30ZOOmYork und dann im Westen in der Bay Area, wo ich auch beim Magazin „Maximumrocknroll”eine Zeit lang mitgearbeitet habe. Dort habe ich auch erlebt,wie man ein Layout am PC erstellt und nicht mehr mit Papier und Scherejongliert. Das war ausschlaggebend für die weitere Entwicklung von Trust.Du bist heute noch Herausgeber des Trust-Magazins. 1986 ging die ersteAusgabe vom Stapel. Wie kam es dazu?Ich habe leidenschaftlich Fanzines gesammelt und 1983 bekam ich zumersten Mal eine Sendung aus den USA, den Poststempel habe ich heute nochaufbewahrt. Inhalt war das „Maximumrocknroll” aus San Francisco. DiesesFanzine schwebte auf einem ganz anderen Level, was Berichte, Layout undFotos betraf. Auch das „Ripper” hat mich unheimlich inspiriert. Unsere Szenewar in keinem deutschen Musikmagazin vertreten und wir brauchten ein„Meine Hauptantriebsfeder wares immer, neue und interessanteMenschen kennenzulernen.“Medium, das unsere Musik, Ideologie und Ideen featured. Bei einem Treffenvon Hardcore-Aktivisten entstand dann der Gedanke für ein eigenes Magazin.Bei der ersten Ausgabe 1986 bestanden wir aus einem fünfköpfigen Kollektiv.Eigenhändig gedruckt wurde bei unserem Kumpel Mitch, der eine kleineDruckerei in Augsburg hatte, die Blätter wurden einzeln sortiert, geheftet undso gingen wir gleich mal mit einer 1.000er-Auflage ins Rennen.Ihr habt auch gleich gedruckt und nicht kopiert, wie es damals eigentlichüblich war.Genau, wir wollten uns dadurch schon von den anderen Magazinenabheben. Deswegen haben wir uns auch als „Süddeutsches Hardcore-Magazin“bezeichnet. Von Anfang an flatterten dann bereits Bestellungen aus der ganzenRepublik herein.Inzwischen existiert das Trust seit 35 Jahren. Das hättest du wohl damalsauch nicht für möglich gehalten, oder?Es war für uns damals eine Notwendigkeit und niemals als Langzeitprojektkonzipiert.Heute habt ihr eine Auflage von 2.000 Exemplaren. Ist die Leserschaftmitgewachsen?Wir haben viele Stammleser, aber einen Generationswechsel gibt es immerund das muss auch so sein, sonst würde es uns schon lange nicht mehr geben.Viele junge Leser lernen uns über das Internet kennen und entdecken das Heftals haptisches Erlebnis, weil es auch mal etwas anderes ist, ein Magazin in derHand zu halten und nicht immer nur in den Bildschirm zu glotzen.Ihr lebt stark von Glaubwürdigkeit und Authentizität. Wie ist es euchgelungen, das alles über so einen langen Zeitraum zu konservieren?Wir haben uns schon immer so gut es geht aus der Kapitalismusspiralerausgehalten. Beim Trust ging es nie darum, Geld zu verdienen. Bis heute nocharbeiten, schreiben und fotografieren alle Leute ehrenamtlich und es ist keinfinanzieller Druck da, jeder macht das, worauf er Bock hat. Und es ist keineAuftragsarbeit, für die man bezahlt wird, was den großen Vorteil hat, dass allesehrlich und enthusiastisch bleibt. Ein klassischer Musikjournalist muss schonauch mal Bands interviewen, die er scheiße findet, einfach weil er dafür bezahltwird. Der Leser spürt, dass wir mit Herzblut arbeiten.Aber das Trust ist schon trotzdem dein wirtschaftliches Standbein.Ja, aber wenn ich schreibe, bekomme ich wie alle anderen Autoren keinGeld dafür. Aber ich mache das ganze Shit-Work, wie der Amerikaner sagt. Dasheißt, ich kümmere mich um die ganze Hintergrundarbeit und Koordination,dazu gehört auch Geld eintreiben, Buchhaltung und Anzeigen verkaufen. Unddas ist ja auch nicht immer ein Vergnügen.Der Begriff Hardcore ist schon längst im täglichen Sprachgebrauch