22ZOOmDerFrontmanRInterview mit Raphael BrandmillerStadtrat und Geschäftsführer derLehmbaugruppe Augsburg
ZOOm23Raphael Brandmiller (40) ist schon seit seiner Jugend politisch aktiv und war lange Jahre Vorsitzender desAugsburger Stadtjugendrings. Von der SPD wechselte er 2011 zu den Grünen. Bei den Kommunalwahlen im Märzhat es der Geschäftsführer der Augsburger Lehmbaugruppe dann aber nicht als Kandidat der Grünen, sondernüber einen ungewöhnlichen Weg in den Stadtrat geschafft. Als Frontman des Vereins Generation AUXwurde er in das Gremium gewählt und bildet nun zusammen mit den Grünen eine Fraktionsgemeinschaft.Von Markus KrapfRaphael, ich gratuliere zur Wahl in den Stadtratund auch zur Fraktionsgemeinschaft mitden Grünen. Bist du dadurch eigentlich Teilder Augsburger Stadtregierung?Dankeschön. Nein, Teil der Stadtregierung binich nicht, die besteht aus der Oberbürgermeisterinund den Referenten. Aber ich werde zur Regierungskoalitiongezählt. Diese hat 36 Stimmen: dieder Oberbürgermeisterin, 20 Stadträte der CSU,14 von den Grünen und eben ich von GenerationAUX.Nach wie vor bist du auch Mitglied bei denGrünen, feierst dort in Kürze dein zehnjährigesJubiläum. Wäre es als Grüner Kandidatnicht einfacher gewesen, in den Stadtratgewählt zu werden?Vielleicht, das war aber überhaupt nichtmeine Idee. Noch ein Jahr vor der Kommunalwahlwar meine Intention in keinster Weise, überhauptals Stadtratskandidat anzutreten.Was war denn die Idee?Das heutige Parteiensystem ist nach dem 2.Weltkrieg entstanden. Damals war das Leben nochanders organisiert. Die Menschen haben sich inihrer Freizeit viel mehr institutionell engagiert,was so heute immer weniger stattfindet. Schonvor 20 Jahren hat die Shell Studie festgestellt,dass unsere und nachfolgende Generationenzwar sehr engagiert sind, diese Engagements abermeist projekt- oder themenbezogen und weniginstitutionell sind. Die Folge ist, dass sich immerweniger Menschen innerhalb der Institutionenwie beispielsweise Parteien engagieren. Dadurchfunktioniert die Idee der repräsentativen Demokratieimmer weniger. Viele gehen nicht mehrzum Wählen, weil sie sich nicht mehr repräsentiertfühlen. Das ist eine gefährliche Spirale und derwollten wir gegensteuern.Also hast du mit deinen Mitstreitern ziemlichkurz vor den Kommunalwahlen den VereinGeneration AUX gegründet.Die Idee entstand an einem schönen Abendin einer Bar. Und daraus wurde ein Projekt, beidem Leute, die ursprünglich nichts mit Politik amHut hatten, sich aber bereits in anderen Feldernengagiert haben, auch politisch Verantwortungübernehmen wollten. Die Frage war, ob wires schaffen, indem wir zum Beispiel konkreteProjekte statt abstrakter Programme formulieren,Wähler anzusprechen und dann als Verein in einepolitische Rolle zu schlüpfen. Und ich glaube, dasist gelungen. Unser kurzer, intensiver Wahlkampfist ja auch anders gelaufen, als man das bisherkannte und nun arbeiten wir daran, diese neuepolitische Rolle auch in den institutionellenGremien auszufüllen.Wie könnte man die Idee der Generation AUXin wenigen Sätzen zusammenfassen?Uns geht es darum, dass Politik kein abgeschlossenerRaum ist, in dem sich nur verhältnismäßigwenige Menschen engagieren, die dann dieRegeln für alle machen, während die meisten nurdanebenstehen und zusehen. Uns war es wichtig,Menschen für ein politisches Engagement zugewinnen, die sich das vielleicht selbst gar nichtvorstellen konnten, um so politischen Prozessenwieder eine breitere Basis zu geben.Zumindest du hast es so geschaff, Stadtrat zuwerden. Allerdings beschäftigst du dich andersals viele deiner Kollegen von Generation AUXauch schon sehr lange mit der Politik.Das ist richtig. Ich bin schon im Jahr 2000in die SPD eingetreten, 2011 erfolgte dann derWechsel zu den Grünen. Mir war es schon immerwichtig, nicht nur andere darüber entscheiden zulassen, wie wir alle leben, sondern selbst mitzuarbeitenund mitzuentscheiden. Ich finde übrigens,dass Politik oft total unterschätzt wird, denn alleswas unser Leben bestimmt, wird letztlich politischentschieden. Trotzdem fühlen sich die meistenMenschen hier quasi nicht zuständig.Was läuft falsch innerhalb unseres bestehendenSystems?Es gibt viele Menschen, die Ideen haben undsich auch gerne politisch engagieren würden, diees aber aufgrund ihrer Lebensumstände im Alltagzeitlich nicht schaffen, in Sitzungen und Gremienzu gehen, in denen manchmal auch erst einmalnur viel Papier produziert wird, bevor die Dingedann umgesetzt werden. Vielen fehlt einfach dieZeit, das aktuelle politische System zu durchlaufenund diejenigen gehen verloren. Das ist schade.In eurem Verein haben tatsächlich viele Persönlichkeitenmit beruflichem Erfolg zusammengefunden.Habt ihr keine Probleme, euchnach der anfänglichen Begeisterung die fürpolitische Arbeit nötige Zeit freizuschaufeln?Doch, das kann man auch gar nicht wegdiskutieren.Am Anfang stand das Projekt, das ersteinmal jeder geil fand. Dann kam der Wahlkampfmit all seinen Ups und Downs. Du stehst beispielsweiseim Januar auf der Straße, um Unterschriftenzu sammeln und das ist tatsächlich nur bedingtspaßig. Neben den normalen Jobs ist es schwierigund das ist sicher auch eine Achillessehne derGeneration AUX. Wir werden dieses Projekt trotzdemfortführen und weiterentwickeln.„Politik ist für mich in ersterLinie ein Engagementthema,nicht ein Berufsthema.“Was unterscheidet euch sonst konkret von denParteien?Ein Unterschied ist, dass sich Leute mit Ideenoder Projektvorschlägen bei uns schnell und ohnegroße Hierarchie engagieren können. Auch dasswir bewusst ohne Programm, dafür mit konkretenProjekten in den Wahlkampf gegangen sind, waranders. Ebenfalls die Art, wie wir Wahlkampfgeführt haben, wir haben zum Beispiel nie jemandengebasht oder kritisiert. Das werden wir auchso beibehalten, das ist uns extrem wichtig. Lieberinvestieren wir unsere Energie in positive Impulse,Ideen, Projekte und deren Umsetzung.Wie zum Beispiel beim Thema „Superblock”?Das ist eines der Projekte. Wir sagen nicht, dieAutos müssen aus der Innenstadt raus, obwohl wirdas vielleicht gut fänden, weil das, wenn man ganzehrlich ist, nicht so schnell umsetzbar ist. Was nützenIdeologien oder utopische Ziele, die zwar gutklingen, aber nicht erreichbar sind. Es geht viel mehr