40ZOOmMünze rein. Knopf drücken.Flasche raus. Fertig.Von Eva Weber,Oberbürgermeisterin der StadtAugsburgSeit meinem Amtsantritt im Mai habe ich eine ständige Begleiterin: Siesteht mit mir auf, verbringt den Büroalltag mit mir, beeinflusst alle meineEntscheidungen und begleitet mich am Abend sogar ins Bett. Ihr wisstsicher alle, wovon ich spreche: die Corona-Pandemie.Foto: Florian Weber
ZOOm41GästeblogWie eine ziemlich lästige und flinke Fliegeschwirrt sie durch alle meine Termine und setztsich bei jeder Überlegung zu einem Sachverhaltpenetrant auf meine Nase. Sie ist da, undentkommt jedem Einfang-Versuch. Sie ist fastunsichtbar, aber ihr Summen und Brummenist ständig präsent. Als ich in den Wahlkampfgestartet bin, waren Maskenpflicht und Lockdownfür uns alle noch Worte, die wir nie mitunserem Alltag verbunden hätten. Heute kannmein fünfjähriger Neffe aus dem Stehgreiferklären, wieso die Mund-Nase-Bedeckung imöffentlichen Raum wichtig ist und was eineCorona-Quarantäne ist. Diese Krise triff vieleMenschen sehr hart und ich bin immer wiedervon den Augsburgerinnen und Augsburgernbeeindruckt, die mit viel Solidarität die notwendigenMaßnahmen umsetzen. Großen Respekthabe ich in dieser Zeit auch vor Amtskolleginnenund –kollegen, die ohne Verwaltungserfahrung„einfach so“ ins Krisenmanagementreingerutscht sind. Ich habe den Vorteil, dassich bereits als zweite Bürgermeisterin eng inden Krisenstab eingebunden war und durchmeine langjährige Referentinnen-Tätigkeit weiß,wie die Verwaltung tickt. Trotzdem ist auch fürmich vieles in dieser Krise nicht vorhersehbar.Und weil jede Maßnahme in Absprache mit derStadtspitze, den Expertinnen und Experten ausMedizin und Wissenschaft, und oftmals mittenin der Nacht auch noch mit den politischen Entscheidungsträgernauf Landesebene abgewogenwird, verlaufen meine Arbeitstage derzeit vonsehr früh morgens bis sehr spät abends, siebenTage die Woche.Freizeit? Habe ich kaum, um ehrlich zu sein.Und wenn ich mir mal einen Spaziergang in derMittagspause im Siebentischwald gönne, hängeich doch wieder die Hälfte der Zeit am Handyund schaue mir die aktuellen Fallzahlen an,schreibe mir selbst E-Mail-Notizen oder telefonieremit einem Mitglied des Krisenstabs. MeineWork-Life-Balance ist gerade ziemlich bescheiden,aber ich will hier auf keinen Fall jammern,denn die Dauerpräsenz in der Krise gehört nunmal zu meinem Job. Ich wusste, wenn auchnoch nicht zu Beginn des Wahlkampfes, dannzumindest bei meiner Vereidigung, auf was ichmich einlasse. Und auch trotz der nächtlichenÜberstunden und täglichen Herausforderungenmöchte ich nichts Anderes machen.„Was ich am meistenvermisse, sind dieKontakte.”Was ich am meisten vermisse, sind die Kontakte.Ich bin einfach ein sehr soziales Wesen.Händeschütteln, Umarmungen, intensive, naheGespräche – sowohl im privaten als auch inmeinem öffentlichen Leben sind es genau dieseDinge, die mich nähren. Der Austausch mitden Menschen war für mich schon immer derAntrieb für mein politisches Handeln, deshalbbin ich von Herzen Kommunalpolitikerin. Wermich kennt, weiß, ich bin ein Mensch, der leidenschaftlichgerne mit anderen diskutiert, dergerne zuhört, konkrete Lösungen erarbeitet undProjekte umsetzt. Corona bremst mich bei vielemaus. Und weil ich gleichzeitig sehr ungeduldigbin, kann ich den Stillstand vieler Vorhabendurch die Krise nur schwer ertragen.Wenn es ganz schlimm wird, gehe ich inden Keller. Und bevor ihr mich jetzt alle fürkomplett übergeschnappt haltet, zur Erklärung:Im Keller der Stadtverwaltung gibt es einenSpezi-Automaten. Woher er kommt, seit wanner da unten steht – ich weiß es nicht. Aber derSpezi-Automat hat zwei Vorteile: Er ist immerflaschenvoll gefüllt mit süßer, koffeinhaltigerLimonade (Zucker erhellt die Laune meinesTeams und mir erschreckend zuverlässig) under steht dort meist sehr verlassen und einsam,das heißt, ich kann mich im hektischen Alltagkurz einfach nur auf den simplen Mechanismusdes Getränkeautomaten konzentrieren: Münzerein. Knopf drücken. Flasche raus. Fertig. Derneue OB-Spa-Moment, danach fühle ich michum mindestens eine Corona-Krisenstabsitzungfrischer.Eigentlich ist mein Team, das im Verwaltungsdeutsch„Büro der Oberbürgermeisterin“heißt, ein Büroteam, das zumindest teilweiseimmer wieder konsequente und strikte Gesundheits-Wochenmit Ernährungsregeln umsetzt.Aber: Schwierige Zeiten verlangen besondereTaten und in diesem Fall ist es Zucker füralle. Und am Zucker bleiben auch die Fliegenkleben. Damit spanne ich den Bogen zu meinerCorona-Fliege, denn die Lösung ist so zuckrignahwie einfach: Jede und jeder von uns hat esselbst in der Hand, der Fliege das Brummenzu erschweren. Und auch wenn der Vergleichhinkt, denn eine Fliege ist eine Fliege und einePandemie ist eine Pandemie, aber ihr verstehtschon, was ich damit sagen will: Wenn jeder einbisschen was von seinem Alltags-Zucker abgibt,dann bekommen wir diese Fliegen-Plage unterKontrolle. Auch ohne die großen Klatschen.Passt also alle weiter auf euch und euer Umfeldauf, und ich freue mich, wenn ich den einoder die andere bald wieder persönlich aufein Gespräch – und vielleicht auch ein Spezi –treffen darf.Herzliche Grüße, eure Eva Weber