Neue Szene Augsburg 2020-12
Stadtmagazin für Augsburg
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Gästeblog
Wie eine ziemlich lästige und flinke Fliege
schwirrt sie durch alle meine Termine und setzt
sich bei jeder Überlegung zu einem Sachverhalt
penetrant auf meine Nase. Sie ist da, und
entkommt jedem Einfang-Versuch. Sie ist fast
unsichtbar, aber ihr Summen und Brummen
ist ständig präsent. Als ich in den Wahlkampf
gestartet bin, waren Maskenpflicht und Lockdown
für uns alle noch Worte, die wir nie mit
unserem Alltag verbunden hätten. Heute kann
mein fünfjähriger Neffe aus dem Stehgreif
erklären, wieso die Mund-Nase-Bedeckung im
öffentlichen Raum wichtig ist und was eine
Corona-Quarantäne ist. Diese Krise triff viele
Menschen sehr hart und ich bin immer wieder
von den Augsburgerinnen und Augsburgern
beeindruckt, die mit viel Solidarität die notwendigen
Maßnahmen umsetzen. Großen Respekt
habe ich in dieser Zeit auch vor Amtskolleginnen
und –kollegen, die ohne Verwaltungserfahrung
„einfach so“ ins Krisenmanagement
reingerutscht sind. Ich habe den Vorteil, dass
ich bereits als zweite Bürgermeisterin eng in
den Krisenstab eingebunden war und durch
meine langjährige Referentinnen-Tätigkeit weiß,
wie die Verwaltung tickt. Trotzdem ist auch für
mich vieles in dieser Krise nicht vorhersehbar.
Und weil jede Maßnahme in Absprache mit der
Stadtspitze, den Expertinnen und Experten aus
Medizin und Wissenschaft, und oftmals mitten
in der Nacht auch noch mit den politischen Entscheidungsträgern
auf Landesebene abgewogen
wird, verlaufen meine Arbeitstage derzeit von
sehr früh morgens bis sehr spät abends, sieben
Tage die Woche.
Freizeit? Habe ich kaum, um ehrlich zu sein.
Und wenn ich mir mal einen Spaziergang in der
Mittagspause im Siebentischwald gönne, hänge
ich doch wieder die Hälfte der Zeit am Handy
und schaue mir die aktuellen Fallzahlen an,
schreibe mir selbst E-Mail-Notizen oder telefoniere
mit einem Mitglied des Krisenstabs. Meine
Work-Life-Balance ist gerade ziemlich bescheiden,
aber ich will hier auf keinen Fall jammern,
denn die Dauerpräsenz in der Krise gehört nun
mal zu meinem Job. Ich wusste, wenn auch
noch nicht zu Beginn des Wahlkampfes, dann
zumindest bei meiner Vereidigung, auf was ich
mich einlasse. Und auch trotz der nächtlichen
Überstunden und täglichen Herausforderungen
möchte ich nichts Anderes machen.
„Was ich am meisten
vermisse, sind die
Kontakte.”
Was ich am meisten vermisse, sind die Kontakte.
Ich bin einfach ein sehr soziales Wesen.
Händeschütteln, Umarmungen, intensive, nahe
Gespräche – sowohl im privaten als auch in
meinem öffentlichen Leben sind es genau diese
Dinge, die mich nähren. Der Austausch mit
den Menschen war für mich schon immer der
Antrieb für mein politisches Handeln, deshalb
bin ich von Herzen Kommunalpolitikerin. Wer
mich kennt, weiß, ich bin ein Mensch, der leidenschaftlich
gerne mit anderen diskutiert, der
gerne zuhört, konkrete Lösungen erarbeitet und
Projekte umsetzt. Corona bremst mich bei vielem
aus. Und weil ich gleichzeitig sehr ungeduldig
bin, kann ich den Stillstand vieler Vorhaben
durch die Krise nur schwer ertragen.
Wenn es ganz schlimm wird, gehe ich in
den Keller. Und bevor ihr mich jetzt alle für
komplett übergeschnappt haltet, zur Erklärung:
Im Keller der Stadtverwaltung gibt es einen
Spezi-Automaten. Woher er kommt, seit wann
er da unten steht – ich weiß es nicht. Aber der
Spezi-Automat hat zwei Vorteile: Er ist immer
flaschenvoll gefüllt mit süßer, koffeinhaltiger
Limonade (Zucker erhellt die Laune meines
Teams und mir erschreckend zuverlässig) und
er steht dort meist sehr verlassen und einsam,
das heißt, ich kann mich im hektischen Alltag
kurz einfach nur auf den simplen Mechanismus
des Getränkeautomaten konzentrieren: Münze
rein. Knopf drücken. Flasche raus. Fertig. Der
neue OB-Spa-Moment, danach fühle ich mich
um mindestens eine Corona-Krisenstabsitzung
frischer.
Eigentlich ist mein Team, das im Verwaltungsdeutsch
„Büro der Oberbürgermeisterin“
heißt, ein Büroteam, das zumindest teilweise
immer wieder konsequente und strikte Gesundheits-Wochen
mit Ernährungsregeln umsetzt.
Aber: Schwierige Zeiten verlangen besondere
Taten und in diesem Fall ist es Zucker für
alle. Und am Zucker bleiben auch die Fliegen
kleben. Damit spanne ich den Bogen zu meiner
Corona-Fliege, denn die Lösung ist so zuckrignah
wie einfach: Jede und jeder von uns hat es
selbst in der Hand, der Fliege das Brummen
zu erschweren. Und auch wenn der Vergleich
hinkt, denn eine Fliege ist eine Fliege und eine
Pandemie ist eine Pandemie, aber ihr versteht
schon, was ich damit sagen will: Wenn jeder ein
bisschen was von seinem Alltags-Zucker abgibt,
dann bekommen wir diese Fliegen-Plage unter
Kontrolle. Auch ohne die großen Klatschen.
Passt also alle weiter auf euch und euer Umfeld
auf, und ich freue mich, wenn ich den ein
oder die andere bald wieder persönlich auf
ein Gespräch – und vielleicht auch ein Spezi –
treffen darf.
Herzliche Grüße, eure Eva Weber