst du vor Gott nicht annehmbarer als zu dem Zeitpunkt, in dem<br />
du gerade erst zum Glauben gekommen bist. Deine Annahme ist<br />
auf Christi Gerechtigkeit und nicht auf die deine gegründet.<br />
ist, dass die Sünde ein größeres Unheil darstellt, als wir meinen, und dass die Gnade<br />
erstaunenswerter ist, als wir es zu begreifen scheinen. Niemand, der wirklich versteht, was<br />
die Bibel über die allumfassende, jeden Aspekt unserer Persönlichkeit verändernde Natur der<br />
Sünde zu sagen hat, würde sich jemals darüber Gedanken machen, ob wohl irgendjemand in der<br />
Lage wäre, genügend Eigeninitiative und <strong>Kraft</strong> zu mobilisieren, um sich zu Gottes Vollkommenheits-Standards<br />
aufzuschwingen. Der Gedanke, dass irgendein gefallenes menschliches<br />
Geschöpf in der Lage wäre, sich einen Weg zur Annahme bei Gott bahnen zu können, muss<br />
die verrückteste aller Wahnvorstellungen sein. Doch wir alle neigen dazu, uns für gerechter zu<br />
halten, als wir es sind, und wenn wir das denken, haben wir die erste Stufe zu der Verirrung<br />
erstiegen, wir seien vielleicht in Gottes Augen doch gar nicht so schlecht.<br />
Darum ist die Sachverhaltsprüfung aus Römer 3,20 so wichtig. Denn da schreibt Paulus,<br />
dass »aus Werken <strong>des</strong> Gesetzes kein Fleisch vor Ihm gerechtfertigt werden kann«. Wenn man<br />
auch in jedem Augenblick seines Lebens unablässig beten würde, so könnte man doch nicht<br />
genügend beten, um Annahme bei Gott zu finden. Wenn man jeden Cent von jedem Euro, den<br />
man je verdient hat, in jedem Job, den man je hatte, weggäbe, so könnte man nicht genug geben,<br />
um die Annahme bei Gott zu verdienen. Wenn je<strong>des</strong> Wort, das man jemals aussprach, mit<br />
den reinsten gewissenhaften Beweggründen geäußert worden wäre, so wäre man doch unfähig,<br />
dadurch zu der Versöhnung mit Gott beizutragen. Wenn man sich zu einem ununterbrochenen<br />
Leben <strong>des</strong> unablässigen <strong>Die</strong>nstes hingäbe, könnte man doch nicht genügend dienen, um Gottes<br />
Gunst zu erwerben. <strong>Die</strong> Sünde ist zu groß. Gottes Schranken sind zu hoch. Sie liegen außerhalb<br />
der Reichweite eines jeden menschlichen Wesens, das irgendwann zu atmen begonnen hat.<br />
Darum hat Gott in Seiner Liebe Seinen Sohn gesandt: »Gott aber beweist Seine Liebe zu<br />
uns dadurch, dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren« (Röm. 5,8). Du<br />
siehst: Da war und da ist kein anderer Weg. Es gibt nur eine Pforte zur Annahme bei Gott: die<br />
Gerechtigkeit Christi. Seine Gerechtigkeit wurde unserer Rechnung gutgeschrieben. Sünder<br />
werden in der heiligen Gegenwart Gottes willkommen geheißen, und zwar auf der Grundlage<br />
<strong>des</strong> vollkommenen Gehorsams eines Anderen. Christus ist unsere Hoffnung, Christus ist unser<br />
Ruheort, Christus ist unser Friede. Er erfüllte vollkommen die Forderung Gottes, so dass wir<br />
niemals mehr den Zorn Gottes zu fürchten brauchen, trotz unserer Sünde, unserer Schwachheit<br />
und unseres Versagens. Das ist es, was die Gnade schafft! Somit ist unser Gehorsam als Erlöste<br />
ein dankbares und hingegebenes Leben in der Heiligung und nicht der verzweifelte Versuch, das<br />
zu tun, was unmöglich ist: eigenständig Gottes Gunst zu verdienen.<br />
Für weitere Studien: Galater 3,1-14<br />
voiceofhope.de | 41
Über 18h Laufzeit<br />
Bernhard J. van Wijk<br />
BIBLISCHE GESCHICHTEN<br />
ERZÄHLT & ERKLÄRT<br />
Ein lehrreiches Buch für Jung und Alt über Gottes<br />
Geschichte mit den Menschen<br />
»Du, Tom, sag mal, wer ist eigentlich der erste Mörder in der Menschheitsgeschichte<br />
