Leichtathletik INFORMationen 01/2012

Inhalt: FREUNDE-Förderkatalog 2012 für den Nachwuchs + Athletenmanager in der LA + Interview mit Shanice Craft + Olympische Vorboten + Erinnerung an Zá-to-pek! Inhalt: FREUNDE-Förderkatalog 2012 für den Nachwuchs + Athletenmanager in der LA +
Interview mit Shanice Craft + Olympische Vorboten + Erinnerung an Zá-to-pek!

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05.12.2020 Aufrufe

Heft 1/2012 Leichtathletik INFORMationen 10 Pro und Contra – Wettkampfsystem Kinderleichtathletik Mehrfach haben die „INFORMationen“ die geplanten Neuerungen in der Kinderleichtathletik thematisiert. Selten ist (weitestgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit) in den Vereinen, unter den Funktionären und Trainern so kontrovers diskutiert worden. Wir setzen die Diskussion deshalb noch einmal fort, weil sie grundsätzliche Fragen zur Zukunft der Leichtathletik berührt. Pro Quo vadis deutsche Leichtathletik? Wissen Sie es? Oder Sie? Ich kann es auch nicht vorhersagen. Wir alle können nur unser Bestes dazu beitragen, dem Kinder-, Jugend- und Spitzensport die bestmöglichen Bedingungen mit auf den Weg zu geben. Doch was ist das Beste? Bestimmt nicht, alles Neue gleich zu „verdammen“. „Wir wollen kein Sackhüpfen und Eierlaufen, kein Einmaleins der Beliebigkeiten“ lautet das erste Argument der Gegner der neuen Kinderleichtathletik. Wer solche Kritik äußert, spielt nicht ganz fair. Alle Disziplinen der Kinderleichtathletik sind zielführend aufgebaut, Abschnitt für Abschnitt – von Disziplin zu Disziplin, von Experten ausgedacht, basierend auf den Erkenntnissen, die viele engagierte Ausrichter von alternativen Wettkampfformen gemacht haben. Und ich kann mich täuschen, aber Eierlaufen habe ich dort nicht gefunden. Es gibt sie ja schon lange, diese anderen Wettkampfformen, und Niemanden will man selbst ausgedachte Konzepte madig machen. Doch für einen Dachverband wie den DLV ist es irgendwann eine Notwendigkeit, dem Ganzen ein einheitliches Korsett zu verpassen, auch wenn dadurch vielleicht nicht alle Ideen Anderer berücksichtigt werden können. Wir dürfen nur nicht hingehen, alles vorverurteilen und jedes vermeintliche Haar in der Suppe suchen wo keines ist. Wenn man will, kann man sich Kritikpunkte auch konstruieren. Klar, man muss ein paar neue Geräte anschaffen, aber ambitionierte Leichtathletik, ob es nun im Training ist oder im Wettkampf, gibt es nicht zum Nulltarif. Die Ausgaben für Geräte der älteren Athleten wie Hochleistungsspeere oder Stabhochsprungstäbe liegen in ganz anderen Regionen, als diejenigen für Geräte der Kinder-LA. Man muss sich fragen, was einem die Schüler wert sind. Hier investieren wir in die Zukunft. Und wenn es doch an den Finanzen scheitert: Alle neuen Geräte können substituiert werden durch Dinge wie z. B. Bananenkartons als Hürden und Fahrradreifen als Disken. Viele Gegner der Kinder-LA führen als Argument an, sie praktizieren die neuen Disziplinen schon lange im Training – weil sie auch den Nutzen der Übungen nicht abstreiten (können). Warum dann Kinderleichtathletik nicht auch als Wettkampfform? Das ist doch der nächste logische Schritt. Erstens, Kinder wollen sich in dem messen, was sie im Training üben. Mit einem „Dazu seid ihr noch zu jung, Hürdenlaufen macht ihr erst in zwei Jahren“ entmündigt man die Kinder und entzieht ihnen die Motivationsgrundlage. Man sollte nicht im Training die Vielfalt ausprobieren und dann im Wettkampf zum sturen, althergebrachten Dreikampf aus 50 m, Weitsprung und Ball- Grafiken von Patrick Woess und Thorvald Neumann, mit freundlicher Genehmigung Heft 9+10/2011 von „leichtathletiktraining“ des Philippka-Sportverlages entnommen.

