Neue Szene Augsburg 2020-12
Stadtmagazin für Augsburg
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ZOOm
Zusammen mit seinen Kolleg*innen der Münchner und Nürnberger Theater
hat Staatsintendant André Bücker bereits im Vorfeld des Lockdown light
einen offenen Brief an Markus Söder geschickt. Schon die bayerischen
Sonderregelungen von Mitte Oktober waren für die hiesigen Theater im Vergleich
mit anderen Bundesländern verheerend und kamen praktisch einem kompletten
Lockdown gleich. Wir haben mit dem Staatsintendanten über die aktuelle
Situation gesprochen. Von Markus Krapf
Sonderkonditionen
für besondere Kunst?
Interview mit André Bücker, Intendant des Staatstheater Augsburg
Herr Bücker, in einem offenen Brief an Söder
haben sie mit ihren Kolleg*innen aus Nürnberg
und München Sonderkonditionen für
besondere Kunst gefordert. Das war noch vor
dem bundesweiten Lockdown light. Hat sich
durch diesen an ihren Forderungen etwas
geändert?
Nein, daran hat sich nichts geändert, obwohl wir
die Augsburger Verhältnisse mit den besonders
hohen Fallzahlen natürlich schon berücksichtigen
müssen. Dadurch tun wir uns hier schwerer,
sofortige Öffnungen zu fordern, als man das
woanders vielleicht tun könnte. Es ist auch
schwer nachzuvollziehen, warum man auf Regierungsebene
keine angepassten Regelungen zu
den Verhältnissen in den einzelnen Orten und
Städten schaff.
Kunst und Kultur haben darüber hinaus
gesellschaftlich auch eine besondere Stellung.
Allerdings, die Kunstfreiheit steht im Grundgesetz.
Es stellt sich die Frage, ob es denn verhältnismäßig
und rechtmäßig ist, Kunst und Kultur
so stumm zu schalten. Ich glaube, dass es das
nicht ist. Zudem bemerken wir gerade nach den
ersten zwei Wochen im sog. „Lockdown light“,
dass nicht wirklich etwas Grundlegendes mit
den Fallzahlen passiert ist. Das kann eigentlich
nur bedeuten, dass die Maßnahmen nicht
gewirkt haben und dann muss man sich eben
überlegen, was man für andere Maßnahmen
ergreifen kann, damit sich etwas tut.
Ich könnte mir aber denken, dass auch in
ihrer Brust zwei Herzen schlagen. Auf der
einen Seite wollen sie die Kunst, ihr Theater
und all seine Mitarbeiter retten, auf der anderen
Seite ist aber auch klar, dass knallharte
Kontaktbeschränkungen wohl unabdingbar
sind.
Dann muss man das aber auch definitiv so
durchziehen und eben alles für ein paar Wochen
zumachen. Das große Problem ist einfach diese
scheinbare Willkür in den Maßnahmen. Wie
sollen denn beispielsweise Eltern ihre Kontakte
minimieren, wenn ihre Kinder aus der Schule
nach Hause kommen, die dort mit vielen anderen
Kindern Kontakt hatten? Man sitzt in der
vollen Bahn auf dem Weg zur Arbeit, aber privat
soll man niemanden treffen. Das verstehen die
Menschen nicht.
Was könnte das Problem der Politiker sein?
Man will eben alles: Kompletten Gesundheitsschutz,
offene Schulen und funktionierende
Wirtschaft. Es wird aber nicht offen kommuniziert,
das spüren die Menschen und das geht zu
Lasten der Glaubwürdigkeit. Und ich habe den
Eindruck, dass man in der Politik immer erst
einmal abwartet, dann von den Entwicklungen
überrascht wird und erst danach anfängt, sich
Gedanken zu machen. Es wird nur reagiert, das
macht es schwerer für alle.
Das Augsburger Staatstheater musste bis zum
Lockdown nicht eine einzige Vorstellung ausfallen
lassen. Sind ihre Hygienekonzepte besser als
in anderen Unternehmen oder Institutionen?
Sie sind auf jeden Fall sehr konsequent, weil
sie nach zwei Seiten wirksam sein müssen. Sie
müssen das externe Publikum und die eigenen
Mitarbeiter*innen gleichermaßen schützen.
Es gibt, übrigens auch bundesweit, keinerlei
bestätigte Infektionen im Kulturbereich und
das wird schon seinen Grund haben. Wir haben
ein sehr diszipliniertes Publikum und sind konzeptionell
sehr gut aufgestellt. Das nützt uns
halt bloß alles nichts, weil wir trotzdem nicht
spielen dürfen.
Zu Beginn der Pandemie gab es einmal nach
einer Vorstellung den gefürchteten Anruf des
Gesundheitsamtes bezüglich einer Virusverbreitung
in ihrem Haus. Was für eine Maschinerie
setzte das in Gang?
Das war sehr übersichtlich, weil wir alle erforderlichen
Daten sofort parat hatten. Jeder Name und
jede Adresse dieser besagten Premiere waren für
jeden besetzten Platz bekannt und insofern war
das dann ganz einfach.