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Gästeblog

Wie eine ziemlich lästige und flinke Fliege

schwirrt sie durch alle meine Termine und setzt

sich bei jeder Überlegung zu einem Sachverhalt

penetrant auf meine Nase. Sie ist da, und

entkommt jedem Einfang-Versuch. Sie ist fast

unsichtbar, aber ihr Summen und Brummen

ist ständig präsent. Als ich in den Wahlkampf

gestartet bin, waren Maskenpflicht und Lockdown

für uns alle noch Worte, die wir nie mit

unserem Alltag verbunden hätten. Heute kann

mein fünfjähriger Neffe aus dem Stehgreif

erklären, wieso die Mund-Nase-Bedeckung im

öffentlichen Raum wichtig ist und was eine

Corona-Quarantäne ist. Diese Krise triff viele

Menschen sehr hart und ich bin immer wieder

von den Augsburgerinnen und Augsburgern

beeindruckt, die mit viel Solidarität die notwendigen

Maßnahmen umsetzen. Großen Respekt

habe ich in dieser Zeit auch vor Amtskolleginnen

und –kollegen, die ohne Verwaltungserfahrung

„einfach so“ ins Krisenmanagement

reingerutscht sind. Ich habe den Vorteil, dass

ich bereits als zweite Bürgermeisterin eng in

den Krisenstab eingebunden war und durch

meine langjährige Referentinnen-Tätigkeit weiß,

wie die Verwaltung tickt. Trotzdem ist auch für

mich vieles in dieser Krise nicht vorhersehbar.

Und weil jede Maßnahme in Absprache mit der

Stadtspitze, den Expertinnen und Experten aus

Medizin und Wissenschaft, und oftmals mitten

in der Nacht auch noch mit den politischen Entscheidungsträgern

auf Landesebene abgewogen

wird, verlaufen meine Arbeitstage derzeit von

sehr früh morgens bis sehr spät abends, sieben

Tage die Woche.

Freizeit? Habe ich kaum, um ehrlich zu sein.

Und wenn ich mir mal einen Spaziergang in der

Mittagspause im Siebentischwald gönne, hänge

ich doch wieder die Hälfte der Zeit am Handy

und schaue mir die aktuellen Fallzahlen an,

schreibe mir selbst E-Mail-Notizen oder telefoniere

mit einem Mitglied des Krisenstabs. Meine

Work-Life-Balance ist gerade ziemlich bescheiden,

aber ich will hier auf keinen Fall jammern,

denn die Dauerpräsenz in der Krise gehört nun

mal zu meinem Job. Ich wusste, wenn auch

noch nicht zu Beginn des Wahlkampfes, dann

zumindest bei meiner Vereidigung, auf was ich

mich einlasse. Und auch trotz der nächtlichen

Überstunden und täglichen Herausforderungen

möchte ich nichts Anderes machen.

„Was ich am meisten

vermisse, sind die

Kontakte.”

Was ich am meisten vermisse, sind die Kontakte.

Ich bin einfach ein sehr soziales Wesen.

Händeschütteln, Umarmungen, intensive, nahe

Gespräche – sowohl im privaten als auch in

meinem öffentlichen Leben sind es genau diese

Dinge, die mich nähren. Der Austausch mit

den Menschen war für mich schon immer der

Antrieb für mein politisches Handeln, deshalb

bin ich von Herzen Kommunalpolitikerin. Wer

mich kennt, weiß, ich bin ein Mensch, der leidenschaftlich

gerne mit anderen diskutiert, der

gerne zuhört, konkrete Lösungen erarbeitet und

Projekte umsetzt. Corona bremst mich bei vielem

aus. Und weil ich gleichzeitig sehr ungeduldig

bin, kann ich den Stillstand vieler Vorhaben

durch die Krise nur schwer ertragen.

Wenn es ganz schlimm wird, gehe ich in

den Keller. Und bevor ihr mich jetzt alle für

komplett übergeschnappt haltet, zur Erklärung:

Im Keller der Stadtverwaltung gibt es einen

Spezi-Automaten. Woher er kommt, seit wann

er da unten steht – ich weiß es nicht. Aber der

Spezi-Automat hat zwei Vorteile: Er ist immer

flaschenvoll gefüllt mit süßer, koffeinhaltiger

Limonade (Zucker erhellt die Laune meines

Teams und mir erschreckend zuverlässig) und

er steht dort meist sehr verlassen und einsam,

das heißt, ich kann mich im hektischen Alltag

kurz einfach nur auf den simplen Mechanismus

des Getränkeautomaten konzentrieren: Münze

rein. Knopf drücken. Flasche raus. Fertig. Der

neue OB-Spa-Moment, danach fühle ich mich

um mindestens eine Corona-Krisenstabsitzung

frischer.

Eigentlich ist mein Team, das im Verwaltungsdeutsch

„Büro der Oberbürgermeisterin“

heißt, ein Büroteam, das zumindest teilweise

immer wieder konsequente und strikte Gesundheits-Wochen

mit Ernährungsregeln umsetzt.

Aber: Schwierige Zeiten verlangen besondere

Taten und in diesem Fall ist es Zucker für

alle. Und am Zucker bleiben auch die Fliegen

kleben. Damit spanne ich den Bogen zu meiner

Corona-Fliege, denn die Lösung ist so zuckrignah

wie einfach: Jede und jeder von uns hat es

selbst in der Hand, der Fliege das Brummen

zu erschweren. Und auch wenn der Vergleich

hinkt, denn eine Fliege ist eine Fliege und eine

Pandemie ist eine Pandemie, aber ihr versteht

schon, was ich damit sagen will: Wenn jeder ein

bisschen was von seinem Alltags-Zucker abgibt,

dann bekommen wir diese Fliegen-Plage unter

Kontrolle. Auch ohne die großen Klatschen.

Passt also alle weiter auf euch und euer Umfeld

auf, und ich freue mich, wenn ich den ein

oder die andere bald wieder persönlich auf

ein Gespräch – und vielleicht auch ein Spezi –

treffen darf.

Herzliche Grüße, eure Eva Weber

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