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MinD-Mag 139

Die Dezember-Ausgabe der offiziellen Zeitschrift von Mensa in Deutschland e.V.

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DIE M VON NEBENAN<br />

Menschen hilfst, die Ähnliches<br />

erlebt haben. Das Thema<br />

Depressionen wird ja leider<br />

teilweise immer noch unter den<br />

Teppich gekehrt oder stigmatisiert.<br />

Das stimmt! Ich bin der festen<br />

Überzeugung, dass weit mehr<br />

Menschen eine solche Episode<br />

erleben, als man denkt. Ich hoffe,<br />

dass meine Geschichte auch<br />

Verständnis dafür schafft, wie<br />

krass eine Depression sein kann<br />

und dass es eine lange Zeit dauern<br />

kann, bis wieder ein „normales“<br />

Leben möglich ist. Vielleicht<br />

macht es den Betroffenen<br />

aber auch Mut, auf den eigenen<br />

Bauch zu hören. Mein Weg aus<br />

der Depression war letztendlich<br />

das, wovon mir alle abgeraten<br />

haben.<br />

Es ist ja beinahe wie in einem<br />

guten Hollywood-Streifen:<br />

Du hast in der letzten Saison<br />

dein Comeback gefeiert, hast<br />

bewiesen, dass du noch auf<br />

Weltcup-Niveau fahren kannst.<br />

Was meinst du, wann wirst<br />

du dich vom professionellen<br />

Snowboarden verabschieden?<br />

Eigentlich wollte ich letzte Saison<br />

herausfinden: Kann ich<br />

meine Karriere in Frieden beenden<br />

oder will ich es tatsächlich<br />

nochmal mit Olympia versuchen?<br />

Dann kam im März Corona<br />

dazwischen und im Sommer<br />

habe ich mich beim Skateboarden<br />

verletzt. Ich habe gerade<br />

eine größere Knie-Operation<br />

hinter mir und muss die nächsten<br />

Monate ohnehin pausieren.<br />

Ich kann mittlerweile das Verletzungsregister<br />

einer ganzen<br />

Fussballmannschaft vorweisen,<br />

das bin ich wirklich leid. Mit<br />

dem Snowboarden als Profession<br />

aufzuhören, ist also definitiv<br />

ein Thema, mit<br />

dem ich mich<br />

auseinandersetzen<br />

muss.<br />

Das Problem<br />

dabei ist,<br />

dass es für<br />

mich schon<br />

immer so viel<br />

mehr war als<br />

„nur“ ein Sport. Ich<br />

habe die letzten zwanzig<br />

Jahre mein persönliches Snowboard-Märchen<br />

gelebt, war an<br />

den schönsten Flecken, weitab<br />

von der normalen Welt. Früher<br />

habe ich viele Texte darüber<br />

geschrieben, über diese „Fairytale<br />

Reality“. Snowboarden ist<br />

meine größte Leidenschaft und<br />

Teil meiner Identität. Wenn das<br />

wegfällt, entsteht einfach wahnsinnig<br />

viel Platz, der erst mal<br />

wieder gefüllt werden muss.<br />

Hast du schon eine Idee,<br />

was Silvia Mittermüller<br />

2.0 machen könnte?<br />

Um ehrlich zu sein, überfordert<br />

es mich gerade, die nächste Version<br />

von mir selbst zu kreieren.<br />

Wenn ich mit dem Snowboarden<br />

aufhöre, stehe ich, streng<br />

genommen, vor dem Nichts,<br />

weil ich 110% in meinen Sport<br />

reingesteckt habe. Mit meiner<br />

Erfahrung wäre es natürlich naheliegend,<br />

als Trainerin zu arbeiten,<br />

das könnte ich mir generell<br />

auch vorstellen. Allerdings<br />

wird mir der deutsche Verband<br />

aufgrund unserer Vorgeschichte<br />

höchstwahrscheinlich kein<br />

Angebot machen. Es würde mir<br />

aber auch schwer fallen, mich<br />

in den existierenden Verbands-<br />

Strukturen wohl zu fühlen. Ein<br />

Trainerjob im Ausland könnte<br />

eine vorübergehende Option<br />

sein, aber keine<br />

langfristige<br />

Antwort auf<br />

„Silvia 2.0“.<br />

Auf der einen<br />

Seite<br />

habe ich<br />

das Bedürfnis<br />

nach etwas<br />

Neuem, möchte<br />

meinen Horizont erweitern.<br />

Ich würde gerne<br />

etwas Sinnvolles und Zukunftsträchtiges<br />

machen, etwas was<br />

unsere Welt in 10 bis 20 Jahren<br />

braucht. Darum lese ich gerade<br />

sehr viel und recherchiere.<br />

Auf der anderen Seite möchte<br />

ich aber auch auf den Erfahrungen<br />

und dem, was ich bisher<br />

in meinem Leben gemacht<br />

habe, aufbauen. Manchmal<br />

fühle ich mich davon überwältigt,<br />

eine Aufgabe zu finden, die<br />

das alles vereint. Letztendlich<br />

holt mich mein altes „Problem“<br />

wieder ein: Es fällt mir einfach<br />

wahnsinnig schwer, Entscheidungen<br />

zu treffen. Ist ja wohl<br />

einer der Klassiker bei Hochbegabten<br />

(lacht).<br />

Wer weiß, vielleicht ergibt<br />

sich ja aus diesem Interview etwas<br />

Neues!? Falls jemand diese<br />

Themen kennt, eventuell Vergleichbares<br />

erlebt hat und irgendwelche<br />

Ideen oder Inspirationen<br />

für mich hat – ich bin für<br />

alles dankbar und offen für jeden<br />

frischen Wind.<br />

Liebe Silvia, ganz herzlichen<br />

Dank, dass Du uns einen so<br />

ehrlichen Einblick gegeben hast!<br />

Die Fragen stellte<br />

Natalie Lehmann<br />

Foto: Solveig Wehking<br />

14 | mind magazin <strong>139</strong>/dezember 2020

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