gewesen?«, fragt die Sonntagsschullehrerin. Tom runzelt die Stirn und antwortet:<br />
»Hmm … heute Morgen haben Papa und ich die Geschichte noch gelesen. Ähm … ich<br />
glaube, es war Kain.« <strong>Die</strong> Bibel erzählt zahlreiche Geschichten. Bernhard J. van Wijk hat<br />
sich mit dem Projekt »Biblische Geschichten« der Aufgabe gewidmet, die einzigartige<br />
und ergreifende Geschichte Gottes mit den Menschen zu erzählen und zu erklären.<br />
In den 185 Kapiteln wird der große Rettungsplan Gottes durch Jesus Christus vorgestellt.<br />
Im Gegensatz zu einer normalen Kinderbibel sind die Geschichten hier nicht<br />
nur nacherzählt, sondern enthalten auch leicht verständliche und altersübergreifende<br />
Erklärungen und Anwendungen. <strong>Die</strong> ausdrucksstarken Bilder von Adri Bourghout<br />
lassen die Erzählungen lebendig werden.<br />
<strong>Die</strong> Lesedauer einer Geschichte beträgt zwischen 5 bis 7 Minuten. Doch das ist noch<br />
nicht alles. Der Autor hat nämlich Fragen für Klein und Groß formuliert, die alle Betei-
ligten dazu anspornen, die einzelnen Kapitel genau<br />
zu lesen. Es empfiehlt sich zudem, den vorgeschlagenen<br />
Bibeltext zu Rate zu ziehen, um noch tiefer in<br />
Gottes Wort einzutauchen. Ergänzt wird das Ganze<br />
durch Erklärungen, die helfen, das Gelesene besser<br />
zu verstehen. Doch nicht nur das Lesen der Texte und<br />
der Austausch stehen im Fokus. Gerade auch der<br />
heutzutage so bedeutsame Lobpreis wurde berücksichtigt,<br />
denn zum Abschluss jeden Kapitels wurden<br />
altbewährte, aber auch neue Lieder zum Lob Gottes<br />
vorgeschlagen.<br />
Neben dem biblischen Inhalt ist es aber auch die<br />
besondere Gestaltung. Es sind nicht nur die Bilder,<br />
die »Biblische Geschichten« zu einem Alltagsbegleiter<br />
machen, sondern auch die sehr schöne Aufmachung<br />
und Gestaltung. Neben einem Einlegeband<br />
ist es vor allem das vierfarbige Seitenlayout, das<br />
durch Klarheit, Strukturierung und Optik überzeugt.<br />
»Biblische Geschichten« eignet sich für Jung und<br />
Alt, denn es ist ein lehrreiches Buch über Gottes Geschichte<br />
mit den Menschen. <strong>Die</strong> Lektüre bereichert<br />
nicht nur die Familienandacht, sondern eignet sich<br />
auch zum Einsatz in Gemeinden oder sogar in pädagogischen<br />
Einrichtungen. Im Schlussteil <strong>des</strong> Buches<br />
befinden sich nämlich alle Antworten auf die Fragen,<br />
die in den einzelnen Kapiteln gestellt werden.<br />
Mit dem Mix aus Bibellesen, erforschendem Fragen<br />
und praxisrelevanten Erklärungen sowie dem Lobpreis<br />
Gottes liegt uns hier eine Lektüre vor, die dem<br />
Leser auf verschiedenen Wegen Gottes Wort begreiflich,<br />
anschaulich und lebensnah vorstellen möchte.<br />
Der Preis für solch ein wunderbares Werk ist völlig<br />
angemessen, und daher wird zum Kauf geraten.<br />
ZUM BUCH<br />
Eine Rezension von Henrik Mohn<br />
www.voh-shop.de<br />
02265 99749-22<br />
24,90 € • Bestell-Nr.: 875.417<br />
573 Seiten • Hardcover<br />
HÖRBUCHREIHE<br />
109,00 € 85,00 € • Bestell-Nr.: 875.220<br />
insg. 18h 9min • insg. 19 Audio-CDs<br />
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»Leiden sind ein glückliches Mittel in den Händen <strong>des</strong><br />
Heiligen Geistes, um meine Verdorbenheit, meinen Stolz,<br />
meine bösen Leidenschaften und meine übermäßige<br />
Liebe zum Gemachten zu unterdrücken. Trübsal erweicht<br />
mein hartes Herz, zwingt mich in die Knie, verstärkt<br />
den Glauben, verstärkt die Liebe, verstärkt die Demut,<br />
verstärkt die Selbstverleugnung. Trübsal macht mich arm<br />
im Geiste und in meinen eigenen Augen zu nichts.«<br />
John A. James