angekommen.Produkte wie Vans oder Dr. Martens, die früher ausschließlichJugendbewegungen vorbehalten waren, sind längst im Mainstreamangelangt.Das passiert oft, dass gute Dinge sich auf Dauer durchsetzen. Wegen derguten Idee oder weil sie gut vermarktet werden. Die von dir angesprochenenLabels sind längst im totalen Mainstream versunken, das hat alles mit demUrsprung überhaupt nichts mehr zu tun. Aber manchmal finde ich es auchpositiv, wenn gute Produkte so einen breiteren Zugang bekommen und mehrLeute daran partizipieren können. Ein Problem ist aber oft die brutale Ökonomisierungund da geht leider auch viel verloren.Du schreibst auch Bücher, dein zweites Werk ist erst gerade erst erschienen.Wie bist du auf die Idee gekommen, Bücher zu veröffentlichen?Ich schreibe schon seit der ersten Ausgabe im Trust eine Kolumne. Da kannich mich im Prinzip austoben und da wehen alle möglichen Gedanken durchmeinen Kopf. Vor zwölf Jahren entstand die Idee, diese Beiträge zu einem Bandzusammenzufassen. Und so erschien bei dem kleinen Mox & Maritz Verlag ausBremen das Buch „Hardcore-Punk als Lebensentwurf” mit den Kolumnen ausden Trust-Ausgaben 1-125, begleitet von zwei Dutzend Lesungen im deutschsprachigenRaum. Jetzt sind schon wieder zwölf Jahre vergangen und zur 200.Ausgabe erscheint Teil 2 mit dem Titel „Warum dauert es so lange, bis es besserwird? Hardcore, Punk, Evolution” mit den Folgen 126-200. Leider erschien escoronabedingt etwas verspätet und dieses Mal beim Mainzer Ventil-Verlag. Es warauch wieder eine Lesereise geplant, ich hoffe jetzt mal auf das Frühjahr 2021.Dann auch in Augsburg?Das würde mich sehr freuen, denn ich bin ja in Augsburg geboren undgroß geworden.1998 hat es dich von Augsburg nach Bremen verschlagen, wo du auchnoch heute wohnst. So eine radikaler Move ... lass mich raten, es war eineFrau im Spiel.So war es (lacht). Ich habe durch den Punk-Rock meine Frau kennengelerntund wir sind jetzt über 25 Jahre zusammen. Anfangs sind wir immergependelt und irgendwann war es klar, dass ich mich entscheiden musste. 1998gab es in Augsburg zwar das Kerosin und die Haifischbar, aber auch eine Sperrstunde.In Bremen dagegen konnte man theoretisch 24 Stunden am Tag feiernund es gab auch eine größere Szene und mehr Clubs, Auftrittsorte und Bars. Sohabe ich mich dann für den Norden entschieden.Du hast das Bootleg vergessen. Anfang der Neunziger hatte Augsburg inOberhausen sogar einen der führenden Clubs Deutschlands.Das kann man definitiv so sagen, das Bootleg war in dieser Zeit in Deutschlandund sogar in Europa einer der geilsten Clubs überhaupt, weil neben topIndie Bands auch viele Punk- und Hardcore Bands dort auftraten. Die Münchnerfuhren reihenweise nach Augsburg, um gute Konzerte zu erleben. Damalssind dort so ziemlich alle relevanten Bands aufgetreten. So etwas kann man sichheute gar nicht mehr vorstellen.Was wünschst du dir für die nahe, was für die ferne Zukunft?In erster Linie, dass diese Pandemie wieder abhaut und wir wieder in einhalbwegs normales Leben zurückkehren können, damit die Leute nicht irgendwannden Verstand verlieren. Für die ferne Zukunft wünsche ich mir für dasTrust, wenn es mal soweit ist, ein gutes Ende. Wie jeder Mensch auf ein gutesEnde hoff - und nicht durch Unfall oder eine schwere Krankheit umkommenwill. Ich will das Trust irgendwann mit einem schönen Jubiläumsheft und miteinem guten Gefühl beenden. Aber das darf gerne noch ein paar Jahre dauern.
ZOOm31AUGSBURGROCKT!87,9 UKWrockantenne.de