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Neue Szene Augsburg 2020-12

Stadtmagazin für Augsburg

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ZOOm

York und dann im Westen in der Bay Area, wo ich auch beim Magazin „Maximumrocknroll”

eine Zeit lang mitgearbeitet habe. Dort habe ich auch erlebt,

wie man ein Layout am PC erstellt und nicht mehr mit Papier und Schere

jongliert. Das war ausschlaggebend für die weitere Entwicklung von Trust.

Du bist heute noch Herausgeber des Trust-Magazins. 1986 ging die erste

Ausgabe vom Stapel. Wie kam es dazu?

Ich habe leidenschaftlich Fanzines gesammelt und 1983 bekam ich zum

ersten Mal eine Sendung aus den USA, den Poststempel habe ich heute noch

aufbewahrt. Inhalt war das „Maximumrocknroll” aus San Francisco. Dieses

Fanzine schwebte auf einem ganz anderen Level, was Berichte, Layout und

Fotos betraf. Auch das „Ripper” hat mich unheimlich inspiriert. Unsere Szene

war in keinem deutschen Musikmagazin vertreten und wir brauchten ein

„Meine Hauptantriebsfeder war

es immer, neue und interessante

Menschen kennenzulernen.“

Medium, das unsere Musik, Ideologie und Ideen featured. Bei einem Treffen

von Hardcore-Aktivisten entstand dann der Gedanke für ein eigenes Magazin.

Bei der ersten Ausgabe 1986 bestanden wir aus einem fünfköpfigen Kollektiv.

Eigenhändig gedruckt wurde bei unserem Kumpel Mitch, der eine kleine

Druckerei in Augsburg hatte, die Blätter wurden einzeln sortiert, geheftet und

so gingen wir gleich mal mit einer 1.000er-Auflage ins Rennen.

Ihr habt auch gleich gedruckt und nicht kopiert, wie es damals eigentlich

üblich war.

Genau, wir wollten uns dadurch schon von den anderen Magazinen

abheben. Deswegen haben wir uns auch als „Süddeutsches Hardcore-Magazin“

bezeichnet. Von Anfang an flatterten dann bereits Bestellungen aus der ganzen

Republik herein.

Inzwischen existiert das Trust seit 35 Jahren. Das hättest du wohl damals

auch nicht für möglich gehalten, oder?

Es war für uns damals eine Notwendigkeit und niemals als Langzeitprojekt

konzipiert.

Heute habt ihr eine Auflage von 2.000 Exemplaren. Ist die Leserschaft

mitgewachsen?

Wir haben viele Stammleser, aber einen Generationswechsel gibt es immer

und das muss auch so sein, sonst würde es uns schon lange nicht mehr geben.

Viele junge Leser lernen uns über das Internet kennen und entdecken das Heft

als haptisches Erlebnis, weil es auch mal etwas anderes ist, ein Magazin in der

Hand zu halten und nicht immer nur in den Bildschirm zu glotzen.

Ihr lebt stark von Glaubwürdigkeit und Authentizität. Wie ist es euch

gelungen, das alles über so einen langen Zeitraum zu konservieren?

Wir haben uns schon immer so gut es geht aus der Kapitalismusspirale

rausgehalten. Beim Trust ging es nie darum, Geld zu verdienen. Bis heute noch

arbeiten, schreiben und fotografieren alle Leute ehrenamtlich und es ist kein

finanzieller Druck da, jeder macht das, worauf er Bock hat. Und es ist keine

Auftragsarbeit, für die man bezahlt wird, was den großen Vorteil hat, dass alles

ehrlich und enthusiastisch bleibt. Ein klassischer Musikjournalist muss schon

auch mal Bands interviewen, die er scheiße findet, einfach weil er dafür bezahlt

wird. Der Leser spürt, dass wir mit Herzblut arbeiten.

Aber das Trust ist schon trotzdem dein wirtschaftliches Standbein.

Ja, aber wenn ich schreibe, bekomme ich wie alle anderen Autoren kein

Geld dafür. Aber ich mache das ganze Shit-Work, wie der Amerikaner sagt. Das

heißt, ich kümmere mich um die ganze Hintergrundarbeit und Koordination,

dazu gehört auch Geld eintreiben, Buchhaltung und Anzeigen verkaufen. Und

das ist ja auch nicht immer ein Vergnügen.

