MinD-Mag 139

Die Dezember-Ausgabe der offiziellen Zeitschrift von Mensa in Deutschland e.V. Die Dezember-Ausgabe der offiziellen Zeitschrift von Mensa in Deutschland e.V.

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LESERBRIEFE Anmerkungen zur Heilpraktiker-Prüfung Leserbrief zur „Mensanerin von nebenan“, MinD-Mag 137 Die Ausführungen von Brigitte im Beitrag aus der Serie „Die Mensanerin von nebenan“ (MinD Magazin Nr. 137/August 2020) zur HeilpraktikerIn-Ausbildung („Viele denken, da werden ausschließlich homöopathische Kenntnisse abgefragt. Aber das entspricht nicht der Realität, die Heilpraktiker-Prüfung ist eine schulmedizinische Prüfung.“) seien nachfolgend um einige Punkte ergänzt: 1. Im Gegensatz zu Ausbildungsberufen ist für die Zulassung zur Heilpraktiker-Überprüfung (der Gesetzgeber legt Wert darauf, dass es keine Prüfung, sondern eine Überprüfung ist) keinerlei Erwerb von Kompetenzen erforderlich, weder von theoretischem Wissen noch jedweder praktischer Arbeit an Patienten vorab. Es muss kein Nachweis über eine Fachqualifikation erbracht werden, jede(r) kann sich „einfach so“ anmelden. 2. Es besteht die Möglichkeit der professionellen Unterstützung zur Vorbereitung (die Anbieter nennen es „Ausbildung“). Dabei wird ausdrücklich damit geworben, dass es – anders als in Ausbildungsberufen – keine konkreten gesetzlichen Vorgaben gebe, wie diese auszusehen haben. Diesbezügliches Zitat eines Anbieters: „Das erleichtert den Einstieg in das Berufsfeld enorm.“ 3. Die Überprüfungen, für die es keinen geregelten inhaltlichen Standard gibt, bestehen aus einem schriftlichen (Multiple-Choice-)Test (Dauer: 120 Minuten, von 60 Fragen müssen mindestens 45 korrekt beantwortet sein) und einem „mündlich-praktischen“ Teil (30 bis maximal 60 Minuten pro Prüfling, vor Amtsarzt und zwei Heilpraktikern mit bis zu vier Prüflingen gleichzeitig; praktische Aufgaben kann es nur aus dem Teil Anwendungsorientierung geben). Die Überprüfungen können beliebig oft wiederholt werden. 4. Es gibt keinen festgelegten Fragenkatalog wie etwa bei der theoretischen Führerscheinprüfung, Fragen vergangener Überprüfungen (von Anbietern „Prüfungen“ genannt) finden sich in großer Zahl im Internet. Bedingt durch fehlende Standards für Vorkenntnisse (siehe 1.) und Überprüfungen (siehe 3.) sind die „mündlich-praktischen“ Überprüfungsteile je nach zuständigem Gesundheitsamt unterschiedlich anspruchsvoll. Wesentlichster Bestandteil der Überprüfung ist jedenfalls vor allem die unter 5. genannte Gefahrenabwehr („[k]eine Gefahr für die Volksgesundheit“ beziehungsweise „[k]eine Gefahr für den Patienten“). 5. Einen Rechtsanspruch auf Erteilung der Heilpraktiker-Erlaubnis hat man, wenn – zusätzlich zur bestandenen Überprüfung – fünf Versagungsgründe nicht vorliegen. Danach muss man mindestens 25 Jahre alt sein, mindestens einen Hauptschulabschluss vorweisen, ein amtliches Führungszeugnis vorlegen, ausreichende körperliche und psychische Gesundheit belegen und nachweisen, dass man keine Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung darstellt. 6. Alleine eine ausreichende Zahl korrekter Antworten auf diese Prüfungsfragen in dieser einmaligen, zweiteiligen Überprüfung (siehe 3.) qualifiziert (neben 5.) zur Behandlung von Menschen, die der/m Heilpraktiker/in ihr höchstes Gut anvertrauen. 7. Nach Einschätzung medizinischen Personals (Ärzte und Pflegekräfte; nicht-repräsentative Befragung meinerseits) kann die Prüfung (einige sagen: problemlos) von jedem bestanden werden, der in diesem Bereich arbeitet; mittelmäßig lernbegabte Laien würden zum Bestehen der Überprüfung wenige Wochen Vollzeit zum Lernen benötigen. Das passt zu Anbietern, die zum Beispiel mit einer „Ausbildungszeit“ von maximal zwei Jahren bei einem 14-tägig stattfindenden Vormittagskurs werben. 8. Zum Vergleich: Die jeweils umfangreiche theoretische und praktische Ausbildung zum Facharzt dauert in etwa zehn Jahre Vollzeit – mit zahllosen theoretischen Prüfungen sowie Arbeiten am Patienten. 36 | mind magazin 139/dezember 2020