Foto: Hans-Peter Skala 11 Leichtathletik INFORMationen Heft 1/2012 Contra Da reist der Protagonist mit der Macht des Zentralverbandes im Rücken landauf landab und wirbt für sein Kind – zentral organisierte Kinderleichtathletik. In den virtuellen Zentralorganen werden Mal für Mal Erfolge gefeiert – das neue Programm begeistert. Vor allem aber begeistert es jene, die zu diesen Vorstellungen kommen. Es begeistert jene vielen, die von der Ideenfülle von Trainerlehrern wie von Zentralgurus profitieren wollen, weil die eigene Phantasie zu wenig Gestaltungsmöglichkeit hergibt. wurf zurückkehren. Das ist inkonsequent. So sieht aber leider die Realität aus. Denn egal mit welchen hehren Zielen ambitionierte Trainer ihr Training gestalten, geht es zweitens auf die Wettkämpfe zu, wird sich nur noch an dem orientiert, was beim nächsten Sportfest gemacht werden muss – als Folge bleibt die Vielfalt im Training auf der Strecke. Ich habe in Westfalen den Pilotwettkampf organisiert und befinde mich nun in der glücklichen Lage, beide Wettkampfformen zu vergleichen. Die Kampfrichter haben eine 45-minütige Einführung in die Disziplinen erhalten, danach war alles klar. Die Disziplinen sind eigentlich selbsterklärend, auch Eltern können sofort als Helfer eingesetzt werden. Die Kampfrichter haben nach einer kurzen Eingewöhnungszeit schneller gearbeitet als in den herkömmlichen Disziplinen. Gerade in den Sprungdisziplinen geht das Verfahren aufgrund der Wertungszonen wesentlich schneller. Eine schnellere Abwicklung des „alten“ Weitsprungs mit seinen langen Wartezeiten tut not. Und seien wir ehrlich: Die herkömmliche Weitenmessung im Ballwurf war auch nichts anderes als eine Form der Wertungszone. Und da hat kein Kind protestiert, weil es wissen wollte, ob es nun 25,72 oder 26,0 m geworfen hatte. Unter anderem deswegen benötigte man bislang auch für den Ballwurf so viel weniger Zeit als für den Weitsprung. Machen wir also einen kurzen Vergleich für die U 12 (die kritischste Altersklasse, wo das neue Konzept am umstrittensten ist), die im Übrigen auch eine optionale Einzelwertung in der neuen Kinder-LA vorsieht: 50 m Sprint mit Zeitnahme – immer noch vorhanden. Schlagball mit freiem Anlauf und gestaffelten Wertungszonen: Nur die Größe der Zone hat sich verändert. Diese Größe kann aber jeder Ausrichter letztendlich auch selbst bestimmen (Stichwort Flexibilität). Weitsprung: Hier haben wir jetzt einen Additionsweitsprung, bei dem aber auch noch die exakten! Weiten gemessen werden. Aber oh Gott, es werden die Weiten zusammengezählt! Wie kann man nur? Liebe Leute, wir regen uns summa summarum also nur über die Zusammenzählung von drei Weitsprüngen auf? Hat die Leichtathletik keine wichtigeren Probleme? Sie verzeihen mir bitte meinen Sarkasmus der letzten Zeilen, aber wir stellen fest, dass wir eine Fülle von neuen Disziplinen, dessen Nutzen wohl niemand abstreiten kann, nur mit der Addition von drei Weitsprüngen bezahlen. Ich finde das einen fairen Preis! Patrick Berg Geschäftsführer der LA-Abteilung des DJK Blau-Weiß Annen Deutschland ist ein föderal organisiertes Land. Seit der Wiedervereinigung haben wir 16 Bundesländer, in denen eine erhebliche Selbständigkeit organisiert wird. In vielen gesellschaftlichen Belangen entwickeln sich Sonderwege – in der Folge bilden sich über unser schönes Land verteilt großartige Kulturorte, großartige Wirtschaftsstandorte, großartige Wissenschaftsstandorte. Warum sollte es diese großartige Vielfalt nicht auch in unserem Sport geben können? Ein Blick über die Bundesgrenze nach Frankreich zeigt den Erfolg von Zentralismus. Kultur ist vor allem Paris. Gesellschaft ist erst einmal auch Paris. Sehr langsam nur erzwingen die europäischen Ideen ein Umdenken, finden die Provinzen zu einem stärkeren Lokalbewusstsein. Damals, als ich beim LA-Finale von „Jugend trainiert für Olympia“ (JtfO) mehr als zwei Jahrzehnte lang Dauergast sein durfte, hatte ich als kleiner Bremer Vertreter gerne Gespräche mit Kollegen aus den anderen Bundesländern. Da wurde von Benachteiligungen ebenso wie von tollen Ideen gesprochen. Wir haben einander gegeben. Jeder einzelne unter den betreuenden Lehrern ist mit offenen Ohren durchs Stadion getrabt, hat hingehört und aufgegriffen. Mich hat das gegen Ende meiner JtfO-Karriere und noch vor unserem gigantischen DLV auf einen völlig neuen Förderweg für Kinderleichtathletik geführt. Was sich schon Jahre zuvor in meinem Kopf an Vorstellungen angesammelt hatte, brachten wir an meiner Schule in einer Arbeitssitzung binnen kurzer Zeit in ein straffes Ordnungsschema: Nicht Vierkampf, nicht anaerob strukturierte Leichtathletik – es wurde ein leichtathletischer Mehrkampf, zuletzt ein insgesamt aerob gestrickter, auf Orientierung hin eingerichteter Bewegungszehnkampf. Übrigens ein Wettbewerb mit Stoppuhr, mit ordentlichen Messsystemen, mit einer ordentlichen Punktwertung. Die Einführung an meiner Schule geriet zu einem großartigen Erfolg. Wo wir zuvor Lustlosigkeit, Mauligkeit, manchmal sogar brutalen Widerstand erleben mussten, herrschte plötzlich breite Fröhlichkeit. Nun also kommt unser großer DLV daher und will nach langer „Geheimplanung“ das Ei des Kolumbus gefunden haben. Ich habe mein System ohne jede Zentralunterstützung immer weiter nach vorne gebracht. Anfangs hatte ich nicht einmal Geld und Wertschätzung – nur meine Bremer Sturheit hielt weiter auf Seite 12