Der Begriff Hardcore ist schon längst im täglichen Sprachgebrauch angekommen.

Produkte wie Vans oder Dr. Martens, die früher ausschließlich

Jugendbewegungen vorbehalten waren, sind längst im Mainstream

angelangt.

Das passiert oft, dass gute Dinge sich auf Dauer durchsetzen. Wegen der

guten Idee oder weil sie gut vermarktet werden. Die von dir angesprochenen

Labels sind längst im totalen Mainstream versunken, das hat alles mit dem

Ursprung überhaupt nichts mehr zu tun. Aber manchmal finde ich es auch

positiv, wenn gute Produkte so einen breiteren Zugang bekommen und mehr

Leute daran partizipieren können. Ein Problem ist aber oft die brutale Ökonomisierung

und da geht leider auch viel verloren.

Du schreibst auch Bücher, dein zweites Werk ist erst gerade erst erschienen.

Wie bist du auf die Idee gekommen, Bücher zu veröffentlichen?

Ich schreibe schon seit der ersten Ausgabe im Trust eine Kolumne. Da kann

ich mich im Prinzip austoben und da wehen alle möglichen Gedanken durch

meinen Kopf. Vor zwölf Jahren entstand die Idee, diese Beiträge zu einem Band

zusammenzufassen. Und so erschien bei dem kleinen Mox & Maritz Verlag aus

Bremen das Buch „Hardcore-Punk als Lebensentwurf” mit den Kolumnen aus

den Trust-Ausgaben 1-125, begleitet von zwei Dutzend Lesungen im deutschsprachigen

Raum. Jetzt sind schon wieder zwölf Jahre vergangen und zur 200.

Ausgabe erscheint Teil 2 mit dem Titel „Warum dauert es so lange, bis es besser

wird? Hardcore, Punk, Evolution” mit den Folgen 126-200. Leider erschien es

coronabedingt etwas verspätet und dieses Mal beim Mainzer Ventil-Verlag. Es war

auch wieder eine Lesereise geplant, ich hoffe jetzt mal auf das Frühjahr 2021.

Dann auch in Augsburg?

Das würde mich sehr freuen, denn ich bin ja in Augsburg geboren und

groß geworden.

1998 hat es dich von Augsburg nach Bremen verschlagen, wo du auch

noch heute wohnst. So eine radikaler Move ... lass mich raten, es war eine

Frau im Spiel.

So war es (lacht). Ich habe durch den Punk-Rock meine Frau kennengelernt

und wir sind jetzt über 25 Jahre zusammen. Anfangs sind wir immer

gependelt und irgendwann war es klar, dass ich mich entscheiden musste. 1998

gab es in Augsburg zwar das Kerosin und die Haifischbar, aber auch eine Sperrstunde.

In Bremen dagegen konnte man theoretisch 24 Stunden am Tag feiern

und es gab auch eine größere Szene und mehr Clubs, Auftrittsorte und Bars. So

habe ich mich dann für den Norden entschieden.

Du hast das Bootleg vergessen. Anfang der Neunziger hatte Augsburg in

Oberhausen sogar einen der führenden Clubs Deutschlands.

Das kann man definitiv so sagen, das Bootleg war in dieser Zeit in Deutschland

und sogar in Europa einer der geilsten Clubs überhaupt, weil neben top

Indie Bands auch viele Punk- und Hardcore Bands dort auftraten. Die Münchner

fuhren reihenweise nach Augsburg, um gute Konzerte zu erleben. Damals

sind dort so ziemlich alle relevanten Bands aufgetreten. So etwas kann man sich

heute gar nicht mehr vorstellen.

Was wünschst du dir für die nahe, was für die ferne Zukunft?

In erster Linie, dass diese Pandemie wieder abhaut und wir wieder in ein

halbwegs normales Leben zurückkehren können, damit die Leute nicht irgendwann

den Verstand verlieren. Für die ferne Zukunft wünsche ich mir für das

Trust, wenn es mal soweit ist, ein gutes Ende. Wie jeder Mensch auf ein gutes

Ende hoff - und nicht durch Unfall oder eine schwere Krankheit umkommen

will. Ich will das Trust irgendwann mit einem schönen Jubiläumsheft und mit

einem guten Gefühl beenden. Aber das darf gerne noch ein paar Jahre dauern.

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