9. Verstöße gegen die Berufsordnung für Heilpraktiker haben keine gravierenden Folgen wie etwa bei Ärzten. Gemäß Artikel 27 der Berufsordnung können sie zwar geahndet werden, vorher sollte jedoch immer der Versuch einer „kollegialen Bereinigung“ unternommen werden. Ein Heilpraktiker kann gegebenenfalls aus dem Verband ausgeschlossen werden, das tangiert die weitere Berufsausübung jedoch in keinster Weise. 10. Der Begriff „Schulmedizin“ ist ein despektierlich verwendeter, unter anderem von Vertretern der Homöopathie geprägter Begriff für evidenzbasierte Medizin. Boris Springer LESERBRIEFE Melitta unterstützte die Nazis Leserbrief zu „Unprominente Prominente“, MinD-Mag 138 Liebes MindMag Team, lieber Lars-Hendrik Schilling, ich finde es großartig, dass Ihr mit Melitta Bentz eine von vielen Erfinderinnen in Deutschland ausgewählt habt! Geschluckt habe ich aber beim kurzen Passus zur Unternehmenshistorie während der Nazizeit. Hier schreibt Lars-Hendrik: „Sogar den Zweiten Weltkrieg überstand es, auch wenn hier die Umstellung der Produktion nicht freiwillig passierte. Auf Anweisung der Reichsregierung musste man statt Kaffeefiltern kriegswichtige Güter herstellen.“ Leider war das Unternehmen mitnichten Opfer der Nazis, sondern die Eigentümer haben das System aktiv unterstützt. Wikipedia sagt dazu: „In der Zeit des Nationalsozialismus unterstützte die Firma die Nationalsozialisten, Horst Bentz trat wenige Monate nach der Machtergreifung in die NSDAP ein und wurde Mitglied der SS. Der Betrieb wurde 1941, 1942 und 1943 ,Nationalsozialistischer Musterbetrieb'.“ Und auch heute noch unterstützt die Eigentümerfamilie Bentz über die Hayek-Gesellschaft beispielsweise die AfD. Das tut der Erfindung von Melitta Bentz keinen Abbruch! Amalie Auguste Melitta Bentz. Foto: Wikimedia Commons Aber wenn man schon das Unternehmen in der Nazizeit erwähnt, dann sollte das auch korrekt passieren. Ich finde das Layout übrigens großartig. Das MindMag sieht endlich nicht mehr wie eine schlechte Schülerzeitung aus den 80ern aus. Und ich finde es auch klasse, dass ihr jetzt Themenschwerpunkte setzt. Viele Grüße Marion Hallo Marion, Kommentar des Autors vielen Dank für das Lob und die ehrliche Kritik. Das ist auf jeden Fall ein wichtiger Beitrag. Ich hatte diese düstere Seite des Konzerns tatsächlich einfach übersehen, vermutlich weil mein Recherchefokus auf der Person Melitta Bentz lag. Das Unternehmen wollte ich nur so nebenbei erwähnen, auch um das Ganze nicht zu einer Werbeseite verkommen zu lassen. Aber du hast Recht, da hätte ich besser aufpassen müssen. Hoffentlich gefällt dir der neue Beitrag besser. Lars mind magazin 139/dezember 2020 | 37