Heft 1/2<strong>01</strong>2 <strong>Leichtathletik</strong> <strong>INFORMationen</strong> 10<br />

Pro und Contra –<br />

Wettkampfsystem Kinderleichtathletik<br />

Mehrfach haben die „<strong>INFORMationen</strong>“ die geplanten Neuerungen in der Kinderleichtathletik thematisiert.<br />

Selten ist (weitestgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit) in den Vereinen, unter den<br />

Funktionären und Trainern so kontrovers diskutiert worden. Wir setzen die Diskussion deshalb<br />

noch einmal fort, weil sie grundsätzliche Fragen zur Zukunft der <strong>Leichtathletik</strong> berührt.<br />

Pro<br />

Quo vadis deutsche <strong>Leichtathletik</strong>? Wissen Sie es? Oder Sie?<br />

Ich kann es auch nicht vorhersagen. Wir alle können nur unser<br />

Bestes dazu beitragen, dem Kinder-, Jugend- und Spitzensport<br />

die bestmöglichen Bedingungen mit auf den Weg zu geben.<br />

Doch was ist das Beste? Bestimmt nicht, alles Neue gleich<br />

zu „verdammen“.<br />

„Wir wollen kein Sackhüpfen und Eierlaufen, kein Einmaleins<br />

der Beliebigkeiten“ lautet das erste Argument der Gegner<br />

der neuen Kinderleichtathletik. Wer solche Kritik äußert,<br />

spielt nicht ganz fair. Alle Disziplinen der<br />

Kinderleichtathletik sind zielführend aufgebaut, Abschnitt<br />

für Abschnitt – von Disziplin zu Disziplin, von Experten ausgedacht,<br />

basierend auf den Erkenntnissen, die viele engagierte<br />

Ausrichter von alternativen Wettkampfformen gemacht<br />

haben. Und ich kann mich täuschen, aber Eierlaufen<br />

habe ich dort nicht gefunden. Es gibt sie ja schon lange,<br />

diese anderen Wettkampfformen, und Niemanden will man<br />

selbst ausgedachte Konzepte madig machen. Doch für einen<br />

Dachverband wie den DLV ist es irgendwann eine Notwendigkeit,<br />

dem Ganzen ein einheitliches Korsett zu verpassen,<br />

auch wenn dadurch vielleicht nicht alle Ideen<br />

Anderer berücksichtigt werden können.<br />

Wir dürfen nur nicht hingehen, alles vorverurteilen und jedes<br />

vermeintliche Haar in der Suppe suchen wo keines ist. Wenn<br />

man will, kann man sich Kritikpunkte auch konstruieren. Klar,<br />

man muss ein paar neue Geräte anschaffen, aber ambitionierte<br />

<strong>Leichtathletik</strong>, ob es nun im Training ist oder im Wettkampf,<br />

gibt es nicht zum Nulltarif. Die Ausgaben für Geräte<br />

der älteren Athleten wie Hochleistungsspeere oder Stabhochsprungstäbe<br />

liegen in ganz anderen Regionen, als diejenigen<br />

für Geräte der Kinder-LA. Man muss sich fragen, was einem<br />

die Schüler wert sind. Hier investieren wir in die Zukunft. Und<br />

wenn es doch an den Finanzen scheitert: Alle neuen Geräte<br />

können substituiert werden durch Dinge wie z. B. Bananenkartons<br />

als Hürden und Fahrradreifen als Disken.<br />

Viele Gegner der Kinder-LA führen als Argument an, sie praktizieren<br />

die neuen Disziplinen schon lange im Training – weil<br />

sie auch den Nutzen der Übungen nicht abstreiten (können).<br />

Warum dann Kinderleichtathletik nicht auch als Wettkampfform?<br />

Das ist doch der nächste logische Schritt. Erstens, Kinder<br />

wollen sich in dem messen, was sie im Training üben. Mit<br />

einem „Dazu seid ihr noch zu jung, Hürdenlaufen macht ihr<br />

erst in zwei Jahren“ entmündigt man die Kinder und entzieht<br />

ihnen die Motivationsgrundlage. Man sollte nicht im Training<br />

die Vielfalt ausprobieren und dann im Wettkampf zum sturen,<br />

althergebrachten Dreikampf aus 50 m, Weitsprung und Ball-<br />

Grafiken von Patrick Woess und Thorvald Neumann, mit freundlicher Genehmigung<br />

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