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Ami du Vin 3/20-D

Offizielles Organ der Schweiz. Vereinigung der Weinfreunde Organe officiel de l'Association nationale des Amis du Vin Organo ufficiale dell' Associazione nazionale degli amici del vino

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dossier

Weinjahr 2020

Ein gespaltener Rückblick und ein Ausblick

2020 ist ein Jahr mit vielen Ungewissheiten für die Winzer, den Weinhandel und auch die Konsumenten. Die Corona-Pandemie

hat vieles auf den Kopf gestellt. Bisher kam nicht alles so schlimm, wie befürchtet. Doch das Jahr ist noch nicht zu Ende.

Witterungsmässig war das Jahr nicht ganz so warm wie das

vorhergehende, doch der Sommer war relativ trocken. Damit

waren die Verhältnisse für die Trauben recht gut. Die Ertragsmenge

lag im mittleren Bereich, die Oechslegrade stiegen kurz

vor der Ernte so massiv an, dass die Winzer mit der Lese rasch

vorwärts machen mussten. Die meisten Trauben waren bereits

Ende September im Keller am Gären. Im grossen Ganzen

konnten die Winzer zufrieden sein.

Doch das Weinjahr 2020 kann nicht bloss aufgrund der Vegetationsverhältnisse

und der Traubenqualität beurteilt werden. Angesicht

der Marktveränderungen wirkt dies – obwohl es die Grundlage

für guten Wein ist – eher als Nebenschauplatz. Zu reden

und nachzudenken gab vor allem der Weinverkauf und -konsum.

Mehr Weinkonsum in den eigenen vier Wänden

Mit dem Lockdown brach vielen Winzern und Händlern der

Absatzkanal in der Gastronomie weg. Viele fürchteten, auf dem

Wein sitzen zu bleiben und im Herbst keinen Platz für den neuen

Jahrgang zu haben. Dies vor allem, weil die beiden vorangegangenen

Jahrgänge 2019 und 2018 mengenmässig üppig ausfielen.

Manche Winzer haben sich schnell umorientiert. «Wir haben

sofort mehr Werbung bei unserer Privatkundschaft gemacht,

haben angeboten, die Weine kostenlos nach Hause zu liefern»,

erzählt Andreas Meier vom Weingut Sternen in Würenlingen.

«Das hat auch ganz gut geklappt, die Leute tranken weiterhin

Wein, halt einfach zuhause.» Dies bestätigt auch Christian Consoni,

Leiter der Division Lebensmittelindustrie von Fenaco, zu der

die Volgkellereien, DiVino und Provins gehören. «Die Absatzverluste

in der Gastronomie konnten mit dem Umsatzzuwachs im

Detailhandel kompensiert werden.» Bereits im Sommer, mit dem

Ende des Lockdowns und mit dem schönen Wetter erholte sich

der Weinabsatz auch in der Gastronomie wieder – zumindest

in denjenigen Betrieben, die den Gästen eine Gartenwirtschaft

anbieten können. «Einige unserer Gastrokunden hatten im Juli

bessere Umsätze als im Juli des Vorjahres», berichtet Urs Schürmann

von Schüwo Trink-Kultur in Wohlen. Weil die Schweizer im

Sommer Ferien in der Schweiz machten, sei der Absatz zusätzlich

gestiegen. Besonders die Gastro-Kunden in den Ferienregionen

hätten im Sommer gute Umsätze gemacht, meint Schürmann.

Möglichkeit zur Deklassierung

Gleichzeitig hatte auch der Bund ein Massnahmenpaket

geschnürt, damit die Winzer nicht auf dem Wein vom Vorjahr

sitzen blieben: die Möglichkeit zur Deklassierung. Wein mit

dem AOC-Prädikat konnte um zwei Klassen zurückgestuft

werden zu Tafelwein. Wer davon Gebrauch machte, musste

sich dazu verpflichten, die Traubenmenge an den Reben sortenunabhängig

auf einen Höchstertrag von 1,2 Kilogramm

pro Quadratmeter bei Weissweinen und ein Kilogramm pro

Quadratmeter bei Rotweinen zu reduzieren. Als Vergleich: Die

Höchstertragsmenge von Tafelwein beträgt rund zwei Kilogramm

pro Quadratmeter, von Landwein respektive Vin de

pays 1,8 Kilogramm pro Quadratmeter.

Die Deklassierung wurde mit gemischten Gefühlen aufgenommen.

Nicht wegen der Höchstertragsmenge. Wer qualitativ

hochstehende Weine produziert, liegt in der Produktionsmenge

sowieso unter der vorgegebenen Grenze. Doch den Wein abzuwerten,

widerstrebte vielen Winzern. Andreas Meier hat es

gewagt und seinen normalen AOC-Wein mit Etiketten versehen,

die mit Tafelwein beschriftet sind und den Preis massiv gesenkt.

Sein Fazit: «Die Weine verkaufen sich nicht. Ich habe sie prominent

platziert, der Preis ist günstig, aber die Kunden schauen

die Flaschen nicht an. Die Meisten trinken Wein, wenn sie Gäste

haben und dann muss die Etikette eine hohe Qualität vermitteln.»

Schweizer statt ausländischer Wein

Diese Tatsache kennt auch Nicolas Joss, Direktor Swiss Wine

Promotion, die keinen Einfluss auf den Entscheid des Bundes

hatte: «Die Kunden wollen eine gute Qualität trinken.» Da

deklassierter Tafelwein keine qualitätsbewusste Kundschaft

findet, wird er in der Lebensmittelindustrie verwendet. Also

als Zutat im Fertigfondue, als Weinessig oder als Kochwein.

Auch Deutschschweizer Kantone haben AOC-Wein zu Tafelwein

deklassiert, wie Martin Wiederkehr, Präsident des Branchenverbands

Deutschschweizer Wein (BDW) sagt. Allerdings

wurde dieser nicht von den einzelnen Winzern flaschenweise

verkauft, sondern in einer konzertierten Aktion an ein

Deutschschweizer Unternehmen. Dieses verwendete somit

für seine Produkte dieses Jahr weniger ausländischen Wein.

Die Massnahme, dass Winzer ihren Wein deklassieren konnten,

um im Weinkeller Platz für den nächsten Jahrgang zu

schaffen, betrachtet Joss etwas zwiespältig: «Kurzfristig ist

das eine Lösung, die für ein Jahr angewendet werden kann.

Langfristig funktioniert die Deklassierung aber nicht, weil der

Wein gemessen am Aufwand zu billig verkauft werden muss.

Der Winzer erhält so nicht den der Arbeit entsprechenden

Lohn.» Ins gleiche Horn stösst Consoni von Fenaco: «Mit der

Deklassierung der Weinübermengen hat man die Probleme

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