9. Verstöße gegen die Berufsordnung<br />

für Heilpraktiker haben<br />

keine gravierenden Folgen<br />

wie etwa bei Ärzten. Gemäß Artikel<br />

27 der Berufsordnung können<br />

sie zwar geahndet werden,<br />

vorher sollte jedoch immer der<br />

Versuch einer „kollegialen Bereinigung“<br />

unternommen werden.<br />

Ein Heilpraktiker kann gegebenenfalls<br />

aus dem Verband<br />

ausgeschlossen werden, das<br />

tangiert die weitere Berufsausübung<br />

jedoch in keinster Weise.<br />

10. Der Begriff „Schulmedizin“<br />

ist ein despektierlich verwendeter,<br />

unter anderem von Vertretern<br />

der Homöopathie geprägter<br />

Begriff für evidenzbasierte<br />

Medizin.<br />

Boris Springer<br />

LESERBRIEFE<br />

Melitta unterstützte die Nazis<br />

Leserbrief zu „Unprominente<br />

Prominente“, <strong>MinD</strong>-<strong>Mag</strong> 138<br />

Liebes Mind<strong>Mag</strong> Team, lieber<br />

Lars-Hendrik Schilling,<br />

ich finde es großartig, dass Ihr<br />

mit Melitta Bentz eine von vielen<br />

Erfinderinnen in Deutschland<br />

ausgewählt habt!<br />

Geschluckt habe ich aber beim<br />

kurzen Passus zur Unternehmenshistorie<br />

während der Nazizeit.<br />

Hier schreibt Lars-Hendrik:<br />

„Sogar den Zweiten Weltkrieg<br />

überstand es, auch wenn<br />

hier die Umstellung der Produktion<br />

nicht freiwillig passierte.<br />

Auf Anweisung der Reichsregierung<br />

musste man statt Kaffeefiltern<br />

kriegswichtige Güter herstellen.“<br />

Leider war das Unternehmen<br />

mitnichten Opfer der Nazis, sondern<br />

die Eigentümer<br />

haben das System<br />

aktiv unterstützt.<br />

Wikipedia sagt<br />

dazu: „In der Zeit<br />

des Nationalsozialismus<br />

unterstützte<br />

die Firma<br />

die Nationalsozialisten,<br />

Horst<br />

Bentz trat wenige<br />

Monate nach der<br />

Machtergreifung in die<br />

NSDAP ein und wurde<br />

Mitglied der SS. Der Betrieb<br />

wurde 1941, 1942<br />

und 1943 ,Nationalsozialistischer<br />

Musterbetrieb'.“ Und auch<br />

heute noch unterstützt die Eigentümerfamilie<br />

Bentz über die<br />

Hayek-Gesellschaft beispielsweise<br />

die AfD.<br />

Das tut der Erfindung von<br />

Melitta Bentz keinen Abbruch!<br />

Amalie Auguste<br />

Melitta Bentz.<br />

Foto: Wikimedia<br />

Commons<br />

Aber wenn man schon<br />

das Unternehmen<br />

in der Nazizeit erwähnt,<br />

dann sollte<br />

das auch korrekt<br />

passieren.<br />

Ich finde das<br />

Layout übrigens<br />

großartig. Das<br />

Mind<strong>Mag</strong> sieht<br />

endlich nicht mehr<br />

wie eine schlechte<br />

Schülerzeitung aus den<br />

80ern aus. Und ich finde<br />

es auch klasse, dass<br />

ihr jetzt Themenschwerpunkte<br />

setzt.<br />

Viele Grüße<br />

Marion<br />

Hallo Marion,<br />

Kommentar<br />

des Autors<br />

vielen Dank für das Lob und die<br />

ehrliche Kritik. Das ist auf jeden<br />

Fall ein wichtiger Beitrag.<br />

Ich hatte diese düstere Seite<br />

des Konzerns tatsächlich einfach<br />

übersehen, vermutlich weil<br />

mein Recherchefokus auf der<br />

Person Melitta Bentz lag. Das<br />

Unternehmen wollte ich nur so<br />

nebenbei erwähnen, auch um<br />

das Ganze nicht zu einer Werbeseite<br />

verkommen zu lassen.<br />

Aber du hast Recht, da hätte<br />

ich besser aufpassen müssen.<br />

Hoffentlich gefällt dir der neue<br />

Beitrag besser.<br />

Lars<br />

mind magazin <strong>139</strong>/dezember 2020 | 37

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